European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2010:E05236
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 3.553,50 (darin S 268,50 Umsatzsteuer und S 600 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile, beide österreichische Staatsbürger, schlossen am * 1966 vor dem Standesamt * die beiderseits erste Ehe und hatten den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in *.
Die Klägerin und Widerbeklagte begehrt gemäß § 49 EheG die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten und Widerklägers. Sie machte an Gründen im wesentlichen geltend, daß der Beklagte große Mengen von pornografischen Schriften und Objekten angeschafft, Prostituierte aufgesucht, die Klägerin beschimpft und bedroht habe, daß er seine Unterhaltspflicht verletzt, Vorfälle des Familienlebens unter Außenstehenden verbreitet, Zwistigkeiten zwischen den Ehegatten ohne Zustimmung der Klägerin mit den Kindern besprochen und persönliche Gegenstände aus dem Besitz der Klägerin entwendet habe.
Der Beklagte bestritt dieses Vorbringen, beantragte Klagsabweisung, erhob Widerklage und begehrt seinerseits die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Klägerin. Als schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG legte er der Klägerin zur Last, daß diese mit ihrer Kollegin * B* etwa ab Feber 1981 ein lesbisches Verhältnis unterhalte, das von beiden Frauen auch eingestanden worden sei, daß die Klägerin trotz seiner Vorhalte ihre Beziehung zu * B* nicht abgebrochen habe, diese hinter seinem Rücken in der ehelichen Wohnung empfange und die Haushaltsführung sowie die Pflege der ehelichen Kinder wegen ihrer Freundschaft mit anderen Frauen vernachlässige.
Die Klägerin sei bei * B* auch über Nacht geblieben. Die Klägerin habe ihn beschimpft und sei ihm gegenüber auch schon gewalttätig geworden. Sie habe 1978 eine Abtreibung vornehmen lassen und dies dem Beklagten gegenüber damit begründet, daß sie andernfalls in ihrem beruflichen Fortkommen behindert wäre und die finanziellen Verhältnisse der Familie die Geburt eines dritten Kindes nicht zuließen. 1981 habe der Beklagte jedoch in Erfahrung gebracht, daß die Klägerin diese Abtreibung deshalb habe durchführen lassen, um mit ihrer damaligen Freundin C* einen Israel-Urlaub antreten zu können.
Das Erstgericht sprach die Scheidung der Ehe der Streitteile aus beiderseitigem, jedoch überwiegendem Verschulden des Beklagten aus.
Es traf die folgenden wesentlichen Feststellungen:
In der Ehe der Streitteile gab es schon in früheren Jahren immer wieder Krisen. Bereits im Jahre 1967 nach der Geburt des ersten Kindes, * als der Gesundheitszustand der Klägerin schlecht war, trat der Beklagte an die Klägerin wiederholt mit der Frage heran, was sie dazu sagen würde, wenn er zu einer Prostituierten ginge. Nach einer erfolglosen Aussprache in einem Kaffeehaus machte der Beklagte den Vorschlag, gemeinsam eine Prostituierte zu besuchen. Die Klägerin lehnte dies ab, sagte jedoch während des Weges über die Wienzeile zum Beklagten etwa: 'Wenn Du willst, so geh doch zu einer Prostituierten hinein; wenn ich diese Belastung verkrafte, dann geht es gut weiter, im anderen Fall denke ich an eine Scheidung'. Tatsächlich ging der Beklagte zu einer Prostituierten in ein Hotel, während die Klägerin ihren Weg allein fortsetzte und nachträglich zum Beklagten ironisch sagte, diese Situation sei für sie 'wunderschön' gewesen. Nach Schwierigkeiten während der Jahre 1968 bis 1973, die sich aus den Wünschen des Beklagten nach der Anwendung besonderer Praktiken beim Geschlechtsverkehr, Prostituiertenbesuchen und der Anschaffung von Pornofilmen durch den Beklagten ergaben, kam es um 1973 zu einer Besserung des Verhältnisses der Eheleute, und das zweite Kind * kam 1973 als 'Wunschkind' zur Welt.
