European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00095.16Y.0524.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Das Rekursgericht verbot der Beklagten mit einstweiliger Verfügung im Kern im geschäftlichen Verkehr blickfangartig hervorgehoben zu bewerben, dass man bei ihr Möbel „schwarz kaufen“ könne und/oder 20 % Mehrwertsteuer auf ein Möbelstück der Wahl geschenkt erhalte, wenn der entsprechende Betrag nur in Form eines erst nachträglich einzulösenden Gutscheins gewährt wird, der nicht auf den Kaufpreis des vom Kunden gewählten Möbelstücks selbst, sondern erst für zukünftige Käufe anderer Waren einlösbar ist, wenn auf diese und/oder weitere Einschränkungen der Anrechenbarkeit des Mehrwertsteuergeschenks nicht ausreichend deutlich hingewiesen wird; und/oder wenn nicht ein Nachlass von 20 % des Verkaufspreises eingeräumt wird, sondern nur eine Ersparnis von maximal 16,67 % vom Bruttoverkaufspreis, ohne dass über diese geringere Höhe der Preisreduktion im Verhältnis zum blickfangartig herausgestrichenen angeblichen Vorteil eines Geschenks von 20 % hinreichend deutlich hingewiesen wird.
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagte, die die gänzliche Abweisung des Sicherungsbegehrens anstrebt, vermag in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.
1. Eine Verletzung tragender Grundsätze des Verfahrensrechts ist dem Rekursgericht nicht anzulasten.
Das vom klagenden Wettbewerbsschutzverband beantragte und vom Rekursgericht (von geringfügigen sprachlichen Anpassungen abgesehen) zur Gänze erlassene einstweilige Verbot, entweder oder bzw sowohl als auch mit der Möglichkeit eines „Schwarzkaufs“ und/oder einem 20%igen Mehrwertsteuergeschenk zu werben, ist jeweils an die alternativ oder kumulativ zu erfüllende Bedingung geknüpft, dass die Werbung nicht ausreichend deutlich darüber aufklärt, dass nicht ein sofortiger Preisnachlass, sondern ein erst nachträglich für weitere Käufe einlösbarer Gutschein und/oder ein nicht 20 % des Verkaufspreises, sondern lediglich 16,67 % vom Bruttoverkaufspreis betragender Nachlass gewährt wird. Der behauptete Widerspruch zwischen dem Spruch der einstweiligen Verfügung und ihrer Begründung ist daher nicht nachvollziehbar.
2. Zutreffend ist das Rekursgericht entsprechend dem allgemein gehaltenen und nicht auf bestimmte Werbemedien bezogenen Unterlassungsbegehren davon ausgegangen, dass das vom Kläger angestrebte Verbot schon dann berechtigt ist, wenn die beanstandete Werbung in einer ihrer Varianten in einem bestimmten von der Beklagten gewählten Medium unlauter war. Es kommt daher nicht darauf an, ob eine oder mehrere der von der Beklagten gewählten Gestaltungsvarianten in einem bestimmten von ihr zur Verbreitung gewählten Medium etwa wegen eines ausreichend deutlichen, den zunächst hervorgerufenen Irrtum aufklärenden Hinweises, nicht zu beanstanden wäre, wenn andere Varianten doch eine unlautere Geschäftspraktik bildeten. Um eine Umgehung eines Verbots nicht allzu leicht zu machen, ist nämlich ausgehend von einem konkreten Verstoß ein allgemein gefasstes Verbot zu erlassen (vgl RIS‑Justiz RS0037607, RS0037733), das von vornherein nicht einzelne von der Beklagten herangezogene Werbemedien ausschließt.
3. Der von der Beklagten behauptete Widerspruch zur Rechtsprechung zum Verkehrsverständnis des von der Werbung der Beklagten angesprochenen Verbrauchers besteht nicht.
