OGH 4Ob180/89

OGH4Ob180/8930.1.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*** & S*** Gesellschaft mbH, Wien 23., Industriegasse 7, vertreten durch Dr. Ruth E. Hütthaler-Brandauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei L***-P*** Handelsgesellschaft mbH, Wien 12., Vivenotgasse 48, vertreten durch Dr. Karl J. Grigkar, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 420.000; Revisionsrekursinteresse S 140.000,-), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 27. Oktober 1989, GZ 3 R 183/89-10, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 30. Juni 1989, GZ 38 Cg 188/89-3, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 11.314,80 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 1.885,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Begründung

Die Klägerin stellt Stoffe und Präparate zur arzneilichen Verwendung her und vertreibt sie; insbesondere vertreibt sie die Arzneimittelspezialität "M*** Spezialdrages" als Konkurrenzprodukt zu dem von der Beklagten vertriebenen "Priorin", welches als Mittel für Haare und Haut angepriesen wird.

Die Beklagte vertreibt auch "Prioflor-Kapseln" als Kombination aus Hefe, Hirse und Weizenkeimöl; dieses Produkt meldete sie gemäß § 18 LMG beim Bundeskanzleramt, Sektion VII (Bundesminister für Gesundheit und öffentlicher Dienst), als Verzehrprodukt an. Diese Behörde hat keinen Grund für die Untersagung des Inverkehrbringens gemäß § 18 Abs 2 LMG 1975 gefunden. Auf der 60 Kapseln enthaltenden Packung finden sich die Worte "Schöne Haut - Schönes Haar". In der Ausgabe des "Kuriers" vom 8. Juni 1989 warb die Beklagte auf Seite 24 für "Prioflor" mit einer Werbeeinschaltung unter dem Titel "Schöne Haut und schönes Haar". In einer in der "Ganzen Woche" vom 8. Juni 1989 veröffentlichten Werbemitteilung unter der Überschrift "Schöne Haut ist gefragt" behauptete sie, daß "für die richtige Ernährung von Haut und Haar von innen her von altersher Hefe, Hirse und Weizenkeimöl anerkannt" seien; in "Prioflor" seien alle drei Substanzen "sinnvoll kombiniert" enthalten. Eine Bewilligung gesundheitsbezogener Angaben für "Prioflor" gemäß § 9 Abs 3 LMG ist nicht erwiesen.

Am 23. 5. 1989 schrieb die Beklagte der Klägerin:

"Der guten Ordnung halber erlauben wir uns, den Inhalt unseres am 12. Mai geführten Gespräches nochmals schriftlich festzuhalten:

1. Der auf der Außenverpackung von P*** aufscheinende Text 'Schöne Haut - Schönes Haar' kann - worin wir alle letztlich einer Meinung waren - nicht als gesundheitsbezogene Aussage gem. § 9 LMG betrachtet werden. Dies insbesondere, da der Begriff 'Schön' geradezu ein Musterbeispiel für eine subjektive Wertschätzung repräsentiert.

  1. 2. .....
  2. 3. Wir erklären künftig keine gesundheitsbezogenen Aussagen für P*** zu tätigen, es sei denn, es liegt dafür eine Genehmigung gemäß § 9 LMG vor."

    Mit der Behauptung, daß die Beklagte mit ihren Werbeaussagen gegen § 9 LMG verstoße, begehrt die Klägerin zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches - soweit für das Revisionsrekursverfahren noch von Bedeutung -, der Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für ihr Produkt "Prioflor-Kapseln", die neue Kombination aus Hefe, Hirse und Weizenkeimöl, gesundheitsbezogene Angaben ohne bescheidmäßige Genehmigung zu machen, insbesondere unter Bezugnahme auf die Notwendigkeit der Ernährung für Haut und Haar durch Hefe, Hirse und Weizenkeimöl, insbesondere durch folgende Aussagen:

  1. 1. "Schöne Haut - Schönes Haar" und
  2. 2. "Schöne Haut ist gefragt."

    Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Die beanstandeten Aussagen seien keine genehmigungspflichtigen gesundheitsbezogenen Angaben. Der von der Klägerin als verhandlungsbevollmächtigt erklärte Dr. Friedrich F*** habe der Beklagten erklärt, die Aussage "Schönes Haar - Schöne Haut" werde von der Klägerin nicht als gesundheitsbezogene Angabe gemäß § 9 LMG betrachtet. Da das zuständige Ministerium die zu den Epicrin-Kapseln eines ihrer Mitbewerber gemachte Aussage "für volles Haar und schöne Fingernägel" nicht untersagt habe, habe die Beklagte mit Recht davon ausgehen können, daß auch die Aussage "Schöne Haut - Schönes Haar" als Ausdruck einer subjektiven Wertschätzung nicht unter § 9 LMG falle. Das gleiche gelte für den Werbespruch "Schöne Haut ist gefragt". Der Beklagten könne demnach zumindest keine subjektive Mißachtung von Verwaltungsvorschriften und damit auch kein Verstoß gegen § 1 UWG vorgeworfen werden.