Beide Ehegatten nahmen seit Jahren zu sexuellen Dingen eine 'liberale' Haltung ein, und die Klägerin erklärte dem Beklagten ihre Bereitschaft, pornografische Filme anzusehen, wenn sie nach ihrem Empfinden ästhetisch und normal seien. Mit Filmen, in denen sadistische oder abnorme Szenen gezeigt wurden, war die Klägerin nicht einverstanden und lehnte auch extreme Praktiken beim Geschlechtsverkehr, die z.B. Schmerzen verursachten, ab. Vor 1980 beschlossen die Streitteile, ein Reihenhaus zu kaufen, was besondere finanzielle Einschränkungen mit sich brachte. Dennoch gab der Beklagte für die Anschaffung pornografischer Filme Geld aus, weshalb es zu Streitigkeiten zwischen den Ehegatten kam. Nach der Übersiedlung in das neue Reihenhaus am *weg stellte die Klägerin 1980 fest, daß der Beklagte in einem Kasten im Keller des Hauses zahlreiche derartige Filme aufbewahrte. Der Beklagte führte der Klägerin auch wieder solche Filme vor, die dies aber wiederum ablehnte, wenn sie sie als unästhetisch oder pervers empfand. Ab November 1980 verschlechterte sich das Einvernehmen zwischen den Ehegatten.
Der Beklagte hatte sein Konto beträchtlich überzogen, er verhielt sich der Klägerin gegenüber 'garstig' und begann sich im gesteigerten und für die Klägerin auffälligen Maß zu pflegen. An Samstagen brachte er regelmäßig das Kind * morgens zur Schule, holte es mittags wieder ab und verbrachte den Vormittag anderswo. Ende Jänner/Anfang Feber 1981 fand die Klägerin im Keller des Hauses einen Bürokalender, auf dem der Beklagte mit seiner Handschrift 'Kontaktadressen' aus Zeitungen aufgeschrieben hatte. Die Klägerin suchte an Hand der Adressen die betreffenden Inserate heraus und stellte fest, daß es sich dabei um Ankündigungen mit Bemerkungen wie 'quälende spurenlose Perversitäten' handelte. Die Klägerin sagte dem Beklagten von diesen Beobachtungen zunächst nichts, machte ihm aber Vorhalte, daß sie vermute, daß er Geld für Prostituiertenbesuche ausgebe. Der Beklagte wies dies unter Beteuerungen, daß er 'so etwas nie anschaue', zurück. Mit Rücksicht auf die heranwachsenden Kinder drängte die Klägerin den Beklagten, die pornografischen Artikel aus dem Haus zu bringen; sie hatte aus Bemerkungen des Sohnes entnommen, daß dieser mit seinem Cousin den Kasten im Keller geöffnet hatte. Der Beklagte schaffte schließlich die Sachen aus dem Haus, doch brachte er fallweise wieder einschlägiges Material, insbesonders Videokassetten, nach Hause und erklärte der Klägerin dazu, daß sie ihm Zeit lassen müsse, seine Umstellung gehe nicht so schnell. Da die Klägerin auf Grund des Verhaltens des Beklagten vermutete, daß er Prostituierte aufsuche, beauftragte sie für einen Tag ein Detektivunternehmen. Dessen Bericht ergab, daß der Beklagte am 5. 12. 1981, einem Samstagvormittag, mit einer Prostituierten ein Hotel aufgesucht hatte. Die Klägerin sagte zwar dem Beklagten auch von diesem Bericht nichts, hielt ihm aber neuerlich als Vermutung vor, daß er Prostituierte aufsuche, was der Beklagte wieder in Abrede stellte. Die Klägerin äußerte nie, daß sie mit Prostituiertenbesuchen des Beklagten einverstanden wäre, sie bat ihn im Gegenteil, keine Prostituierten aufzusuchen. In diesem Zusammenhang äußerte die Klägerin ihrer Schwester * D* gegenüber, daß sie gehofft habe, den Beklagten von den Pornoartikeln abbringen zu können, daß ihr dies aber nicht gelungen sein dürfte. * D* sagte zum Beklagten in einem Gespräch im Sommer 1981, daß die Klägerin die Pornoartikel störten und es ihr davor ekle. Die Klägerin war zur Verwendung von Gummiwäsche und ähnlichen Kleidungsstücken im Zuge eines Verkehrs unter dem Aspekt bereit, daß der Beklagte dann für einige Zeit zufrieden war.
Die Klägerin ist seit dem Jahr 1970 mit ihrer Kollegin * B* befreundet. Beide Frauen sind als Professorinnen an derselben Schule tätig.
