European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00057.19I.0924.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Zweitbeklagte hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Der Kläger ist Facharzt für Radiologie und bewarb sich für eine Kassenplanstelle in Bezug auf einen Gesellschaftsanteil an einer Gruppenpraxis. Die Beklagten erstellten auf Basis der eingereichten Bewerbungen eine Reihung, in der der Kläger an sechster und aussichtsloser Stelle gereiht wurde. Dabei wurde seine praktische Tätigkeit an einem Radiologie‑Institut unberücksichtigt gelassen.
Der Kläger beantragt im Kern, der Zweitbeklagten aufzutragen es zu unterlassen, beim streitverfangenen Bewerbungsverfahren Bewerbern für ihre berufliche Erfahrung als Facharzt für Radiologie eines selbständigen Ambulatoriums keine Punkte zuzuordnen. Zur Sicherung dieses Unterlassungsbegehrens beantragt er die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wonach (zusammengefasst) der Zweitbeklagten geboten werden möge, das Auswahlverfahren um eine Kassenplanstelle bis zur Erstellung eines neuen Reihungsvorschlags zu unterbrechen, sowie es zu unterlassen, bei der Erstellung der Reihungsliste seine praktische Tätigkeit am Radiologie-Institut unberücksichtigt zu lassen.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ohne Anhörung der Zweitbeklagten ab. Die Zweitbeklagte habe im Bewerbungsverfahren den einmaligen Vorgang der Reihung schon vorgenommen. Die Unterlassung eines bereits in der Vergangenheit gesetzten Verhaltens sei nicht möglich und könne auch nicht durch den Unterbrechungsantrag gesichert werden. Der Kläger sei auf die Geltendmachung von Schadenersatz zu verweisen.
Diesen Beschluss stellte das Erstgericht auch den Beklagten zu.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Das Erstgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Unterlassungsanspruch betreffend das laufende Bewerbungsverfahren in dieser Form nicht möglich sei; damit scheitere der Sicherungsantrag am rechtlichen Bestand des zu sichernden Anspruchs.
Das Rekursgericht sprach weiters aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Zwar gelte nach § 402 Abs 2 EO die Ausnahme des § 402 Abs 1 zweiter Satz EO für die Bestätigung der Abweisung eines Provisorialantrags nicht, wenn – wie hier – der Gegner zum Antrag nicht einvernommen worden sei. Dennoch komme der Rechtsmittelausschluss des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO hier nicht zum Tragen, weil die Ausnahmeregelung des § 402 Abs 2 EO nicht anzuwenden sei, wenn der Gegner etwa durch Zustellung des Provisorialantrags oder zumindest der angefochtenen Provisorialentscheidung am Verfahren beteiligt worden sei.
Der Kläger beantragt mit seinem (von der Zweitbeklagten beantworteten) Revisionsrekurs, die einstweilige Verfügung zu erlassen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO jedenfalls unzulässig.
1.1. Gemäß § 402 Abs 2 EO kommt die in § 402 Abs 1 ZPO normierte Ausnahme von der in § 528 Abs 2 Z 2 ZPO bestimmten Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gegen Konformatsbeschlüsse dann nicht zum Tragen, wenn der Sicherungsantrag abgewiesen und der Gegner der gefährdeten Partei zu dem Antrag noch nicht einvernommen worden ist. Der Revisionsrekurs ist in diesen Fällen jedenfalls unzulässig (vgl RS0012260).
1.2. Die vom Rekursgericht zur Begründung der dennoch bejahten Zulässigkeit des Revisionsrekurses angeführte Rechtsprechung trägt seine Auffassung nicht:
1.3. Gemäß 7 Ob 598/90 (RS0005654 [T1]) wird das Rekursverfahren nach § 402 EO auch in den Fällen, in denen es nach dem Gesetzeswortlaut einseitig zu bleiben hätte, zweiseitig, wenn der Provisorialantrag oder zumindestens die angefochtene Provisorialentscheidung (dem Gesetz zuwiderlaufend) dem Gegner der gefährdeten Partei tatsächlich zugestellt worden ist, weil er mit einer solchen Zustellung am Verfahren beteiligt ist. Die Entscheidung betraf keinen Fall einer übereinstimmenden Antragsabweisung und damit auch nicht die hier zu prüfende Konformatsbeschlusssperre, sondern bloß die Frage der Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens. Diese wurde damit bejaht, dass die Einseitigkeit des Rekursverfahrens gegen erstgerichtliche Antragsabweisungen ohne Anhörung des Gegners den Zweck verfolge, der gefährdeten Partei die Möglichkeit eines Rechtsmittelerfolgs zu eröffnen, ohne dass der Gegner von dem Antrag erfährt und diesen faktisch vereitelt. Habe der Gegner jedoch bereits davon erfahren, sei dieser Zweck obsolet und daher das Rekursverfahren zweiseitig zu gestalten.
1.4. Eine gleiche Konstellation betrafen die dem Rechtssatz RS0005654 gleichgestellten Entscheidungen 7 Ob 607/90, 3 Ob 153/02z und 6 Ob 88/04s. In all diesen Verfahren lagen keine antragsabweisenden Konformatsbeschlüsse vor. Abgesprochen wurde jeweils (nur) zur Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens und dem oben genannten Schutzzweck der Norm.
