Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 19.069,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 3.178,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin erzeugt und vertreibt Stoffe und Präparate zur arzneilichen Verwendung; insbesondere vertreibt sie die Arzneimittelspezialität "M*****-Spezialdragees" als Konkurrenzprodukt zu dem von der Beklagten vertriebenen "Priorin", welches als Mittel für Haare und Haut angepriesen wird.
Die Beklagte vertreibt auch "Prioflor"-Kapseln als Kombination aus Hefe, Hirse und Weizenkeimöl; dieses Produkt meldete sie am 14.10.1987 gemäß § 18 LMG beim Bundeskanzleramt, Sektion VII (Bundesminister für Gesundheit und öffentlicher Dienst), als Verzehrprodukt an. Mit der Anmeldung gab sie den Text des Überkartons und einen Entwurf des vorgesehenen Verpackungstextes bekannt; in letzterem war der Verwendungszweck der "Prioflor"-Kapseln mit "Nährprodukt für Haut und Haar" angegeben; die Aufschrift "Schöne Haut - Schönes Haar" war nicht enthalten. Die Behörde hat keinen Grund für die Untersagung des Inverkehrsbringens gemäß § 18 Abs 2 LMG 1975 gefunden.
Mit Schreiben vom 17.5.1989 beantragte die Beklagte beim Bundeskanzleramt, Sektion VII, die Genehmigung der Ergänzung des bisherigen Textes der Außenverpackung um die zusätzliche Information "Schöne Haut - Schönes Haar" sowie die Genehmigung einer Verbraucherinformation (Beipacktext) gemäß § 9 Abs 3 LMG 1975. In dem Beipacktext hieß es unter der Überschrift "PRIOFLOR KAPSELN - Schönheit für Haut und Haar" ua:
"Kosmetik allein genügt nicht.
Eine schöne Haut läßt jede Frau jünger und gepflegter erscheinen, macht sie attraktiver und selbstsicherer. Verständlich, wenn auch Sie der Pflege Ihrer Haut besondere Beachtung schenken. Wie aber - so werden Sie fragen - kann man seine Haut wirklich sinnvoll pflegen, um sie gesund und somit länger jung und schön zu erhalten? Wenn von Hautpflege die Rede ist, denken viele nur an Kosmetik. Kein Zweifel, Kosmetik ist ein wichtiger Bestandteil der Hautpflege. Vollkommen ist eine Hautpflege jedoch erst, wenn die Haut richtig ernährt wird."
Nach Ausführungen über die wesentlichen Nährstoffe zur richtigen Ernährung von Haut und Haar war dann zu lesen:
"P***** hilft, den Nährstoffmangel von Haut und Haar auszugleichen.
....
Wichtige Stoffe wie zB Hefe, Weizenkeimöl und Hirseextrakt müssen daher dem Körper ausreichend zugeführt werden. Einzeln - oder noch wirkungsvoller - in einer Kombination aller drei Substanzen."
Im Zuge des Genehmigungsverfahrens wurde eine gutachtliche Äußerung der Sektion VI/6a des Bundeskanzleramtes eingeholt, in welcher ua ausgeführt wurde:
"Die Kernaussage der vorstehenden Anpreisungen besteht darin, daß dem Verbraucher gesagt wird, daß er durch den Genuß des gegenständlichen Produktes in der empfohlenen Dosierung (2 x täglich 2 - 3 Kapseln) zu 'schöner Haut und schönem Haar' kommen könne. Dem Verbraucher wird dies mit der speziellen Zusammensetzung bzw den Inhaltsstoffen (Hirse, Hefe, Weizenkeimöl) erklärt".
Nach Ausführungen "aus fachlicher Sicht" über diejenigen Faktoren, die den Zustand und das Aussehen von Haut und Haaren beeinflussen, wurde zu den Angaben der Beklagten folgendes dargelegt:
"Wie aus dem eingangs angeführten, beantragten Verpackungstext für das gegenständliche Produkt hervorgeht, beruft sich dieses hinsichtlich seiner Wirkung auf die Inhaltsstoffe Bierhefe, Weizenkeimöl und Hirse (im speziellen auf die darin enthaltenen Substanzen).
