Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 7.797,95 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 871,21 EUR USt und 2.572,50 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Erstklägerin betreibt ein Einkaufszentrum. Die Zweitklägerin ist persönlich haftende Gesellschafterin der Erstklägerin. Eine weitere Gesellschaft (in der Folge: Konkurrenzgesellschaft) betreibt in einem Abstand von etwa 700 m ein weiteres Einkaufszentrum. Die Kläger einerseits und die Konkurrenzgesellschaft andererseits stehen im Wettbewerb.
Die Erstklägerin änderte die bestehende Betriebsanlage („Bauetappe V"), die sie am 1. September 2004 feierlich und am 2. September 2004 für den allgemeinen Publikumsverkehr eröffnete. Die Erstklägerin ist Baurechtsnehmerin der für die Bauetappe V benötigten Grundstücksflächen.
Aufgrund eines in einem Verfahren, das sich auf einen früheren Erweiterungsbau der Erstklägerin bezog, der am 14. März 2002 eröffnet worden war, erlangten Exekutionstitels führte die Konkurrenzgesellschaft wegen der Errichtung und des Betriebs des Erweiterungsbaus der Bauetappe V gegen die Kläger Unterlassungsexekution nach § 355 EO. Nach dem vorgenannten Titel war den Klägern verboten, in ihrem Einkaufszentrum Betriebsanlagen zu errichten, ohne über die erforderliche Genehmigung zu verfügen, und/oder Gebäudeteile Dritten zur Benützung zur Ausübung von Handelstätigkeiten zu überlassen, wenn für diese Gebäudeteile zum Zeitpunkt der Benützung lediglich ein nicht rechtskräftiger Genehmigungsbescheid der Gewerbebehörde vorliegt und von den Klägern nicht sämtliche Auflagen des Genehmigungsbescheids eingehalten werden.
Der zugrundeliegende Exekutionsantrag enthielt die Behauptung der Konkurrenzgesellschaft, die Kläger würden eine Betriebsanlage ohne gewerberechtliche Bewilligung errichten. Nach der Eröffnung setzte die Konkurrenzgesellschaft die Exekution durch tägliche Strafanträge mit der Behauptung fort, die Kläger würden Auflagen des in der Zwischenzeit erlangten gewerberechtlichen Betriebsanlagenbescheids nicht einhalten. Das Exekutionsgericht verhängte über die Kläger Beugestrafen in Millionenhöhe.
Die Kläger führen gegen die Konkurrenzgesellschaft ein Impugnationsverfahren, mit dem sie der Betreibung der Unterlassungsansprüche der Konkurrenzgesellschaft zu begegnen suchen. In diesem Verfahren führte die Konkurrenzgesellschaft den Beklagten, ihren damaligen Hausarbeiter, als Zeugen; er wurde auch bereits einvernommen. Davor beauftragte die Konkurrenzgesellschaft den Beklagten, der keinerlei fotografische Ausbildung hat und auch das Fotografieren nicht als Beruf ausübt, Lichtbilder der Bauetappe V im Einkaufszentrum der Kläger anzufertigen. Diesem Auftrag kam der Beklagte in der Zeit zwischen 25. und 31. August 2004 nach. Die Fotos fertigte der Beklagte ausschließlich über Anweisung seines Dienstgebers an. Im Februar oder März 2006 beendete der Beklagte sein Dienstverhältnis zur Konkurrenzgesellschaft, seither ist er bei einem anderen Unternehmen beschäftigt. Seit der Auflösung des Dienstverhältnisses mit der Konkurrenzgesellschaft besteht für den Beklagten keinerlei Veranlassung mehr, jemals wieder Fotos von Gebäudeteilen des Einkaufszentrums der Kläger anzufertigen. Für die Projektabwicklung der Bauetappe V bemühte sich der verantwortliche Bauingenieur der Kläger, die Baustelle insofern hermetisch abzuriegeln, als nur befugten Personen der Zutritt ermöglicht werden sollte; dies vor allem zum Zweck, Diebstähle hintanzuhalten und Fremdpersonen vor Schäden zu bewahren. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte Wachpersonal mit falschen Angaben überlistet oder Absperrvorrichtungen wie Bänder, Abplankungen oder Zäune überwunden hätte, um Fotos vom Innenbereich der Baustelle anfertigen zu können.
