OGH 4Ob42/99a

OGH4Ob42/99a13.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ljiljana M*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Schmidauer, Rechtsanwalt in Grieskirchen, wider die beklagte Partei Dr. Franz P*****, wegen 75.000 S und Feststellung (Gesamtstreitwert 85.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 14. September 1998 GZ 21 R 276/98g-36, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Gmunden vom 2. April 1998, GZ 3 C 361/96s-25, ergänzt durch das Ergänzungsurteil vom 29. April 1998, GZ 3 C 361/96s-27, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat dem Beklagten die mit 6.086,40 S (darin 1.014,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin beabsichtigte den Ankauf einer Liegenschaft mit Wohnhaus. Zur Vertragserrichtung suchte sie gemeinsam mit den Verkäufern den beklagten Rechtsanwalt auf. Der sofortige Abschluß eines Kaufvertrages war zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich, weil er einerseits für die Verkäufer in die Spekulationsfrist gefallen wäre und andererseits die Klägerin noch nicht über die erforderlichen Geldmittel für den Ankauf verfügte. Zum Ankauf wollte sie von einer gegnerischen Haftpflichtversicherung erwartete Schadenersatzleistungen (ihr Gatte war bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen) verwenden. Zudem ging sie davon aus, daß ihr Bruder die Finanzierung des Hauskaufes unterstützen werde. Aus diesen Gründen verfaßte der Beklagte einen Mietvertrag verbunden mit einem Vorvertrag zum Abschluß des Kaufvertrages. Das Vertragswerk wurde von den Liegenschaftseigentümern und der Klägerin am 6. 11. 1990 unterfertigt. Im Mietvertrag war festgehalten, daß er am 1. 11. 1990 beginnt und auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wird. Als Hauptmietzins waren 1.500 S monatlich wertgesichert ohne Betriebskosten und Umsatzsteuer vereinbart. Im Vorvertrag vereinbarten die Klägerin und die Liegenschaftseigentümer, bis spätestens 1. 1. 1993 einen Kaufvertrag über die Liegenschaft abzuschließen, wobei der Kaufpreis 1,050.000 S betrage und bei Vertragsunterfertigung zur Zahlung fällig sei. Die von der Klägerin bis zum Abschluß des Kaufvertrages geleisteten Hauptmietzahlungen sollten vom vereinbarten wertgesicherten Kaufpreis in Abzug gebracht werden. Die Verkäufer erteilten ihre ausdrückliche Zustimmung, daß die Klägerin Investitionen an Heizung und Fenstern vornehmen dürfe, die Kosten sollten von der Klägerin getragen werden. Im Falle einer einvernehmlichen Auflösung des Vorvertrages verpflichteten sich die Verkäufer, der Klägerin die mit ihrer Zustimmung getätigten Investitionen zum Zeitwert zu ersetzen.