Bei Bierhefe wird die Wirkung auf das enthaltene Eiweiß, die Enzyme sowie die Vitamine der B-Gruppe zurückgeführt.
Soweit es die Enzyme betrifft, so ist eine Wirkung dieser Hefeenzyme auszuschließen, da weder bekannt ist, um welche es sich handelt, noch würden diese im menschlichen Organismus zur Wirkung gelangen, da sie bereits im Magen-Darm-Trakt abgebaut werden.
Der Eiweißgehalt des vorliegenden Produktes spielt ebenfalls keine praktische Rolle, da er einerseits verschwindend gering ist und andererseits jede zusätzliche Zufuhr von Eiweiß aufgrund der ohnedies reichlichen Eiweißversorgung unserer Bevölkerung bedeutungslos ist.
Was die Vitamine der B-Gruppe betrifft, so ist es natürlich prinzipiell möglich, durch einen Vitamin-B-Mangel bedingte Hautveränderungen durch die Zufuhr von B-Vitaminen zu sanieren. Voraussetzung ist, daß diese Vitamine auch in entsprechenden Dosen zugeführt werden.
Mit der empfohlenen Tagesdosis des vorliegenden Produktes (2 x 2 - 3 Kapseln) werden (berechnet nach den Daten für Bierhefe aus Souci/Fachmann/Kraut - Nährwerttabellen 1986/87) 0,03 bis 0,05 mg Vitamin B 1, 0, 01 bis 0,02 mg Vitamin B 2 und 0,01 bis 0,02 mg Vitamin B 6 zugeführt. Das ist im Schnitt ca 1/100 des Tagesbedarfes an diesen Vitaminen; eine Menge, die in jeder Hinsicht bedeutungslos ist.
Bei Weizenkeimöl wird einerseits die Behauptung aufgestellt, daß dieses für das gesunde Wachstum des Haares benötigt wird und andererseits das enthaltene Vitamin E für die Wirkung des Produktes verantwortlich ist.
Dazu ist festzustellen, daß die Behauptung, Weizenkeimöl werde für das gesunde Wachstum des Haares benötigt, eine unbewiesene Behauptung darstellt, der auch jede sachliche Grundlage fehlt.
Ebenso liegen keine Beweise für eine spezielle Wirkung von Vitamin E in der vorliegenden Dosierung auf die Haut (in der beschriebenen Weise) vor.
Bei der Hirse wird im Beipacktext auf die Inhaltsstoffe Silizium und Kieselsäure und deren angeblichen 'besonderen Ernährungswert für Haut, Haare und Fingernägel' hingewiesen.
Auch für diese Behauptungen fehlt jeder konkrete Beweis. Silizium gehört überhaupt zu den häufigsten Elementen auf der Erde. Es findet sich praktisch überall, sodaß die Zufuhr von Silizium (es steht auch gar nicht fest, ob Silizium im vorliegenden Produkt in nachweisbarer Quantität enthalten ist) als sachlich unbegründet anzusehen ist.
Zusammenfassend muß daher festgestellt werden, daß eine spezifische Wirkung des vorliegenden Produktes auf die 'Schönheit von Haut und Haar' nicht nachvollziehbar ist und daher die beantragten gesundheitsbezogenen Aussagen, die den Eindruck einer solchen Wirkung erwecken, unzutreffend sind."
Diese gutachtliche Äußerung vom 10.Oktober 1989 wurde dem Beklagtenvertreter übermittelt. Mit Schriftsatz vom 15.11.1989 zog die Beklagte ihren Antrag vom 17.5.1989 zurück.
In der Tageszeitung "Kurier" vom 16.2.1989 hatte die Beklagte auf Seite 21 in der Rubrik "Einkaufstips" für ihr Produkt unter der Überschrift "Neue Kur für gesunde, frische Haut" geworben und darauf hingewiesen, daß "Schönheit und Frische der Haut" sowie "gesunder, kräftiger Haarwuchs" stark von der Ernährung beeinflußt würden. Das neue "PRIOFLOR" enthalte eine ausgewogene Kombination der anerkannten Nährstoffe für Haut und Haar (Hefe, Hirse und Weizenkeime).
