Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
In dem beim Landesgericht Linz anhängig gewesenen Verfahren 1 Cg 35/96d war der nunmehrige Nichtigkeitskläger als Beklagter durch die Rechtsanwälte Dr. Bruno B***** und Dr. Georg L*****, denen er Prozessvollmacht erteilt hatte, vertreten. Im Verfahren erster Instanz fand am 4. 7. 1996 die einzige mündliche Streitverhandlung statt, in der für den nunmehrigen Nichtigkeitskläger ein Substitut seiner Rechtsvertreter einschritt. Mit Urteil vom 14. 8. 1996 wurde der Nichtigkeitskläger zur Zahlung von 120.082,40 S sA verpflichtet. Auch in der mündlichen Berufungsverhandlung am 21. 5. 1997 erschien für den Nichtigkeitskläger ein Substitut seiner Rechtsvertreter. Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht verwarf mit Entscheidung vom 21. 5. 1997 die Nichtigkeitsberufung des Nichtigkeitsklägers und gab seiner Berufung nicht Folge.
Am 30. 12. 1999 brachte der Nichtigkeitskläger eine auf § 529 Abs 1 Z 2 ZPO gestützte Nichtigkeitsklage beim nach § 532 Abs 1 ZPO zuständigen Oberlandesgericht Linz mit dem wesentlichen Vorbringen ein, der von ihm bevollmächtigte Rechtsanwalt Dr. Georg L***** sei - wie er am 2. 12. 1999 erstmals erfahren habe - schon 1996 berufsunfähig gewesen.
Das Oberlandesgericht Linz wies die Nichtigkeitsklage als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet (§ 538 Abs 1 ZPO) zurück. Der Bruch des Anwaltszwangs sei nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung kein Nichtigkeitsgrund, umso weniger ein Nichtigkeitsklagegrund. Gemäß § 1018 ABGB wäre sogar die Vertretung durch einen Geschäftsunfähigen wirksam; vollkommene Geschäftsunfähigkeit seines Anwalts habe der Nichtigkeitskläger nicht einmal behauptet. Auch sei der Nichtigkeitskläger im Vorprozess von zwei Anwälten vertreten gewesen; bei Ausfall eines der beiden Prozessbevollmächtigten verbleibe immer noch die rechtswirksame Vertretungsbefugnis des anderen. Im Verfahren habe keine gesetzliche Möglichkeit bestanden, die Berufsfähigkeit des bevollmächtigten Anwalts zu prüfen; die Vorschrift des § 6a ZPO gelte nur für Prozessparteien.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs des Klägers ist zulässig (SZ 67/234), aber nicht berechtigt.
Der Rechtsmittelwerber vertritt die Auffassung, das Prozessgericht sei im Rahmen seiner Prozessleitungsbefugnis ermächtigt, Anregungen zur Überprüfung der Geschäftsfähigkeit eines Rechtsvertreters an die zuständige Standesvertretung weiterzuleiten. Die vom berufsunfähigen Anwalt gemachten Verfahrensschritte seien auch durch das Einschreiten geschäftsfähiger Vertreter nicht saniert worden. Diese Ausführungen sind nicht zielführend.
Gemäß § 529 Abs 1 Z 2 ZPO kann eine rechtskräftige Entscheidung, durch welche eine Sache erledigt ist, durch Nichtigkeitsklage angefochten werden, wenn eine Partei in dem Verfahren gar nicht, oder falls sie eines gesetzlichen Vertreters bedarf, nicht durch einen solchen vertreten war, sofern die Prozessführung nicht nachträglich ordnungsgemäß genehmigt wurde. Die Bestimmung entspricht wörtlich dem § 477 Abs 1 Z 5 ZPO. Dieser Nichtigkeitstatbestand wäre selbst dann nicht zu bejahen, wenn man das Vorbringen des Nichtigkeitsklägers als zutreffend unterstellte. In diesem Fall läge nämlich bloß eine Verletzung der Anwaltspflicht (§ 27 Abs 1 ZPO) durch den Nichtigkeitskläger vor. Eine Verletzung der Anwaltspflicht - also ein Verstoß gegen eine vorgeschriebene gewillkürte Vertretung - bedeutet aber, wie das Oberlandesgericht Linz zutreffend erkannt hat, keinen Verstoß gegen die gesetzliche Vertretung (Fasching IV 132; derselbe LB**2 Rz 438 und 1759). In einem solchen Fall ist aber auch die Partei nicht "gar nicht vertreten". Soweit Fürstl (Die neuen österreichischen Civilproceßgesetze 715) und Neumann (Kommentar4 II 1297) die Verletzung der Vorschriften über den "Anwaltszwang" (seit der WGN 1989: "Anwaltspflicht") dem Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 5 ZPO unterstellt haben, blieben sie dafür jede Begründung schuldig. Zutreffend wies schon Sperl (Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege I 701) darauf hin, dass das österreichische Gesetz mit seiner Wendung "gar nicht vertreten" den Bruch des Anwaltszwangs nicht als Nichtigkeitsgrund ansieht. Dem sind die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (JBl 1959, 421; EFSlg 49.352; EFSlg 57.784; SZ 66/97; EvBl 1999/32, zuletzt 1 Ob 291/99x) und das neuere Schrifttum gefolgt (Fasching aaO; Kodek in Rechberger, ZPO**2 Rz 8 zu § 477). Der Verstoß gegen die Anwaltspflicht bewirkt also - wie Fasching (LB**2 Rz 1759) formuliert - "höchstens (gemeint: bei Relevanz) einen Verfahrensmangel." Dem Rekurs war deshalb ein Erfolg zu versagen.
Eine Kostenentscheidung entfiel, weil der Rechtsmittelwerber keine Kosten verzeichnet hat.
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