Frau B* hat ebenfalls zwei Kinder, von denen eines gleich alt ist wie der Sohn der Streitteile. Diese, die Ehegatten D* und Frau B* sowie alle Kinder verbrachten mehrere gemeinsame Schiurlaube und im Sommer 1981 einen Urlaub in Kreta. * B* wohnt in der Nähe der Streitteile und besuchte bis August 1981 deren Haus fast täglich. Sie schloß sich auch bei Besuchen den Ehegatten A* wiederholt an. Als die Klägerin im Jänner oder Februar 1981 die Aufzeichnungen der Kontaktadressen des Beklagten gefunden hatte, erzählte sie in ihrer Verzweiflung ihrer Freundin * B* von ihren Eheproblemen, von denen diese bis dahin nichts gewußt hatte. Dies führte zu einer besonders starken Bindung der Klägerin an * B*. Im Frühjahr 1981 begann der Beklagte der Klägerin zu erklären, daß er über sie nachgedacht habe und der Meinung sei, daß sie 'mehr Freiraum' brauche. Seinen Vorschlag, allein oder mit Freundinnen auszugehen, lehnte die Klägerin hauptsächlich mit dem Hinweis ab, dass sie auch bisher keinen derartigen Freiraum gebraucht habe. Tatsächlich war die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt nur dann ohne den Beklagten ausgegangen, wenn es sich um Schul- und ähnliche Feiern gehandelt hatte. Als sich ein Plan der Ehegatten, zu Ostern einige Tage wegzufahren, zerschlagen hatte, fuhr die Klägerin mit * B* zwei Tage ins Waldviertel. Einen solchen Ausflug hatten * B* und die Klägerin schon früher einmal geplant, da sie beide gern fotografieren und im Waldviertel Aufnahmen machen wollten. Der Beklagte äußerte in der Folge wiederholt, dass er Analysen über die Klägerin habe und dies über sich selbst nicht richtig Bescheid wisse.
Schließlich behauptete er, die Klägerin und Frau B* hätten ihm am 19. 6. 1981 gestanden, miteinander ein lesbisches Verhältnis zu haben. Der Beklagte verhielt sich gegenüber * B* auffällig aufmerksam, brachte ihr Blumen und kleine Geschenke, rief sie einige Male untertags an, setzte sich bei gemeinsamen Unternehmungen zwischen die Klägerin und Frau B* und legte um jede der beiden Frauen einen Arm. Er erklärte der Klägerin, dass er zu Frau B* eine neue Beziehung entwickeln müsse und dass er sie mit einem Busserl begrüßen wolle; fallweise rief er abends spontan Frau B an und lud sie in die Wohnung der Ehegatten ein. Zu seiner Schwägerin * D* machte der Beklagte die Bemerkung, er müsse sich wegen des lesbischen Verhältnisses seiner Frau mit * B* 'auch über die B* hermachen, auch wenn diese nicht sein Typ sei'. * B* war über das Verhalten des Beklagten verwundert und gewann den Eindruck, der Beklagte wolle mit ihr 'anbandeln'. Der Beklagte ließ sich von seiner Meinung, zwischen der Klägerin und Frau B* bestünden lesbische Beziehungen, nicht abbringen; die beiden Frauen lachten über derartige Äußerungen des Beklagten.
Anläßlich des Kreta-Urlaubes im Juli 1981 kam es sowohl während der Anreise als auch am Urlaubsort zu Differenzen zwischen den Ehegatten, da der Beklagte bei verschiedenen Anlässen behauptete, die Klägerin und Frau B* täten manches auf Grund ihres lesbischen Verhältnisses. Als z.B. die Klägerin im Flugzeug vor * B* saß, behauptete der Beklagte, sie lasse ihr langes Haar über die Sitzlehne zu Frau B* hängen, um diese zu reizen. Als * B* der Klägerin in einem Lokal Stacheln aus der Hand zog, die sich diese vorher bei einem Kaktus eingezogen hatte, machte der Beklagte der Klägerin Vorwürfe, das sei ihm zuviel, sie solle doch 'Dampf ablassen'. In solchem Zusammenhang kam es einmal um zwei Uhr nachts zu einem heftigen Streit, in dessen Verlauf der Beklagte die Klägerin am Hals packte. Die Klägerin lief hierauf aus dem Zimmer und verbrachte den Rest der Nacht bei * B, bei der sie sich ausweinte. Die Klägerin verbrachte nur diese eine Nacht bei * B*; am darauffolgenden Tag behauptete der Beklagte, daß er 'alles gehört' habe und daß es eine 'wilde Nacht' zwischen den beiden Frauen gewesen sei. Nach einem ehelichen Verkehr sagte der Beklagte zur Klägerin, daß er absichtlich das Fenster offen gelassen habe und daß Frau B*, die auf der Terrasse sei, 'jetzt sehr gelitten' habe. Das Zimmer von Frau B* befand sich neben dem der Ehegatten A* und war derart gelegen, daß man gegenseitig auf das Zimmer bzw. den Balkon sehen konnte. Auch in Kreta stellte sich der Beklagte wiederholt zwischen die Klägerin und Frau B* und hakte sich bei beiden Frauen ein.
