European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00093.19H.0613.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 501,91 EUR (darin 83,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte ist der Trägerverein einer Fachhochschule. Er schloss mit dem Kläger im Jahr 2015 einen Ausbildungsvertrag über die Absolvierung eines sechssemestrigen Bachelor‑Studienganges „Green Building“ ab. Nach dessen Punkt 2 (Vertragsgrundlagen) sind unter den dort angeführten Normen und Regelwerken neben dem Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge (Fachhochschul-Studiengesetz – FHStG) und dem jeweiligen Studienplan auch die Studien- und Prüfungsordnung des Beklagten aufgezählt, zu deren Einhaltung sich der Kläger in Punkt 4.2.1 des Vertrags verpflichtete.
Von den jeweiligen Studiengangsleitern werden im Vorfeld Kriterien festgesetzt, welche erfüllt sein müssen, damit Studierende trotz Bewertung eines Faches mit „Nicht genügend“ das Studienjahr wiederholen können. Im vorliegenden Fall muss, wenn eines von vier Kernfächern negativ abgeschlossen wird, in den drei übrigen Kernfächern jeweils zumindest die Note „Befriedigend“ erreicht werden. Als Kernfächer wurden solche Fächer festgelegt, die aufbauend gelehrt werden und als Basis für das gesamte weitere Studium dienen. Ein Hinweis darauf, dass es Kernfächer gibt, deren Absolvierung mit zumindest der Note „Befriedigend“ erforderlich ist, erfolgt nicht, damit die Studierenden nicht taktieren und andere Fächer vernachlässigen. Bei Nichterfüllung dieser Kriterien ist es möglich, das Studienjahr dennoch zu wiederholen, wenn schwerwiegende Gründe (wie eine ernsthafte Erkrankung oder ein Pflegefall in der Familie) am Lernen hindern. Zu Beginn des Studiengangs werden die Studierenden durch den Studiengangsleiter darauf hingewiesen, dass die Wiederholung eines Studienjahres im Falle einer negativen Beurteilung in einem Fach nur ein Ausnahmefall sein kann und dass es dafür erforderlich ist, in den anderen Fächern zumindest eine durchschnittliche Bewertung zu haben.
Nach positivem Abschluss des ersten Semesters konnte der Kläger eine – die zweite Wiederholung bildende – kommissionelle Prüfung über eine Lehrveranstaltung aus dem zweiten Semester nicht positiv absolvieren, darüber hinaus erreichte er in drei weiteren Fächern lediglich die Benotung „Genügend“. Der Grund für den Abfall der Leistungen war, dass der Stoff nach dem ersten Semester komplexer wurde und der Kläger am Beginn einer von ihm angestrebten Beziehung stand, dadurch abgelenkt war und entsprechend weniger Zeit auf sein Studium verwendete.
Der Antrag des Klägers auf Wiederholung des Studienjahres wurde von der Studiengangsleitung abgelehnt. Der dagegen vom Kläger beim Kollegium der Fachhochschule eingebrachten Beschwerde wurde nicht stattgegeben, weil die Leistungen des Klägers in drei Kernfächern im Vergleich zum ersten Semester deutlich abgefallen und mit „Genügend“ benotet worden seien, woraus sich ergebe, dass er in zentralen Lehrveranstaltungen des Studiengangs kein Entwicklungspotenzial aufweise. Gegen diese Entscheidung ist kein weiterer fachhochschulinterner Instanzenzug möglich.
Der Kläger begehrte, den Beklagten zu verpflichten, ihn zur Wiederholung des ersten Studienjahres zum nächstmöglichen Termin zuzulassen. Aus § 18 Abs 4 FHStG ergebe sich ein bedingungsloser Rechtsanspruch auf Wiederholung des Studienjahres, den Organen des Beklagten stehe in dieser Frage kein Ermessen zu. Der Anspruch bestehe auch aufgrund des Ausbildungsvertrags, zumal die Studien- und Prüfungsordnung des Beklagten den § 18 Abs 4 FHStG nahezu wortgleich wiedergebe. Die Ermessensübung des Beklagten sei zudem sachlich unrichtig, weil mangelndes Entwicklungspotenzial kein tauglicher Ablehnungsgrund sei und eine solche Negativprognose aus dem bisherigen Studienerfolg auch nicht abgeleitet werden könne.