In der "Österreichischen Drogistenzeitung" Nr. 3/4/89 war unter der Rubrik "Werbung" ein Artikel der Beklagten mit dem Titel "PRIOFLOR - Problem von innen gelöst" erschienen. Darunter waren zwei Packungen "PRIOFLOR"-Kapseln mit der Aufschrift "Schöne Haut - Schönes Haar" abgebildet. Im Text hieß es abermals "PRIOFLOR löst die Probleme von innen"; auch hier wurden die "hochwertigen, natürlichen Wirkstoffe" mitsamt ihrer Wirkung im einzelnen beschrieben.
Die Zeitschrift "Ihr Einkauf" Nr. 5/89 enthielt auf Seite 20 eine Werbung der Beklagten unter der Überschrift "Reine, schöne Haut ist gefragt"; darin hieß es ua: "Anerkannte Nährstoffe für Haut und Haar sind zum Beispiel Hefe, Hirse und Weizenkeimöl aufgrund ihres Vitamin- und Mineralstoffgehalts. Das Neue P***** enthält eine ausgewogene Kombination dieser Nährstoffe. ..."
Am 12.5.1989 fand zwischen Dr.Franz F*****, dem Geschäftsführer der Klägerin, und Dr.Harduin P*****, dem Geschäftsführer der Beklagten, sowie Mag.Karin H***** ein Gespräch statt, in dessen Verlauf sich die Beklagte verpflichtete, nach Abverkauf der bereits erzeugten Charge den "PRIOFLOR"-Beipackzettel nicht mehr beizulegen und künftig keine gesundheitsbezogenen Aussagen für das Produkt "PRIOFLOR" zu machen. Eine Absprache zwischen den Parteien, den Rechtsweg nicht zu beschreiten, sowie eine Einigung darüber, daß der Text "Schöne Haut - Schönes Haar" nicht als gesundheitsbezogene Aussage zu werten sei, kam nicht zustande. In der Folge wurde der Beipackzettel den Packungen der "PRIOFLOR"-Kapseln nicht mehr beigelegt.
Im "Kurier" vom 8.6.1989 erschien auf Seite 24 unter der Rubrik "Einkaufstips" wiederum eine Werbeeinschaltung der Beklagten für das Produkt "PRIOFLOR" mit der Überschrift "Schöne Haut und Schönes Haar" und demselben Text und derselben Abbildung wie in der Ausgabe des "Kuriers" vom 16.2.1989.
Unter den "Tips der Woche" in der Zeitschrift "Die ganze Woche" vom 8.6.1989 fand sich eine Werbung der Beklagten mit der Überschrift "Schöne Haut ist gefragt!" und der Abbildung zweier
"PRIOFLOR"-Packungen; im Text hieß es ua: " ... Nährstoffpräparat
P***** ... Alle drei Substanzen sinnvoll kombiniert ...".
In der Zeitschrift "Frau und Freizeit" vom Juni 1989 warb die Beklagte mit der Aussage "Reine, schöne Haut ist gefragt" für ihr Produkt mit der Abbildung einer Packung und ihres Inhalts sowie einer Beschreibung des Mittels, der Angabe des Verkaufspreises und der Bezugsquellen.
Am 21.11.1990 wurde im Österreichischen Rundfunk um 20.10 Uhr ein Werbespot der Beklagten für "PRIOFLOR" gesendet, worin wiederum (nach Hinweisen auf die in "PRIOFLOR" enthaltenen Nährstoffe) die Aussage "Schöne Haut - Schönes Haar" gemacht wurde.