Nach der Rückkehr nach Wien und einem gemeinsamen Besuch der Streitteile und Frau B*'s bei einer anderen Lehrer-Kollegin, Frau F*, wo der Beklagte auch seinen Arm um Frau B gelegt hatte, fragte der Beklagte die Klägerin ob sie nicht mit ihm und Frau B* gleichzeitig ins Bett gehen möchte. Die Klägerin und ihre Schwester * D* gewannen allmählich den Eindruck, daß der Beklagte ein 'Dreiecksverhältnis' mit Frau B* herbeiführen wolle. Der Beklagte befaßte sich mit Literatur über lesbisch veranlagte Frauen und las der Klägerin und Frau B* aus solchen Büchern vor. Er erzählte von seiner Vermutung lesbischer Beziehungen zwischen der Klägerin und Frau B* verschiedenen Personen, so seiner Schwägerin * D*, seiner Schwiegermutter, seinem Schwager, seinem Schulkollegen * G* und dem geschiedenen Ehegatten seiner Schwägerin, * H*. Er suchte einen Psychologen auf und eine Wahrsagerin. Die Überzeugung des Beklagten, seine Frau unterhalte lesbische Beziehungen zu * B*, führte aus nichtigen Anlässen zu Auseinandersetzungen und Vorwürfen: Als z.B. die Klägerin ihrer Schwester einen Führer von Venedig borgen wollte, den sie einmal von * B* bekommen hatte, behauptete der Beklagte, sie plane, mit * B* nach Venedig zu fahren. Als der Sohn der Streitteile einmal seinen Wohnungsschlüssel nicht fand, behauptete der Beklagte, diesen Schlüssel habe Frau B*, tatsächlich fand der Sohn den Schlüssel wenige Minuten später. Als die Klägerin beim Weggehen ihr Kopftuch in der Wohnung vergessen hatte und deshalb zurückkehrte, behauptete der Beklagte, das sei das Kopftuch von * B*. Als er in der Tasche der Klägerin ein Klassensparbuch der Schule fand, behauptete er, die Klägerin spare auf eine Ägyptenreise, die sie mit Frau B* machen wolle. Bezüglich eines silbernen Eheringes, den die Klägerin trägt und der von ihren Großeltern stammt, behauptete der Beklagte, sie trage ihn wegen * B*. Der Beklagte machte auch seiner Schwiegermutter den Vorwurf, daß sie lesbisch sei, weil sie nur Freundinnen hätte. Die Streitteile besitzen einen Wohnwagen auf einer Parzelle in *, wo die Familie häufig Wochenenden verbringt und die Klägerin sich mit den Kindern während der Ferien aufhält. Auch * B* kam wiederholt zu Besuch nach *, ebenso kamen Verwandte und andere Bekannte. Als * B* im Sommer 1981 nach einer Geburtstagsfeier übel geworden war und sie sich auf das Bett gelegt hatte, wobei die Wohnwagentüre offenstand, behauptete der Beklagte, Frau B* liege mit nacktem Unterleib unter der Decke, was aber nicht der Fall war.
Im August 1981 sandte der Beklagte * B* ein Schreiben, in dem er ihr wegen der Gefährdung der beiden Kinder ab sofort verbot, das Haus und den Wohnwagen zu betreten. * B* kam danach nur noch fallweise und in Abwesenheit des Beklagten in das Haus der Streitteile. Die Klägerin lud Frau B* aber zu ihrer Geburtstagsfeier am 19.2.1982 ein, zu der auch einige andere Personen kamen. Bei diesem Anlaß erklärte der Beklagte, Frau B* habe das Haus zu verlassen, * B* blieb aber ebenso wie die anderen Gäste, die den Beklagten weitgehend nicht mehr beachteten. Die Klägerin entschuldigte sich darauf bei * B* brieflich für diese Vorkommnisse und dankte ihr für ihr freundschaftliches Verhalten. Die Klägerin hielt sich wiederholte Male bis spät in die Nacht bei * B* auf und sprach sich bei ihr über ihre Eheprobleme aus. Im Februar 1982 übernachtete sie noch einmal bei * B*, als sie nach einem Konzertbesuch mit einer Kollegin nicht in das versperrte Haus der Streitteile gelangen konnte. * B* selbst nächtigte nie in deren Haus.