Der Beklagte wandte ein, nach einer negativen kommissionellen Prüfung über eine Lehrveranstaltung bestehe kein Rechtsanspruch auf Wiederholung eines Studienjahres. Die Studiengangsleitung besitze einen Ermessensspielraum dahin, ob einem Antrag auf Wiederholung ausnahmsweise stattgegeben oder dieser abgelehnt werde. Die Ablehnung des Klägers sei zu Recht erfolgt, weil seine Leistungen in vier zentralen (überdies aufbauenden) Lehrveranstaltungen im Vergleich zum ersten Semester deutlich abgefallen seien, ohne dass gesundheitliche oder sonstige private Gründe vorgelegen seien, aufgrund derer Studienleistungen nicht hätten erbracht werden können.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dem Ausbildungsvertrag sei kein Rechtsanspruch des Klägers auf Wiederholung des Studienjahres zu entnehmen, sondern lediglich ein Anspruch darauf, einen entsprechenden Antrag zu stellen, über den in weiterer Folge vom Beklagten entschieden werde. Die von diesem herangezogenen Kriterien zur Beurteilung, ob Studierende realistische Chancen hätten, ein Studienjahr erfolgreich zu wiederholen, seien angemessen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Aus dem Wortlaut von § 18 Abs 4 FHStG (einmalige Wiederholung eines Studienjahres) ergebe sich, dass kein Rechtsanspruch auf Wiederholung des Studienjahres bestehe, da diese Wiederholung lediglich als „möglich“ bezeichnet werde und von einem Antrag an die Studiengangsleitung abhänge, über den entschieden werden müsse. In § 18 Abs 1 und Abs 3 FHStG (Wiederholung von abschließenden Prüfungen von Lehrveranstaltungen) sei dagegen keine Antragstellung vorgesehen, und es seien andere Formulierungen, nämlich „kann“ im Gegensatz zu „möglich“, gewählt. Ohne Entscheidungskompetenz der Studiengangsleitung über einen Antrag nach § 18 Abs 4 FHStG würden deren Befugnisse nach § 10 Abs 5 Z 4 FHStG in studienrechtlichen Angelegenheiten gemäß §§ 11 bis 21 FHStG beschnitten. Nach den Materialien dürfe das Fachhochschulstudium nicht durch eine ausufernde Organisation, zu der auch großzügige Wiederholungsmöglichkeiten zählten, in die Länge gezogen werden. Die Auswahl der Kriterien für die Zulassung zur Wiederholung des Studienjahres obliege der Studiengangsleitung. Es sei nachvollziehbar, dass bei negativem Abschluss eines der Kernfächer die Absolvierung der Kernfächer zumindest mit „Befriedigend“ als notwendig erachtet werde, um Studierende zur Wiederholung des Studienjahres zuzulassen. Aus der Gewichtung der ECTS‑Anrechnungspunkte für einzelne Lehrveranstaltungen sei nichts für deren Wichtigkeit zu gewinnen, da diese gemäß § 3 Abs 2 Z 2 FHStG iVm § 51 Abs 2 Z 26 UniversitätsG 2002 abhängig vom Arbeitsaufwand und nicht nach der Wichtigkeit der Lehrveranstaltung zu vergeben seien.
Das Berufungsgericht bewertete den Streitgegenstand als 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob § 18 Abs 4 FHStG einen Rechtsanspruch auf Wiederholung des Studienjahres gewähre oder ob eine Entscheidung der Studiengangsleitung nach inhaltlicher Prüfung der Voraussetzungen für die Wiederholung des Studienjahres zu ergehen habe.
Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag auf Klagsstattgebung; hilfsweise wird die Aufhebung und Zurückverweisung beantragt.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Der Revisionswerber macht geltend, dem Kläger stehe ein unbedingtes Recht auf Wiederholung des Studienjahres unabhängig von einer (Prognose-)Entscheidung des Beklagten zu, zumal „beantragen und genehmigen“ nicht ausschließe, dass sich die Genehmigung auf eine formale Überprüfung des Antrags beziehe. Die Wortbedeutungen von „kann“ und „ist möglich“ (§ 18 Abs 1 und 3 bzw Abs 4 FHStG) seien im Kern ident. § 3 Abs 2 Z 4 FHStG über die Studieneffizienz richte sich an den Erhalter, seien jedoch für die Auslegung des § 18 Abs 4 FHStG nicht relevant. Dessen Vorgängerbestimmung habe eine „günstige Prognose“ vorgesehen, die nunmehr entfallen sei; der Gesetzgeber habe keine Kriterien für die Ermessensübung in Bezug auf die Wiederholung vorgesehen. Der Studiengangsleitung komme nach § 18 Abs 4 Satz 3 FHStG nur die Entscheidungsbefugnis zu, welche Prüfungen zu wiederholen wären. Auch nach dem Vertrag zwischen den Parteien habe der Kläger einen Anspruch auf Wiederholung des Studienjahres. In der Studien- und Prüfungsordnung gebe es keine Genehmigungskriterien. Nach § 915 ABGB sei der Vertrag so auszulegen, wie er für den Vertragspartner des Verwenders der unklaren Äußerung am besten sei. Die Prognoseentscheidung des Beklagten sei unsachlich und hätte der Einholung eines beantragten Sachverständigengutachtens bedurft.
Dazu wurde erwogen:
1. Parteien und Vorinstanzen gehen zutreffend davon aus, dass die hier in Rede stehende Entscheidung des Kollegiums der Fachhochschule über eine Beschwerde gegen eine Entscheidung der Studiengangsleitung in Studien-, insbesondere Prüfungsangelegenheiten als privatrechtliches Streitentscheidungsverfahren aus dem privatrechtlichen Ausbildungsverhältnis aufgrund des Ausbildungsvertrags aufzufassen ist; den gebotenen Rechtsschutz gewährleisten bei Streitigkeiten aus dem privatrechtlichen Ausbildungsverhältnis die ordentlichen Gerichte (VfGH B 572/2013 = VfSlg 19.823/2013; Guthan, Öffentliches Recht vs Privatrecht an Fachhochschulen: Rechtliche Rahmenbedingungen und politische Implikationen, zfhr 2015, 85 [86]; vgl 9 Ob 1/14h mwN).
2.1. Grundlage der Beurteilung ist daher der zwischen den Parteien geschlossene Ausbildungsvertrag, in dem unter anderem das Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge (Fachhochschul-Studiengesetz – FHStG, in der insb durch das Qualitätssicherungsrahmengesetz – QSRG, BGBl I 2011/74, geänderten Fassung seiner §§ 10 bis 23) und die Studien- und Prüfungsordnung des Beklagten als Vertragsgrundlagen vereinbart wurden. Die Studien- und Prüfungsordnung wurde vom Kläger vorgelegt, der Beklagte gestand deren Übereinstimmung mit dem Original sowie deren Richtigkeit ausdrücklich zu, sodass sie der Rechtsmittelentscheidung ohne Weiteres zugrunde zu legen ist (vgl RIS‑Justiz RS0121557 [insb T3]).
2.2. § 18 FHStG lautet:
Wiederholung von Prüfungen
§ 18. (1) Eine nicht bestandene abschließende Prüfung einer Lehrveranstaltung kann zweimal wiederholt werden, wobei die zweite Wiederholung als kommissionelle Prüfung durchzuführen ist, die mündlich oder schriftlich durchgeführt werden kann. In der Satzung können zusätzliche Wiederholungsmöglichkeiten vorgesehen werden.
