Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die drei Söhne Bernd (geb. am 3. August 1974), Markus (geb. am 28. Mai 1978) und Hannes (geb. am 4. Mai 1982) entstammen der Ehe der Elisabeth B*** mit Walter B***. Diese wohnten nach ihrer Eheschließung zunächst im Haus der Eltern des Mannes in Dornbirn, Eisplatzgasse 38, wo ihnen ein Zimmer zur Verfügung stand. Ab 1974 begannen sie mit der Errichtung eines Einfamilienhauses auf einer Liegenschaft in Dornbirn, Kehlerstraße 78, die der Frau von ihren Eltern geschenkt worden war. 1976 übertrug die Frau einen Hälfteanteil an dieser Liegenschaft schenkungsweise an den Mann. Das Ehepaar zog im Dezember 1976 in die Ehewohnung im Obergeschoß des neu errichteten Hauses ein, führte dort allerdings erst ab 1978 einen eigenen Haushalt. Die Ehe wurde am 2. Mai 1985 rechtskräftig aus dem Verschulden der Frau unter Ausspruch einer Mitschuld des Mannes geschieden.
Auf Grund widerstreitender Anträge der Eltern (ON 1 und 5) übertrug das Erstgericht mit Beschluß vom 3. Juli 1985 (ON 9), bestätigt mit Beschluß des Rekursgerichtes vom 2. August 1985 (ON 17), die elterlichen Rechte und Pflichten im Sinne des § 144 ABGB hinsichtlich der drei Söhne zunächst vorläufig und dann mit Beschluß vom 23. Juli 1986 (ON 53), bestätigt durch Beschluß des Rekursgerichtes vom 13. August 1986 (ON 56), endgültig der Mutter. Ungeachtet der vorläufigen Sorgerechtszuteilung brachte der Vater die beiden Söhne Bernd und Hannes zu Weihnachten 1985 und den Sohn Markus ab Juni 1986 in den Haushalt seiner Eltern. Er konnte nicht dazu bewogen werden, die Kinder der Mutter zurückzugeben. Die vom Erstgericht angeordnete zwangsweise Kindesabnahme (ON 27) scheiterte am 15. Jänner 1986 an der Weigerung des Sohnes Bernd. Der Vater hatte zuvor gegenüber der mit Gendarmerieassistenz einschreitenden Fürsorgerin erklärt, er werde Bernd nur mitgehen lassen, wenn dieser das auch wirklich wolle; wenn nicht, so müsse man ihn vorher verhaften. Zudem würde er die Kinder sowieso gleich wieder von zu Hause holen (ON 33). Auch die zweimalige Verhängung von Ordnungsstrafen über den Vater (ON 36 und 53) blieb ergebnislos. Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 7. April 1986 wurde der Vater zwar von der wider ihn erhobenen Anklage des Vergehens der Entziehung eines Minderjährigen aus der Macht des Erziehungsberechtigten gemäß § 195 StGB freigesprochen, zugleich aber des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB für schuldig erkannt, weil er die Mutter durch Tätlichkeiten am 9. Oktober 1985 fahrlässig und am 22. Oktober 1985 vorsätzlich leicht verletzt hatte.
Am 27. März 1987 beantragte der Vater, ihm das Sorgerecht für die drei Kinder zu übertragen. Diesem Antrag gab das Erstgericht mit Beschluß vom 11. November 1987 statt (ON 72). In Abänderung dieses Beschlusses wies das Rekursgericht mit Beschluß vom 22. Jänner 1988 (ON 76) den Antrag des Vaters auf Übertragung des Sorgerechtes an ihn ab. Dem dagegen vom Vater erhobenen Revisionsrekurs gab der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 15. März 1988, 4 Ob 523/88, nicht Folge (ON 79). Damals war im wesentlichen folgender Sachverhalt zur Beurteilung gestanden:
Die Eltern der Kinder wohnten nach wie vor in dem ihnen je zur Hälfte gehörenden Einfamilienhaus in Dornbirn, Kehlerstraße 78; die Mutter benützte im wesentlichen die bisherige Ehewohnung im Obergeschoß, der Vater das Kellergeschoß. In dem zu F 13/85 des Bezirksgerichtes Dornbirn anhängigen nachehelichen Aufteilungsverfahren wurde mit Beschluß vom 18. Juli 1987 der Hälfteanteil des Vaters an der Hausliegenschaft der Mutter übertragen. Diese Eigentumszuweisung ist mit Beschluß des Rekursgerichtes vom 8. Oktober 1987 bestätigt worden und in Rechtskraft erwachsen.