    Der Erstrichter wies den Sicherungsantrag im hier maßgeblichen Umfang ab. Die Verwendung des Eigenschaftswortes "schön" bedeute noch keinen Verstoß gegen § 9 LMG, weil darin nur eine subjektive Werteinschätzung, frei von gesundheitsbezogenem Inhalt, liege. Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung auch hinsichtlich der Aussagen: "Schöne Haut - Schönes Haar" und "Schöne Haut ist gefragt" und sprach aus, daß der Wert aller Streitgegenstände, über die es entschieden habe, jeweils "S 60.000,-" und der Gesamtstreitwert S 300.000,- übersteige. Ob eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des § 9 Abs 1 LMG vorliegt, sei nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen; entscheidend sei der Gesamteindruck der Ankündigung, wie er sich bei flüchtiger Wahrnehmung für einen nicht ganz unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise ergibt. Aus § 9 Abs 1 lit a LMG im Zusammenhang mit § 9 Abs 3 LMG folge, daß zum Schutz der Konsumenten vor Täuschung alle - auch an sich wahrheitsgemäßen - Angaben verboten sind, die irgendwie den Eindruck physiologischer Einwirkungen erwecken. Darunter fielen auch Generalisierungen, die zwar von kritischen Menschen nicht ernst genommen werden mögen, bei einem nicht unbeträchtlichen Teil der angesprochenen Konsumenten aber dennoch den beabsichtigten Eindruck erzielen könnten. Auch die beiden beanstandeten Angaben zu dem in Kapselform angebotenen Produkt verstießen daher gegen § 9 Abs 1 LMG. Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß das Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz einer Mitbewerberin das Inverkehrbringen des Produktes "Epicrin" mit vergleichbaren Angaben nicht untersagt habe; aus einem solchen Verhalten der Verwaltungsbehörde könne bei einem kaum mißverständlichen Gesetzeswortlaut kein unverschuldeter Rechtsirrtum abgeleitet werden. Daß sie selbst "Prioflor" mit den beanstandeten Angaben angemeldet hätte, behaupte die Beklagte im übrigen gar.

    Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluß des Erstrichters wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

    Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Das von der Beklagten in Kapselform vertriebene "Prioflor" ist unbestrittenermaßen ein Verzehrprodukt, als ein Stoff, der dazu bestimmt ist, von Menschen gegessen, gekaut oder getrunken zu werden, ohne überwiegend Ernährungs- oder Genußzwecken zu dienen oder Arzneimittel zu sein (§ 3 LMG). Die Beklagte hat dieses Mittel vorschriftsgemäß beim Bundesministerium für Gesundheit und öffentlichen Dienst angemeldet (§ 18 LMG); dieses hat das Inverkehrbringen der Ware nicht untersagt, sondern sogar ausdrücklich bestätigt, daß es keinen Grund zur Untersagung gefunden habe (Beilage 2). Mangels gegenteiliger Behauptung muß davon ausgegangen werden, daß die Beklagte mit der Anmeldung (u.a.) Warenmuster vorgelegt hat (§ 18 Abs 3 LMG), und zwar in der bescheinigten Aufmachung (Beilage K), umfaßt doch die Anmeldung nicht nur das Produkt, sondern auch dessen Aufmachung (VwGH 13.3.1979, Zl. 1829/78; 9.10.1979, Zl. 2603/78; 24.6.1985, Zl. 85/10/0068-5; 21.9.1987, Zl. 87/10/01110-4); die Verwendung einer nicht angemeldeten Aufmachung, d.h. das Inverkehrbringen eines Produktes mit Beschreibungen eines von der Anmeldung abweichenden Inhaltes, wäre ein Verstoß gegen die Anmeldepflicht (VwGH Zl. 85/10/0068-5). Da die Klägerin einen solchen Verstoß der Beklagten nicht einmal behauptet hat, ist davon auszugehen, daß die dem Bundesministerium für Gesundheit und öffentlicher Dienst vorgelegene Verpackung der "Prioflor"-Kapseln die beanstandete Aufschrift "Schöne Haut - Schönes Haar" aufgewiesen hat. Nach § 18 Abs 2 LMG hat der zuständige Bundesminister das Inverkehrbringen einer als Verzehrprodukt angemeldeten Ware mit Bescheid unverzüglich, längstens binnen 3 Monaten zu untersagen, wenn sie den Vorschriften des Lebensmittelgesetzes oder seiner Verordnungen nicht entspricht. Die Prüfung der Anmeldung eines Verzehrproduktes nach § 18 Abs 2 LMG umfaßt dessen Beschaffenheit einschließlich der Bezeichnung hinsichtlich aller Vorschriften des Lebensmittelrechtes (4 Ob 29/88; 4 Ob 62/88); auch die Einhaltung der Vorschriften des § 9 LMG ist demnach zu überprüfen (VwGH 20.10.1986, Zl. 86/10/0150-3).