(2) Ergibt die Summe der Leistungsbeurteilungen im Rahmen von Lehrveranstaltungen mit immanentem Prüfungscharakter eine negative Beurteilung, so ist den Studierenden eine angemessene Nachfrist zur Erbringung der geforderten Leistungsnachweise (1. Wiederholung) einzuräumen. Eine erneute negative Beurteilung dieser Leistungen bewirkt automatisch eine kommissionelle Prüfung (2. Wiederholung).
(3) Nicht bestandene kommissionelle Bachelorprüfungen sowie nicht bestandene kommissionelle Gesamtprüfungen in Fachhochschul-Master- oder Diplomstudiengängen können zweimal wiederholt werden. In der Satzung können zusätzliche Wiederholungsmöglichkeiten vorgesehen werden.
(4) Die einmalige Wiederholung eines Studienjahres in Folge einer negativ beurteilten kommissionellen Prüfung ist möglich. Eine Wiederholung ist bei der Studiengangsleitung zu beantragen. Nicht bestandene Prüfungen und die entsprechenden Lehrveranstaltungen sind im Zuge der Wiederholung des Studienjahres jedenfalls, bestandene Prüfungen und die entsprechenden Lehrveranstaltungen nur, sofern es der Zweck des Studiums erforderlich macht, zu wiederholen oder erneut zu besuchen.
(5) Für Studierende, die wegen der negativen Beurteilung bei der letzten zulässigen Wiederholung einer Prüfung vom Studiengang ausgeschlossen wurden, ist eine neuerliche Aufnahme in den selben Studiengang nicht möglich.
3.1. Gemäß § 10 Abs 5 Z 4 FHStG ist die Studiengangsleitung zur Entscheidung in studienrechtlichen Angelegenheiten nach §§ 11 bis 18 FHStG berufen; dem Kollegium der Fachhochschule obliegt nach § 10 Abs 3 Z 11 FHStG die Entscheidung über Beschwerden „gegenüber“ Entscheidungen der Studiengangsleitung.
3.2. Punkt 8 a) der Studien- und Prüfungsordnung (in dem auf den wortgleichen § 18 Abs 1 FHStG verwiesen wird) bestimmt, dass eine nicht bestandene abschließende Prüfung einer Lehrveranstaltung zwei Mal wiederholt werden kann, wobei die zweite Wiederholung als kommissionelle Prüfung durchzuführen ist, die mündlich und/oder schriftlich durchgeführt werden kann. In § 18 Abs 1 letzter Satz FHStG angesprochene zusätzliche Wiederholungsmöglichkeiten, die in der Satzung der Fachhochschule ermöglicht werden können, sind in der Studien- und Prüfungsordnung des Beklagten nicht vorgesehen.
Nach Punkt 10 a) der Studien- und Prüfungsordnung (der auf den nahezu wortgleichen § 18 Abs 4 FHStG verweist) ist eine einmalige Wiederholung eines Studienjahres in Folge einer negativ beurteilten kommissionellen Prüfung möglich. Eine Wiederholung ist bei der Studiengangs- bzw Lehrgangsleitung zu beantragen. Nicht bestandene Prüfungen und die entsprechenden Lehrveranstaltungen sind im Zuge der Wiederholung des Studienjahres jedenfalls, bestandene Prüfungen und die entsprechenden Lehrveranstaltungen nur, sofern es der Zweck des Studiums erforderlich macht, zu wiederholen oder erneut zu besuchen.
3.3. Da die vertragliche Regelung zwischen den Parteien den Gesetzestext übernimmt, ist im Zweifel davon auszugehen, dass der Vertrag Begriffe im gleichen Sinne verwendet wie das Gesetz; eine davon abweichende Absicht der Vertragsparteien müsste klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden (vgl RS0008761 [zu KV]). Hier hat sich daher die Interpretation des Ausbildungsvertrags an die Auslegung des FHStG anzulehnen.