Die Kläger begehrten, dem Beklagten das Betreten von Gebäudeteilen und Freiflächen des Einkaufszentrums zu verbieten, die nicht für den allgemeinen Publikumsverkehr bestimmt sind und/oder durch Hinweistafeln, dass sie nicht allgemein zugänglich sind, und/oder durch Hinweistafeln, dass das Betreten von Baustellen durch Unbefugte verboten ist, gekennzeichnet sind und/oder durch Türen und/oder durch Abplankungen und/oder durch Bänder und/oder Wachdienstorgane abgesperrt sind, sowie die Anfertigung und Weitergabe von Fotografien betreffend diese Gebäudeteile oder Freiflächen sowie die Weitergabe derartiger Lichtbilder ohne Zustimmung der Kläger. Die Fotos habe der Beklagte durch Verletzung des Eigentums- und des Hausrechts der Kläger an den abgesperrten Gebäudeteilen angefertigt, um seiner Auftraggeberin illegal Beweismittel für ein anhängiges Gerichtsverfahren zu erschleichen. Es bestehe nach wie vor die Gefahr, dass sich der Beklagte neuerlich als Spion für seine Auftraggeberin - auch außerhalb eines Dienstverhältnisses - dazu einspannen lasse, widerrechtlich Gebäudeteile des Einkaufszentrums zu betreten, die nicht für die Allgemeinheit bestimmt seien. Der Beklagte wendete ein, die Konkurrenzgesellschaft habe ihn gebeten, Lichtbilder im Gebäude der Kläger anzufertigen, um die verbotene Errichtungstätigkeit der Kläger im Impugnationsprozess beweisen zu können. Er habe den Gebäudeteil der Bauetappe V hindernisfrei betreten und dort völlig unbehelligt fotografieren können. Das Betreten und Fotografieren sei notwendig gewesen, um das rechtswidrige Verhalten der Kläger und deren Titelverstoß beweisen zu können (Notwehrsituation der Auftraggeberin des Beklagten). Andernfalls wäre eine exekutive Durchsetzung des Unterlassungstitels praktisch unmöglich gewesen. Das Vorgehen der Kläger sei überdies schikanös. Die Wiederholungsgefahr sei weggefallen, weil der Beklagte nicht mehr Dienstnehmer der Konkurrenzgesellschaft sei und zu deren Geschäftsführer jedweden geschäftlichen und persönlichen Kontakt beendet habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Wegen Beendigung des Dienstverhältnisses sei auch die Gefahr gebannt, dass der Beklagte nochmals Fotos über Anweisung des damaligen Dienstgebers anfertige. Das Berufungsgericht gab dem Unterlassungsbegehren statt. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung nicht zulässig sei.
Dem Bauberechtigten stünden am Bauwerk die Rechte des Eigentümers zu. Aus dem Herrschaftsrecht des Eigentümers folge das Recht, das Betreten eines Hauses zu verbieten. Auch die bloße Verwendung eines nur durch eine Eigentumsverletzung erlangten Fotos könne zur Unterlassung verpflichten. Für die Annahme eines rechtfertigenden Beweisnotstands reiche nicht schon das allgemeine Interesse jeder Partei, über ein besonders beweiskräftiges Beweismittel zu verfügen. Der Beklagte habe weder behauptet noch unter Beweis gestellt, dass die Konkurrenzgesellschaft das von ihr behauptete Zuwiderhandeln der Kläger gegen den Unterlassungstitel im Impugnationsprozess keinesfalls anders als durch die beanstandeten Fotos hätte beweisen können. Dass ein „Prozessbetrugsversuch" der Kläger unmittelbar gedroht hätte, habe der Beklagte nicht behauptet. Schikanöse Rechtsausübung liege mangels absichtlicher Schadenszufügung nicht vor, vom eindeutigen Überwiegen unlauterer Motive könne keine Rede sein. Das Bestreiten der Unterlassungspflicht und das Fehlen einer Gewähr, dass der Beklagte einen Eingriff in fremde Rechte in Zukunft unterlasse, würden als Indiz für das Vorhandensein von Wiederholungsgefahr gewertet. Der Beklagte habe weder den Unterlassungsanspruch der Kläger anerkannt noch diesbezüglich den Abschluss eines an keinerlei Bedingungen geknüpften Vergleichs angeboten. Er habe nicht vorgebracht, dass er als Haustechniker im Rahmen des mit seiner Dienstgeberin abgeschlossenen Arbeitsvertrags zur Verrichtung der beanstandeten Erkundungstätigkeit verpflichtet gewesen wäre. Die Tatsache der Auflösung des Dienstverhältnisses reiche nicht aus, um die Vermutung der Wiederholungsgefahr zu beseitigen.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision des Beklagten ist zulässig und berechtigt.
