OGH 4Ob54/12p

OGH4Ob54/12p12.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** AG, *****, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei S***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Mayer & Hermann Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 60.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. Februar 2012, GZ 1 R 292/11k-12, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß

§§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Folgender Sachverhalt ist bescheinigt: Das Warenverzeichnis I des Österreichischen Apothekerverlags ist eine Auflistung jener Produkte, die über öffentliche Apotheken vertrieben werden. Damit ein Arzneimittel in den Erstattungskodex des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger aufgenommen werden kann, bedarf es der Bestätigung des Antragstellers, dass das Arzneimittel lieferfähig ist (§ 351c Abs 1 ASVG); dies setzt einen Vertrieb über Apotheken voraus, der im Antrag auf Aufnahme in den Erstattungskodex mittels Auszugs aus dem genannten Warenverzeichnis zu belegen ist.

2.1. Zum Begriff des Inverkehrbringens iSd § 22 Abs 1 PatG, also einer dem Patentinhaber ausschließlich vorbehaltenen Nutzungshandlung, gehört nicht nur das Verkaufen, sondern jede andere Art des geschäftlichen Verbreitens, so auch die Aufnahme des Eingriffsgegenstands in eine im geschäftlichen Verkehr verwendete Preisliste (4 Ob 4/97k = RIS-Justiz RS0106303 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien).

2.2. Der Oberste Gerichtshof hat zu 17 Ob 24/09t und zu 17 Ob 13/09z mit ausführlicher Begründung ausgesprochen, dass der zwingend mit der Bekanntgabe des Preises und der Bestätigung der Lieferfähigkeit zu verbindende Antrag auf Aufnahme eines Arzneimittels in den Erstattungskodex des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger den Tatbestand des Feilhaltens nach § 22 PatG 1970 erfüllt (RIS-Justiz RS0125407).

3. Das Rekursgericht hat diese Rechtsprechung sinngemäß auf einen Sachverhalt angewendet, bei dem die gefährdende Partei die Listung patentverletzender Generika im Warenverzeichnis I des Österreichischen Apothekerverlags unter Nennung der Verkaufspreise bereits vor Ablauf des Schutzrechts der gefährdeten Partei beantragt und erwirkt hat, ohne dabei gleichzeitig Angaben über die Lieferfähigkeit ihrer Arzneimittel gemacht zu haben, und ohne dass aus dem Warenverzeichnis ersichtlich war, dass die gelisteten Arzneimittel nicht lieferbar seien.

4. Die Beurteilung des Rekursgerichts, das untersagte Verhalten sei ebenso wie ein Antrag auf Aufnahme eines Arzneimittels in den Erstattungskodex des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger eine dem Rechteinhaber vorbehaltene Benutzungsart, weil es (so wie der genannte Antrag) mit der Bekanntgabe eines Preises verbunden sei und eine Lieferfähigkeit - wenn auch vielleicht erst für einen Zeitraum nach Ablauf des Schutzrechts - dokumentiere, das untersagte Verhalten sei auch geeignet, zu Dispositionen der Marktgegenseite zu Lasten des Rechteinhabers zu führen, wendet die zuvor aufgezeigte höchstgerichtliche Rechtsprechung im Einzelfall zutreffend auf einen vergleichbaren Sachverhalt an.

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