4.1. Die Materialien zum QSRG (ErläutRV 1222 BlgNR 24. GP 5 und 29 ff) führen aus, es solle eine partielle Anpassung des FHStG an grundlegende Bestimmungen des UG 2002 vorgenommen und bei allen Erhaltern ein für den Studien- und Prüfungsbetrieb verantwortliches Kollegialorgan verpflichtend eingerichtet werden (ErläutRV 1). Das Aufnahmeverfahren sowie das Studien- und Prüfungswesen werde derzeit durch Akkreditierungsrichtlinien des Fachhochschulrates geregelt; es sei nunmehr „zweckmäßig, entsprechende Bestimmungen in das FHStG aufzunehmen“ (ErläutRV 5). Zu § 18 FHStG wird wörtlich ausgeführt (ErläutRV 34):
„Die Regelungen über die Wiederholung von Prüfungen im § 18 stehen unter der Zielsetzung eines sehr straff organisierten Fachhochschulstudiums zur Ermöglichung eines raschen Studienfortgangs. Eine nicht bestandene abschließende Prüfung einer Lehrveranstaltung kann zweimal wiederholt werden. Die zweite Wiederholung ist als kommissionelle Prüfung anzusetzen, die mündlich oder schriftlich durchgeführt werden kann. Wie auch in § 77 Abs 2 UG bestimmt, können in der Satzung zusätzliche Wiederholungsmöglichkeiten vorgesehen werden. [...] Eine negativ beurteilte kommissionelle Prüfung führt nach Abs 4 nicht sofort zum Ausschluss aus dem Studiengang. Studierende können eine einmalige Wiederholung eines Studienjahres in Folge einer negativen kommissionellen Prüfung bei der Studiengangsleitung beantragen. Nicht bestandene Prüfungen und die entsprechenden Lehrveranstaltungen sind jedenfalls zu wiederholen. Sofern es der Zweck des Studiums erforderlich macht, sind auch bestandene Prüfungen und die entsprechenden Lehrveranstaltungen zu wiederholen bzw erneut zu besuchen.“
4.2. Die Vorgängerbestimmung in § 7 Abs 9 der „Richtlinien des Fachhochschulrates für die Akkreditierung von Bakkalaureats-, Magister- und Diplomstudiengängen (Akkreditierungsrichtlinien, AR 2002)“ vom 25. 10. 2002 hatte gelautet:
„Die einmalige Wiederholung eines Studienjahres in Folge einer negativen kommissionellen Prüfung ist grundsätzlich möglich, sofern dies auf begründeten Antrag eines/einer Studierenden erfolgt und eine günstige Prognose der Studiengangsleitung vorliegt. Die Entscheidung über den Antrag des/der Studierenden liegt im Kompetenz- und Veranwortungsbereich der Studiengangsleitung.“
5. Zu § 18 Abs 4 FHStG in der aktuellen Fassung oder entsprechenden Satzungs- bzw Studien- und Prüfungsordnungsbestimmungen besteht keine Rechtsprechung.
6.1. Das BMWF hat zu § 18 Abs 4 FHStG eine Stellungnahme abgegeben (BMWF‑32.000/0007-I/11/2013, abgedruckt in N@HZ 2013, 64 f [mit krit Anm Hauser ]), wonach die Wortfolge „ist möglich“ nicht den Schluss auf ein Ermessen der Studiengangsleitung zulasse, weil im Gesetz entsprechende Bestimmungen fehlten und sich insbesondere kein Hinweis auf eine „positive Erfolgsprognose“ finde. Die Entscheidungskompetenz der Studiengangsleitung umfasse demnach nicht die Kompetenz, ein Wiederholungsjahr zu gewähren bzw nicht zu gewähren, sondern nur die Kompetenz, jene Prüfungen und Lehrveranstaltungen festzulegen, die die Studierenden im Wiederholungsjahr zu absolvieren und zu besuchen haben.