Das älteste und das jüngste Kind waren seit Weihnachten 1985 vollständig bei den väterlichen Großeltern untergebracht; auf den Sohn Markus traf dies seit Juni 1986 zu. Zwischen den Kindern und ihren väterlichen Großeltern - die beide geistig und körperlich durchaus geeignet waren, sich um die Kinder zu kümmern - bestand schon immer bestes Einvernehmen, zumal der älteste Sohn Bernd schon während der Zeit der Berufstätigkeit der Mutter bis zur Geburt seines Bruders Markus im Mai 1978 bei der väterlichen Großmutter aufgewachsen war. Den Kindern stand in der Wohnung der väterlichen Großeltern gemeinsam ein Kinderzimmer zur Verfügung, in dem die beiden jüngeren Brüder Markus und Hannes in einem Stockbett und der ältere Bernd in einem Einzelbett schliefen. Der Vater nahm mit den Kindern bei seinen Eltern die Mahlzeiten ein. Er übte seit 1980 den Beruf eines selbständigen Raumausstatters aus und nahm die Kinder - wenn sie nicht gerade den Kindergarten oder die Schule besuchten - auch auf die Baustellen mit. Am Wochenende machte er mit ihnen Ausflüge oder er betrieb mit ihnen Sport.
Der Kontakt der Kinder zu ihrer Mutter ist zunehmend geringer geworden. Sie erkannte die schwierige Situation der Kinder und versuchte, sie möglichst aus der Auseinandersetzung um die Sorgerechte herauszuhalten. Die von der Mutter bewohnte ehemalige Ehewohnung im Obergeschoß des Hauses in Dornbirn, Kehlerstraße 78, bestand aus Küche, Eßzimmer, Wohnzimmer und drei Schlafzimmern. Die Mutter war als geprüfte Skilehrwartin verpflichtet, jährlich mindestens eine Woche Skikurse abzuhalten. Dieser Verpflichtung ist sie in den letzten zwölf Jahren auch immer nachgekommen, wobei sie fallweise in der Wintersaison noch für eine weitere Woche im Rahmen des Skivereins Dornbirn außer Landes auf Skikursen bzw. auf Skiurlaub war. In diesen Zeiten betreuten die väterlichen Großeltern die Kinder; bei kürzerer Abwesenheit der Mutter (etwa halbtags) wurden die Kinder auch von den im Hause Kehlerstraße 76 wohnhaften mütterlichen Großeltern betreut.
Die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn hat in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 4. August 1987 die Übertragung der elterlichen Rechte und Pflichten an den Vater nicht befürwortet. Zwar habe sie den Eindruck gewonnen, daß die väterliche Großmutter trotz ihrer 60 Jahre die drei Buben gut versorge und alles tue, damit sich diese wohl fühlten, doch wüchsen die drei Kinder in einer sehr unguten Atmosphäre auf. Der Vater sei einerseits sehr streng mit ihnen und lasse ihnen wenig freien Raum, verwöhne sie aber andererseits in materiellen Dingen; dabei lasse er sie immer wissen, daß die Mutter nicht so viel Geld habe und ihnen Sachen, wie zB eine Flugreise, nicht bieten könne. Der Vater wolle unter allen Umständen, daß ihm die Kinder zugesprochen werden. Diese mögen ihn und seine Familie auch; ebenso hingen sie an ihrer Mutter, über die sie aber nur Negatives hörten und die keine Gelegenheit habe, gegenüber ihren Kindern die Anschuldigungen zu entkräften. Zudem würden die Kinder mit welchselnden Freundinnen des Vaters konfrontiert und müßten sich so immer auf neue Personen einstellen, mit denen sie ihre Freizeit verbringen; sie erhielten auf diese Weise nur das verzerrte Bild einer Partnerschaft. Bernd und Markus hätten bei getrennten Gesprächen erklärt, daß sie gerne wieder in ihrem Elternhaus leben würden. Während Bernd angegeben habe, nicht mehr an seine Mutter zu denken und auch nicht mehr zu ihr zurück zu wollen, würde Markus gerne wieder zu seiner Mutter ziehen - allerdings nur zusammen mit seinen Brüdern. Eine gewisse Entfremdung - verstärkt noch durch negative Äußerungen des Vaters über die Mutter - sei im Hinblick darauf, daß die Kinder zum Teil schon eineinhalb Jahre von ihr getrennt lebten, natürlich; es sei aber anzunehmen, daß sie sich nach einer gewissen Eingewöhnungszeit bei ihr wieder wohl fühlten. Sie würden dort in einer ruhigeren und ausgeglichenen Umgebung aufwachsen und auch lernen, andere Meinung zu akzeptieren. Bei ihrer Anhörung am 21. August 1987 sprachen sich der damals bereits 13-jährige Bernd und der damals 9-jährige Markus im wesentlichen für einen Verbleib beim Vater aus.