2.1. Einschlägig ist hingegen die Entscheidung 6 Ob 559/91. In diesem Verfahren hatte das Erstgericht eine Zustellung der Rekursschrift an den Gegner der gefährdeten Partei verfügt, der eine Rekursbeantwortung erstattete. Das Revisionsrekursverfahren wurde einseitig gestaltet und der Revisionsrekurs als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen. Die zuvor referierte Rechtsprechung zur Zweiseitigkeit setze ein zulässiges Rechtsmittel voraus, das bei abweislichen Konformatsentscheidungen ohne – dort trotz der Zustellung verneinte – Anhörung des Gegners in dritter Instanz nicht vorliege (vgl auch 8 Ob 67/12d).
2.2. Auch der Entscheidung 2 Ob 186/07b lagen abweisliche Konformatsbeschlüsse zugrunde. Jenes Verfahren über den Revisionsrekurs des Beklagten betraf jedoch (nur) die Frage der Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens bzw jene des Ersatzes der Revisionsrekurskosten. Kostenfragen stellen sich im vorliegenden Fall jedoch keine, weil die Zweitbeklagte in ihrer Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nicht hingewiesen hat, sodass ihre Rechtsmittelbeantwortung nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente und daher ohnehin kein Kostenersatz in Betracht kommt. Soweit die genannte Entscheidung zur hypothetischen Zulässigkeit eines Revisionsrekurses der dortigen Klägerin – bejahend – Stellung nimmt, handelt es sich um ein obiter dictum. Im Übrigen wurde dort ausgesprochen, dass „schon mit der Zustellung des Provisorialantrags, jedenfalls soweit diese mit einer durch richterliche Anordnung eröffneten Äußerungsmöglichkeit verbunden ist“, der Gegner der gefährdeten Partei in das verfahrensrechtliche Rechtsverhältnis einbezogen wird.
Im hier zu beurteilenden Fall wurde der Zweitbeklagten die Klage samt Provisorialantrag erst mit der Zustellung des Beschlusses des Erstgerichts zugestellt, mit dem der Sicherungsantrag abgewiesen wurde. Im Übrigen ist die bloße Zustellung des Sicherungsantrags oder der Provisorialentscheidung an den Gegner einer durch richterliche Anordnung eröffneten Äußerungsmöglichkeit nicht gleichzuhalten (vgl Zechner in Fasching/Konecny² Vor §§ 514 ZPO Rz 137; so auch Kodek in Angst/Oberhammer, EO³ § 402 Rz 2; vgl auch König, Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren5 [2017] Rz 6.79 [FN 2056]).
2.3. Wie ausgeführt, bedarf es im gegenständlichen Fall keiner näheren Befassung mit der Frage der Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens. Diese Frage kann aber auch aus folgenden Gründen dahingestellt bleiben, berührt sie doch andere Aspekte als die hier relevante der Unanfechtbarkeit des Konformatsbeschlusses:
2.4. Während die Einseitigkeit des Rekursverfahrens das Ziel verfolgt, einen allfälligen Rechtsmittelerfolg nicht durch faktische Vereitelungsmaßnahmen des Gegners der gefährdeten Partei zu hintertreiben, ist dies bei der Konformatsbeschlusssperre augenscheinlich nicht der Fall. Dass dem unterlegenen Kläger nur ein zweistufiger anstelle eines dreistufigen Instanzenzugs offensteht, fördert nämlich seine Erfolgsaussichten nicht, sondern schränkt sie ein.
2.5. Bei § 402 Abs 1 EO steht vielmehr der Zweck im Vordergrund, dass durch diese Bestimmung der Rechtsmittelausschluss des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO für die dort genannten Entscheidungen beseitigt werden soll, weil diesen Entscheidungen wiederholt richtungsweisende Bedeutung zukommt und darin oft Rechtsfragen gelöst werden, die für das (anschließende) meritorische Verfahren Bedeutung haben, in dem wegen der unterschiedlichen Revisions- und Revisionsrekursbestimmungen die Rechtsmittelbeschränkung nicht gilt (vgl 4 Ob 241/17w mwN).
Wenn der Gesetzgeber in der Gegenausnahme des § 402 Abs 2 EO die Rechtsmittelzulässigkeit nach § 402 Abs 1 Satz 2 EO für ohne Einvernahme des Gegners ergangene Antragsabweisungen wieder zurücknimmt, geht er davon aus, dass in derartigen Beschlüssen in der Regel keine für das Hauptverfahren richtungsweisenden Entscheidungen getroffen werden. Dies trifft auch zu, denn ohne Beteiligung der Gegenseite im Verfahren erster Instanz kommt es in der Regel zu keiner erschöpfenden Erörterung des Prozessstoffs. Die Beteiligung der Beklagten erst im Rechtsmittelverfahren kann daran nichts ändern, denn selbst im Fall der Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens kann der Gegner der gefährdeten Partei die Tatsachengrundlage wegen des geltenden Neuerungsverbots (RS0002445) nicht mit eigenem Sachvorbringen und Bescheinigungsmitteln erschüttern.
Damit kann die bloße Zustellung von Klage samt Sicherungsbegehren nach erfolgtem Abweisungsbeschluss und ohne Äußerungsmöglichkeit nichts am Rechtsmittelausschluss des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO für den hier angefochtenen Konformatsbeschluss ändern; auch die Beteiligung der Zweitbeklagten am Rekursverfahren beseitigt den Ausschluss der Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht.
Der Revisionsrekurs des Klägers ist daher als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen.
3. Die Zweitbeklagte hat nicht auf die absolute Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen; ihre Rechtsmittelgegenschrift diente daher nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.
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