6.2. Dieselbe Meinung zu dieser „für die Akkreditierungen entscheidungsrelevanten“ Frage, wonach kein Ermessensspielraum der Fachhochschule vorliege, wird – ohne nähere Begründung – in einem an die Geschäftsführungen und Kollegiumsleitungen der Fachhochschulen gerichteten Schreiben der Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria vom 24. 3. 2015 (AZ I/2/2015) zum Ausdruck gebracht.
7. Im Schrifttum wird zu § 18 Abs 4 FHStG Folgendes vertreten:
7.1. Hauser (in N@HZ 2013, 65) kritisiert die BMWF‑Stellungnahme (oben Punkt 6.1.) dahin, diese übersehe die aus der Gesamtarchitektur des FHStG erfließende Dimension der „Studieneffizienz“, welche etwa durch den in § 3 Abs 2 Z 4 FHStG manifestierten Grundsatz zur Gewährleistung einer Studiengestaltung, die einen Abschluss „in der festgelegten Studienzeit“ ermöglichen solle, zum Ausdruck gebracht werde. Ein undifferenzierter Wiederholungsanspruch, der die individuelle Studienleistung völlig außer Betracht lasse, sei vor diesem Hintergrund problematisch. Überdies lege auch die Wortwahl in § 18 Abs 4 FHStG („ist möglich“) nahe, dass der Gesetzgeber keinen unbedingten Wiederholungsanspruch habe postulieren wollen. Für diese Sichtweise spreche auch die historische Vorläuferbestimmung in den AR 2002, die mit dem Erfordernis einer „günstigen Prognose“ von einer Ermessensentscheidung ausgegangen sei.
7.2. Brünner/Hauser (Wiederholung des Studienjahres gemäß § 18 Abs 4 FHStG als bedingtes Recht, in Hauser , Jahrbuch Hochschulrecht 2016, 305) sehen die Fachhochschule gemäß § 10 Abs 3 Z 10 FHStG dazu ermächtigt, die näheren Voraussetzungen für die Wiederholung eines Studienjahres in der Prüfungsordnung näher zu konkretisieren, wobei jedoch eine an sachlichen Kriterien ausgerichtete Gestaltung vorzunehmen sei. Aus der Formulierung „ist möglich“ folge, dass der Gesetzgeber keinen unbedingten bzw undifferenzierten Wiederholungsanspruch habe postulieren wollen. Aus der unterschiedlichen Diktion innerhalb des § 18 FHStG sei abzuleiten, dass der Gesetzgeber auch einen unterschiedlichen Gestaltungsinhalt habe vermitteln wollen: Die Wiederholungsmöglichkeiten gemäß Abs 1 und Abs 3 („kann“) seien jedenfalls und ohne weitere Voraussetzungen eingeräumt, während die Wiederholung des Studienjahres gemäß Abs 4 als Möglichkeit an das Vorliegen von weiteren Voraussetzungen geknüpft sei. Teleologisch komme der Ziel- und Grundsatzbestimmung des § 3 Abs 2 Z 4 FHStG eine besondere Bedeutung zu, wonach die Studiengestaltung einen Abschluss in der festgelegten Studienzeit ermöglichen solle. Mit diesem dem gesamten Fachhochschul-Wesen innewohnenden Prinzip der „Studieneffizienz“ lasse sich eine Wiederholung des gesamten Studienjahres nur vereinbaren, wenn die Zulassung zu eben dieser Wiederholung des gesamten Studienjahres an sachliche Kriterien geknüpft werde, die einen positiven (Studien‑)Abschluss zumindest als nicht völlig unwahrscheinlich erachten ließen. Auch die Vorläuferbestimmung (oben Pkt 4.2.) habe keinen unbedingten Rechtsanspruch eingeräumt, sondern eine Ermessensentscheidung vorgesehen (ebenso Hauser , FHStG 8 [2019] § 18 Rz 18 unter Verweis auf Brünner/Hauser ).
