OGH 4Ob67/03m

OGH4Ob67/03m24.6.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** Inc., *****, vertreten durch Dr. Lothar Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei "F*****“ ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Siegfried Dillersberger und Dr. Helmut Atzl, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen Unterlassung (Streitwert im Sicherungsverfahren 35.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 11. Februar 2003, GZ 2 R 12/03m-11, womit der Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 4. Dezember 2002, GZ 8 Cg 245/02h-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionskurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Beklagte mit Unternehmenssitz in Tirol erzeugt und vertreibt unter der Wort-Bild-Marke "F*****" weltweit Entfeuchtungs-, Trocknungs- und Kühlungsgeräte; sie hat für manche Länder Dritten exklusive Vertretungsrechte für ihre Produkte eingeräumt. Die Klägerin hat ihren Sitz in den USA und ist auf Grund einer schriftlichen Vereinbarung vom 22. 6. 1999 berechtigt, die Wort-Bild-Marke der Beklagten im Geschäftsverkehr zu verwenden.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung bis zur rechtskräftigen Erledigung der Klage über den Hauptanspruch zu verbieten, das Exklusivvertriebsrecht der Klägerin für Amerika betreffend Produkte der Beklagten zu beeinträchtigen, insbesondere selbst eine neue Verkaufsniederlassung in Amerika zu gründen, Kunden in Amerika direkt, insbesondere unter Umgehung der Klägerin, zu beliefern, Vertriebspartner und Kunden der Klägerin abzuwerben und/oder zum Abschluss von Verträgen direkt mit der Beklagten bzw über eine andere amerikanische Niederlassung zu veranlassen. Zwischen den Streitteilen sei am 1. 7. 1997 vereinbart worden, dass die Klägerin im Außenverhältnis als Niederlassung der Beklagten, im Innenverhältnis als deren exklusiver Vertriebspartner für Amerika zu führen sei. Zum ursprünglich beabsichtigten Abschluss eines gesonderten Vertretungsvertrags sei es nicht gekommen. Nunmehr greife die Beklagte in das ausschließliche Vertriebsrecht der Klägerin ein, indem sie Direktverkäufe an amerikanische Kunden durchführe und zwecks Gründung einer Verkaufsfiliale in den USA aktiv werde.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Sie habe der Klägerin kein ausschließliches Vertriebsrecht eingeräumt. Die Klägerin vertreibe auch Konkurrenzprodukte zu den Produkten der Beklagten, was sie im Falle der von ihr behaupteten Rechte nicht dürfte. Die Klägerin kaufe Waren von der Beklagten an und verkaufe sie mit Gewinn in den USA weiter; sie beziehe von der Beklagten keine Kommissionsware, erhalte von ihr keine Provisionen und stehe in keinem Handelsvertreterverhältnis zu ihr.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag, den es (der Formulierung seiner Entscheidung nach) nur auf die USA bezog, ab, ohne eine von der Klägerin geführte Auskunftsperson zu vernehmen. Die von den Streitteilen vertriebenen Waren kämen aus Österreich, die Beklagte habe ihren Sitz in Tirol, von dort würden auch die beanstandeten Störungshandlungen gesteuert, was insgesamt als hinreichende Inlandsbeziehung zu beurteilen sei und inländische Gerichtsbarkeit begründe. Die Klägerin habe nicht bescheinigt, dass ihr ein ausschließliches Vertriebsrecht eingeräumt worden sei; es fehle ihr daher die aktive Klagelegitimation.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs infolge einheitlicher höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Notwendigkeit der Bescheinigung ausländischen Rechts im Sicherungsverfahren nicht zulässig sei. Als von den Aktivitäten der Beklagten wirkungsbetroffener Markt iSd § 48 IPRG komme ausschließlich jener der USA in Betracht; die geltend gemachten Ansprüche seien daher nach dem Recht der USA zu beurteilen. Sei ein Anspruch nach ausländischem Recht zu beurteilen, so müssten aber nicht nur dessen tatsächliche Voraussetzungen, sondern auch dessen rechtliche Grundlagen bescheinigt werden. Die Klägerin habe eine rechtliche Grundlage ihres Anspruchs im amerikanischen Wettbewerbsrecht nicht bescheinigt, weshalb der Sicherungsantrag schon aus diesem Grund unberechtigt sei, ohne dass es der Vernehmung von Auskunftspersonen zur behaupteten Vereinbarung bedurft habe. Dem Vorbringen lasse sich auch nicht entnehmen, auf welchen anderen Markt als jenen der USA sich die Aktivitäten der Beklagten auswirken könnten, weshalb die Klägerin durch die Auslegung des Erstgerichts, der Antrag beziehe sich ausschließlich auf das Gebiet der USA, nicht beschwert sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen und diese unrichtig ausgelegt hat; das Rechtsmittel ist auch berechtigt im Sinne seines Aufhebungsantrags.