Die Klägerin versuchte seit jeher, Probleme in der Form schriftlicher Aufzeichnungen zu verarbeiten, und es gab Zeiten, da sowohl die Klägerin als auch der Beklagte einen Meinungsaustausch mittels Eintragungen in ein gemeinsames Heft durchführten. Die Klägerin schrieb auch Gedichte und Kurzgeschichten. Je schlechter die Situation in ihrer Ehe wurde, umso mehr flüchtete sich die Klägerin in das Niederschreiben ihrer Gedanken. Die Verdächtigungen ihres Mannes und ihre starke Bindung an * B* führten dazu, daß die Klägerin 'Gedankengespinste' in Form von Briefen verfaßte, die entweder keine Anrede oder nur die Anrede 'Du' enthielten, keine Briefe im eigentlichen Sinn waren, nicht abgeschickt wurden und * B* nie erreichten. Bereits in einer Kurzgeschichte, die sie während des Sommerurlaubes 1980 verfaßte, den sie mit dem Beklagten in einem Hotel in Tunis, wo sich zwei Lesbierinnen aufhielten, verbrachte, befaßte sie sich mit der Thematik der lesbischen Liebe. In ihren 'Briefen' sind zahlreiche Passagen enthalten, die als Ausdruck einer lesbischen Liebe aufgefaßt werden können, und die durch die Verquickung mit Personen oder Orten aus dem Familienleben der Klägerin einen wirklichkeitsnahen Eindruck hervorrufen. Tatsächlich hat die Klägerin nie sexuelle Kontakte zu * B* gehabt.
Die Klägerin bewahrte die von ihr verfaßten Schriftstücke in der Wohnung auf und kontrollierte ihre Anzahl nie. Sie wußte, daß der Beklagte solche Schriftstücke von ihr genommen hatte. Ein Heft mit Aufzeichnungen aus den Jahren 1968/1969 gab der Beklagte der Klägerin auch zunächst zurück, verlangte es aber dann wieder von ihr mit der Drohung, daß sonst etwas passiere. Seither blieb dieses Heft verschwunden. Ab dem Sommer 1981 durchsuchte der Beklagte die Sachen seiner Frau, die Schultasche, die Wohnung und das Auto der Klägerin, und nahm diverse Schriftstücke der Klägerin an sich. Im Jahre 1978 wurde die Klägerin ein drittes Mal schwanger. Sie teilte dem Beklagten mit, daß sie ein weiteres Kind nicht zur Welt bringen wolle. Sie hatte gesundheitliche Bedenken wegen ihrer Zuckerkrankheit und der Nichtübereinstimmung der Rhesus-Faktoren, der Beklagte vermutete hingegen berufliche und finanzielle Gründe. Auf Veranlassung der Kläger vereinbarte der Beklagte einen Termin bei einem Arzt; die Abtreibung wurde tatsächlich durchgeführt. Im Zuge von heftigen Streitigkeiten zwischen den Ehegatten kam es auch zu gegenseitigen Beschimpfungen, deren Übergewicht beim Beklagten lag, der oft sehr emotionell reagierte und im zunehmenden Maß gegenüber der Klägerin ausfällig wurde. Nach einem Streit der Ehegatten am 28. 1. 1982 erstattete der Beklagte bei der Polizei eine Anzeige, daß die Klägerin ihm eine Ohrfeige versetzt habe. Der Amtsarzt stellte eine leichte Schwellung der linken Gesichtshälfte fest. Die Klägerin bestritt bei der Polizei, dem Beklagten eine Ohrfeige gegeben zu haben; das Strafverfahren wurde gemäß § 90 StPO eingestellt.