Ende 1992 traten die Verkäufer unter Hinweis auf die im Vorvertrag vereinbarte Frist zum Abschluß des Kaufvertrages an den Beklagten heran. Der Beklagte verfaßte einen Kaufvertragsentwurf und verständigte die Klägerin, die jedoch mitteilte, sie könne nicht kaufen. Tatsächlich hatte sie von der gegnerischen Haftpflichtversicherung nur einen sehr geringfügigen Betrag erhalten und verfügte nicht über die Mittel zum Ankauf der Liegenschaft. In der Folge fanden mehrere Gespräche zwischen der Klägerin, dem Beklagten und den Liegenschaftseigentümern statt. Der Beklagte stellte klar, daß er wohl zur Verfügung stehe, um die Probleme aufgrund der neu eingetretenen Situation einvernehmlich zu regeln, er aber im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung keine der Parteien vertreten könne. Den Verkäufern war bewußt, daß die Klägerin das Haus nicht sofort räumen könne, sie drängten aber doch auf die Festsetzung eines Räumungstermins. Der Beklagte vereinbarte daraufhin mit dem zuständigen Richter einen Termin zum Abschluß eines gerichtlichen Räumungsvergleichs für den 23. 2. 1993. Er setzte den Text des abzuschließenden Vergleichs auf, wobei vorgesehen war, daß die Liegenschaftseigentümer und die Klägerin persönlich bei Gericht erscheinen würden. Da jedoch einer der Liegenschaftseigentümer beruflich schwer abkömmlich war, entschloß sich der Beklagte, bei Abschluß des Räumungsvergleichs formell als Vertreter der Liegenschaftseigentümer einzuschreiten. Er suchte vor Abschluß des Vergleichs die Klägerin auf und teilte ihr mit, daß die Angelegenheit angesichts des Umstandes, daß sie das Haus nicht kaufen könne, geregelt werden müsse. Er erklärte ihr, die Liegenschaftseigentümer wollten einen bestimmten Termin wissen, an dem die Klägerin aus dem Haus ausziehe. Bei einer entsprechenden einvernehmlichen Regelung würden die Verkäufer keine Ansprüche aus der Tatsache geltend machen, daß die Klägerin den Vorvertrag nicht erfülle. Weiters wies er die Klägerin an, zum vereinbarten Termin bei Gericht zu erscheinen, dort werde in einem Vergleich festgesetzt werden, wann sie das Haus verlassen müsse. Am 23. 2. 1993 übergab der Beklagte der Klägerin den vorbereiteten Text des Räumungsvergleiches, in dem vorgesehen war, daß die Klägerin das Haus bis spätestens 30. 6. 1993 unter Verzicht auf Räumungsaufschub zu räumen habe. Er teilte ihr nicht mit, daß er bei Abschluß des Vergleichs die Liegenschaftseigentümer vertreten werde und informierte sie auch nicht darüber, daß der Mietvertrag keine Befristung enthalte und nur unter Angabe von Kündigungsgründen durch gerichtliche Aufkündigung aufgelöst werden könne, sowie daß er mit Unterfertigung des Räumungsvergleiches wegfalle. Er ging davon aus, daß der Mietvertrag im Zusammenhang mit dem Vorvertrag gesehen werden müsse und seine Geschäftsgrundlage infolge Nichtunterfertigung des Kaufvertrages weggefallen sei.

Der Richter wies die Klägerin vor Vergleichsabschluß darauf hin, daß sie - sollte sie den Vergleich unterfertigen - das Haus bis 30. 6. 1993 verlassen müsse und keinen Aufschub erhalten könne. Die Frage, ob sie dies verstanden habe, bejahte die Klägerin. Sie hatte bereits seit Jänner 1993 nach einer anderen Wohnung gesucht, da sie aus Gesprächen mit den Liegenschaftseigentümern wußte, daß sie ausziehen müsse.

Die Klägerin räumte die Liegenschaft noch vor dem für die Räumungsexekution anberaumten Termin und benutzte zunächst eine Mietwohnung in der Größe von 66 m2, wofür sie 3.960 S monatlich ohne Betriebskosten zahlte. Für die seit September 1996 angemietete Wohnung zahlt die Klägerin 3.000 S Miete ohne Betriebskosten.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten Schadenersatz und Feststellung seiner Haftung für künftige Schäden, die ihr aus dem Räumungsvergleich entstehen. Der Beklagte habe bei Abschluß des Räumungsvergleiches eine die Interessen der Klägerin beeinträchtigende Doppelvertretung vorgenommen. Er habe sie nicht beraten und insbesondere nicht darüber aufgeklärt, welche Rechte ihr aus dem unbefristet abgeschlossenen Mietvertrag zustünden. Wäre die Klägerin darüber informiert worden, daß sie nicht, zumindest nicht ohne entsprechendes Gerichtsurteil, gezwungen werden könne, das Bestandobjekt zu räumen, hätte sie den Räumungsvergleich keinesfalls unterfertigt. Sie bewohne seit der Räumung ein wesentlich kleineres Bestandobjekt, für welches sie 4.000 S monatlich an Miete zahlen müsse. Der Beklagte habe für den ihr in Höhe der Differenz zu den vereinbarten 1.500 S monatlich von September 1993 bis Februar 1996 entstandenen Schaden in der Gesamthöhe von 75.000 S zu haften. Die Klägerin habe auch ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung für künftige Schäden.