7.3. Für Seelmann (in Hauser/Schweighofer , FHStG [2017] § 18 Rz 34 ff) erschließt sich aus der Wortinterpretation alleine noch kein eindeutiges Ergebnis. Im Gesetz sei ein Antrag vorgesehen, was in der Verwaltungspraxis üblicherweise mit Prüfung und bescheidmäßiger Erledigung verbunden sei. Aus den Materialien zum QSRG (vgl oben Pkt 4.1.) und der Vorgängerbestimmung (vgl oben Pkt 4.2.) sei zu schließen, dem Gesetzgeber könne nicht zugesonnen werden, die Studiengangsleitung auf die Funktion eines bloßen administrativen Organs zur Antragsannahme reduziert zu haben. Aus der Zielsetzung eines straff organisierten Studiums folge, dass „zumindest die Vornahme einer Art Prognoseentscheidung“ als Mindestmaß an gebotener Einflussnahme anzusehen sei.
8.1. Ein kundgemachtes Gesetz ist aus sich selbst auszulegen. Andere Erkenntnisquellen über die Absicht des Gesetzgebers sind erst dann heranzuziehen, wenn die Ausdrucksweise des Gesetzgebers zweifelhaft ist (RS0008806). Die Auslegung beginnt mit der Wortinterpretation, worunter die Erforschung des Wortsinns, der Bedeutung eines Ausdrucks oder eines Gesetzes nach dem Sprachgebrauch zu verstehen ist (RS0008896). Bleibt nach Wortinterpretation und logischer Auslegung die Ausdrucksweise des Gesetzes dennoch zweifelhaft, dann ist die Absicht des Gesetzgebers zu erforschen. Dazu versucht man, den Sinn einer Bestimmung unter Bedachtnahme auf den Zweck der Regelung zu erfassen (objektiv‑teleologische Interpretation). Der Auslegende hat die gesetzgeberische Regelung und die darin zum Ausdruck kommenden Wertmaßstäbe des Gesetzgebers weiter und zu Ende zu denken (vgl RS0008836).
8.2. Die wörtliche Auslegung des Punkts 10 a) der Studien- und Prüfungsordnung im Lichte des § 18 Abs 4 FHStG ergibt zwar kein zwingendes Ergebnis, zumal dem Gesetz ausdrückliche Kriterien für eine Zulassung dem Gesetz nicht zu entnehmen sind. Die historische Interpretation lässt aber keinen Rückschluss darauf zu, dass der Gesetzgeber des QSRG mit den studien- und prüfungsrechtlichen Bestimmungen von den bis dahin geltenden Akkreditierungsrichtlinien abweichen wollte; vielmehr wollte er „entsprechende Bestimmungen“ nunmehr in Gesetzesform gießen. In systematischer Hinsicht ist (entgegen der Ansicht der Revision) die Zielsetzung eines straff organisierten Studiums sehr wohl auch für die Frage relevant, ob Studierenden, die wichtige Prüfungen in Kernfächern wiederholt nicht positiv absolvieren, die Weiterverfolgung des Studiums trotz mangelnden Erfolgs ermöglicht werden soll. Nicht überzeugend ist auch das Argument der Revision, dass der auffallend unterschiedlichen Diktion in § 18 FHStG (bzw den Punkten 8 und 10 der Studien- und Prüfungsordnung) betreffend die Prüfungswiederholungen („kann“) und die Wiederholung eines ganzen Studienjahres („ist möglich“ samt Bedingung eines Antrags an die Studiengangsleitung) keine Bedeutung zukommen sollte. Die Wiederholung eines gesamten Studienjahres ist zudem mit einem für den Beklagten höheren Aufwand verbunden als die Wiederholung bloß einzelner Prüfungen.