Nach Zustellung der bestätigenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofes am 4. Mai 1988 trat zunächst keine Änderung des faktischen Zustandes ein. Die Mutter beantragte am 19. Juli 1988 beim Erstgericht, es möge auf den Vater dahingehend einwirken, daß sie die Kinder wenigstens ab und zu zu sich nehmen könne (ON 80). Sie nahm weiterhin davon Abstand, das ihr zuerkannte Sorgerecht mit Gewalt durchzusetzen (ON 82 S 325).
Am 9. September 1988 stellte der Vater neuerlich den Antrag, ihm das Sorgerecht für die drei Kinder zu übertragen. Diese befänden sich nach wie vor bei ihm und er habe ihnen durch den zwischenzeitig am 9. Juni 1988 erfolgten Ankauf eines Wohnhauses ein neues Heim geschenkt. Die Kinder fühlten sich dort sehr wohl, und es sei ihr Wunsch, bei ihm zu verbleiben (ON 81).
Die Mutter sprach sich gegen diesen Antrag aus. Trotz ihrer Bemühungen unterbinde der Vater weiterhin jeglichen Kontakt zwischen ihr und den Kindern. Obwohl das Sorgerecht letztendlich ihr zuerkannt worden sei, habe sie bislang nicht einmal die Chance gehabt, für die Kinder zu sorgen. Sie sei zwar derzeit wieder ganztägig beschäftigt, sei aber dazu bereit, die berufliche Tätigkeit auf die Schulzeiten der Kinder zu beschränken, wenn diese wieder zu ihr kommen sollten. Darüber hinaus könnten auch ihre benachbarten Eltern während der Zeiten ihrer Abwesenheit auf die Kinder achtgeben (ON 82).
Mit Beschluß vom 28. Juni 1989 wies das Erstgericht den väterlichen Antrag auf Übertragung des Sorgerechtes an ihn ab. Es legte seiner Entscheidung die eingangs geschilderte Entwicklung der Sachlage und darüber hinaus noch folgende Tatsachenfeststellungen zugrunde:
Der Vater hat am 9. Juni 1988 ein Wohnhaus in Dornbirn, Eisengasse 23, erworben, in dem er nunmehr mit seiner Lebensgefährtin Ingrid H*** und den drei Kindern lebt; jedem Kind steht dort ein eigenes Zimmer zur Verfügung. Im Keller ist ein Raum als Spielzimmer für die Kinder eingerichtet. Den Haushalt besorgt Ingrid H***. Die Kinder frühstücken zu Hause gemeinsam mit dem Vater und dessen Lebensgefährtin, verbringen aber die Mittagszeit bei den väterlichen Großeltern, bei denen sie auch essen. Während der berufsbedingten Abwesenheit des Vaters werden sie von den väterlichen Großeltern oder von Ingrid H*** beaufsichtigt. Die Kinder sind körperlich und geistig gut und ihrem Alter entsprechend entwickelt.
Die Bemühungen der Mutter um Aufrechterhaltung des Kontaktes zu den Kindern wurden auch in den letzten Monaten vom Vater dadurch unterbunden, daß er nicht nur massiv auf sie einwirkt und sie gegen die Mutter aufbringt, sondern auch eine solche Kontaktaufnahme faktisch verhindert. Die Mutter ist jetzt wieder ganztägig beschäftigt; falls die Kinder tatsächlich bei ihr lebten, würde sie aber ihre Arbeitszeit auf die schulbedingte Abwesenheit der Kinder einrichten. Darüber hinaus haben sich die mütterlichen Großeltern bereit erklärt, während der berufsbedingten Abwesenheit der Mutter die Erziehung und Pflege der Kinder zu übernehmen.