Der Beklagte beantragte Klageabweisung. Der Abschluß des Räumungsvergleiches habe dem Willen beider Vertragsteile entsprochen. Dem Vergleich seien zahlreiche Gespräche vorangegangen, in denen sich der Beklagte als Vermittler zur Verfügung gestellt habe und Auswege aus der dadurch entstandenen Situation erörtert wurden, daß die Klägerin den Vorvertrag nicht erfüllen konnte oder wollte. Der Beklagte habe ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er nur soweit zur Verfügung stehe, als es um einvernehmliche Regelungen gehe. Er habe der Klägerin auch den Inhalt des Räumungsvergleiches erläutert. Sie habe den Vergleichsinhalt verstanden und diesem zugestimmt. Der Klägerin sei im Ergebnis kein Schade entstanden, weil der angemessene Mietzins, den die Liegenschaftseigentümer für das gesamte Haus hätten verlangen können, wenn der als Vertragsgrundlage vereinbarte Kauf der Liegenschaft durch die Klägerin weggefallen wäre, höher als die nunmehr von ihr gezahlten Mietzinse gewesen wäre. Der Mietvertrag könne nur im Zusammenhang mit dem gleichzeitig abgeschlossenen Vorvertrag gesehen werden. Die Liegenschaftseigentümer hätten ohne die Zusage der Klägerin, die Liegenschaft bis 1. 1. 1993 zu kaufen, mit ihr niemals einen Mietvertrag geschlossen. Mit der Weigerung der Klägerin, den Kaufvertrag abzuschließen, sei die Geschäftsgrundlage für den Mietvertrag weggefallen.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 50 % des geltend gemachten Ersatzbetrages und stellte die Haftung des Beklagten für 50 % des der Klägerin künftig entstehenden Schadens fest. Das Mehrbegehren wies es ab. Ergänzend zum eingangs festgestellten Sachverhalt stellte das Erstgericht fest, die Klägerin wäre - hätte sie den Räumungsvergleich nicht unterfertigt - von September 1993 bis Februar 1996 noch Mieterin mit einem Mietzins von 1.500 S monatlich wertgesichert gewesen.

Das Erstgericht bejahte eine Verletzung der anwaltlichen Aufklärungspflicht. Der Beklagte habe es unterlassen, die Klägerin darüber aufzuklären, daß ein unbefristeter Mietvertrag vorliege, der den Kündigungsbeschränkungen des § 30 MRG unterworfen sei. Er hätte sie ungeachtet seines Rechtsstandpunktes darauf hinweisen müssen, daß eine Räumung nur nach Durchführung eines Gerichtsverfahrens erzwungen werden könnte. Dies hätte zumindest zweieinhalb Jahre in Anspruch genommen, so daß die Klägerin die Wohnung noch bis Februar 1996 zu einem Mietzins von 1.500 S monatlich hätte benützen können. Allerdings liege in der Unterfertigung des Räumungsvergleiches in Kenntnis seines Inhaltes ein der Klägerin zurechenbares Mitverschulden im Umfang von 50 %.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge, wohl aber jener des Beklagten und wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Bei Vertragserrichtung und -durchführung sei Doppelvertretung durch einen Rechtsanwalt grundsätzlich zulässig, solange der Beauftragte die Interessen beider Geschäftsherren wahre. Der Vertreter sei auch nicht gehindert, bei einer nach Vertragsabschluß neu eintretenden und ursprünglich nicht bedachten Situation im Interesse beider Parteien und mit ihrem Willen zu einer einvernehmlichen Regelung beizutragen. Damit sei aber die Doppelvertretung nicht nur im Zusammenhang mit der Vertragserrichtung und seiner Durchführung, sondern auch dann zulässig, wenn der Vertrag nachträglich einvernehmlich wieder aufgelöst werde und zu diesem Zweck etwa eine gerichtliche Räumungsklage in die Wege geleitet werden soll. Das Einschreiten des Beklagten als Vertreter der Liegenschaftseigentümer bei Abschluß des Räumungsvergleichs könne eine Schadenersatzpflicht wegen unzulässiger Doppelvertretung nicht begründen. Die Klägerin habe zwar annehmen dürfen, daß der Beklagte sie in einer Weise beraten werde, die sie vor Schaden bewahrt. Sie habe aber nicht davon ausgehen können, daß der Beklagte ausschließlich und so einseitig nur ihre Interessensphäre berücksichtigen werde. daß es zu einer massiven und mit dem ursprünglichen Vertragswillen beider Parteien nicht zu vereinbarenden Schädigung der vertraglichen Interessen des anderen Vertragsteiles führen müßte. Der Klägerin habe bewußt sein müssen, daß der Beklagte (der von vornherein klargestellt habe, im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung keine der Vertragspartner vertreten zu können und nur für eine einvernehmliche Regelung zur Verfügung zu stehen) auch im gleichwertigen Interesse der Liegenschaftseigentümer zu einer einvernehmlichen Lösung der bei Vertragsabschluß nicht bedachten Problematik beitragen wolle. Wenngleich ein Rechtsanwalt im Falle eines kündigungsgeschützten Mietverhältnisses bei Vorbereitung eines gerichtlichen Räumungsvergleiches auch darüber belehren müsse, daß der Vermieter den Vertrag nur aus wichtigen Gründen kündigen könne, sei das Unterbleiben einer derartigen Belehrung im vorliegenden Fall nicht als Verschulden des Beklagten zu werten. Das vorliegende Vertragsverhältnis habe sich nicht auf eine Vermietung beschränkt, die Klägerin sei vielmehr aufgrund des gleichzeitig abgeschlossenen Vorvertrages verpflichtet gewesen, die Liegenschaft bis 1. 1. 1993 um den vereinbarten Preis zu kaufen. In der Folge habe sie den Abschluß des Kaufvertrages aus von ihr zu vertretenden Gründen abgelehnt und sei damit verschuldet in (Erfüllungs-)Verzug geraten und schadenersatzpflichtig geworden. Der Abschluß des gerichtlichen Räumungsvergleichs sei daher auch im Interesse der Klägerin gelegen, zumal die Liegenschaftseigentümer klargestellt hätten, daß sie bei einer entsprechenden Regelung keine Schadenersatzansprüche geltend machen würden.