Voraussetzung des infolge Verletzung eines absolut wirkenden dinglichen Rechts (Eigentum des Bauberechtigten am Gebäude) bestehenden Unterlassungsanspruchs ist die auch noch im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung in erster Instanz vorliegende (RIS-Justiz RS0012057) Gefahr der Wiederholung eines rechtswidrigen Eingriffs. Wiederholungsgefahr ist immer dann anzunehmen, wenn die ernstliche Besorgnis besteht, der Verletzer werde es bei seinen bisherigen Störungshandlungen nicht bewenden lassen, sondern weitere Gesetzesverstöße begehen. Eine solche Gefahr kann auch bei einer einmaligen Gesetzesverletzung nur dann verneint werden, wenn der Verletzer besondere Umstände dartut, die eine Wiederholung seiner gesetzwidrigen Handlung als ausgeschlossen oder doch zumindest äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen. Damit kommt es immer auf die Art des Eingriffs und die Willensrichtung des Störers an; für diese kann insbesondere sein Verhalten nach der Beanstandung und während des Rechtsstreits wichtige Hinweise bieten. Maßgebend ist, ob nach den Umständen des Falls dem Verhalten des Verletzers in seiner Gesamtheit konkrete Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen abzusehen (4 Ob 383/86 = ÖBl 1988, 79 mwN; RIS-Justiz RS0012064, RS0012087). Die Bestreitung eines rechtswidrigen Eingriffs in das geschützte (Haus-)Recht fällt hier bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr aber deshalb nicht besonders ins Gewicht, weil andere Umstände vorliegen, welche die Annahme einer weiteren Rechtsverletzung als zumindest äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen. Der Beklagte fertigte die beanstandeten Fotos ausschließlich über Anweisung seines Dienstgebers in dessen alleinigem Interesse an. Er hat weder fotografische Ausbildung noch übt er das Fotografieren als Beruf aus. Er ist inzwischen seit Jahren nicht mehr bei der Konkurrenzgesellschaft der Kläger beschäftigt, weshalb der vom Erstgericht gezogene Schluss, dass der Beklagte seit der Auflösung des Dienstverhältnisses zur Konkurrenzgesellschaft keinerlei Veranlassung mehr hat, jemals wieder Fotos von Teilen des von den Klägern betriebenen Einkaufszentrums für die Konkurrenzgesellschaft anzufertigen, naheliegt. Ungeachtet des ungeklärt gebliebenen Umstands, ob der Beklagte im Rahmen seines Arbeitsvertrags mit der Konkurrenzgesellschaft verpflichtet gewesen wäre, den Auftrag seines Dienstgebers auszuführen, lassen die maßgeblichen Umstände dieses Falls - durchaus vergleichbar mit den der Entscheidung 4 Ob 341/66 = ÖBl 1967, 32 zugrundeliegenden - es zumindest als äußerst unwahrscheinlich erscheinen, dass der Beklagte die beanstandeten Eingriffe in die Rechte der Erstklägerin wiederholt. Die vom Berufungsgericht zitierte E 10 Ob 85/07h betrifft einen nicht unmittelbar vergleichbaren Sachverhalt. Dort fehlten insbesondere Umstände, die - wie hier - eine Wiederholung aufgrund geänderter Verhältnisse äußerst unwahrscheinlich machen (Dienstgeberwechsel, kein eigenes Interesse an der im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erbrachten Leistung).
Darüber hinaus macht der Beklagte zu Recht geltend, dass die Zweitklägerin als Komplementärgesellschaft der Bauberechtigten und Hauseigentümerin (Erstklägerin) zu der auf das Hausrecht bzw Gebäudeeigentum gestützten Klage nicht aktiv legitimiert ist. Die von den Klägern ins Treffen geführte bloße Betroffenheit von den aufgrund des gegen beide Kläger von der Konkurrenzgesellschaft erwirkten Unterlassungstitels geführten Exekutionsverfahren oder den zu deren Abwehr geführten Impugnationsverfahren verschafft der Zweitklägerin nicht jene Stellung als dinglich Berechtigte, aus der sie den erhobenen Unterlassungsanspruch ableitet. Ein nicht zu bestreitendes wirtschaftliches Interesse am Obsiegen im Impugnationsverfahren und damit Abwendung der Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen der Konkurrenzgesellschaft genügt hier nicht.
Zu den übrigen Einwendungen des Beklagten (Rechtfertigung des Eigentumseingriffs, Rechtsmissbrauch, zu weiter Unterlassungstitel) muss daher nicht Stellung genommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.
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