Die Klägerin verweist auf § 4 IPRG, wonach fremdes Recht von Amts wegen zu ermitteln sei; dieser Grundsatz gelte auch im Sicherungsverfahren. Eine Bescheinigung ausländischen Rechts im Sicherungsverfahren werde nur in der älteren Rechtsprechung verlangt. Dem ist zuzustimmen.

Gem § 4 Abs 1 IPRG ist das fremde Recht von Amts wegen zu ermitteln. Kann das fremde Recht trotz eingehendem Bemühen innerhalb angemessener Frist nicht ermittelt werden, so ist das österreichische Recht anzuwenden (§ 4 Abs 2 IPRG).

Zur von der Klägerin aufgeworfenen Frage der Behauptungs- und Bescheinigungslast im Provisorialverfahren bei Bezug auf ausländisches (Wettbewerbs-)Recht vertritt der erkennende Senat in seiner jüngeren Rechtsprechung (ZfRV 1999, 229 = GRURInt 2000, 453 = ÖBl 1999, 278 - Sachers Kaffee Wien; wbl 2000, 139 = GRUR Int 2000, 1025 = ÖBl 2000, 168 - Tiroler Loden), der sich auch der erste Senat angeschlossen hat (1 Ob 16/01m = ÖBA 2002, 316), folgenden Standpunkt:

Unterliegt der zu sichernde Anspruch ausländischem Recht, so erfordert die Ermittlung der massgeblichen Rechtsnormen oft einen Zeitaufwand, der die im Sicherungsverfahren gebotene rasche Entscheidung ausschließt. Ist auch das anwendbare fremde Recht nicht als Anspruchsgrundlage zu beurteilen, die der Kläger gemäß § 389 Abs 1 EO zu bescheinigen hat, muss doch der Kläger den anspruchsbegründenden Sachverhalt im einzelnen wahrheitsgemäß darlegen und bescheinigen. Ist ein fremdes Recht anzuwenden, so muss er sich vor Einbringung seines Sicherungsantrags Klarheit darüber verschaffen, welche Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein müssen, damit der geltend gemachte Anspruch begründet ist. Der Kläger wird daher im Regelfall nicht unzumutbar belastet, wenn er bereits mit dem Sicherungsantrag auch das anwendbare Recht darlegt; es liegt in seinem Interesse, nicht eine gemäß § 4 Abs 1 IPRG zulässige Aufforderung durch das Gericht abzuwarten, sondern von sich aus tätig zu werden. Erbringt der Kläger die notwendigen Bescheinigungen nicht, so hat das Gericht das fremde Recht von Amts wegen zu ermitteln, sofern dies ohne weitwendige Nachforschungen und innerhalb eines dem Zweck des Sicherungsverfahrens angemessenen und damit kurzen Zeitraums möglich ist. Gelingt es dem Gericht nicht, das fremde Recht zu ermitteln, so ist gemäß § 4 Abs 2 IPRG österreichisches Recht anzuwenden. Die Sicherung eines fremdem Recht unterliegenden Unterlassungsanspruchs nach österreichischem Recht ist allerdings nur sinnvoll, wenn anzunehmen ist, dass es auch im Hauptverfahren nicht möglich sein werde, das fremde Recht zu ermitteln, oder wenn es naheliegend erscheint, dass der geltend gemachte Anspruch auch nach dem fremden Recht berechtigt sein wird. In den verbleibenden Fällen wird ein Anspruch nach österreichischem Recht gesichert, von dem es ungewiss ist, ob er nach dem anwendbaren Recht überhaupt besteht. Das unterstreicht die Bedeutung, die der Mitwirkung des Klägers bei der Ermittlung des anwendbaren Rechts zukommt, setzt ihn doch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung der Gefahr aus, nach § 394 EO ersatzpflichtig zu werden (so auch Kodek in Angst, EO § 389 Rz 27).

