OGH 4Ob33/15d

OGH4Ob33/15d17.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** AG, *****, vertreten durch Ebert Huber Swoboda Oswald & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei B***** A*****, vertreten durch Dr. Fabian Maschke, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 34.900 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 100 EUR), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. Dezember 2014, GZ 3 R 206/14f‑12, mit dem das Urteil des Landesgerichts Steyr vom 17. Oktober 2014, GZ 4 Cg 105/14w‑6, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00033.15D.0217.000

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die klagende Partei verfügt über eine Bewilligung zur Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung mittels Automaten nach dem oberösterreichischen Glücksspielautomatengesetz.

Die Beklagte betreibt in E***** ein Cafe und hat für diesen Standort eine Gewerbeberechtigung für Gastgewerbe in der Betriebsart Cafe. Sie verfügt über keine Bewilligung für den Betrieb von Glücksspielautomaten, hat aber zwei solche Geräte aufgestellt. Der Spieler kann den Einsatz pro Spiel mit mindestens 20 Cent und höchstens 10,50 EUR festlegen. Er hat keine Möglichkeit, das Spielergebnis zu beeinflussen. Der Sachverhalt weist keinen Auslandsbezug auf.

Die klagende Partei beantragte, der Beklagten mit Urteil zu verbieten, Geräte für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu betreiben oder einem Dritten den Betrieb von Geräten für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu ermöglichen, insbesondere durch Aufstellung und/oder Zugänglichmachung solcher Geräte, insbesondere in ihrem Cafe, solange sie oder der Dritte, dem sie die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung ermöglichen, nicht über die dafür erforderliche Konzession oder behördliche Bewilligung verfügen. Mit dem Unterlassungsbegehren verband sie einen Antrag auf Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung.

Eine Ausspielung mit Glücksspielautomaten dürfe nur mit behördlicher Bewilligung erfolgen. Da die Beklagte über keine solche Bewilligung verfüge, betreibe sie ein illegales Glücksspiel. Dadurch verstoße sie gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG (Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch).

Die Beklagte wandte ein, die Verbotsbestimmungen des GSpG seien unanwendbar, weil das Glücksspielmonopol unionsrechtswidrig sei. Sie verwies auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C‑390/12, Pfleger, wonach Art 56 AEUV einer nationalen Beschränkung des Glücksspiels entgegenstehe, sofern diese nicht wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolge und nicht tatsächlich dem Anliegen entspreche, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen. Die Beklagte brachte dazu erkennbar vor, dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Wegen der verfassungsrechtlich verbotenen Inländerdiskriminierung könne auch sie sich auf die Unionsrechtswidrigkeit berufen. Jedenfalls sei ihre Rechtsansicht vertretbar; daher bestehe kein lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsanspruch.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Beklagte greife mit ihren Ausspielungen mangels Konzession bzw Bewilligung in das Glücksspielmonopol des Bundes ein, weil die Automaten Einsätze von mehr als 10 EUR ermöglichten. Das Unionsrecht stehe hier dem österreichischen Glücksspielmonopol nicht entgegen, weil kein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliege. Das Erstgericht verneinte auch einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und einen Fall der Inländerdiskriminierung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Unter Bezugnahme auf die Entscheidung 4 Ob 145/14y ging das Berufungsgericht davon aus, dass der von der Beklagten erhobene Einwand der Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols samt der Frage einer allfälligen Inländerdiskriminierung im Hauptverfahren zu erörtern sei. Es seien Feststellungen zur Frage zu treffen, ob die konkrete Ausgestaltung des Glücksspielmonopols das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt. Im Ersturteil fehlten Feststellungen zu diesem von der Beklagten erhobenen Einwand.

Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof mit der Begründung zu, dass zu der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsansicht noch keine gesicherte Judikatur des Obersten Gerichtshofs im Hauptverfahren vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der von der klagenden Partei erhobene Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch in den Ausführungen im Rechtsmittel wird eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dargetan:

1. Bereits in der vom Berufungsgericht zitierten und ein Sicherungsverfahren betreffenden Entscheidung 4 Ob 145/14y hat der erkennende Senat ausdrücklich festgehalten, dass die in der Entscheidung zur Rechtssache C-390/12 , Pfleger, vom EuGH angeführten tatsächlichen Umstände, von deren Vorliegen die Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols abhängt, im Hauptverfahren zu prüfen sind. Im Rahmen des Hauptprozesses sind daher Feststellungen darüber zu treffen, ob die konkrete Ausgestaltung des Glücksspielmonopols „wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt und [...] tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen“. Nach 4 Ob 145/14y kann die mögliche Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols allenfalls eine verfassungsrechtlich unzulässige Inländerdiskriminierung bewirken.