Die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn hat in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 9. Jänner 1989 im Hinblick auf die Eingewöhnung der Kinder die Übertragung der elterlichen Rechte und Pflichten an den Vater (Belassung der Kinder bei ihm) nunmehr befürwortet. Die Wohnverhältnisse der Kinder seien in Ordnung. Die Lebensgefährtin des Vaters sei als Krankenschwester im Stadtspital Bregenz beschäftigt und habe dem Eindruck nach sehr vernünftige Erziehungsansichten; sie habe oft mehrere Tage nacheinander dienstfrei. Der Vater übe mit den Kindern allerlei Freizeitaktivitäten aus und könne sich diesen im Hinblick auf seine selbständige Erwerbstätigkeit auch des öfteren unter der Woche widmen. Laut seiner Aussage gehe es den drei Buben in der Schule recht gut. Im Gespräch mit den Kindern sei der Eindruck entstanden, daß sie sich beim Vater recht wohl fühlen; hingegen werde die Mutter von ihnen eher abgelehnt.
Auch das Institut für Sozialdienste, Beratungsstelle Dornbirn, empfahl nunmehr in seiner psychologischen Stellungnahme vom 3. April 1989 die Übertragung des Sorgerechtes an den Vater und die Einräumung eines ausgedehnten Besuchsrechtes an die Mutter. Eine solche Regelung sei nach Abwägung aller Güter der psychischen Situation der Kinder angemessen und ihrer Entwicklung dienlich. Der Vater halte nämlich seine Kinder symbiotisch umklammert. Die Symbiose werde aufrechterhalten durch die Ablehnung der Mutter, welche bis heute keinen Kontakt zu ihren Kindern herstellen habe können; sie sei zu schwach, um ein Gegengewicht zum Vater bilden zu können. Trotz der entwicklungstheoretisch ungünstigen Erziehungssituation hätten bisher keine Nachteile im Kindeswohl festgestellt werden können. Die Kinder wollten beim Vater bleiben. Die sachlichen Voraussetzungen, das Kindeswohl zu garantieren (Wohnung, Ernährung, Gesundheit, Ausbildung), lägen beim Vater vor. Es seien keine psychologischen Vorteile erkennbar, die einen Wechsel vom Vater zur Mutter sinnvoll erscheinen ließen.
Bei ihrer Anhörung am 15. November 1988 erklärten die beiden älteren Kinder Bernd und Markus folgendes:
1) Der damals bereits 14-jährige Bernd: "Ich möchte wie bisher
beim Vater bleiben. Wir sind übersiedelt und wohnen sei Anfang
September 1988 im Hause Eisengasse 23 in Dornbirn... Außer uns drei
Kindern und dem Vater wohnt noch dessen Freundin Ingrid H***
drinnen... Sie ist jedenfalls unter der Woche ab 16.30 Uhr zu Hause
und ständig auch am Wochenende... Ich selbst bin aus schulischen
Gründen am Mittag nicht in Dornbirn. Am Samstag und Sonntag sowie während der Woche auch am Abend kocht die Ingrid für uns... Zur Mutter möchte ich deswegen nicht, weil ich mit ihrer Verwandtschaft nicht gut auskomme. Wenn ich die Mutter zufällig irgendwo treffe, dann grüßen wir uns zwar, aber wir reden eigentlich nicht miteinander. Ich würde schon mit ihr reden, wenn ich sie treffe. Ich berichtige: Ich rede mit ihren Verwandten nicht, wohl aber mit der Mutter. Wir treffen uns manchmal auf dem Fußballplatz, weil ich beim FC Rollfix mitspiele. Sonst treffen wir uns eigentlich nur, wenn es der Zufall will.
Es würde wahrscheinlich ziemlich viel Zeit brauchen, bis ich mich bei der Mutter in ihrem Hause eingelebt hätte. Unter den jetzigen Verhältnissen geht es mir gut und ich möchte mich nicht verändern. Es stört mich nicht, daß der Vater nicht verheiratet ist und mit einer anderen Frau ohne Ehe zusammenlebt.".