Im übrigen habe der durch den Räumungsvergleich herbeigeführte rechtliche Zustand im Ergebnis auch der materiellen Rechtslage entsprochen, sodaß es eine Überspannung der Sorgfaltspflichten des Beklagten darstellen würde, wollte man ihn verpflichten, die Klägerin darüber zu belehren, daß sie unabhängig von ihrer Weigerung, den Kaufvertrag abzuschließen, nur bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes im Sinn des § 30 MRG zur Räumung verpflichtet sei. Beide Verrtagspartner seien bei Vertragsabschluß von der festen Geschäftsgrundlage ausgegangen, die Klägerin werde das Objekt bis spätestens 1. 1. 1993 kaufen. Durch den Abschluß des Kaufvertrages wäre die Geschäftsgrundlage des Mietvertrages weggefallen. Auch die Weigerung der Klägerin, den Kaufvertrag abzuschließen, führe zu ihrem Wegfall. Die Vertragspartner hätten bei Vertragserrichtung den Fall nicht bedacht, daß sich die Klägerin letztlich weigern könnte, den Kaufvertrag vereinbarungsgemäß abzuschließen, ohne daß die Liegenschaftseigentümer auf der Erfüllung des Vorvertrages bestehen würden. Unter Berücksichtigung des eindeutigen Vertragszweckes, des hypothetischen Parteiwillens und des Grundsatzes von Treu und Glauben ergebe die ergänzende Vertragsauslegung, daß die Liegenschaftseigentümer im Falle einer Weigerung der Klägerin, den Kaufvertrag zum vereinbarten Zeitpunkt abzuschließen, berechtigt sein sollten, den abgeschlossenen Mietvertrag (für den der Vorvertrag feste Geschäftsgrundlage bilde) zur Auflösung zu bringen. Bei Erteilung der von der Klägerin nun vermißten Rechtsbelehrung hätte der Beklagte zu einem vertragswidrigen - die Interessen des anderen Vertragspartners massiv beeinträchtigenden - Verhalten angeleitet. Eine derartige Beratung habe die Klägerin nicht erwarten können.

Die Revision sei zulässig, weil zur Frage anwaltlicher Doppelvertretung bei Vorbereitung um Abschluß eines gerichtlichen Räumungsvergleiches, zum Umfang der damit im Zusammenhang stehenden anwaltlichen Beratungs- und Belehrungspflicht gegenüber den Vertragspartnern sowie zum Wegfall der Geschäftsgrundlage für einen dem Kündigungsschutz des MRG unterliegenden Mietvertrag Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision der Klägerin nicht zulässig.