Wenn der für die Ermittlung des ausländischen Rechts erforderliche Zeitaufwand den zu sichernden Anspruch vereitelt, hat jedenfalls für das Provisorialverfahren österreichisches Recht vorrangig zur Anwendung zu kommen (SZ 61/39; ZfRV 1998, 158 = EFSlg 87.847; ÖBA 2002, 316).

Das klagende Unternehmen mit Sitz in den USA leitet den zu sichernden Anspruch auf Unterlassung der Beeinträchtigung ihres Exklusivvertriebsrechts für "Amerika" betreffend Produkte der Beklagten aus der behaupteten Verletzung einer zwischen den Streitteilen dem Vorbringen nach bestehenden Exklusiv-Vertriebsvereinbarung ab. Der behauptete Vertragsabschluss liegt vor dem Inkrafttreten des EVÜ am 1. 12. 1998; beim Alleinvertriebsvertrag ist somit an das Recht des betroffenen Marktes anzuknüpfen, das regelmäßig mit dem Recht am Sitz des Alleinvertriebsberechtigten zusammenfallen wird (Schwimann in Rummel, ABGB² § 36 IPRG Rz 2 mwN). Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb sind gem § 48 Abs 2 IPRG nach dem Sachrecht jener amerikanischen Länder zu beurteilen, auf deren Markt sich die behauptete Vertragsverletzung auswirkt. Anhaltspunkte dafür, dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach der (den) anzuwendenden Rechtsordnung(-en) nicht berechtigt sein werde, sind nicht zu erkennen, entspricht es doch allgemeinen Grundsätzen, dass eine Vertragspartei gegenüber der anderen - dem Vertrag zuwiderhandelnden - Vertragspartei mittels Unterlassungsansprüchen vorgehen kann.

Wenn das Rekursgericht unter diesen Umständen das Vorbringen des klagenden Unternehmens als nicht ausreichend beurteilt hat, um daraus Rückschlüsse darauf ziehen zu können, ob das Unterlassungsgebot berechtigt ist, und die Sicherung des fremdem Recht unterliegenden Anspruchs auch nach österreichischem Recht nicht weiter geprüft hat, ist es von den aufgezeigten Grundsätzen höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen. Auch hat es den im Rekurs aufgezeigten Verfahrensmangel erster Instanz (Unterlassung der Einvernahme der beantragten Auskunftsperson) infolge einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht wahrgenommen; in diesem Fall liegt ein Feststellungsmangel vor, der nach ständiger Rechtsprechung mit Rechtsrüge auch in dritter Instanz geltend gemacht werden kann (Kodek in Rechberger, ZPO² § 503 Rz 3 mwN).

Dem Revisionsrekurs ist im Sinne seines Aufhebungsantrags Folge zu geben.

Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren nach Anhörung der beantragten Auskunftspersonen zunächst nach den zuvor ausgeführten Grundsätzen zu beurteilen haben, ob Vertragsverletzungen - wie behauptet - drohend bevorstehen, auf welchem Markt/welchen Märkten sie sich auswirken können (im verfahrenseinleitenden Schriftsatz werden in diesem Zusammenhang Kanada, die Vereinigten Staaten und Mexiko genannt) und ob die danach berufenen Rechtsordnungen für die allenfalls bescheinigten Rechtsverletzungen vorbeugende Unterlassungsklagen gewähren. Im Fall einer nur teilweisen Stattgebung kann es allenfalls auch geboten sein, den Spruch nach den betroffenen Ländern/Bundesstaaten unterschiedlich zu fassen. Sollte das maßgebliche ausländische Recht des betroffenen Markts/der betroffenen Märkte nicht in angemessener Zeit zu ermitteln sein, wird über den Sicherungsantrag nach österreichischem Recht zu entscheiden sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.

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