Im August 1981 sagte der Beklagte zu dem Sohn *, der die ehelichen Spannungen bereits bemerkt hatte, daß Frau B offenbar eine zu gute Freundin geworden sei, und antwortete auf die Frage des Sohnes, daß es 'schon zu einer Scheidung kommen' könnte. Ebenso zeigte der Beklagte das vor Einreichung der Scheidungsklage an ihn gerichtete Schreiben des Klagevertreters den Kindern mit der Bemerkung, die Mama wolle sich scheiden lassen. Er wies dabei aber nicht darauf hin, daß er selbst erklärt habe, eine Scheidung zu wünschen. Die Klägerin wußte zunächst nichts davon, daß der Beklagte mit den Kindern von der Möglichkeit einer Scheidung schon gesprochen hatte. Es fiel ihr aber das bedrückte Verhalten der Kinder auf und sie erfuhr schließlich von der Tochter, daß der Beklagte den Kindern gesagt habe, ihre Mutter wolle sich scheiden lassen.
In rechtlicher Hinsicht kam das Erstgericht zu dem Ergebnis, daß dem Beklagten als schwere Eheverfehlungen die Verwendung von pornografischem Material, soweit dies über die Zustimmung der Klägerin hinausging, der Besuch von Prostituierten und das Weiterverbreiten seiner Vermutungen über lesbische Beziehungen der Klägerin an dritte Personen anzulasten seien sowie, daß er der Klägerin gehörende Sachen an sich genommen habe. Die Besprechung der Scheidungsabsicht der Klägerin mit den Kindern sei zwar ein sich gerade auf die Kinder ungünstig auswirkendes Verhalten, könne jedoch nicht als eigene schwere Eheverfehlung gewertet werden. Hinsichtlich der beiderseitigen Beschimpfungen, Bedrohungen und allfälligen Mißhandlungen lägen hervorstechende Handlungsweisen eines Ehepartners nicht vor. Ebenso reichten die Feststellungen nicht für die Annahme einer Unterhaltsverletzung durch den Beklagten aus. Lesbische Beziehungen der Klägerin, die zu körperlichen Kontakten mit anderen Frauen geführt hätten, seien nicht festgestellt worden. Die von der Klägerin im Jahr 1978 vorgenommene Abtreibung könne ihr nicht als Eheverfehlung angelastet werden, da der Beklagte der Abtreibungsabsicht der Klägerin nichts entgegengesetzt habe und ihr sogar bei der Beschaffung des betreffenden Termins behilflich gewesen sei. Eine Eheverfehlung der Klägerin, die ein Mitverschulden an der Zerrüttung der Ehe begründe, sei jedoch darin zu erblicken, daß sie sich in Gedanken 'übermäßig' lesbischen Themen zugewendet habe, und zwar in einer Situation, in der sie von den Vermutungen des Beklagten gewußt habe und hätte erkennen müssen, daß sie seinen Verdacht dadurch bestärken würde. Die Fortsetzung der Freundschaft der Klägerin zu * B* mit nahezu unverminderter Intensität nach dem Zeitpunkt, ab dem * B* vom Beklagten abgelehnt worden sei, sei ebenfalls als - allerdings geringfügige - Eheverfehlung anzusehen, weil sie die innere Distanzierung der Klägerin vom Beklagten gefördert habe.
Das Berufungsgericht gab der nur vom Beklagten aus den Gründen der unrichtigen Beweiswürdigung und unrichtigen bzw. unzureichenden Tatsachenfeststellung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobenen Berufung nicht Folge. Die Beweis- und Tatsachenrüge erachtete das Berufungsgericht in ausführlicher Auseinandersetzung mit dem bezüglichen Berufungsvorbringen und ebenso eingehender Bestätigung der erstrichterlichen Beweiswürdigung als nicht stichhaltig und übernahm daher die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer einwandfreien Beweiswürdigung.
