OGH 4Ob307/61

OGH4Ob307/6121.2.1961

SZ 34/22

Normen

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §14
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §14

 

Spruch:

Planmäßiges Zuwiderhandeln gegen eine Vertragspflicht durch mißbräuchliche Verwendung einer offenen Handelsgesellschaft zur Umgehung der Verbindlichkeit ist sittenwidrig. Die offene Handelsgesellschaft kann in einem solchen Fall als Mitschuldige (Gehilfin) haften.

Entscheidung vom 21. Februar 1961, 4 Ob 307/61.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die klagende (gefährdete) Partei begehrte die Verurteilung der Beklagten 1.) Emil A., 2.) Sulan H. und 3.) prot. Firma R. (Gegner der gefährdeten Partei) zur Unterlassung des Vertriebes von Waschmaschinen zweiter Wahl mit äußerlich kleinen Emailfehlern und der Verkaufswerbung für solche Maschinen durch Ankündigungen in öffentlichen Bekanntmachungen oder in für einen größeren Personenkreis bestimmten Mitteilungen. Sie begehrte ferner, ihr die Ermächtigung zur Veröffentlichung des Urteilsspruches zu erteilen. Der Erstbeklagte habe sich ihr gegenüber am 30. März 1960 verpflichtet, ab 1. April 1960 ein Jahr lang, nämlich bis 31. März 1961, in derselben Branche die Verkaufsart der Zweite-Wahl-Geräte in keiner Konkurrenzfirma mittelbar oder unmittelbar auszuüben. Der Erst- und Zweitbeklagte seien Gesellschafter der Drittbeklagten, und diese kundige Waschmaschinen der zweiten Wahl in der Zeitung an. Die Klägerin selbst vertreibe Waschmaschinen der zweiten Wahl. Die Beklagten bedienten sich dergleichen Werbetexte wie die Klägerin, wodurch die Gefahr einer Verwechslung mit den Erzeugnissen der Klägerin gegeben sei. Das Vorgehen der Beklagten verstoße gegen die Vereinbarung vom 30. März 1960 und gegen das UWG. Die klagende Partei beantragte gleichzeitig mit der Erhebung der Klage die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, womit den Beklagten verboten werde, Waschmaschinen der zweiten Wahl mit kleinen äußerlichen Emailschäden zu verkaufen und hiefür in öffentlichen Bekanntmachungen oder Mitteilungen zu werben. Der Antrag auf Erlassung dieser einstweiligen Verfügung war vom Erstgericht zunächst im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen worden, daß das Begehren durch die behauptete Vereinbarung nicht gedeckt sei. Eine Verwechselbarkeit der beiderseits verwendeten Werbetexte sei nicht gegeben. Auch könne die Unterlassung nur für die vereinbarte Dauer begehrt werden. Überdies sei nicht bescheinigt, daß die Erst- und Zweitbeklagten Gesellschafter der Drittbeklagten seien.