Mit der Behauptung, daß die Beklagte mit ihren Werbeaussagen gegen § 9 LMG verstoße und sich damit einen Wettbewerbsvorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern verschaffe, sowie daß sie ihr Produkt "PRIOFLOR" in einer nicht angemeldeten Aufmachung in Verkehr bringe und damit gegen die Anmeldepflicht verstoße, begehrt die Klägerin, die Beklagte schuldig zu erkennen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für ihr Produkt "PRIOFLOR"-Kapseln - die neue Kombination aus Hefe, Hirse und Weizenkeimöl - gesundheitsbezogene Angaben ohne bescheidmäßige Genehmigung zu unterlassen, insbesondere unter Bezugnahme auf die Notwendigkeit der Ernährung für Haut und Haar durch Hefe, Hirse und Weizenkeimöl, insbesondere durch folgende Aussagen:
- 1. Schöne Haut - Schönes Haar;
- 2. PRIOFLOR hilft, den Nährstoffmangel von Haut und Haar auszugleichen;
- 3. PRIOFLOR löst die Probleme von innen;
- 4. Neue Kur für gesunde, frische Haut;
- 5. Reine, schöne Haut ist gefragt;
- 6. Schöne Haut ist gefragt.
Ferner stellt die Klägerin ein Begehren auf Veröffentlichung dieses Urteils in den angeführten Zeitungen und Zeitschriften.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die beanstandeten Werbeaussagen enthielten keine genehmigungspflichtigen gesundheitsbezogenen Angaben. Die Werbeankündigung "Schöne Haut - Schönes Haar" sei nur ein subjektives Werturteil. Im Wissen, daß die zuständige Behörde die Aussage für "Epicrin"-Kapseln "für volles Haar und schöne Fingernägel" nicht untersagt habe, habe die Beklagte mit Recht davon ausgehen können, daß die Aussage "Schöne Haut - Schönes Haar" mangels Qualifikation als gesundheitsbezogene Angabe entweder überhaupt nicht genehmigungspflichtig sei oder daß andernfalls mit einer Genehmigung gerechnet werden könne. Ähnliches gelte auch für die anderen beanstandeten Aussagen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das von der Beklagten in Kapselform vertriebene "PRIOFLOR" sei unbestrittenermaßen ein Verzehrprodukt. Das zuständige Bundesministerium habe ausdrücklich bestätigt, daß es keinen Grund zur Untersagung des Inverkehrbringens dieses Verzehrproduktes gefunden habe; diese Genehmigung umfasse freilich nur das Produkt ohne die Aussage "Schönes Haut - Schönes Haar" und ohne die beigelegte Verbraucherinformation. Sämtliche beanstandeten Werbeaussagen seien gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des § 9 Abs 1 lit a LMG, die nicht gemäß § 9 Abs 3 LMG genehmigt wurden. Der Werbetext "Schöne Haut - Schönes Haar" impliziere eine physiologische Wirkung des Mittels auf die Schönheit von Haut und Haar. Da eine solche Wirkung aber nicht bewiesen sei, verstießen diese Angaben gegen den gesetzlich vorgeschriebenen Schutz der Verbraucher vor Täuschung. Schon der bloße Hinweis auf "Reine, schöne Haut" rufe bei einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck einer besonderen physiologischen Wirkung hervor; das gleiche gelte für den Satz "Reine, schöne Haut ist gefragt" sowie "Schöne Haut ist gefragt". Auch die anderen Aussagen gingen über allgemein gehaltene Anpreisungen hinaus und legten Menschen mit problembelasteter Haut leicht Schlußfolgerungen in gesundheitlicher Hinsicht nahe; gerade sie sollten aber in diesem Zusammenhang verhindert werden. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, daß sie mit guten Gründen die Auffassung habe vertreten können, zu den beanstandeten Angaben berechtigt zu sein: Vor der bescheidmäßigen Genehmigung nach § 9 Abs 3 LMG dürften gesundheitsbezogene Angaben nicht gemacht werden. Aus dem Antrag der Beklagten, ihre Aussage "Schöne Haut - Schönes Haar" zu genehmigen, ergebe sich, daß sie sich des gesundheitsbezogenen Aspektes ihrer Werbung bewußt gewesen sei. Trotz Rückziehung ihres Antrages habe sie den Beipacktext und den Slogan "Schöne Haut - Schönes Haar" verwendet. Mit der Übertretung des § 9 LMG habe die Beklagte zugleich den guten Sitten im Wettbewerb zuwidergehandelt, sei das beanstandete Verhalten doch geeignet, der Beklagten einen Wettbewerbsvorteil vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Das Verfahren erster Instanz sei mängelfrei geblieben; die Feststellungen des Ersturteils seien das Ergebnis einer schlüssigen Beweiswürdigung. Die beanstandeten Werbeaussagen fielen unter § 9 Abs 1 lit a LMG, weil sie sich auf physiologische Wirkungen bezögen; sie seien nicht gemäß § 9 Abs 3 LMG bescheidmäßig genehmigt worden. Auch die Hinweise der Beklagten "Schöne Haut - Schönes Haar" und "Schöne Haut wieder gefragt" könnten im Zusammenhang nur dahin verstanden werden, daß die Einnahme von "PRIOFLOR"-Kapseln zu schöner Haut und schönem Haar führe. Damit werde bei einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise der Eindruck einer besonderen physiologischen Wirkung hervorgerufen, zumal dann, wenn - wie hier - die Angaben in bezug auf ein in Form von Kapseln angebotenes und wie ein Medikament einzunehmendes Produkt gemacht würden. Für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit der Bezeichnung sei es unerheblich, ob eine bescheidmäßige Zulassung gemäß § 9 Abs 3 LMG zu erwarten sei, träten doch die Wirkungen einer solchen Zulassung erst mit der Erlassung des stattgebenden Bescheides ein; bis dahin gelte die allgemeine Verbotsnorm des § 9 Abs 1 LMG. Die gemäß § 9 Abs 1 lit a LMG untersagte Bezugnahme könne auch durch kurz gehaltene Wortkombinationen erfolgen, wenn diese - wie hier - geeignet sind, den nach Sinn und Zweck des Gesetzes verpönten Eindruck hervorzurufen; der Beklagten bleibe es allerdings unbenommen, ihr Produkt als das zu bezeichnen, was es ist, nämlich als Kombination aus Hefe, Hirse und Weizenkeimöl. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, sie habe mit gutem Grund annehmen können, daß die beanstandeten Angaben nicht gesundheitsbezogen im Sinne des § 9 LMG gewesen seien. Anders als im Provisorialverfahren, könne jetzt nicht mehr davon ausgegangen werden, daß die Beklagte mit der Anmeldung ihres Verzehrproduktes auch Warenmuster in der bescheinigten Aufmachung vorgelegt hat. Schon die Verwendung der nicht angemeldeten Aufmachung verstoße gegen die Anmeldepflicht. Erst nach einer neuen Anmeldung hätte das Produkt mit der verwendeten Aufmachung in den Verkehr gebracht werden dürfen. Darüber hinaus sei die Beklagte - wie sich aus ihrer Antragstellung bei der zuständigen Behörde ergebe - selbst davon ausgegangen, daß in der verwendeten Außenverpackung und im Beipacktext Bezugnahmen im Sinne des § 9 Abs 1 lit a LMG enthalten sind. Bei dieser Sachlage habe die Beklagte nicht mit gutem Grund die Ansicht vertreten können, daß die beanstandeten Werbeaussagen dem Gesetz entsprächen. Daran habe sich nach dem Gutachten der Sektion VI/6a des Bundeskanzleramtes nichts geändert. Die Übertretung der §§ 9 und 18 LMG bedeute auch einen Verstoß gegen § 1 UWG, weil sie geeignet gewesen sei, der Beklagten einen Wettbewerbsvorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO); soweit die Beklagte rechtliche Feststellungsmängel rügt, ist darauf bei der rechtlichen Beurteilung einzugehen.