Auf das der entgeltlichen Besorgung von Geschäften dienende Vertragsverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinen Klienten sind die Bestimmungen der RAO und des ABGB über den Bevollmächtigungsvertrag anzuwenden. Nach § 9 Abs 1 RAO hat der Anwalt die übernommene Vertretung dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte seiner Partei mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten. § 1009 Abs 1 ABGB verpflichtet den Rechtsanwalt, das Geschäft seinem Zweck entsprechend "emsig und redlich" zu besorgen. Er hat dabei die nach den Umständen erforderliche, ihm zumutbare Sorgfalt anzuwenden (Strasser in Rummel ABGB2 Rz 9 zu § 1009 mwN). Doppelvertretung, die bei Anwälten und Notaren an sich häufig ist, wenn es um Vertragserrichtung und -durchführung geht, ist nach österreichischem Recht nicht grundsätzlich unzulässig. Der Gewalthaber hat in diesem Fall die Interessen beider Machtgeber entsprechend zu wahren. Doppelvertretung ist zumindest dann zulässig, wenn die Vertragsteile dieser zugestimmt oder sie genehmigt haben (Stanzl in Klang2 IV/1, 819; RdW 1990, 375). Führt der Gewalthaber Geschäfte mehrerer Machtgeber, so hat er alle mit gleicher Sorgfalt zu behandeln und vor Interessengefährdung zu bewahren (SZ 34/153; RdW 1990, 375; Strasser in Rummel ABGB2 Rz 10 zu § 1009; Apathy in Schwimann2 Rz 5 zu § 1009; RIS-Justiz RS0038761 und RS0626428). Der Umfang der Pflichten des Machthabers richtet sich nicht nur nach dem Wortlaut des Auftrags, sondern auch nach dem ihm bekannten Geschäftszweck (SZ 34/153; Apathy aaO Rz 3 zu § 1009).

Die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach der Beklagte aufgrund der vorliegenden konkreten Umstände die ihn gegenüber der Klägerin treffende Belehrungspflicht nicht schuldhaft verletzt habe, weil er bei den Gesprächen über die Auflösung des bestehenden Vertragsverhältnisses als Vertreter beider Vertragspartner tätig geworden sei und mit der von der Klägerin vermißten Rechtsbelehrung zu einem vertragswidrigen (die Interessen des anderen Vertragspartners massiv beeinträchtigenden Verhalten) angeleitet hätte, steht mit diesen in Lehre und Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen in Einklang. Sie ist auch nicht zu beanstanden, zumal es der Beklagte als Verfasser des einheitlichen Vertragswerks mit (zumindest konkludenter) Zustimmung beider Vertragspartner übernommen hatte, zur einvernehmlichen Lösung der durch die Weigerung der Klägerin, den Vorvertrag zu erfüllen, entstandenen Situation vermittelnd tätig zu werden. Nach den Feststellungen haben beide Vertragspartner seine Vermittlungsversuche auch in Anspruch genommen. In einem solchen Fall war der Beklagte aber verpflichtet, sowohl die Liegenschaftseigentümer als auch die Klägerin mit gleicher Sorgfalt zu behandeln und vor einer Gefährdung ihrer Interessen zu bewahren. Der Umfang seiner Pflichten hatte sich nicht nur nach dem Inhalt des Bevollmächtigungsvertrags, sondern auch nach dem allen Beteiligten bekannten Geschäftszweck zu richten. Jedenfalls angesichts dieses Zwecks (Zustandebringen einer Vereinbarung zur Regelung der durch die Weigerung der Beklagten, den Kaufvertrag zu erfüllen, entstandenen rechtlichen Situation unter Wahrung der Interessen beider Parteien) konnte die Klägerin nicht erwarten, daß der Beklagte einseitig nur ihre Interessen wahrnimmt und sie zu einem Verhalten anleitet, das zu einer gravierenden Schädigung der vertraglichen Interessen des anderen Vertragsteils führen müßte und mit dem ursprünglichen Willen der Vertragspartner in keiner Weise in Einklang zu bringen wäre. Die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach die Klägerin auf eine derartige Belehrung keinen Anspruch gehabt habe, bedeutet angesichts der besonderen Umstände dieses Falls keine die Rechtssicherheit gefährdende Fehlbeurteilung.

Diese Erwägungen führen zur Zurückweisung der Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagte hat auf den vorliegenden Zurückweisungsgrund hingewiesen.

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