OGH 4Ob568/88

OGH4Ob568/8812.7.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eva A***, Malerin, Wien 1, Stallburggasse 4, vertreten durch Dr. Franz J. Salzer und Dr. Gunter Granner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Barbara C***, Hausfrau, 2. Dr. Clemens C***, Gesandter, beide Österreichische Botschaft in Tokio, vertreten durch Dr. Ernst Ploil und Dr. Robert Krepp, Rechtsanwälte in Wien, wegen Vermögensangabe und Eidesleistung (Streitwert S 100.000,--) infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28.April 1987, GZ 12 R 61/87-35, womit das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 19.Dezember 1986, GZ 5 Cg 176/84-30, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen; die Rekurswerber haben die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Die Klägerin hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung gleichfalls selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin und die Erstbeklagte sind Geschwister. Sie sind je zur Hälfte gesetzliche Erben nach ihrer am 16.April 1982 verstorbenen Mutter Margarethe W***. Der Zweitbeklagte ist der Ehemann der Erstbeklagten. Nach dem eidesstättigen Vermögensbekenntnis im Verlassenschaftsverfahren nach Margarethe W*** hatte die Erblasserin außer ihrem Liegenschaftsbesitz ein Bankguthaben von S 13.696,36 sowie ein Wertpapierdepot mit einem Stand von S 2,123.194,21. Während die Erstbeklagte behauptet, daß die Erblasserin außer diesen Vermögenswerten zum Todestag nichts besessen habe, steht die Klägerin auf dem Standpunkt, daß weiteres wesentliches Vermögen der Erblasserin vorhanden sei, von dessen Verschweigung und Verheimlichung die Beklagten vermutlich Kenntnis hätten. Die Erblasserin habe ein hohes Einkommen gehabt und außer den im Vermögensbekenntnis angeführten Werten über Sparbucheinlagen und einen Safe verfügt; auch habe sie sich ihren Anteil an der H*** KG (B*** O***) auszahlen lassen. Bis Mai 1981 hätten sich die Beklagten um die vermögensrechtlichen Belange der Erblasserin gekümmert; als die Klägerin dann diese Aufgabe übernommen habe, seien die Vermögenswerte bereits "verschwunden" gewesen. Nach den Vermögenssteuererklärungen habe der Vermögensschwund zwischen 1.Jänner 1974 und 1.Jänner 1980 S 5,265.625,-- betragen. Der Zweitbeklagte habe auf Grund einer Vollmacht Zutritt zum Safe der Erblasserin gehabt und sie bei der Anlegung ihres Vermögens beraten. Die Beklagten seien über die tatsächliche Höhe des Vermögens der Erblasserin im Zeitpunkt ihres Todes voll unterrichtet gewesen; dazu führt die Klägerin weitere Indizien an, aus denen sich diese Kenntnis ergebe.

Die Klägerin begehrt daher, die Beklagten schuldig zu erkennen,

1. anzugeben, was ihnen (von den im eidesstättigen Vermögensbekenntnis nicht angeführten) Vermögenswerten der Erblasserin zu deren Todestag oder von der Verschweigung und Verheimlichung dieser Werte bekannt ist, und 2. einen Eid dahin zu leisten, daß ihre Angaben richtig und vollständig sind. Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Es sei ihnen weitgehend unbekannt, welche Einkünfte die Erblasserin regelmäßig bezogen, welches Vermögen sie besessen und wie sie darüber verfügt habe. Die Mitwirkung der Beklagten bei der Vermögensverwaltung der Klägerin habe sich auf einige wenige Ratschläge beschränkt. In den Besitz des Safeinhalts habe sich vermutlich die Klägerin gesetzt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf folgende wesentliche Feststellungen:

Das Vermögen Margarethe W*** verringerte sich von 1973 bis 1981 entscheidend. Sie ließ sich in Vermögensangelegenheiten von verschiedensten Fachleuten beraten, ohne daß jedoch einer dieser Berater umfassende Kenntnisse oder einen Gesamtüberblick über ihr Vermögen gehabt hätte. Auch die Beklagten erteilten der Erblasserin gelegentlich Ratschläge in Vermögensangelegenheiten; sie erledigten für sie auch manchmal solche Agenden, ohne jedoch umfassend über ihre Vermögenslage informiert gewesen zu sein. Margarethe W*** war in Geldangelegenheiten sehr großzügig und bedachte die Erstbeklagte nach 1972 finanziell mehr als die Klägerin. Sämtliche Sparkonten wurden bis zum Jahre 1978 aufgelöst. Ein Anhaltspunkt dafür, daß dies die Beklagten getan hätten, besteht nicht; auch liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Beklagten wüßten, wohin die Vermögenswerte geflossen waren. Keine Indizien sprechen dafür, daß Margarethe W*** zum Todestag mehr Vermögenswerte besessen hätte, als der Klägerin bekannt geworden sind, und daß die Beklagten Kenntnis vom Verbleib solcher Vermögenswerte oder von deren Verschweigung und Verheimlichung hätten.

Da der Vermögensschwund bereits vor dem Tod der Margarethe W*** eingetreten sei, könne auch der Verdacht, daß die Beklagten von der Verschweigung und Verheimlichung von Vermögenswerten Kenntnis hatten, nicht als bescheinigt angesehen werden. Die übrigen zahlreich vorgebrachten Sachverhaltselemente seien nicht entscheidungswesentlich.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, aber nicht S 300.000,-- übersteige.

Die zweite Instanz war der Ansicht, daß das Begehren der Klägerin nicht auf den ersten Fall des Art XLII Abs 1 EGZPO gestützt werden könne, das sei jedoch unerheblich, weil sich die Klägerin (auch) auf den zweiten Fall dieser Bestimmung stütze. Thema eines Verfahrens nach Art XLII Abs 1, zweiter Fall, EGZPO sei nicht, ob und was den Beklagten von der Verschweigung und Verheimlichung eines Vermögens bekannt sei, sondern vielmehr die Summe jener Tatsachen, aus denen erst der rechtliche Schluß zu ziehen sei, ob die Beklagten von der Verschweigung oder Verheimlichung eines Vermögens vermutlich Kenntnis hatten; dies zu beurteilen, reichten die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen nicht aus. Die Feststellungen, es lägen keine Anhaltspunkte vor, daß den Beklagten bekannt war, wohin diese Vermögenswerte geflossen seien, es sprächen keine Indizien dafür, daß zum Todestag Margarethe W*** mehr Vermögenswerte vorhanden waren, als auch der Klägerin bekannt wurden, und daß die beklagten Parteien Kenntnis vom Verbleib solcher Vermögenswerte oder von deren Verschweigung und Verheimlichung hatten, seien zu allgemein gehalten; sie bildeten bereits einen Teil der rechtlichen Beurteilung, ohne daß in Wahrheit Tatsachenfeststellungen getroffen worden seien.

Zu einer Reihe von Klagebehauptungen - daß der Zweitbeklagte im Besitz einer Vollmacht Margarethe W*** gewesen sei, dies aber geleugnet habe, daß er Zutritt zum Safe der Erblasserin gehabt und diese Möglichkeit mindestens einmal ausgenützt habe, daß Margarethe W*** erklärt habe, nur ihr Schwiegersohn könne über den Umfang ihrer Vermögenswerte Auskunft geben, daß die Erstbeklagte bei Rechtsanwalt Dr. B*** über die Möglichkeiten der Anlage des Vermögens der Erblasserin Erkundigungen eingezogen habe - habe das Erstgericht im wesentlichen keine Feststellungen getroffen, so daß schon deshalb der Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung vorliege. Auf die Kenntnis der Beklagten zur Zeit des Todes der Erblasserin komme es nicht an; entscheidend sei, ob sie vermutlich von einer Vermögensverschweigung(-verheimlichung) in den Jahren 1973 bis 1981 Kenntnis hatten.

Die Beklagten erheben gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes Rekurs wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragen, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Berufung der Klägerin gegen das Ersturteil nicht Folge gegeben werde; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag. Die Klägerin beantragt, dem Rekurs der Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluß nicht Folge zu geben; allenfalls wolle durch Urteil in der Sache selbst erkannt und dem Klagebegehren stattgegeben werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist unzulässig.