Daß das von der Beklagten vertriebene "PRIOFLOR" ein Verzehrprodukt, also ein Stoff ist, der dazu bestimmt ist, von Menschen gegessen, gekaut oder getrunken zu werden, ohne überwiegend Ernährungs- oder Genußzwecken zu dienen oder Arzneimittel zu sein (§ 3 LMG), unterliegt keinem Zweifel. Nach § 9 Abs 1 lit a LMG ist es (ua) verboten, sich beim Inverkehrbringen von Verzehrprodukten auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesunderhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken. Ob diese Voraussetzungen zutreffen, ist entgegen der Meinung der Beklagten eine Rechtsfrage, so daß es dazu keiner Beweisaufnahmen bedarf. Dem Richter ist es nämlich nach herrschender Lehre und Rechtsprechung (ÖBl 1985, 105 mwN) gestattet, seiner Entscheidung Erfahrungssätze ohne Beweisaufnahmen zugrunde zu legen. Dienen diese Erfahrungssätze - wie hier - nicht zur Feststellung von Tatsachen, sondern zur Ergänzung, Ausfüllung und Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe, dann gehören sie nicht mehr zum Beweisverfahren, sondern sind Teil der rechtlichen Beurteilung und können damit - ebenso wie Rechtssätze - auch noch im Rechtsmittelverfahren vor dem Obersten Gerichtshof gerügt und überprüft werden. Den Parteien steht es allerdings frei, selbst Erfahrungssätze zu behaupten und unter Beweis zu stellen oder den Beweis der Unrichtigkeit von Erfahrungssätzen anzutreten (ÖBl 1985, 105); derartiges hat aber die Beklagte in erster Instanz nicht unternommen. Für die Beurteilung der beanstandeten Werbeaussagen über die "PRIOFLOR"-Kapseln ist weder ein besonderes Fachwissen noch die Zugehörigkeit zu bestimmen Verkehrskreisen erforderlich, wendet sich doch die Werbung der Beklagten an alle Bevölkerungsschichten. Dabei bilden Menschen mit "problembelasteter Haut" entgegen den Ausführungen der Revision keinen bestimmten, abgegrenzten Teil der Bevölkerung, der sich in seinem Verständnis von Werbeaussagen von den übrigen Verkehrskreisen unterschiede. Bei dieser Sachlage reicht die richterliche Lebenserfahrung zur Beurteilung der beanstandeten Werbeaussagen der Beklagten vollkommen aus.
Die Beklagte hat sowohl auf dem Beipackzettel als auch in ihrer Zeitungs- und Radiowerbung behauptet, daß die Einnahme der "PRIOFLOR"-Kapseln im Hinblick auf deren Zusammensetzung zu gesunder und damit schöner Haut und zu schönem Haar führe; sie hat damit physiologische Wirkungen ihres Erzeugnisses behauptet. Soweit schon das Berufungsgericht diesen rechtlichen Schluß gezogen hat, lag darin keine Tatsachenfeststellung; die in diesem Zusammenhang gerügte Aktenwidrigkeit (S. 224 f) kann daher schon begrifflich nicht vorliegen.
Der Argumentation der Beklagten, daß es sich bei der Wendung "Schönes Haar - Schöne Haut" um ein bloßes Werturteil handle, kann nicht gefolgt werden, hat doch die Beklagte diese Werbung immer nur im Zusammenhang mit der Behauptung gebraucht, daß die "PRIOFLOR"-Kapseln solche Nährstoffe enthielten, welche die Gesundheit und damit die Schönheit von Haut und Haar hervorriefen. Um bloße Geschmacksfragen - wie etwa, ob eine bestimmte Haarfarbe schöner als eine andere oder ein bestimmter Teint der Haut schöner als ein anderer ist - ging es also nicht. Ob eine infolge Nährstoffmangels "unschöne" Haut oder "unschönes" Haar als Krankheit anzusehen ist, spielt keine Rolle. § 9 Abs 1 lit a LMG verbietet ja nicht nur Angaben, die sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen beziehen, sondern - wie erwähnt - alle Angaben über physiologische oder pharmakologische Wirkungen. Eine Einwirkung etwa auf verstopfte Talgdrüsen ist aber entgegen den Revisionsausführungen (S. 225) sehr wohl physiologischer Natur. Das gleiche gilt - zum Teil noch viel eindeutiger - für die übrigen beanstandeten Aussagen, daß nämlich "PRIOFLOR" helfe, den Nährstoffmangel von Haut und Haaren auszugleichen, daß es die Probleme von innen löse, sowie daß es eine neue Kur für gesunde frische Haut ermögliche. Die Werbeüberschrift, daß reine, schöne Haut (oder nur schöne Haut) wieder gefragt sei, ist im gegebenen Zusammenhang auch als Aussage darüber zu verstehen, daß die Einnahme der "PRIOFLOR"-Kapseln physiologisch dahin wirke, daß die Haut rein und schön werde. All diese Äußerungen haben die Vorinstanzen der Beklagten nur "unter Bezugnahme auf die Notwendigkeit der Ernährung für Haut Haar durch Hefe, Hirse und Weizenkeimöl" untersagt. Trotz ihres schlagwortartigen Charakters handelt es sich dabei sehr wohl um Angaben im Sinne des § 9 Abs 1 lit a LMG.
