European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E121348
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Der Kläger war Eigentümer der streitgegenständlichen Liegenschaft, sein Vater war Fruchtnießer. Dieser schloss im Jahr 2005 mit den Beklagten einen Mietvertrag. Der Vater verstarb im Dezember 2012. Der Kläger hatte die Liegenschaft im Jahr 2003 an seine Ehefrau und an seine Söhne übertragen und sich ein Fruchtgenussrecht einräumen lassen, das erst nach dem Tod seiner Eltern wirksam werden sollte (die Mutter verstarb 2003). Nach Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens nach seinem Vater brachte der Kläger eine Klage auf Räumung der Liegenschaft gegen die Beklagten wegen titelloser Benützung ein, welche unter anderem mit der Begründung abgewiesen wurde, dass zwischen den Streitteilen ein aufrechtes (nach § 1120 ABGB) aufkünbares Mietverhältnis bestehe (7 Ob 154/16x). Noch im Monat der Zustellung dieser Entscheidung brachte der Kläger die klagsgegenständliche Aufkündigung ein.
Das Berufungsgericht bestätigte die vom Erstgericht als wirksam erkannte Aufkündigung des Bestandvertrags und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagten machen mit ihrer außerordentlichen Revision – wie schon in den Vorinstanzen – die Verfristung der Aufkündigung geltend. Der Kläger habe die Liegenschaft mit Übergabsvertrag aus 1997 von seinem Vater erworben. Die Klage sei daher 19 Jahre nach der seinerzeitigen Eigentumsübertragung und auch 13 Jahre nach der weiteren Eigentumsübertragung an die Frau und die Söhne des Klägers eingebracht worden, bzw 11 Jahre nach Kenntnis des Abschlusses des gegenständlichen Mietvertrags. Es liege somit ein schlüssiger Eintritt in die Vereinbarung über die bestimmte Dauer des (auf 50 Jahre abgeschlossenen) Bestandverhältnisses vor.
Dazu ist auszuführen:
1. Bereits das Berufungsgericht hat diesen Ausführungen der Beklagten – unter anderem unter Bezugnahme auf 7 Ob 154/16x, wo bezogen auf den hier vorliegenden Sachverhalt dargelegt wurde, dass der Bestandnehmer nach Erlöschen eines Fruchtgenussrechts dem Eigentümer bzw dem neuen Fruchtnießer unter sinngemäßer Anwendung des § 1120 ABGB nach ordentlicher Aufkündigung weichen muss – die ständige Rechtsprechung entgegen gehalten, wonach Vereinbarungen über die Vertragsbeendigung, wie bestimmte Vertragsdauer, Kündigungsverzicht, Kündigungstermine und –fristen nicht gegen den Erwerber wirken (vgl RIS‑Justiz RS0014444). Der Erwerber kann daher das Bestandverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsmodalitäten auflösen (6 Ob 66/05g). Dabei wird das nicht verbücherte Bestandverhältnis ohne Rücksicht auf andere Vertragsbestimmungen in ein solches von unbestimmter Dauer mit gesetzlicher Kündigungsfrist verwandelt (RIS‑Justiz RS0021133).
2. Der Erwerber kann zwar grundsätzlich in allfällige vertragliche Kündigungsbeschränkungen durch ausdrückliche oder schlüssige Vereinbarungen mit dem Bestandnehmer eintreten (sog „Volleintritt“, vgl 1 Ob 344/99s), und ein schlüssig erklärter Volleintritt kann – bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 863 ABGB – auch in der Unterlassung einer Kündigung des Bestandvertrags durch den Erwerber liegen (10 Ob 51/17y). Ein vollwirksamer Eintritt liegt nicht schon dann vor, wenn zum nächstmöglichen Termin nicht gekündigt wird; es müssten vielmehr weitere, iSd § 863 Abs 1 ABGB zwingende Umstände vorliegen, die einen solchen Eintritt ergeben (RIS‑Justiz RS0014349).
3. Ob nach den Umständen des Einzelfalls ein Verzicht (hier: auf die Aufkündigung des Bestandvertrags) anzunehmen ist oder nicht, wirft im Regelfall ebenso wenig erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RIS‑Justiz RS0107199), wie die Auslegung einer konkreten Erklärung (RIS‑Justiz RS0042555). Für die Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen nach § 863 ABGB ist beim stillschweigenden Kündigungsverzicht ein strenger Maßstab anzulegen (RIS‑Justiz RS0014146).
Der Oberste Gerichtshof hat zu 6 Ob 66/05g zu einem Sachverhalt einer Kündigung 20 Jahre nach dem Erwerb einen konkludenten Verzicht auf das Kündigungsrecht angenommen; zu 1 Ob 248/03g, wo ein Zeitraum von fünf Monaten zu beurteilen war, wurde ein Verzicht verneint.
4. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem verlesenen Urteil im Vorverfahren 7 Ob 154/16x (vgl RIS‑Justiz RS0121557 [T5]), dass dem Kläger der genaue Inhalt des Mietvertrags erst im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens nach seinem Vater bekannt wurde. Unmittelbar nach Abschluss dieses Verfahrens hat der Kläger zunächst Räumungsklage und nach Abweisung derselben ungesäumt die vorliegende Aufkündigung eingebracht. Insoweit ist die Beurteilung der Vorinstanzen, die keinen Verzicht des Klägers auf das Kündigungsrecht annahmen, vertretbar und hält sich im Rahmen der oben aufgezeigten Rechtsprechung. Die Revisionswerber haben jedenfalls keine grobe Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufgezeigt, die eine gegenteilige Sachentscheidung des Obersten Gerichtshofs erfordern würde.
Die Revision ist somit in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen.
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