Es billigte auch dessen rechtliche Beurteilung. In Beachtung der für die Verschuldensabwägung maßgeblichen Grundsätze könne kein Zweifel daran bestehen, daß dem Beklagten das überwiegende Verschulden an der Ehezerrüttung anzulasten sei, weil er es gewesen sei, der durch seine die Klägerin abstoßenden, steten Forderungen nach Gebrauch von pornografischem Material, insbesondere durch sein Beharren darauf, daß sie sich Sexfilme sadistischen oder sonst abnormen Inhalts ansehen solle, die Ehezerrüttung eingeleitet, vergrößert und fortgesetzt habe. Die Klägerin sei den bezüglichen Wünschen des Beklagten zwar bis zu einem gewissen Punkt, aber eben nicht darüber hinaus, willfährig gewesen. Trotzdem habe der Beklagte nicht davon abgelassen, von ihr die Erfüllung von Wünschen zu verlangen, die ihrer psychischen Disposition kraß zuwiderliefen. Beim Beklagten spiele die Sexualität offensichtlich eine so wichtige Rolle, daß sie ihn für die seelische Disposition seiner Partnerin unempfänglich mache und ihn dazu getrieben habe, sich über deren Vorstellung von der Gestaltung der sexuellen Beziehungen zwischen den Ehepartnern hinwegzusetzen. Dieser Mangel an Einfühlungsvermögen, durch den die erste und entscheidende Ursache zur Ehezerrüttung gesetzt worden sei, sei dem Beklagten als schwere Eheverfehlung anzulasten. Dazu kämen seine Besuche von Prostituierten. Der Beklagte habe durch dieses Verhalten die Klägerin nicht nur seelisch erheblich in Mitleidenschaft gezogen - ob und in welchem Ausmaß er durch sein Verhalten er ihre lesbischen Neigungen gefördert haben könnte, müsse dahingestellt bleiben -, sondern darüber hinaus das Eheleben auch besonderen finanziellen Belastungen ausgesetzt, weil er trotz der durch den Kauf des Reihenhauses bedingten finanziellen Einengung weiterhin ungehemmt Pornofilme und anderes pornografisches Material angeschafft habe. Die Mitteilung seiner Vermutung über lesbische Kontakte der Klägerin an Dritte stelle entgegen seiner Meinung auch dann eine schwere Eheverfehlung dar, wenn er diesbezüglich subjektiv im guten Glauben gewesen sein sollte, weil ihn nichts dazu berechtigt habe, eine nur die Ehegatten angehende Angelegenheit nach außen zu tragen, zumal dies für die Klägerin leicht persönliche und berufliche Nachteile mit sich habe bringen können. Auch die nicht anders als 'schnüfflerisch' zu bezeichnende Art, in der sich der Beklagte in den Besitz von Beweismaterial gegen die Klägerin setzte und damit ihre (häusliche) Intimsphäre verletzte, sei ihm zu Recht als schwere Eheverfehlung angelastet worden. Zu Lasten der Klägerin sei lediglich in Anschlag zu bringen, daß sie sich in einer für den Beklagten Verdacht erregenden Weise der schriftlichen Behandlung von lesbischen Themen zugewendet und ihre Freundschaft mit * B* auch noch fortgesetzt habe, als sie von deren Ablehnung durch den Beklagten wußte. Die Verschuldensteilung des Erstgerichtes sei daher richtig.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes - nach dem Inhalt der Ausführungen und im Revisionsantrag nur in Ansehung der Verschuldensteilung - erhebt der Beklagte Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils dahin, daß das alleinige oder überwiegende oder zumindest gleich große Verschulden der Klägerin ausgesprochen werde, hilfsweise mit einem Aufhebungsantrag.
Die Klägerin, die eine Revisionsbeantwortung erstattete, beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Was der Beklagte unter Punkt 1.) seiner Revisionsschrift zur 'Abtreibung der Klägerin im Jahre 1978 unter Angabe irriger Vorwände' geltend macht, betrifft ausschließlich die Feststellungen über die zur Vornahme der Abtreibung führenden Gründe und stellt nichts anderes als eine Bekämpfung der Beweiswürdiung des Erstgerichtes und deren ausführlich begründete Billigung durch das Berufungsgericht dar. Derartige Beweis- und Feststellungsrügen sind jedoch im Revisionsverfahren nicht mehr zulässig, weshalb darauf nicht eingegangen werden kann.
Unter Punkt 2.) 'Gewichtigkeit der Eheverfehlungen des Beklagten', wendet sich der Beklagte - indem er gewisse Einzelheiten, die zu seinen Gunsten sprechen könnten, heraushebt - im Ergebnis gleichfalls nur gegen die Tatsachenfeststellung der Unterinstanzen, daß er durch seine Forderung nach dem Gebrauch von pornografischem Material die Klägerin abgestoßen habe. Die 'extrem liberale' Einstellung der Klägerin im sexuellen Bereich, der Umstand, daß sie derartiges Material nicht vorgelegt und insbesondere nie versucht habe, solches aus dem Hause zu schaffen, rechtfertige nicht den Vorwurf, daß es der Beklagte an Einfühlungsvermögen gegenüber der Klägerin habe mangeln lassen. Von einer schweren Eheverfehlung könne daher ebensowenig wie bei den zwei festgestellten Prostituiertenbesuchen gesprochen werden, weil letztere allenfalls Anlaß zu einer Vermutung ehewidriger Beziehungen sein könnten, nicht jedoch deren Beweis ausmachten.
