OGH 4Ob577/87

OGH4Ob577/8715.9.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Petrag, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Michael P***, geb. 5. November 1973, infolge Revisionsrekurses des Vaters Gustav P***, Betriebsleiter, 2380 Perchtoldsdorf, Balthasar-Krauß-Gasse 36, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 2.Juli 1987, GZ 47 R 499/87-27, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Mödling vom 29.Mai 1987, GZ 7 P 33/87-22, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern des minderjährigen Michael P***

wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 26. September 1985, 34 Cg 84/85-6, aus dem alleinigen Verschulden des Vaters geschieden; mit Urteil vom 20.Dezember 1985, 12 R 314/85-11, bestätigte das Oberlandesgericht Wien diese Entscheidung. Aus der Ehe entstammt noch der am 1.Februar 1972 geborene Christian P***. Am 8.April 1986 beantragte die Mutter, ihr die elterlichen Rechte und Pflichten gegenüber beiden Kindern zu übertragen (ON 1); der Vater machte dagegen geltend, daß sein Sohn Michael bei ihm bleiben wolle (ON 4).

Das Erstgericht übertrug zunächst mit Beschluß vom 27. Oktober 1986 der Mutter alle aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten gegenüber beiden Kindern (ON 11). Infolge Rekurses des Vaters hob das Gericht zweiter Instanz diesen Beschluß in Ansehung des minderjährigen Michael P*** auf und trug dem Erstgericht insoweit eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf (ON 16). Auch im zweiten Rechtsgang übertrug das Erstgericht die elterlichen Rechte der Mutter (ON 22). Beim minderjährigen Michael P*** zeigten sich typische Symptome einer juvenilen Psychoneurose. Diese Reifungsstörung bedinge bei ihm ein tiefgreifendes und nachhaltiges psychosoziales Dilemma mit der Unfähigkeit, sich für den einen oder anderen Elternteil zu entscheiden, zumal der Knabe beiden Eltern zugetan sei. Der Mutter sei eine gewisse Präferenz als Erziehungspersönlichkeit im Vergleich mit dem Vater einzuräumen. Für den minderjährigen Michael sei die Gemeinschaft mit seinem Bruder Christian vorteilhaft; daher bestünden für ihn im mütterlichen Bereich die günstigeren Bedingungen für das Abklingen der Neurotisierung und die Voraussetzungen für eine möglichst positive geistige und seelische Entwicklung.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, bei der Zuteilung der Elternrechte seien die Verhältnisse bei den Elternteilen in ihrer Gesamtheit einander gegenüberzustellen. Neben dem materiellen Interesse an einer möglichst guten Verpflegung und Unterbringung sei auch von Bedeutung, wo eine möglichst gute Erziehung und Beaufsichtigung und möglichst günstige Voraussetzungen für eine seelische und geistige Entwicklung gewährleistet seien. Auf Grund der durchgeführten Erhebungen, insbesondere des eingeholten Sachverständigengutachtens, stehe fest, daß die günstigsten Voraussetzungen für die Entwicklung des Minderjährigen bei seiner Mutter gegeben seien. Michael habe zwar seinerzeit vor Gericht angegeben, er wolle beim Vater bleiben, doch habe er sich nun dafür entschieden, bei seiner Mutter und bei seinem Bruder zu bleiben. Diese Schwankungen seien damit zu erklären, daß Michael auf Grund seiner Psychoneurose nicht in der Lage sei, eine Entscheidung darüber zu fällen, bei welchem Elternteil er sein wolle. Er befinde sich in einem schweren Loyalitätskonflikt und wolle keinen der Elternteile kränken. Daher sei von objektiven Gesichtspunkten auszugehen. Nach Möchglichkeit solle eine Trennung von Geschwistern vermieden werden. Gerade für den minderjährigen Michael sei festgestelltermaßen die Beziehung zum Bruder sehr wichtig. Der Vater sei durchaus nicht realitätsbezogen und einem Wunschdenken verhaftet. Nach Abwägung aller Umstände gereiche die Übertragung der elterlichen Rechte und Pflichten an die Mutter zum eindeutigen Vorteil des Minderjährigen und diene seinem Wohl in höherem Maße als die Übertragung der Rechte und Pflichten an den Vater. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß. Sowohl die Gemeinschaft des minderjährigen Michael mit seinem Bruder Christian als auch der Verbleib Michaels bei der vom pädagogischen Aspekt geeigneteren Mutter rechtfertigten die Zuweisung der Elternrechte an diese.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Vater gegen diesen Beschluß erhobene, als "Einspruch" bezeichnete außerordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig. Das Rechtsmittel gegen eine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes ist im Verfahren außer Streitsachen nur so weit zulässig, als es sich auf die in § 16 Abs. 1 AußStrG genannten Anfechtungsgründe stützen kann. Ist nicht erkennbar, worin eine offenbare Gesetzwidrigkeit, Aktenwidrigkeit oder Nullität gelegen sein soll, dann ist es zurückzuweisen (1 Ob 692/86 uva). Freilich ist nicht die ausdrückliche Bezeichnung dieser Beschwerdepunkte erforderlich, sondern es genügt ihre inhatliche Geltendmachung (EFSlg. 39.774). Den Rechtsmittelausführungen des Vaters können indes Anfechtungsgründe nach § 16 Abs. 1 AußStrG nicht entnommen werden:

Sein Hinweis darauf, daß er sein Rechtsmittel gegen den Beschluß des Erstgerichtes ON 22 als "Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof" bezeichnet habe, ist ohne Bedeutung. Gegen Entscheidungen eines Bezirksgerichtes ist ein (unmittelbares) Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof nicht vorgesehen; der Rechtszug gegen Beschlüsse der Bezirksgerichte geht vielmehr in zweiter Instanz an die Landes- und Kreisgerichte (§ 3 JN). Zutreffend hat daher das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien über das Rechtsmittel des Vaters entschieden. Daß es dabei in derselben Senatszusammensetzung tätig war wie im ersten Rechtsgang (ON 16), entspricht der Geschäftsverteilung und bedeutet nicht - wie der Vater des Minderjährigen offenbar meint - daß das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen und die angefochtene Entscheidung daher nichtig wäre (vgl. § 477 Abs. 1 Z 2 ZPO). Die weiteren Rechtsmittelausführungen, die freie Willensäußerung des minderjährigen Michael sei "manipuliert und durch den Sachverständigen bevormundet" worden, die Scheidung könne keinen Einfluß auf die legitimen Elternrechte des leiblichen Vaters ausüben, zeigen weder eine Aktenwidrigkeit noch eine offenbare Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung auf. Nach der Rechtsprechung ist es zwar offenbar gesetzwidrig, wenn in die Ermessenserwägungen bei der Entscheidung über die Zuteilung der elterlichen Rechte nicht alle nach dem Gesetz zwingend vorgeschriebenen Kriterien einbezogen und insbesondere Erwägungen über Persönlichkeit und Eigenschaften der Eltern nicht angestellt wurden (EFSlg. 37.392, 39.824 uva). Gerade diese für die Entscheidung nach § 177 Abs. 2 ABGB ausschlaggebenden Umstände hat aber das Rekursgericht eingehend gewürdigt und dabei hervorgehoben, daß es dem Wohl des Minderjährigen dient, wenn er bei seiner Mutter und seinem Bruder verbleibt.

Da sohin keiner der Anfechtungsgründe des § 16 Abs. 1 AußStrG aufgezeigt wurde und eine Nichtigkeit auch dem Akteninhalt nicht entnommen werden kann, war das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen.

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