Am 5. November 1960 beantragte die klagende Partei neuerlich die Erlassung der gleichlautenden einstweiligen Verfügung, jedoch längstens für die Zeit bis 31. März 1961. In ihrem Äußerungsschriftsatz zu diesem Antrag behaupteten die Beklagten, der Erstbeklagte habe sich nur unter Zwang verpflichtet, innerhalb eines Jahres die Verkaufsart der Klägerin zu unterlassen. Unter der üblichen Verkaufsart aber sei nur zu verstehen, daß die Klägerin den Geräten absichtlich Emailschäden zufüge, um sie als Maschinen der zweiten Wahl anbieten zu können. Die Vereinbarung mit dem Erstbeklagten sei nachträglich einvernehmlich widerrufen worden. Sie verstoße als Konkurrenzklausel gegen § 36 Abs. 2 AngG.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung gegen den Erstbeklagten, falls die klagende Partei eine Sicherheit von 60.000 S erlege, und wies den Antrag gegen die zweit- und drittbeklagten Parteien ab. Das Erstgericht nahm als bescheinigt an, der Erstbeklagte sei bei der Klägerin angestellt gewesen und mit 30. März 1960 aus dem Dienstverhältnis ausgetreten. Bei einer Unterredung des Erstbeklagten mit dem Geschäftsführer der Klägerin, Johann K., am 30. März 1960 habe der Erstbeklagte das ihm vorgelegte Schriftstück unterfertigt. Damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, daß sich der Erstbeklagte verpflichtete, bis 1. April 1961 Maschinen zweiter Wahl überhaupt nicht zu vertreiben, nicht aber, daß er bloß bei dem Vertrieb solcher Maschinen eine bestimmte Verkaufsart nicht anwende. Bei der Unterfertigung der Erklärung sei auf den Erstbeklagten kein Zwang ausgeübt worden. Der Geschäftsführer K. habe nachträglich die schriftliche Erklärung zerrissen, um damit dem Erstbeklagten anzuzeigen, daß er dessen Wort allein vertraue. Bei der Unterfertigung und der späteren Vernichtung der Erklärung seien K. und der Erstbeklagte allein gewesen. Im August 1960 habe sich der Erstbeklagte mit Karl S. zu einer offenen Handelsgesellschaft unter der Firma R. zusammengeschlossen. Gegenwärtig seien der Erst- und Zweitbeklagte Gesellschafter der drittbeklagten Partei, der offenen Handelsgesellschaft R. Die drittbeklagte Firma vertreibe Waschmaschinen der zweiten Wahl und wende die gleichen Verkaufsmethoden und die gleiche Art der Werbung wie die klagende Partei an. Es sei nicht bescheinigt, daß dem Erstbeklagten gedroht worden sei, sein restlicher Gehalt werde ihm nicht ausgezahlt, falls er die Erklärung nicht unterschreibe, daß Johann K. den Erstbeklagten aus der Verpflichtung nachträglich entlassen und daß der Zweitbeklagte von der Vereinbarung Kenntnis gehabt habe. Ebensowenig seien die tatsächlichen Grundlagen dafür bescheinigt, daß die Konkurrenzenthaltungsverpflichtung, die ja lediglich Waschmaschinen zweiter Wahl betreffe, im Sinne des § 36 Abs. 2 Z. 2 AngG. nach Gegenstand, Zeit oder Ort und im Verhältnis zum geschäftlichen Interesse der klagenden Partei an der Einhaltung dieser Verpflichtung eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Erstbeklagten bedeute. Der Erstbeklagte habe durch die Vereinigung mit dem Zweitbeklagten zu der offenen Handelsgesellschaft, der Drittbeklagten, die Verpflichtung aus der Konkurrenzklausel verletzt. Er sei infolge seiner Eigenschaft als persönlich haftender Gesellschafter der Drittbeklagten selbständiger Kaufmann geworden. Der Erstbeklagte habe sohin in Verletzung seiner Verpflichtung sittenwidrig (§ 1 UWG.) gehandelt. Der Unterlassungsanspruch gegen den Erstbeklagten sei bescheinigt. Da aber im Provisorialverfahren die Beweismittel über die tatsächliche und rechtliche Bedeutung der Vernichtung der Erklärung durch Johann K. nicht hätten ausgeschöpft werden können, sei die Anordnung der einstweiligen Verfügung von einer Sicherheitsleistung von 60.000 S abhängig zu machen gewesen. Dem Gedanken des Verkaufes von Waschmaschinen mit Emailfehlern und der Art der Durchführung des Vertriebes komme kein gewerblicher Rechtsschutz zu. Die Klägerin besitze daher gegen die zweit- und drittbeklagten Parteien keinen Unterlassungsanspruch, da diese vom Erstbeklagten verschiedene Personen und vertraglich zur Unterlassung nicht verpflichtet seien. Auch sei nicht bescheinigt worden, daß der Zweitbeklagte von der Vereinbarung der Klägerin mit dem Erstbeklagten Kenntnis hatte.

Auf Rekurs der klagenden Partei und des Erstbeklagten wurde dem Rekurs des Erstbeklagten nicht, dem Rekurs der Klägerin aber teilweise Folge gegeben und der Beschluß des Erstgerichtes vom Rekursgericht in seinem abweisenden Teil dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung auch gegen die drittbeklagte Partei in gleicher Weise wie gegen den Erstbeklagten bewilligt wurde.