8.3. Zusammengefasst schließt sich daher der Senat den überzeugenden Darlegungen im zitierten Schrifttum an. Als Zwischenergebnis ist damit festzuhalten, dass § 18 Abs 4 FHStG und der gleichlautende Punkt 10 a) der Studien- und Prüfungsordnung des Beklagten keinen unbedingten, das Ermessen der Studiengangsleitung ausschließenden unbedingten Rechtsanspruch auf Wiederholung eines Studienjahres einräumen. Es bleibt damit zu überprüfen, ob die Ermessensausübung willkürlich oder unsachlich erfolgt ist.
9.1. § 1056 ABGB, wonach Käufer und Verkäufer die Festsetzung des Preises auch einer dritten bestimmten Person überlassen können, ist als Grundlage einer allgemeinen Regelung der Leistungsbestimmung durch einen Vertragspartner oder einen Dritten anzusehen (RS0020089); die Zulässigkeit der Leistungsbestimmung durch eine Vertragspartei ergibt sich aus der Privatautonomie (8 Ob 27/19g mwN). Ein solches Gestaltungsrecht schafft grundsätzlich zwischen den Parteien verbindliches Recht, sofern der Gestaltungsberechtigte nicht die ihm schon durch den Vertrag selbst gesetzten Grenzen überschreitet oder das Ergebnis offenbar unbillig ist (vgl RS0020010; RS0019994 [insb T4]). Derartige gravierende Fehler der Leistungsbestimmung führen nicht zu einer Unwirksamkeit der Abrede als solcher, sondern zu einer nachträglichen richterlichen Korrektur des fehlerhaften Ergebnisses (vgl RS0016832).
9.2. Im vorliegenden Fall hat das Kollegium des Beklagten den Leistungsabfall des Klägers in Kernfächern, das Nichtbestehen in einem davon und die unterdurchschnittliche Leistung in drei anderen als Kriterien herangezogen, die einer Ermöglichung der Wiederholung des Studienjahres entgegenstanden. Vor dem Hintergrund der feststehenden Ursachen des Leistungsabfalls (der zunehmend anspruchsvollere Stoff, dem der Kläger unter gleichzeitiger Hinwendung des Klägers zu einer Beziehung weniger Aufmerksamkeit schenkte) kann in dieser Entscheidung keine unsachliche Ermessensübung erkannt werden, die einer richterlichen Korrektur bedürfte. Dass eine rein formale Beurteilung nach (das durchschnittliche zeitliche Arbeitspensum messenden ECTS ‑ Anrechnungspunkten) zu denkbaren anderen Ergebnissen führen könnte, ändert daran nichts.
9.3. Dass die Organe des Beklagten nicht allein zu dieser Ermessensentscheidung berufen wären, ist den vertraglichen Vereinbarungen nicht zu entnehmen. Auch der Vorwurf eines sekundären Verfahrensmangels (es wurde kein Sachverständigengutachten aus dem Bauingenieurwesen zur Frage der Zukunftsprognose eingeholt) geht angesichts der Vertragslage ins Leere.
10.1. Nach Punkt 5.1.2 des Ausbildungsvertrags endet dieser automatisch durch die negative Beurteilung bzw die Nichtbeurteilung aufgrund unentschuldigten Fernbleibens von der letztmöglichen Prüfungswiederholung, außer im Falle einer beantragten und genehmigten Wiederholung des Studienjahres.
10.2. Da der Beklagte dem Antrag des Klägers auf Wiederholung des Studienjahres im Rahmen fehlerfrei ausgeübten Ermessens nicht Folge gegeben hat, ist der Ausbildungsvertrag zufolge der negativen Beurteilung der letztmöglichen Prüfungswiederholung automatisch aufgelöst.
10.3. Der geltend gemachte Anspruch auf Zulassung zur Wiederholung des Studienjahres besteht daher nicht. Die Abweisung der Klage durch die Vorinstanzen ist zu Recht erfolgt.
11. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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