2. In den jeweils im Hauptverfahren ergangenen Entscheidungen 4 Ob 200/14m, 4 Ob 231/14w und 4 Ob 244/14g wurde diese Rechtsansicht bestätigt und zur hier interessierenden Frage jeweils ua Folgendes ausgeführt:

„Grundsätzlich ist die Vereinbarkeit von nationalem Recht mit Unionsrecht [...] als Rechtsfrage von Amts wegen zu prüfen, sodass sich Fragen zu einer [...] Darlegungspflicht (Behauptungslast) nicht stellen. Können aber bei Regelungen, bei denen ‑ wie hier ‑ sowohl der Wortlaut und als auch die erklärte Zielsetzung des Gesetzgebers [...] gegen die Annahme eines Unionsrechtsverstoßes sprechen, ausnahmsweise tatsächliche Umstände zu einem anderen Ergebnis führen, so hat sich diese Prüfung grundsätzlich an diesbezüglichen Parteienbehauptungen zu orientieren. Dabei trifft hier die Beklagten die Verpflichtung zur Behauptung entsprechender Tatsachen, weil es sich beim Einwand der Unionswidrigkeit um eine anspruchsvernichtende Einwendung handelt (vgl RIS‑Justiz RS0106638; RS0109287). Da allerdings die Geltung oder Anwendbarkeit eines Gesetzes letztlich nicht von Behauptungen oder Beweisanboten einer Partei abhängen kann, wird das Erstgericht dann, wenn es aufgrund konkreter Anhaltspunkte Zweifel an der Unionsrechtskonformität des Glücksspielrechts haben sollte, auch von Amts wegen entsprechende Beweise aufnehmen und Feststellungen treffen müssen. Verbleiben letztendlich Zweifel über die zu prüfenden Tatsachen, liegt also ein non liquet vor, geht das zu Lasten der damit beweisbelasteten Beklagten (RIS‑Justiz RS0037797).

Erweisen sich die Regelungen des Glücksspielrechts aufgrund von deren tatsächlichen Auswirkungen als unionsrechtswidrig, bestünden wegen der dann drohenden Inländerdiskriminierung Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Glücksspielmonopols. Dies müsste zu einer Anfechtung der relevanten Bestimmungen [...] beim Verfassungsgerichtshof führen. Nach einer stattgebenden Entscheidung des Erstgerichts stünde den Beklagten zudem ein Parteiantrag auf Normenkontrolle iSv Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B-VG offen. [...]“

3. An den referierten Grundsätzen ist auch im hier zu prüfenden Fall festzuhalten. Die Argumente im Rekurs bieten keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

3.1 Die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht, dass im Zusammenhang mit dem von der Beklagten erhobenen Einwand der Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols bzw der Frage einer allfälligen Inländerdiskriminierung Feststellungen darüber zu treffen seien, ob die konkrete Ausgestaltung des Glücksspielmonopols das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolge, hält sich im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.

3.2 Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts verstößt entgegen der im Rekurs vertretenen Meinung auch nicht gegen die Parteienmaxime, zumal ein umfassendes Vorbringen der Beklagten zur Unionsrechtswidrigkeit bzw zur Inländerdiskriminierung vorliegt.

3.3 Schließlich ist für die klagende Partei auch aus der Entscheidung 4 Ob 86/14x nichts zu gewinnen, weil der dort zu beurteilende Sachverhalt nicht von der Anwendbarkeit des österreichischen Glücksspielmonopols abhing und die Entscheidung zudem im Sicherungsverfahren erging.

Der Rekurs ist deshalb als unzulässig zurückzuweisen.

4. Da die Beklagte nicht auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen und demgemäß auch nur beantragt hat, „den Revisionsrekurs abzuweisen“, hat sie keinen Anspruch auf Honorierung ihrer Rekursbeantwortung (RIS‑Justiz RS0035979 [insb T15, T18, T23]; RS0035962 [insb T18, T29]).

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