2) Der damals knapp 10 1/2-jährige Markus:
"Wir wohnen im eigenen Haus in der Eisengasse Nr. 23; ich habe vergessen, wann wir dort eingezogen sind. Außer uns drei Kindern wohnt noch der Vater und dessen Freundin Ingrid (Familienname nicht bekannt) in diesem Hause; ferner Benedikt M***, der "Götte" vom Vater. Das Frühstück macht uns der Papa, das Abendessen die Ingrid; das Mittagessen nehmen wir bei der Oma in der Wohnung Eisplatzgasse ein. Am Samstag und Sonntag ist die Ingrid ganztägig zu Hause und wir nehmen dann das Essen zu Hause ein. Ingrid macht auch die Hausarbeiten, einen Teil machen wir auch selbst.
Ich ändere meine Meinung nicht, ich bleibe beim Papa. Wir haben in dem jetzigen Haus genug Platz; jedes Kind hat ein eigenes Zimmer. Unter Tags sind wir in der Schule. Wenn wir einen freien Nachmittag haben, dann spielen wir eben allein. Manchmal ist Benedikt M*** zu Hause. Wir spielen etwa Computer.
Ich weiß nicht, was ich sagen soll, wenn ich gefragt werde, warum ich nicht zur Mutter will. Es gefällt mir beim Papa besser. Die Mutter treffe ich manchmal auf der Straße. Wenn sie mich etwas fragt, gebe ich ihr eben die Antwort. Sie fragt mich ohnedies nur, wie es mir in der Schule gehe, mehr fragt sie mich nicht. Ich gehe nicht zu ihr auf Besuch; ich spiele mit meinen Brüdern und gehe auch nicht zur Mutter auf Besuch. Ich würde dann gehen, wenn auch meine Brüder mitgehen würden. Ich weiß nichts anzugeben, wenn ich gefragt werde, warum ich nicht allein zur Mutter auf Besuch gehen will. Ich könnte es mir nicht vorstellen, daß ich bei der Mutter leben sollte, weil ich schon fast drei Jahre nicht mehr bei ihr gewesen bin.".
Auf die Anhörung des damals 6 1/2 Jahre alten Hannes wurde verzichtet, weil dieser weinte und nicht bereit war, ohne den Vater im Zimmer des Erstrichters zu bleiben (ON 84).
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß eine Abänderung der getroffenen Sorgerechtsregel grundsätzlich nur dann erfolgen solle, wenn durch sie aus besonderen Umständen eine wesentliche Verbesserung der Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten der Kinder zu erwarten wäre. Das sei hier aber zu verneinen, weil das Männlichkeitsbild, das der Vater seinen Kindern vorlebe, und insbesondere auch das von ihnen erlebte Konfliktbewältigungsverhalten nicht ohne Einfluß auf ihr künftiges Sozial- und Beziehungsleben bleiben werde. Mit dem Erwerb des Einfamilienhauses habe der Vater lediglich eine materielle Gleichstellung mit der Mutter herbeigeführt.
Demgegenüber bestünden auf seiten der Mutter keinerlei Gründe, die eine Sorgerechtsänderung notwendig machen würden. Das Rekursgericht wies die Obsorge für die drei Kinder dem Vater zu. Wenn auch der seit mehr als drei Jahren bestehende faktische Zustand vom Vater rechtswidrig herbeigeführt worden sei, so könne doch nicht außer Betracht bleiben, daß dies bereits zu einer Distanz zwischen der Mutter und den Kindern geführt habe. Sosehr das bisherige Verhalten der Mutter auch zeige, daß sie im Gegensatz zum Vater bereit sei, ihre eigenen Interessen dem Wohl der Kinder unterzuordnen, wäre es gerade im Interesse der Kinder nicht mehr gerechtfertigt, die voraussichtlich auch in Zukunft nicht mehr durchsetzbare Sorgerechtsentscheidung aufrechtzuerhalten. Entscheidend sei, daß sich die Kinder beim Vater wohl fühlten und daß dieser auch die für das Kindeswohl erforderlichen materiellen