Es ist auf den Grad der Aufmerksamkeit des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers abzustellen, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Aufmerksamkeitsgrad von der jeweiligen Situation, insbesondere von der Bedeutung der beworbenen Waren oder Dienstleistungen für den angesprochenen Verbraucher abhängt. Maßfigur für die lauterkeitsrechtliche Prüfung einer gegenüber von Verbrauchern angewendeten Geschäftspraktik ist ein angemessen gut unterrichteter und angemessen aufmerksamer und kritischer Durchschnittsverbraucher (4 Ob 69/08p mit weiteren Nachweisen; vgl RIS‑Justiz RS0114366 [T5]; RS0043590 [T48]).
Ob die konkret beanstandete Werbeaussage unter Berücksichtigung dieser Grundsätze zur Irreführung geeignet ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und geht in seiner Bedeutung regelmäßig nicht über diesen Einzelfall hinaus. Eine im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor. Es ist jedenfalls vertretbar, wenn das Rekursgericht angesichts der an ein breitestes Publikum gerichteten Werbung (Fernsehen, Hörfunk, Internet, auflagenstarke Tageszeitungen, Postwurfsendungen) und dem sehr breit gefächerten Warenangebot, das nicht nur teure Möbel und kostenaufwändige Einrichtungsgegenstände, sondern durchaus auch Spontankäufen zugängliche Klein‑ und Billigmöbel umfasst (siehe Beispielsgegenstand um 19,90 EUR) von einem angesprochenen Verbraucher ausgeht, der weder eine besondere Aufmerksamkeit, intensivere Vorbereitung und längere Zeit aufwendet und auch zahlreiche Personen umfasst, die weder wirtschaftliche Ausbildung noch solches Verständnis aufweisen. Diesen Verbrauchern ist etwa die Berechnung der Mehrwertsteuer und die sich daraus ergebenden Konsequenzen, wenn ein „steuerfreier“ oder „schwarzer“ Einkauf im Sinn eines Rabatts in Höhe der im Bruttoverkaufspreis enthaltenen Mehrwertsteuer angeboten wird, weitgehend fremd.
4. Die Ankündigung eines Geschenks von 20 % Mehrwertsteuer auf ein Möbelstück, insbesondere in der Form der Ankündigung „20 % Mehrwertsteuer geschenkt, auf ein Möbelstück ihrer Wahl“ legt das Verständnis nahe, dass bei Kauf eines Möbelstücks ein Rabatt in Höhe der im Bruttoverkaufspreis enthaltenen Mehrwertsteuer gewährt wird, und zwar im Zweifel sofort beim Ankauf. Es ist daher auch die rekursgerichtliche Beurteilung jedenfalls vertretbar, dass diese Ankündigung irreführend ist, wenn tatsächlich nicht ein Rabatt beim Ankauf des Möbelstücks, sondern ein erst bei einem weiteren Einkauf einlösbarer Gutschein über die „ersparte Mehrwertsteuer“ gewährt wird.
5. Ebenso wenig bildet es eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn die Aufklärung über den wahren Sachverhalt in einem Fernsehwerbespot bloß durch eine wenige Sekunden lange Einblendung am Ende des Spots sowie ein leicht zu übersehendes Sternchen bei der blickfangartigen Ankündigung (also ohne jede akustische Verdeutlichung) als ungenügend beurteilt wird. Ein aufklärender Hinweis kann eine Täuschung durch eine mehrdeutige Werbeaussage nur verhindern, wenn er von den angesprochenen Verkehrskreisen auch wahrgenommen wird. Das setzt im Regelfall gleiche Auffälligkeit voraus, wobei maßgebend ist, ob ein durchschnittlich informierter, verständiger Verbraucher den aufklärenden Hinweis wahrnimmt, wenn er mit der Werbeaussage konfrontiert wird (RIS‑Justiz RS0118488; vgl insbesondere zu einem Fernsehwerbespot: 4 Ob 220/12z; 4 Ob 68/13y).
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