Mit Recht haben die Vorinstanzen den Einwand der Beklagten abgelehnt, wonach ihre Auffassung, sie dürfe die beanstandeten Hinweise gebrauchen, durch das Gesetz so weit gedeckt sei, daß sie mit gutem Grund vertreten werden könne, weshalb sie nicht sittenwidrig gehandelt habe (SZ 56/2 ua). Der Oberste Gerichtshof hat zwar noch im Provisorialverfahren ausgesprochen, daß die Werbeaussagen "Schönes Haar - Schöne Haut" und "Schönes Haar wieder gefragt" von der Beklagten als zulässig angesehen werden konnten (4 Ob 180/89 = ÖBl 1990, 199); er war aber damals von der - im Hauptverfahren widerlegten - Vermutung ausgegangen, daß die Beklagte bei der Anmeldung ihres Produktes "PRIOFLOR" Warenmuster in der bescheinigten Aufmachung - also mit der Aufschrift "Schöne Haut - Schönes Haar" und dem entsprechenden Beipackzettel (Beilage L) - vorgelegt und der zuständige Bundesminister das Inverkehrbringen dieses Verzehrproduktes in dieser Aufmachung nicht untersagt habe, wobei die Prüfung der Anmeldung des Verzehrproduktes nach § 18 Abs 2 LMG dessen Beschaffenheit einschließlich der Bezeichnung in Ansehung aller Vorschriften des Lebensmittelrechtes - also auch des § 9 LMG - umfaßt habe (VwGH 20.10.1986, Zl 86/10/0150-3; ÖBl 1990, 199). In Wahrheit hatte aber die Beklagte ihr Produkt in einer Verpackung vorgelegt, die keine der beanstandeten Werbebehauptungen aufwies. Erst später hat sie die Genehmigung eines Teiles der hier beanstandeten Angaben gemäß § 9 Abs 3 LMG beantragt, diesen Antrag aber - nach der Zustellung eines für sie negativen Gutachtens - wieder zurückgezogen. Für die Annahme, sie habe mit guten Gründen die Auffassung vertreten können, zu den beanstandeten Werbeangaben - oder doch zu einigen von ihnen - berechtigt zu sein, bleibt bei dieser Sachlage kein Platz, zumal sie die beanstandete Werbung auch noch nach dem Erhalt des Amtsgutachtens - jedenfalls im Rundfunk - fortgesetzt hat. Auch auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, wonach es einer von der Beklagten geklagten Mitbewerberin gestattet sei, die Werbeaussage "volles Haar und schöne Fingernägel" zu gebrauchen, konnte sie für sich nichts ableiten, weil sie ihre damalige Klage nicht auf § 9 LMG gestützt hatte; vielmehr hatte sie sich dort nur darauf berufen, daß das Produkt ihres Gegners als Arzneimittel im Sinne des § 1 Abs 1 Z 5 LMG einzustufen sei.
Daß sich die Beklagte über die Vorschriften des § 9 LMG in der Absicht hinweggesetzt hat, damit einen Vorsprung gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen, welche Angaben im Sinne des § 9 Abs 1 lit LMG, sofern nicht die Voraussetzungen des § 9 Abs 2 LMG vorliegen, nur nach Genehmigung durch den zuständigen Bundesminister machen (§ 9 Abs 3 LMG), liegt auf der Hand; damit hat sie aber zugleich gegen die guten Sitten im Wettbewerb verstoßen (ÖBl 1991, 19; MR 1991, 120 uva).
Die Revision erweist sich sohin in allen Punkten als unberechtigt.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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