European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E121977
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Revisionsrekurswerber W* R* ist schuldig, der Antragstellerin die mit 128,28 EUR (darin 21,38 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).
1. Der gesetzliche Forderungsübergang (Legalzession) auf Sozialversicherungsträger untersteht dem Sachrecht jener Rechtsordnung, die die Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers verfügt und damit den Zessionsgrund geliefert hat (RIS‑Justiz RS0083638), hier also – unstrittig – nach Art 15 EuUVO iVm Art 10 HUP deutschem Recht (vgl 7 Ob 143/16d = RIS‑Justiz RS0083638 [T10]).
Nach § 94 Abs 1 dSGB XII geht der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch eines Sozialhilfe-berechtigten bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über. Als Folge des Anspruchsübergangs tritt ein Gläubigerwechsel ein, die Rechtsnatur des Anspruchs verändert sich nicht. Nebenrechte, insbesondere soweit vertraglich vereinbart, gehen ebenfalls über; das Stammrecht verbleibt beim Leistungsberechtigten, sodass er Gestaltungsrechte weiterhin ausüben kann (7 Ob 143/16d).
Der antragstellende (deutsche) Heimträger macht hier somit nach deutschem Recht Unterhaltsansprüche der leistungsberechtigten Mutter gegen die antragsgegnerische Tochter geltend. Auf die österreichische Rechtslage zum „Pflegeregress“ kommt es damit nicht an.
2. Die Frage, ob der österreichische Mann der Antragsgegnerin zur Auskunft über seine Einkommensverhältnisse verpflichtet ist, wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf:
2.1. Die österreichischen Verfahrensvorschriften enthalten keine Bestimmungen, die die Anwendung ausländischen Verfahrensrechts ermöglichen; es sind daher von österreichischen Gerichten nur inländische Verfahrensvorschriften anzuwenden (RIS‑Justiz RS0009195). Dies gilt auch dann, wenn der Entscheidung – wie hier – materiell das Privatrecht eines anderen Staats zugrunde gelegt wird (RIS‑Justiz RS0009195 [T2]).
2.2. Dass kein konkretes Leistungsbegehren erhoben wird, schadet nicht (vgl § 9 AußStrG). Ein Feststellungsbegehren im Außerstreitverfahren ist möglich, wenn dies in der materiellen Rechtslage angelegt ist (7 Ob 143/16d = RIS‑Justiz RS0131000 mwN).
2.3. Nach § 16 Abs 2 AußStrG haben zunächst die Parteien des Verfahrens vollständig und wahrheitsgemäß alle ihnen bekannten, für die Entscheidung des Gerichts maßgebenden Tatsachen und Beweise vorzubringen beziehungsweise anzubieten und alle darauf gerichteten Fragen des Gerichts zu beantworten.
Nach § 102 Abs 1 AußStrG haben neben den Parteien auch andere Personen, deren Einkommen oder Vermögen für die Entscheidung über den gesetzlichen Unterhalt zwischen in gerader Linie verwandten Personen von Belang ist, dem Gericht hierüber Auskunft zu geben und die Überprüfung von deren Richtigkeit zu ermöglichen.
Die ersuchten Personen sind zur Auskunftserteilung verpflichtet (§ 102 Abs 4 Satz 2 AußStrG).
Das Gericht kann nach § 102 Abs 2 AußStrG auch das Arbeitsmarktservice, die in Betracht kommenden Träger der Sozialversicherung und andere Sozialleistungen gewährende Stellen um Auskunft über Beschäftigungs- oder Versicherungsverhältnisse oder über Einkommen von Personen ersuchen, deren Einkommen für die Entscheidung über den gesetzlichen Unterhalt zwischen in gerader Linie verwandten Personen von Belang ist. Kommt eine Person ihren Pflichten nach § 102 Abs 1 AußStrG nicht nach, so kann auch deren Dienstgeber um Auskunft ersucht werden.
Für den Auskunftsanspruch ist es somit unerheblich, ob der Ersuchte „direkt“ unterhaltspflichtig ist; auch eine Privatstiftung kann etwa eine „Person“ iSd § 102 Abs 1 AußStrG sein (10 Ob 46/08z = RIS‑Justiz RS0124112).
2.4. Die Vorinstanzen vertraten die Auffassung, es komme nicht darauf an, dass der Rechtsmittelwerber gegenüber der Mutter der Antragsgegnerin nicht selbst unterhaltspflichtig sei; mittelbar sei jedoch die Frage, welches Einkommen er habe, grundsätzlich dafür relevant, ob die Antragsgegnerin ihrer Mutter – als Verwandte in gerader Linie – Unterhalt leisten müsse. Der Mann der Unterhaltspflichtigen sei daher grundsätzlich zur Auskunft nach § 102 AußStrG verpflichtet.
Diese Auffassung bedarf im vorliegenden Einzelfall vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage keiner Korrektur.
Auf die vom Rekursgericht aufgeworfene (Zulassungs‑)Frage, ob diese Verpflichtung nicht nur für die Ermittlung von vom Auskunftspflichtigen geschuldeten (hier: Ehegatten‑)Unterhalt, sondern auch für die Ermittlung des „Familieneinkommens“ nach deutschem Recht besteht, kommt es nicht an. § 102 Abs 1 AußStrG stellt nach seinem klaren Wortlaut nur darauf ab, dass die Auskunft über eigenes Vermögen oder Einkommen des Befragten für einen gesetzlichen Unterhalt zwischen in gerader Linie Verwandten von Belang sein muss.
3.1. Für den Fortgang des Verfahrens notwendige Verfügungen hat das Gericht gegenüber Personen, die sie unbefolgt lassen, nach § 79 Abs 1 AußStrG von Amts wegen durch angemessene Zwangsmittel durchzusetzen; als Zwangsmittel kommen insbesondere auch Geldstrafen in Betracht (§ 79 Abs 2 Z 1 AußStrG). Es handelt es sich um Beugemaßnahmen und nicht um repressive Instrumente pönalen Charakters (RIS‑Justiz RS0124115 [T6]).
3.2. Die Anwendung dieser verfahrensinternen Zwangsmittel nach § 79 Abs 1 AußStrG setzt eine durchsetzbare Pflicht voraus, die sich auch aus § 102 AußStrG für Auskunftspflichten in Unterhaltssachen ergeben kann (vgl RIS‑Justiz RS0124115). Auch insofern ist den Vorinstanzen daher keine aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen.
4. Der Oberste Gerichtshof ist im Übrigen auch im Außerstreitverfahren nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz (RIS‑Justiz RS0007236; RS0108449 [T2]); er kann daher den – von der Antragstellerin unbekämpften – Ergänzungsaufträgen des Rekursgerichts nicht entgegentreten (RIS‑Justiz RS0006737; vgl RS0043414). Ob die Auskunft des Rechtsmittelwerbers im Lichte des Antragsvorbringens konkret „von Belang“ ist, wirft keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf: Die Frage, ob ein bestimmtes Vorbringen Anlass zu einer Erörterung beziehungsweise Anleitung dieser Partei durch das Gericht geben könnte, ist von vornherein einzelfallbezogen (vgl RIS‑Justiz RS0114544).
5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht, zumal das Rechtsmittel auch in Ansehung der behaupteten Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot nach Unionsrecht und gegen den inländischen ordre public keine erheblichen Rechtsfragen aufwirft (§ 71 Abs 3 AußStrG).
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 AußStrG; die Antragstellerin hat auf die Unzulässigkeit hingewiesen.
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