European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00028.15V.0324.000
Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidung des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass die erstgerichtliche einstweilige Verfügung wiederhergestellt wird, ohne dass deren Wirksamkeit vom Erlag einer Sicherheitsleistung abhängig wäre.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.642,64 EUR (darin 326,94 EUR USt und 681 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Die Klägerin verfügt über eine Bewilligung zur Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung mittels Automaten nach dem niederösterreichischen Spielautomatengesetz.
Die Beklagte betreibt in Niederösterreich eine Jausenstation. Sie hat in ihrem Lokal einen mikroprozessorgesteuerten Video-Terminal aufgestellt, der die Möglichkeit bietet, online an Glücksspielen, die von einem steirischen Unternehmen veranstaltet werden, teilzunehmen. Die Entscheidung über das Spielergebnis ist weder durch Geschicklichkeit noch sonstige Manipulation zu beeinflussen und wird nicht im Gerät, sondern auf einem damit verbundenen Server in der Steiermark herbeigeführt. Das Spiel selbst wird jeweils durch Einwurf eines Wetteinsatzes von 0,20 EUR bis 10,50 EUR und Bedienung des Terminals ausgelöst. Die Beklagte erhält vom Glücksspielbetreiber eine umsatzabhängige Provision. Weder die Beklagte noch die steirische Betreibergesellschaft verfügen über eine Bewilligung für den Betrieb von Glücksspielautomaten in Niederösterreich.
Zur Sicherung ihres gleichlautenden Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, Geräte für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu betreiben oder einem Dritten den Betrieb von Geräten für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu ermöglichen, insbesondere durch Aufstellung und/oder Zugänglichmachung solcher Geräte, insbesondere in dem näher genannten Lokal in Niederösterreich, solange sie oder der Dritte, dem sie die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung ermöglicht, nicht über die dafür erforderliche Konzession oder behördliche Bewilligung verfügt. Eine Ausspielung mit Glücksspielautomaten dürfe nur mit behördlicher Bewilligung erfolgen. Da die Beklagte und die Betreibergesellschaft über keine solche Bewilligung verfügten, betrieben sie ein illegales Glücksspiel und verstießen auch gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG (Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch).
Die Beklagte wendet ein, bei dem Gerät in ihrem Lokal handle es sich weder um einen Glücksspielautomaten, noch um eine elektronische Lotterie, sondern nur um eine Eingabe‑ und Auslesestation, die ein Mitspielen an einem laufenden Spiel in der Steiermark ermögliche. Die Aufstellung nur eines Terminals sei nicht geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Klägerin, die über tausend Automaten betreibe, erheblich zu beeinflussen. Vor allem aber sei das Glücksspielgesetz unanwendbar, weil das Glücksspielmonopol aus näher ausgeführten Gründen unionsrechtswidrig sei. Für den Fall der Erlassung der einstweiligen Verfügung beantragte die Beklagte, der Klägerin eine Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000 EUR aufzuerlegen.
Das Erstgericht gab der Klage und dem Sicherungsbegehren statt und wies den Antrag der Beklagten, der Klägerin eine Sicherheitsleistung aufzuerlegen, ab. Die Beklagte fördere den Wettbewerb der die Automaten aufstellenden Gesellschaft und trage zur Durchführung von Glücksspielen unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften bei. Eine Unionsrechtswidrigkeit der Normen des GSpG sei zwar möglich, dies sei aber bei einem reinen Inlandssachverhalt ‑ wie hier ‑ rechtlich unerheblich.
Das Berufungs‑ und Rekursgericht hob das Urteil des Erstgerichts auf und bestätigte die erstgerichtliche einstweilige Verfügung, machte jedoch ‑ ohne dass dies die Beklagte im Rekurs aufgegriffen hätte ‑ deren Wirksamkeit vom Erlag einer Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000 EUR abhängig; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die einstweilige Verfügung greife trotz Bescheinigung des Anspruchs tief in die Interessen der Beklagten ein, weshalb eine Sicherheitsleistung (Grundsätzen der Entscheidung 4 Ob 145/14y folgend) aufzutragen sei.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin, mit dem sie die Abänderung der einstweiligen Verfügung dahin anstrebt, dass der Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung entfällt, ist zulässig und berechtigt.
1. Auch bei ausreichender Bescheinigung des Anspruchs kann das Gericht dann die Bewilligung der einstweiligen Verfügung von einer entsprechenden Sicherheitsleistung abhängig machen, wenn nach den Umständen des Falls Bedenken wegen tiefgreifender Eingriffe der einstweiligen Verfügung in die Interessen des Gegners der gefährdeten Partei bestehen (§ 390 Abs 2 EO). Durch die Sicherheitsleistung wird in solchen Fällen die nötige Interessenabwägung zwischen der Gefährdung des Antragstellers und dem Eingriff in die Rechtssphäre des Antragsgegners vorgenommen und ein entsprechender Ausgleich bewirkt (RIS‑Justiz RS0005711; vgl auch RS0005595). Wurden aber ‑ wie hier ‑ Umstände aus denen sich ein schwerwiegender Eingriff, der eine Sicherheitsleistung rechtfertigt, erschließen ließe, vom Gegner der gefährdeten Partei nicht bescheinigt und sind sie auch sonst im Verfahren nicht hervorgekommen, dann ist die Sicherheitsleistung nicht aufzutragen (vgl Kodek in Angst , EO² § 390 Rz 6; 4 Ob 396/77 = ÖBl 1978, 98 mwN; 4 Ob 258/14s; vgl RIS‑Justiz RS0005595 [T15]).
2. Anders als in der Entscheidung 4 Ob 145/14y ergibt sich aus dem hier festgestellten Sachverhalt kein schwerwiegender Eingriff in Interessen der Beklagten, der eine Sicherheitsleistung rechtfertigt: Die Beklagte betreibt eine Jausenstation, für welche sie eine Gewerbeberechtigung besitzt. In ihrem Lokal steht ein (einziger) Glücksspielautomat, sodass davon auszugehen ist, dass das Glücksspiel nicht die Haupteinnahmequelle der Beklagten ist und daher hier keine Vernichtung eines Geschäftsmodells ‑ wie in der zitierten Entscheidung ‑ vorliegt.
3. Dem Revisionsrekurs ist daher Folge zu geben und die erstgerichtliche einstweilige Verfügung wiederherzustellen, ohne dass deren Wirksamkeit vom Erlag einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen ist.
4. Der Streit über den Auftrag zum Erlag der Sicherheit ist ein Zwischenstreit. Die im Zwischenstreit unterlegene Beklagte hat ihre Kosten im Zwischenstreit selbst zu tragen (§§ 40, 50 ZPO) und der Klägerin die Kosten des erfolgreichen Revisionsrekurses zu ersetzen (vgl RIS‑Justiz RS0036016).
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