Voraussetzungen geschaffen habe und sie für die Zukunft sichern könne. Die vom Vater zwischenzeitig geschaffenen neuen Wohnverhältnisse und die von ihm eingegangene Lebensgemeinschaft bildeten eine wesentliche Änderung, die sich schon jetzt auf die Entfaltungsmöglichkeiten und die Entwicklung der Kinder ausgewirkt habe. Wenn auch bei der Mutter die materiellen Voraussetzungen zur Wahrung des Kindeswohles gegeben seien, so falle doch entscheidend ins Gewicht, daß es ihr nicht gelungen sei, die für eine Rückführung der Kinder in ihren Haushalt erforderliche enge Verbindung mit den Kindern - sei es mit oder ohne Hilfe des Gerichtes - aufrechtzuerhalten. Wegen der langen Dauer des faktischen Erziehungszustandes und der daraus entstandenen persönlichen Bindung zwischen den Kindern und dem Vater müsse eine zwangsweise Durchsetzung des Sorgerechtes der Mutter heute bereits als Gefährdung des Kindeswohles angesehen werden. Gerichtliche Sorgerechtsentscheidungen seien aber sinnvollerweise nur dann aufrechtzuerhalten, wenn ihre Durchsetzung auch im Zeitpunkt der möglichen Rechtsverwirklichung den Interessen der Kinder entspreche. Dies führe unter Berücksichtigung der gesamten Situation und des nunmehr schon Jahre andauernden Kampfes der Eltern um die Kinder dazu, daß eine Anpassung der Sorgerechtsentscheidung an die faktische Erziehungslage geboten sei. Das könne im vorliegenden Fall auch zu einer "Normalisierung" des Verhältnisses zwischen den Kindern und der Mutter beitragen.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Mutter mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nach § 14 Abs 1 AußStrG zulässig. Er ist auch nicht verspätet, wenngleich er erst am 25. September 1989 überreicht, der angefochtene Beschluß aber gemäß Rückschein zu ON 96 der Mutter schon am 4. August 1989 im Wege der Ersatzzustellung an einen "Mitbewohner der Abgabestelle" zugestellt worden ist. Diese Ersatzzustellung erfolgte entgegen § 16 Abs 1 ZustG an den im Nachbarhaus wohnenden Vater der Rechtsmittelwerberin (ON 98), welche sich zum damaligen Zeitpunkt überdies mit ihrem Freund Bernhard S*** auf einer Urlaubsreise durch Österreich befand, von der sie erst am 13. August 1989 nach Dornbirn zurückkehrte. Die Sendung ist ihr erst am 14. August 1989 von ihrem Vater übergeben worden (ON 97, 98); die Zustellung wäre daher auch gemäß § 16 Abs 5 ZustG frühestens erst an diesem Tag wirksam geworden. Die anwaltlich nicht vertretene Mutter beantragte sodann innerhalb der Revisionsrekursfrist am 22. August 1989 die Verfahrenshilfe samt Beigebung eines Rechtsanwaltes zur Rechtsmittelerhebung. Der bewilligende Beschluß des Erstgerichtes und die Rekursentscheidung sind dem bestellten Verfahrenshilfeanwalt am 11. September 1989 zugestellt worden. Gemäß Art. VIII § 3 Abs 1 VerfahrenshilfeG BGBl. 1973/569 gelten die Bestimmungen der ZPO über die Verfahrenshilfe sinngemäß auch für das außerstreitige Verfahren. Die Revisionsrekursfrist begann daher gemäß § 521 Abs 3 iVm § 464 Abs 3 ZPO erst mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes und einer schriftlichen Ausfertigung der Rekursentscheidung an ihn. Auf den Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses des Rekursgerichtes an die Rechtsmittelwerberin selbst kommt es dabei nicht an (SZ 48/93; RZ 1987/9 ua; zuletzt etwa 3 Ob 532/87; 6 Ob 638/89). Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.