Nach dem festgestellten Sachverhalt kann indes nicht zweifelhaft sein, daß die Zerrüttung der Ehe vom Beklagten ausgegangen ist. Dies geschah vor allem durch seinen Mangel an Einfühlungsvermögen für die seelische Bereitschaft der Klägerin in sexueller Hinsicht, ebenso aber durch die Prostituiertenbesuche.
Entgegen der Meinung der Revision liegen schon in der Tatsache dieser Besuche, ohne Kenntnis weiterer Einzelheiten, mögen sie auch wie in einem der hier vorliegenden Fälle vom anderen Ehepartner widerstrebend hingenommen worden sein, schwere Verstöße gegen die eheliche Treue, zu der die Eheleute nicht bloß im körperlichen, sondern auch im geistig-seelischen Bereich verpflichtet sind (Schwind in Klang2 I/1 771 f; ders in Eherecht2 206 f). Dem Beklagten ist nur insoweit Recht zu geben, als die finanziellen Belastungen durch Anschaffung von pornografischem Material mangels entsprechend konkreter Feststellungen nicht als schwere Eheverfehlung ins Gewicht fallen können, was aber nichts daran ändert, daß die Tatsache der wiederholten Beschaffung des Materials, nachdem die Klägerin sich damit nicht mehr abzufinden vermochte, eine solche schwere Eheverfehlung darstellt. Daß der Beklagte nach Einleitung des Scheidungsverfahrens mit Freunden über seine Situation sprach, kann ihm allerdings ebensowenig zum ins Gewicht fallender Vorwurf gemacht werden, wie, soweit dies vor diesem Zeitpunkt erfolgte, diesbezügliche Äußerungen gegenüber nahen Verwandten, als sich die Zerrüttung der Ehe bereits abzeichnete. Der Beklagte irrt jedoch, wenn er vermeint, die Wegnahme von Schriftstücken aus dem Besitz der Klägerin sei zum Zweck der Sammlung von Beweismaterial und überdies dadurch gerechtfertigt gewesen, daß er diese nach Anfertigung von Fotokopien zurückgegeben habe. Darin liegt, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, ebenfalls eine schwere Eheverfehlung, weil ein derartiges Verhalten die auch in der ehelichen häuslichen Gemeinschaft zu respektierende persönliche Sphäre der Ehegatten verletzt.
Bei der Beurteilung der Frage des Vorliegens überwiegenden Verschuldens eines Teils ist nicht nur zu berücksichtigen, wer mit dem später zur Zerrüttung der Ehe führenden Verhalten begonnen, sondern auch, wer entscheidend dazu beigetragen hat, daß die Ehe unheilbar zerrüttet wurde.
Nicht nur die Schwere der Verfehlungen an sich, sondern das Maß ihres Einflusses auf die unheilbare Zerrüttung ist maßgeblich. Daß das schuldhafte Verhalten eines Teils das des anderen nach sich gezogen hat, führt dabei regelmäßig zur Annahme, daß dem Beitrag des ersteren größeres Gewicht beizumessen ist (EFSlg. 41.295, 41.294, 38.780 ua; zuletzt etwa 6 Ob 602/84).
Der das 'überwiegen' rechtfertigende graduelle Unterschied zwischen den beiderseitigen Verschuldensanteilen muß auch unter Einbeziehung des Gesamtverhaltens beider Eheleute jedenfalls deutlich hervortreten (EFSlg. 41.290 u.a.; Schwind EheR2 284). Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes in Bezug auf die Verschuldensteilung, von der erwähnten Einschränkung abgesehen, zuzustimmen. Daß sich die Klägerin in einer für den Beklagten Verdacht erregenden Weise der schriftlichen Behandlung von lesbischen Themen zuwendete und ihre Freundschaft mit * B* auch noch fortsetzte, als sie von der Ablehnung des Beklagten wußte, vermag das - die Zerrüttung auslösende - Verschulden des Beklagten auch nicht annähernd aufzuwiegen, zumal die Hinwendung der Klägerin zu * B* offenbar in dem Maße erfolgte und zunahm, wie der Mangel an Rücksichtnahme des Beklagten auf die Klägerin diese in seelische Mitleidenschaft zog. Es liegt sonach ein deutlich überwiegendes Verschulden des Beklagten vor.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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