OGH 4Ob46/95

OGH4Ob46/9527.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Magnus S*****, vertreten durch Dr.Kurt Zangerl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Elisabeth A*****, vertreten durch Dr.Ekkehard Erlacher und Dr.Renate Erlacher-Philadelphy, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Unterlassung und Feststellung (Streitwert im Provisorialverfahren S 500.000,--), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 10.April 1995, GZ 2 R 101/95-11, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 22. Februar 1995, GZ 13 Cg 12/95t-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsrekursverfahrens vorläufig, die beklagte Partei hingegen endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger betreibt ein Sportgeschäft in I*****. Mit Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag vom 23.5.1972 verkaufte er - neben anderen Verkäufern weiterer Liegenschaften - die Liegenschaft EZ ***** KG I***** bestehend aus dem Grundstück ***** (Waschküche mit darüberliegender Schneiderwerkstatt) zum Zweck der Errichtung eines Gebäudes (auf sämtlichen Kaufliegenschaften) und der Begründung des Wohnungseigentums an den zu errichtenden Geschäftslokalen und Wohnungen. Die Käufer, darunter der Fremdenverkehrsverband I***** (nunmehr: Tourismusverband I*****), übernahmen gemäß Pkt IX des Vertrages jeweils für ihren Anteil mit obligatorischer Wirkung die Verpflichtung, auf den Kaufobjekten kein Sportgeschäft zu errichten oder die Ausübung eines solchen in den neu errichteten Räumlichkeiten zu ermöglichen und diese Verpflichtung im Falle der Weiterveräußerung den jeweiligen Erwerbern aufzuerlegen.

Im Jahr 1994 vermietete der Tourismusverband I***** ein Geschäftslokal in diesem Hause der Beklagten. Punkt VIII des Mietvertrages lautet:

"Die Anmietung des Mietgegenstandes erfolgt zu dem Zweck, in diesem eine Boutique zu betreiben. Der Mieterin ist es untersagt, im Mietgegenstand einen Gastronomiebetrieb oder ein Lebensmittelgeschäft zu betreiben. Die Mieterin nimmt ausdrücklich zur Kenntnis, daß zwischen dem Vermieter und dritten Personen (Gemeinde I*****, Magnus S***** [= Kläger] und Emma E***** als seinerzeitige Verkäufer der Liegenschaft) eine Vereinbarung besteht, wonach auf der gegenständlichen Liegenschaft kein Sportgeschäft errichtet oder die Ausübung eines solchen ermöglicht werden darf. Die Mieterin nimmt diese Einschränkung zur Kenntnis. Sie erklärt, für den Fall des Zuwiderhandelns gegen diese Einschränkung den Vermieter schad- und klaglos zu halten, sowohl hinsichtlich allenfalls gestellter Schadenersatzansprüche als auch hinsichtlich Rechts- und Vertretungskosten, die mit der Abwehr derartiger Ansprüche verbunden sind".

Seit der Eröffnung ihrer Boutique im Dezember 1994 verkauft die Beklagte in diesem Bestandgegenstand auch Sportbekleidung wie Skianzüge, Anoraks, Schneehemden und Skihandschuhe.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt der Kläger, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, in dem von ihr gemieteten Geschäftslokal im Erdgeschoß des Verbandsgebäudes des Tourismusverbandes I***** Textilien, soweit diese unter den Begriff "Sportbekleidung" fallen, anzubieten und zu verkaufen. Die Beklagte habe den Vermieter in sittenwidriger Weise über ihre wahren Absichten getäuscht und ihn dadurch zum Abschluß des Mietvertrages veranlaßt und sich durch den Verkauf von Sportbekleidung in ihrer Boutique über die ihr im Mietvertrag überbundene Verpflichtung hinweggesetzt. Der Kläger hätte seine Liegenschaft nicht verkauft, wenn die Käufer nicht bereit gewesen wären, die genannten Verpflichtungen zu übernehmen und diese (weiteren) Rechtenehmern zu überbinden. Die von der Klägerin übernommene Verpflichtung erfasse jedenfalls auch den Verkauf von Sportbekleidung; die Klägerin wende sich damit an denselben Kundenkreis wie der Kläger im Rahmen seines Sportgeschäfts.

Die Beklagte sprach sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung aus. Zwischen den Streitteilen bestehe keine Vertragsbeziehung. Mit dem Verkauf von Sportbekleidung verstoße sie nicht gegen die guten Sitten. Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und dem Tourismusverband I***** rechtfertigten die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte nicht. Die Beklagte betreibe aber auch kein Sportgeschäft. Daß in einem Modegeschäft in einem Wintersportort auch Sportbekleidung angeboten werde, sei nicht ungewöhnlich. Dieser Umstand gebe ihrem Geschäft aber noch nicht den Charakter eines Sportgeschäfts.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Mangels vertraglicher Beziehungen zwischen den Streitteilen habe der Kläger keinen vertraglichen Unterlassungsanspruch. Ein deliktisches oder sittenwidriges Verhalten der Klägerin liege aber nicht vor.

Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Den in Behebung sekundärer Feststellungsmängel erweiterten, eingangs bereits vollständig wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, daß die Beklagte durch die Aufnahme von Wintersportbekleidung in ihr Warensortiment gegen die im Mietvertrag übernommene Verpflichtung verstoßen habe, in den Bestandgegenstand kein Sportgeschäft zu führen. Derartige Kleidungsstücke gehörten geradezu zum Stardardprogramm von Sportgeschäften; insbesondere in Wintersportgebieten sei der Begriff des Sportgeschäfts weit zu fassen. Damit habe die Beklagte einen unmittelbar den Wettbewerb zwischen ihr und dem Kläger regelnden Punkt des Mietvertrages in einer Weise verletzt, daß dem Kläger ein Nachteil und ihr selbst daraus ein Vorteil erwachsen sei. Damit habe sie die Wettbewerbslage planmäßig und rechtswidrig verändert, so daß mit dieser Vertragsverletzung, wenngleich zwischen den Streitteilen kein unmittelbares Vertragsverhältnis bestehe, aber die festgestellte Vertragskette hergestellt worden sei, auch ein Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG verbunden sei. Ob die Beklagte das Mietrecht mit einer unrichtigen Behauptung über den Gegenstand ihres Unternehmens erschlichen habe, sei unter diesen Umständen nicht mehr von Belang.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der Beklagten erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Die Beklagte bekämpft in erster Linie die Auffassung des Rekursgerichts, daß sie durch den Verkauf von Wintersportbekleidung gegen die mit dem Mietvertrag übernommene Verpflichtung, in diesem Bestandobjekt kein Sportgeschäft zu betreiben, verstoßen habe. Nicht die Aufnahme eines zum Kläger in Wettbewerb tretenden Unternehmens schlechthin sei ihr verboten, sondern nur der Betrieb eines Sportgeschäfts. Sportmode werde aber üblicherweise auch in Bekleidungsgeschäften verkauft.

Der Beklagten ist zwar zuzugestehen, daß nicht jede (noch so) geringfügige Überschneidung ihres Warenangebotes mit dem von Sportgeschäften schlechthin eine Vertragsverletzung sein muß. Im vorliegenden Fall hat sie aber durch den Verkauf von typischer (Winter-)Sportbekleidung, wie Skianzügen, Anoraks, Schneehemden und Skihandschuhen, Waren in ihr Handelsprogramm aufgenommen, die einen wesentlichen Bestandteil des von Sportgeschäften üblicherweise vertriebenen Warenkatalogs ausmachen. Die von ihr übernommene Verpflichtung, in dem Bestandgegenstand kein Sportgeschäft zu betreiben, hat zweifellos den Zweck, den daraus berechtigten Kläger keiner wesentlichen Konkurrenz durch einen in diesem Bestandgegenstand ausgeübten Geschäftsbetrieb auszusetzen. Gegen die Wirksamkeit einer solchen Klausel führt die Beklagte nichts ins Treffen. Daß der Verkauf von Wintersportbekleidung in einem kleinen Wintersportort durch den Inhaber eines Textilgeschäfts den Wettbewerb eines im selben Ort ansässigen Inhabers eines Sportgeschäfts beeinträchtigt, selbst wenn in dem Konkurrenzunternehmen sonst keine für Sportgeschäfte typischen Artikel vertrieben werden, ist aber evident. Die Beklagte hat daher durch die Aufnahme von Wintersportbekleidung in ihr Handelsprogramm des von ihr in dem Bestandobjekt betriebenen Unternehmens gegen die mit dem Bestandvertrag zu Gunsten eines Dritten übernommene Verpflichtung verstoßen.

Der Beklagten kann aber auch darin nicht gefolgt werden, daß mit dieser Vertragsverletzung kein Verstoß gegen die Sitten im Sinne des § 1 UWG verbunden sei.