In Ansehung des Erstbeklagten teilte das Rekursgericht die Auffassung des Erstgerichtes, insbesondere im einzelnen auch in der Richtung, daß die bescheinigte Konkurrenzklausel gegen die Bestimmungen des § 36 AngG. nicht verstoße. Hinsichtlich der drittbeklagten Partei erweise sich der Rekurs der Klägerin als begrundet. Der beanstandete Vertrieb von Waschmaschinen der zweiten Wahl werde nur von der drittbeklagten Partei ausgeübt. Die drittbeklagte Partei sei als offene Handelsgesellschaft kein selbständiges Rechtssubjekt. Die persönlichen Verhältnisse eines Gesellschafters wirkten sich unter Umständen auch auf die Gesellschaft aus. Die Verpflichtung aus der Konkurrenzklausel betreffe zwar nur den Erstbeklagten, sie sei also keine Verbindlichkeit der Gesellschaft. Da aber der Erstbeklagte nach der Konkurrenzklausel auch nicht in Verbindung mit anderen die verbotenen Geschäfte tätigen dürfe, ergreife dieses Verbot auch die offene Handelsgesellschaft. Die Drittbeklagte ermögliche dem Erstbeklagten die gegenüber der Klägerin vertrags- und wettbewerbswidrigen Handlungen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der drittbeklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Mögen auch die offene Handelsgesellschaft und ihre Gesellschafter verschiedene Rechtssubjekte sein (SZ. XXIII 21, ArbSlg. 7211) und mag daher die Gesellschaft mit ihren Mitgliedern nicht identifiziert werden dürfen (vgl. auch Wahle in Klang 2. Aufl. iv 523 f.) so ist damit für die drittbeklagte Partei nichts gewonnen. Denn es ist Grundsatz des Wettbewerbsrechtes, daß auch Mittäter, Anstifter und, Gehilfen haften (Baumbach - Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 8. Aufl. S. 165 f.; GR. 1961 S. 21). Die offene Handelsgesellschaft haftet für alle Folgen aus dem Verhalten der Gesellschafter bei Führung der Gesellschaftsgeschäfte (3 Ob 687/53). Im vorliegenden Fall ist bescheinigt, daß der Erstbeklagte auf Grund einer Konkurrenzklausel verpflichtet ist, bis zum 1. April 1961 Maschinen zweiter Wahl überhaupt nicht zu vertreiben und diesen Vertrieb in keiner Konkurrenzfirma, sei es direkt oder indirekt, auszuüben. Es ist weiter bescheinigt, daß der Erstbeklagte diese Verpflichtung unter Benützung und mit Hilfe der von ihm eingegangenen offenen Handelsgesellschaft, der Drittbeklagten, übertritt. Aus den in diesem Zusammenhang zutreffenden Erwägungen der Untergerichte ist im Bescheinigungsverfahren nicht hervorgekommen, daß die hier in Betracht kommende Konkurrenzklausel etwa den Bestimmungen des § 36 AngG. zuwiderläuft. § 1 UWG. aber gewährt einen Anspruch gegen den, der eine das sittliche Empfinden rechtlich und billig Denkender verletzende Handlung zu Zwecken des Wettbewerbes, d. h. zu dem Zweck vornimmt, um den Absatz der Waren oder Leistungen seines Geschäftsbetriebes neben anderen Mitbewerbern zu behaupten oder um den Absatz anderer Mitbewerber zu schmälern. Nicht jede Vertragsverletzung, mag sie auch eine Verletzung der Verkehrssitten bedeuten, hat auch schon die Sittenwidrigkeit einer ihr allenfalls zugrunde liegenden Wettbewerbshandlung zur Folge. Wenn aber das Zuwiderhandeln gegen eine Vertragsverpflichtung planmäßig, wie hier vom Erstbeklagten, unter dem Deckmantel einer offenen Handelsgesellschaft vorgenommen wird, die er zur Umgehung seiner vertraglichen Verpflichtungen mißbraucht, dann geht ein solches Verhalten über eine bloße Vertragsverletzung hinaus und ist unabhängig davon sittenwidrig (Rspr. 1934 Nr. 391; 4 Ob 328, 329/59). Nicht nur das Verhalten des Erstbeklagten ist sittenwidrig. Dadurch, daß die Gesellschaft dem Erstbeklagten die Grundlage und einen nach seiner Auffassung vermeintlichen Schutz seiner verbotswidrigen Tätigkeit abgibt, wird die Gesellschaft zur Gehilfin des Erstbeklagten in seinem planmäßigen Vorgehen, seine Vertragspflicht zu vereiteln. Das Beharren der drittbeklagten Partei auf ihrer Auffassung, sie sei durch das Konkurrenzverbot ihres Gesellschafters nicht gebunden, unterstreicht deutlich ihr Bestreben, dem Erstbeklagten bei der Umgehung seiner vertraglichen Verpflichtung behilflich zu sein. Dieses Verhalten läuft dem Anstandsgefühl des verständigen und anständigen Gewerbetreibenden zuwider (Baumbach - Hefermehl a. a. O. S. 89 f.).

Damit aber ist jedenfalls im Provisorialverfahren ein Verhalten bescheinigt, das die Erlassung der einstweiligen Verfügung auch gegenüber der drittbeklagten Partei rechtfertigt.

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