Die Rechtsmittelwerberin macht im wesentlichen geltend, daß der seit Weihnachten 1985 bzw. Juni 1986 bestehende faktische Zustand vom Vater rechtswidrig geschaffen und aufrechterhalten worden sei und daß sich seit der letzten, die Übertragung des Obsorgerechtes an den Vater ablehnenden Entscheidung keine gravierenden Änderungen ergeben hätten, die ein Abgehen davon rechtfertigen könnten. Dem ist jedoch folgendes entgegenzuhalten:
Der von der Mutter angesprochene Beschluß des Erstgerichtes, der auch Gegenstand der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 15. März 1988, 4 Ob 523/88, war, ist am 11. November 1987 ergangen; damals waren die drei Söhne 13, 9 1/2 und 5 1/2 Jahre alt. Nunmehr liegen Entscheidungen der Vorinstanzen vom 28. Juni und 28. Juli 1989 über die Obsorge für die mittlerweile bereits fast 15 (Bernd), 11 (Markus) und 7 (Hannes) Jahre alten Minderjährigen zur Beurteilung vor. In der Zwischenzeit sind aber nicht nur die Söhne 1 1/2 Jahre älter geworden; im Sinne der zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichtes haben sich auch die Umstände insgesamt doch so wesentlich geändert, daß nunmehr eine den faktischen Gegebenheiten Rechnung tragende Änderung des Rechtes zur Obsorge für die Kinder in deren Interesse dringend geboten erscheint: Der Vater hat für sich und die Kinder seit Sommer 1988 eine neue Wohnmöglichkeit in einem Einfamilienhaus gefunden, wo den Kindern jeweils eigene Zimmer und ein für sie im Keller eingerichtetes Spielzimmer zur Verfügung stehen; er lebt dort mit ihnen und seiner neuen, von den Kindern offensichtlich angenommenen Lebensgefährtin im geordneten Familienverband. Die Beziehung der Söhne zum Vater ist in der Zwischenzeit noch stärker geworden. Das trifft insbesondere auch auf Markus zu, der sich nunmehr eindeutig für den Verbleib beim Vater ausgesprochen hat. Hannes ist kein Kleinkind mehr (EFSlg 51.324), sondern er stand zum Zeitpunkt der erstgerichtlichen Entscheidung unmittelbar vor dem Abschluß der ersten Klasse der Volksschule. Auch die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn und das Institut für Sozialdienste befürworten jetzt die Übertragung der Obsorge an den Vater im Hinblick auf die Eingewöhnung der Kinder und als für ihre Entwicklung dienlich. Die Kinder sind trotz aller früheren widrigen Umstände körperlich und geistig gut und ihrem Alter entsprechend entwickelt. Demgegenüber ist es der Mutter auch in der Zwischenzeit - wenngleich vorwiegend aus Gründen der Zurückhaltung im Interesse des Wohles der Kinder - nicht gelungen, zu den Söhnen eine intensivere Beziehung aufzubauen oder wiederherzustellen. Es trifft auch nicht mehr zu, daß diese bei ihr im wesentlichen die gleichen Voraussetzungen für ein gedeihliches Zusammenleben finden würden. So werden die mütterlichen Verwandten und damit auch die mütterlichen Großeltern vom ältesten Sohn Bernd besonders schroff abgelehnt; er will nicht einmal mit ihnen reden. Diese Verwandten müßten aber im Fall der Übersiedlung der Kinder zu ihrer Mutter jedenfalls bei der Beaufsichtigung und Erziehung mithelfen.
All dies zeigt, daß sehr wohl besonders wichtige Gründe vorliegen, die eine Abänderung der bisherigen Sorgerechtsentscheidung rechtfertigen. Wenn auch die faktische Ausgangslage seinerzeit vom Vater rechtswidrig geschaffen und danach unverändert aufrechterhalten worden ist, so kann dies im Hinblick auf das den Interessen der Kinder insgesamt dennoch förderliche Ergebnis nicht mehr von ausschlaggebender Bedeutung sein (EFSlg 33.633; ÖA 1985, 142). Entscheidend ist das Kindeswohl im Sinne des § 178 a ABGB; dieses wäre aber nach den nunmehrigen Verfahrensergebnissen durch die zwischenzeitig eingetretenen wesentlichen Veränderungen bei Aufrechterhaltung und Durchsetzung der bisherigen Obsorgeentscheidung sehr wohl in höchstem Maße gefährdet. Das Rekursgericht hat daher ohne Rechtsirrtum erkannt, daß nach der erforderlichen Gesamtschau (EFSlg 48.422 ua) die Interessen der Kinder es dringend geboten erscheinen lassen, entsprechend den Grundsätzen der Kontinuität der Erziehung und des Vorzuges eines gemeinsamen Aufwachsens von Geschwistern die Obsorge für die Kinder den nunmehr seit fast 4 (bzw. fast 3 1/2) Jahren gegebenen faktischen Verhältnissen anzupassen, zumal diese von den Kindern letztlich zu ihrem Nutzen auch angenommen worden sind. Im Interesse des Kindeswohles wird aber das Erstgericht nunmehr unverzüglich für eine großzügige Besuchsrechtsregelung der Mutter Sorge zu tragen haben, damit die Mutter endlich auch die entsprechenden natürlichen Beziehungen zu ihren Kindern ausbauen und vertiefen kann.
Dem Revisionsrekurs mußte aus allen diesen Gründen ein Erfolg versagt bleiben.
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