Nach § 9 Abs 1 lit a LMG ist es verboten, sich (u.a.) beim Inverkehrbringen von Verzehrprodukten auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesundheiterhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken. Der zuständige Bundesminister hat allerdings auf Antrag gesundheitsbezogene Angaben für bestimmte Verzehrprodukte mit Bescheid zuzulassen, wenn dies mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar ist (§ 9 Abs 3 LMG).

Die beanstandeten Hinweise der Beklagten - "Schöne

Haut - Schönes Haar" und "Schöne Haut wieder gefragt" - können im gegebenen Zusammenhang - ohne daß es dazu der von der Beklagten vermißten näheren Feststellungen bedürfte - nur dahin verstanden werden, daß die Einnahme von "Prioflor"-Kapseln zu schöner Haut und schönem Haar führe. (Daß die Beklagte dies auch wirklich gemeint hat, kann im Hinblick auf ihre näheren Angaben - vgl. nur Beilage L - nicht in Zweifel gezogen werden.) Ob die schlagwortartige Bezeichnung des Produktzweckes schon als Angabe im Sinn des § 9 Abs 1 lit a LMG zu werten ist, kann aber dem Gesetz nicht mit völliger Eindeutigkeit entnommen werden. Eine rein wörtliche Auslegung könnte zum Ergebnis führen, daß auch ein solcher schlagwortartiger Hinweis oder eine entsprechende Bezeichnung Angaben über physiologische Wirkungen wären; das hätte allerdings zur Folge, daß so gut wie kein Verzehrprodukt - sofern dafür nicht althergebrachte Bezeichnungen, die keinerlei Zweifel über die Beschaffenheit der Ware zulassen, bestehen (§ 9 Abs 2 LMG) oder bereits ein Bescheid nach § 9 Abs 3 LMG vorliegt - als das bezeichnet werden dürfte, was er ist, z.B. als Schlankheitsmittel udgl. (vgl. Brustbauer-Jesionek-Petuely-Wrabetz, Das Lebensmittelgesetz 1975, 8). Das zuständige Bundesministerium hat jedenfalls - wie die Beklagte in erster Instanz zutreffend vorgebracht hat - an der Werbeaussage eines anderen Produzenten "Volles Haar und schöne Fingernägel" keinen Anstoß genommen (vgl. 4 Ob 29/88); im vorliegenden Fall hat es auch keinen Grund gefunden, die "Prioflor"-Kapseln im Hinblick auf die Aussage "Schöne Haut - Schönes Haar" zu untersagen. Bei dieser Sachlage konnte die Beklagte mit gutem Grund die Auffassung vertreten, daß diese Werbeangabe zulässig sei (in diesem Sinne auch 4 Ob 29/88 und 4 Ob 62/88). Die beanstandeten Hinweise bloß auf "Schönes Haar" und "Schöne Haut" - auch in der Wortverbindung "Schönes Haar wieder gefragt" - können daher der Beklagten, deren Auffassung durch das Gesetz so weit gedeckt ist, daß sie mit gutem Grund vertreten werden kann, nicht als sittenwidrig im Sinn des § 1 UWG vorgeworfen werden (SZ 56/2 u.a.).

Aus diesem Grund war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und der Beschluß des Erstrichters wiederherzustellen.

Der Kostenausspruch gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 41, 50, 52 ZPO. Da nur zwei der insgesamt 6 beanstandeten Äußerungen Gegenstand des Verfahrens dritter Instanz waren, hat nur der darauf entfallende Streitwert von S 140.000,- (S.6) als Bemessungsgrundlage zu dienen. Der Beklagten waren die Kosten der Rekursbeantwortung ON 8 und des Revisionsrekurses auf dieser Grundlage zuzuerkennen.

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