Nach Lehre (Hohenecker/Friedl, Wettbewerbsrecht 83; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2 II 219; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht17 660 f Rz 694 f zu § 1 dUWG) und ständiger Rechtsprechung (SZ 34/22; ÖBl 1955, 53; ÖBl 1972, 93 - Friseur - All - Boutique; ÖBl 1972, 149 - Lampenschirme; ÖBl 1980, 65 - Exportbüro - Wien; MR 1988, 203 - Traktorseilwinde; ÖBl 1993, 222 - Implantatteile) gibt eine bloße Vertragsverletzung allein grundsätzlich noch keinen Anspruch nach den Bestimmungen des UWG; ein solcher ist nur dann zu bejahen, wenn zur Vertragsverletzung besondere Umstände hinzutreten, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt. Jede vertragliche Verpflichtung zu einer Leistung zwingt nämlich rechtlich zur Vertragserfüllung. Selbst wenn die Erfüllung aus ersichtlich verwerflichen Gründen - etwa aus reiner Leichtfertigkeit oder Bosheit - unterbleibt, liegt eine sittenwidrige Handlung regelmäßig nicht vor. Eine gegen § 1 UWG verstoßende Wettbewerbshandlung ist hingegen eine unerlaubte Handlung iwS und setzt als solche die widerrechtliche Verletzung einer außervertraglichen, sich aus der Sozialordnung ergebenden allgemeinen Rechtspflicht voraus; diese kann sich nicht schon aus einem Vertrag ergeben, dessen obligatorische Wirkung sich ja auf die Vertragspartner beschränken (Baumbach/Hefermehl aaO; ÖBl 1993, 222 - Implantatteile).

Sittenwidrigkeit ist im Zusammenhang mit einer Vertragsverletzung jedenfalls dann zu bejahen, wenn die Wettbewerbshandlung als solche unabhängig von der Vertragsverletzung gegen die guten Sitten verstößt (ÖBl 1955, 53; ÖBl 1972, 149 - Lampenschirme; ÖBl 1933, 222 - Implantatteile). Sittenwidrigkeit wurde insbesondere dann angenommen, wenn sich die verletzte Vertragsverpflichtung unmittelbar auf eine (erlaubte) Regelung des Wettbewerbs (zwischen den Vertragsteilen) bezieht und diese in der Absicht verletzt wird, dem Gegner gegenüber einen Vorteil zu erlangen, der die Wettbewerbslage in rechtswidriger Weise verändert; in einem solchen Fall würde mit dem Vertrauen in bestehende Bindungen eine wesentliche Grundlage jedes Geschäftsverkehrs erschüttert (Hohenecker/Friedl aaO; Baumbach-Hefermehl aaO 661 Rz 695; SZ 24/150 = ÖBl 1953, 63; SZ 34/22; ÖBl 1980, 65 - Exportbüro - Wien; MR 1988, 203 - Traktorseilwinde; ÖBl 1993, 222 - Implantatteile). Das Verhalten des Mieters eines Geschäftslokals, der sich beim Abschluß des Mietvertrages gegenüber dem Vermieter verpflichtet hat, in dem Lokal nur ein ganz bestimmtes Gewerbe zu betreiben, dann aber in Kenntnis des Umstandes, daß diese Verpflichtung dem Schutz eines im selben Haus tätigen Mitwerbers gegen Konkurrenzierung dienen soll, seine Vertragspflicht verletzt, wurde vom Obersten Gerichtshof schon als sittenwidrig beurteilt (ÖBl 1972, 93 - Friseur - All - Boutique). Auch dieser Entscheidung lag der Unterlassungsanspruch gemäß § 1 UWG des durch eine in einem Mietvertrag enthaltene Konkurrenzklausel geschützten Dritten (Betroffenen) zugrunde. Ob in einem solchen Falle jeder Mitbewerber klagebefugt ist (verneinend etwa Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2 281), muß allerdings hier nicht beurteilt werden, weil ohnehin der durch den Vertrag geschützte Dritte klagt.

Eine Vertragsverletzung kann zwar insbesondere dann nicht als Verstoß gegen § 1 UWG gewertet werden, wenn sich die Vertragswidrigkeit des Handelns erst aus einer bestimmten Auslegung des Vertrages ergibt und dieser allenfalls auch anders gedeutet werden könnte (ÖBl 1980, 65 - Exportbüro - Wien; MR 1988, 203 - Traktorseilwinde). Im vorliegenden Fall enthält aber die maßgebende Klausel im Mietvertrag ein ausdrückliches Konkurrenzverbot; die Auslegung, daß davon auch der Handel mit solchen Artikeln erfaßt ist, die in den Kernbereich von Sportgeschäften fallen, liegt auf der Hand. Schließlich ist aber der Beklagten auch die Absicht, mit dem Verstoß gegen das Konkurrenzverbot gegenüber dem daraus begünstigten Kläger einen Vorteil zu erlangen, zu unterstellen, kennt sie doch ihre Vertragspflicht und hat sie dessen ungeachtet Sportbekleidung in ihr Handelsprogramm aufgenommen, wodurch sie in eindeutiger Weise ihr eigener Wettbewerb gefördert werden sollte.

Mit Recht hat daher das Rekursgericht den Unterlassungsanspruch bejaht. Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich in Ansehung des Klägers auf § 393 ABs 1 EO, in Ansehung der Beklagten auf §§ 78, 402 EO, §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO.

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