Wer nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes ein Vermögen oder Schulden anzugeben verpflichtet ist, oder wer von der Verschweigung oder Verheimlichung eines Vermögens vermutlich Kenntnis hat, kann gemäß Art XLII Abs 1 EGZPO durch Urteil dazu verhalten werden, allenfalls unter Vorlage eines Verzeichnisses des Vermögens oder der Schulden anzugeben, was ihm von diesem Vermögen, von den Schulden oder von der Verschweigung oder Verheimlichung des Vermögens bekannt ist, und einen Eid dahin zu leisten, daß seine Angaben richtig und vollständig sind. Wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, kann die Klägerin ihren Anspruch auf eidliche Vermögensangabe nicht auf den ersten Fall dieser Bestimmung zu stützen; nach dem Inhalte der Klageerzählung und der Fassung des Klagebegehrens leitet sie ihn aber ohnehin nur aus dem zweiten Fall des Art XLII Abs 1 EGZPO ab. Nach dieser Bestimmung kann derjenige, der von der Verheimlichung und der Verschweigung eines Vermögens vermutlich Kenntnis hat, ohne Bestehen anderer materieller Verpflichtungen von jedem, der ein privatrechtliches Interesse an der Ermittlung des Vermögens hat, auf eidliche Angabe seines Wissens über Art, Höhe und Verbleib dieses Vermögens geklagt werden (5 Ob 521/86). Der zweite Tatbestand des Art XLII Abs 1 EGZPO ist demnach eine eigene Norm des materiellen Rechts, die auch ohne sonstige rechtliche Verpflichtung zur Vermögensangabe und Eidesleistung zwingt (RdW 1985, 271 = NZ 1986, 35; NZ 1986, 259; 8 Ob 609/87). Es reicht aus, daß der Beklagte von der Vermögensverschweigung(-verheimlichung) vermutlich Kenntnis hat. Der Kläger muß also diese Kenntnis nicht beweisen, sondern nur bescheinigen; es genügt der durch objektive Anhaltspunkte gestützte Verdacht der Kenntnis des Beklagten von der Verschweigung oder Verheimlichung (SZ 24/114; Fasching Komm II 95; vgl auch RdW 1986, 112).

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes ist allerdings der Schluß, der auf Grund einer Summe von Einzeltatsachen (Indizien) auf das Bestehen (oder Nichtbestehen) des Verdachtes einer Vermögensverschweigung(-verheimlichung) gezogen wird, kein rechtlicher Schluß und die Unterlassung der Überprüfung der von der Klägerin behaupteten weiteren Indizien kein der rechtlichen Beurteilung zuzuordnender Feststellungsmangel, sondern ein Verfahrensmangel, der eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache im Tatsachenbereich verhindert (§ 496 Abs 1 Z 2 ZPO). Das Berufungsgericht durfte daher - und zwar ohne in die Beweiswürdigung des Erstgerichtes einzugreifen, das auf Grund unzureichender Erforschung der behaupteten Verdachtsmomente eine vermutliche Kenntnis der Beklagten von der Vermögensverschweigung(-verheimlichung) nicht als erwiesen angenommen hatte - dem Erstgericht auftragen, weitere Feststellungen zu den bisher nicht erörterten Indizien zu treffen; es war infolge dieser Mängel entgegen der Ansicht der Rekurswerber nicht verpflichtet, die (pauschalen) negativen Feststellungen des Erstgerichtes über das Fehlen hinreichender Verdachtsgründe gemäß § 498 ZPO zu übernehmen und seiner Entscheidung zugrunde zu legen oder (was das Rechtsmittel allerdings nicht rügt) selbst eine Beweiswiederholung durchzuführen.

Die vom Berufungsgericht aufgegriffenen Stoffsammlungsmängel betreffen ausschließlich den Tatsachenbereich. Ob die Beklagten von der Vermögensverschweigung (-verheimlichung) vermutlich Kenntnis hatten oder nicht, ist eine (auf Grund der vorgebrachten Indizien zu lösende) Tatfrage. Damit kann aber der Oberste Gerichtshof, der selbst nicht Tatsacheninstanz ist, den vom Berufungsgericht erteilten Auftrag zur Verfahrensergänzung nicht überprüfen (stRsp, zB SZ 51/141; SZ 53/45). Damit kommt auch eine Entscheidung durch (stattgebendes) Urteil in der Sache selbst (§ 519 Abs 2 Satz 2 ZPO), wie von der Klägerin in der Rekursbeantwortung beantragt, nicht in Betracht. Die Entscheidung über das Rechtsmittel hängt somit nicht von erheblichen Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO (§ 519 Abs 2 Satz 1 ZPO) ab, so daß der Rekurs der Beklagten zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs 1 Satz 2 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses nicht hingewiesen.

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