OGH 4Ob258/14s

OGH4Ob258/14s17.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Jensik als Vorsitzenden, durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel und durch die Hofräte Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** AG, *****, vertreten durch Ebert Huber Swoboda Oswald & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei E***** D*****, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 34.900 EUR), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 26. November 2014, GZ 4 R 107/14f‑12, womit infolge Rekurses der beklagten Partei der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 11. April 2014, GZ 23 Cg 14/14p‑7, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00258.14S.0217.000

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass die erstgerichtliche einstweilige Verfügung wieder hergestellt wird, ohne dass deren Wirksamkeit vom Erlag einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.642,64 EUR (darin 326,94 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin verfügt über eine Bewilligung zur Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung mittels Automaten nach dem niederösterreichischen Spielautomatengesetz.

Der Beklagte betreibt in Niederösterreich ein Lokal. Er verfügt an diesem Standort über Gewerbeberechtigungen für das freie Gastgewerbe in der Betriebsart Imbissstube, für Tankstellen und für Handelsgewerbe; eine Bewilligung für den Betrieb von Glücksspielautomaten besitzt er nicht. Dennoch sind in einem abgetrennten Raum seines Lokals drei solche Geräte aufgestellt, die mit einem Server verbunden sind, der über das Spielergebnis entscheidet, wobei Gewinn oder Verlust ausschließlich vom Zufall abhängen. Der Spieler hat den jeweiligen Einsatz pro Spiel festzulegen, wobei der Höchsteinsatz 10 EUR beträgt. Betreiber dieser Geräte ist eine Gesellschaft mit Sitz in der Slowakei, die die Geräte gegen Entgelt im Lokal des Beklagten aufstellen darf; auch diese Gesellschaft besitzt keine Bewilligung für den Betrieb von Glücksspielautomaten in Niederösterreich.

Zur Sicherung ihres gleichlautenden Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, Geräte für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu betreiben oder einem Dritten den Betrieb von Geräten für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu ermöglichen, insbesondere durch Aufstellung und/oder Zugänglichmachung solcher Geräte, insbesondere in dem näher genannten Lokal in Niederösterreich, solange er oder der Dritte, dem er die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung ermöglicht, nicht über die dafür erforderliche Konzession oder behördliche Bewilligung verfügt. Eine Ausspielung mit Glücksspielautomaten dürfe nur mit behördlicher Bewilligung erfolgen. Da der Beklagte und die Betreibergesellschaft über keine solche Bewilligung verfügten, betrieben sie ein illegales Glücksspiel und verstießen auch gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG (Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch).

Der Beklagte wendet ein, nur eine Fläche zur Aufstellung von Automaten vermietet zu haben. Das Glücksspielgesetz sei unanwendbar, weil das Glücksspielmonopol aus näher ausgeführten Gründen unionsrechtswidrig sei. Jedenfalls sei die Rechtsansicht des Beklagten vertretbar; daher bestehe kein lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsanspruch.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsbegehren statt. Der Beklagte fördere den Wettbewerb der die Automaten aufstellenden Gesellschaft und trage zur Durchführung von Glücksspielen unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften bei. Auch eine unionsrechtlich gebotene Unanwendbarkeit der Konzessionsbestimmungen des Glücksspielgesetzes ändere nichts am Rechtsbruch, weil auch diesfalls das Glücksspielmonopol immer noch beim Bund verbliebe.

Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche einstweilige Verfügung, machte jedoch ‑ ohne darauf abzielenden Antrag des Beklagten ‑ deren Wirksamkeit vom Erlag einer Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000 EUR abhängig; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die einstweilige Verfügung greife trotz Bescheinigung des Anspruchs tief in die Interessen des Beklagten ein: Es liege auf der Hand, dass der Umsatz von „Automatencafés“ im Kern davon abhänge, ob dort tatsächlich gespielt werden könne; die einstweilige Verfügung „vernichte daher das Geschäftsmodell des Beklagten“. Unter diesen Umständen sei die einstweilige Verfügung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen, die mit 50.000 EUR zu bemessen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin, mit dem sie die Abänderung der einstweiligen Verfügung dahin anstrebt, dass der Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung entfällt, ist zulässig und berechtigt.

1. Das Rekursgericht hat den (amtswegigen) Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung ersichtlich auf Grundsätze der Entscheidung 4 Ob 145/14y gestützt. Anders als dort hat jedoch hier der Beklagte keinerlei Vorbringen zu Umständen erstattet, aus denen sich ein schwerwiegender Eingriff in Interessen, der eine Sicherheitsleistung rechtfertigt, erschließen ließe.

2. Auch bei ausreichender Bescheinigung des Anspruchs kann das Gericht dann die Bewilligung der einstweiligen Verfügung von einer entsprechenden Sicherheitsleistung abhängig machen, wenn nach den Umständen des Falls Bedenken wegen tiefgreifender Eingriffe der einstweiligen Verfügung in die Interessen des Gegners der gefährdeten Partei bestehen (§ 390 Abs 2 EO). Durch die Sicherheitsleistung wird in solchen Fällen die nötige Interessenabwägung zwischen der Gefährdung des Antragstellers und dem Eingriff in die Rechtssphäre des Antragsgegners vorgenommen und ein entsprechender Ausgleich bewirkt (RIS‑Justiz RS0005711; vgl auch RS0005595).

3. Zwar ist ‑ entgegen der Auffassung der Klägerin ‑ die Auferlegung einer Sicherheitsleistung auch ohne einen in erster Instanz gestellten Antrag formell zulässig (4 Ob 317/75 = ÖBl 1975, 110 = RIS‑Justiz RS0005496 [T1]). Wurden aber ‑ wie hier ‑ Umstände, aus denen sich ein schwerwiegender Eingriff, der eine Sicherheitsleistung rechtfertigt, erschließen ließe, vom Gegner der gefährdeten Partei weder behauptet noch bescheinigt und sind sie auch sonst im Verfahren nicht hervorgekommen, dann ist die Sicherheitsleistung nicht aufzutragen (Kodek in Angst, EO² § 390 Rz 6; 4 Ob 396/77 = ÖBl 1978, 98 mwN; vgl RIS‑Justiz RS0005595 [T15]).

4. Nach den Feststellungen verfügt der Beklagte am Standort seines Lokals über Gewerbeberechtigungen für das freie Gastgewerbe in der Betriebsart Imbissstube, den Betrieb einer Tankstelle und für das Handelsgewerbe. Anhaltspunkte dafür, er betreibe ein „Automatencafé“, welches Geschäftsmodell durch die einstweilige Verfügung „vernichtet“ werde, sind nicht ersichtlich. Unter diesen Umständen entbehrt der Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung einer Sachgrundlage.

5. Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben und die erstgerichtliche einstweilige Verfügung wieder herzustellen, ohne dass deren Wirksamkeit vom Erlag einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen ist.

6. Der Streit über den Auftrag zum Erlag der Sicherheit ist ein Zwischenstreit. Der im Zwischenstreit unterlegene Beklagte hat seine Kosten im Zwischenstreit selbst zu tragen (§§ 40, 50 ZPO) und der Klägerin die Kosten des erfolgreichen Revisionsrekurses zu ersetzen (vgl RIS‑Justiz RS0036016).

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