Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.765,62 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 294,27 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist Verlegerin, Medieninhaberin und Herausgeberin der "Superpages", einem Verzeichnis aller erfassbaren Telefonteilnehmer und Unternehmen Österreichs, das in regional gegliederten Ausgaben veröffentlicht wird. Jede Regionalausgabe enthält in den "weißen Seiten" alle erfassbaren Telefonteilnehmer der Region und in den "Gelben Seiten" alle erfassbaren Unternehmen der Region sowie eine alphabetische Auflistung aller in der Ausgabe erfassten Firmen. Die Eintragung in den "Superpages" erfolgt unentgeltlich; hervorgehobene Eintragungen und die Eintragung von Anzeigen erfolgen entgeltlich. Die "Superpages" sind darüber hinaus im Internet abrufbar. Die Firmendatenbank enthält die Daten von Unternehmen, bestehend aus Firma, Adresse, Telefon- und Telefax-Nummer sowie allfällige weitere Angaben, systematisch nach Branchen und innerhalb der Branche alphabetisch gegliedert. Für den Aufbau dieser Datenbank tätigt(e) die Klägerin nach Art und Umfang erhebliche Investitionen. In den "Superpages" sind aktuelle Daten von mehr als 337.000 österreichischen Unternehmen enthalten; die Firmendatenbank wird im Handel auch als Marketing CD-Rom vertrieben.
Die Erstbeklagte betreibt ein im Internet für jedermann abfragbares Firmen- und Branchenverzeichnis. Hervorgehobene Eintragungen in diesem Verzeichnis und Werbeeinschaltungen erfolgen entgeltlich. Die Zweitbeklagte und der Drittbeklagte sind persönlich haftende Gesellschafter der Erstbeklagten; der Viertbeklagte ist alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer der Zweitbeklagten.
Der Viertbeklagte erwarb am 15. 3. 2001 von der Klägerin eine Marketing CD-Rom mit der Datenbank der Superpages. Auf der Verpackung dieser CD-Rom wird auf die Geschäftsbedingungen der Klägerin hingewiesen, die bei der Installation der CD-Rom auf dem Bildschirm aufscheinen und vom Viertbeklagten akzeptiert wurden. Diese Geschäftsbedingungen legen im Wesentlichen fest, dass die erworbenen Daten nur für den eigenen Bedarf und im Rahmen der erworbenen Lizenz verwendet werden dürfen. Die Überlassung an Dritte ist nicht gestattet, auf die Bestimmungen der §§ 76c bis 76e UrhG wird hingewiesen.
Am 18. 9. 2002 füllte Ulrike Baumgartner das Online-Formular der Erstbeklagten zur Eintragung ihrer Daten in deren Datenbank in der Weise aus, dass sie als Firma "Soll & Haben Baumgarten Ulrike" mit einer Anschrift im Mittelburgenland und als Hauptbranche "Buchhaltung und Wirtschaftsbüro" eintrug. Unter der Rubrik persönliche Daten trug sie ihren Namen mit "Ulrike Baumgartner" ein. Der Erstbeklagten gelang es nicht, direkten Kontakt mit Ulrike Baumgartner zur Korrektur der Daten aufzunehmen, sodass sie eine Anfrage beim Kreditschutzverband von 1870 veranlasste, die eine "Ulrike Baumgartner" mit einer Gesellschaft in Gründung und einer mit der ursprünglich bei der Erstbeklagten angegebenen übereinstimmenden Adresse im Burgenland ergab. Da sohin die Aufklärung des widersprüchlichen Datensatzes nicht möglich war, überprüfte die Erstbeklagte dies mit der ihr vom Viertbeklagten für diese Zwecke überlassenen Marketing CD-Rom der Klägerin, wo sie neben einer "Ulrike Baumgarten Soll & Haben" in Oberpullendorf auch eine "Susanna Baumgarten" mit einer Adresse in Mödling auffand. Den letztgenannten Datensatz übernahm die Erstbeklagte in eine zu Vergleichszwecken angelegte Zwischenablage, von wo er irrtümlich in ihr Branchenverzeichnis "Webmarkt" übertragen wurde. Tatsächlich ist der Datensatz "Susanna Baumgarten" fingiert; die Klägerin hat diese Deckadresse in der Absicht in ihre Datenbank aufgenommen, festzustellen, ob nichtberechtigte Personen die Datenbank der Klägerin benützten.
Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, Daten aus der urheberrechtlich geschützten Firmendatenbank der Klägerin, wie sie insbesondere auf der Marketing CD-Rom Ausgabe 2/2000 enthalten sind, für den Aufbau einer kommerziell verwerteten Firmendatenbank zu verwenden oder im Internet zu veröffentlichen. Die Beklagten verwendeten für ihre Datenbank Daten aus der Firmendatenbank der Klägerin, sodass sie sowohl gegen das sui-generis-Schutzrecht des § 76c UrhG sowie gegen die von der Klägerin aufgelegten und von den Beklagten akzeptierten Lizenzbedingungen verstießen.
Die Beklagten wandten ein, die CD-Rom der Klägerin lediglich zur Überprüfung widersprüchlicher Daten betreffend Ulrike Baumgartner/Ulrike Baumgarten verwendet zu haben, wobei irrtümlich ein Datensatz, nämlich "Susanna Baumgarten" in eine Zwischenablage aufgenommen und schließlich irrtümlich in die Datenbank der Beklagten eingespeichert worden sei. Sie haben keine wesentlichen Teile der Datenbank der Klägerin, sondern lediglich einen unwesentlichen Teil verwendet und dies weder wiederholt noch systematisch und auch nicht zum Nachteil der Klägerin getan. Weder ihre normale Nutzung der Datenbank noch ihre berechtigten Interessen seien unzumutbar beeinträchtigt worden, sodass keine Verletzungshandlung begangen worden sei.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die Beklagten hätten nur unwesentliche Teile der Datenbank der Klägerin verwendet und auch das weder regelmäßig noch systematisch, weil nur ein einziger Datensatz versehentlich in die Datenbank der Beklagten aufgenommen worden sei. Dadurch sei weder die normale Verwendung der Datenbank der Klägerin berührt noch deren berechtigte Interessen unzumutbar beeinträchtigt worden.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels Rechtsprechung zur Abgrenzung wesentlicher von unwesentlichen Verwertungshandlungen zulässig sei. Die Beklagten hätten lediglich einen unwesentlichen Teil der zugunsten der Klägerin geschützten Datenbank übernommen, handle es sich doch nur um einen - überdies fingierten - Datensatz aus 337.000 Datensätzen, der in ihre wesentlich kleinere Datenbank übernommen worden sei. Nach § 76d Abs 1 UrhG sei (nur) die wiederholte systematische Vervielfältigung, Verbreitung, Rundfunksendung und öffentliche Wiedergabe von unwesentlichen Teilen einer Datenbank unzulässig, wenn diese Handlungen der normalen Verwertung der Datenbank entgegenstehen oder die berechtigten Interessen des Herstellers der Datenbank unzumutbar beeinträchtigt werden. Weder sei durch die irrtümliche Übernahme des Datensatzes eine wiederholte und systematische Wiedergabe, Vervielfältigung oder Verbreitung erfolgt noch stehe dies der normalen Verwertung der Datenbank entgegen. Dass die Beklagten den Datensatz kommerziell verwerteten und dadurch berechtigte Interessen der Klägerin beeinträchtigten, lasse sich dem bescheinigten Sachverhalt nicht entnehmen. Bei dem Übernommenen handle es sich um einen fingierten Datensatz, der zu Kontrollzwecken durch die Klägerin abgerufen werden könne. Eine kommerzielle Auswertung eines falschen Datensatzes durch die Beklagten sei nicht erkennbar. Die Klägerin habe auch nicht vorgebracht, worin die unzumutbare Verletzung ihrer Interessen gelegen sein solle. Da nach § 76e UrhG die Schutzrechte nach § 76d UrhG vertraglich nicht erweitert werden dürften und eine Verletzung dieses Schutzrechts auch nicht vorliege, sei auch keine Verletzung der Lizenzrechte der Klägerin anzunehmen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Klägerin ist mangels Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Abgrenzung wesentlicher von unwesentlichen Teilen einer nach § 76d UrhG geschützten Datenbank sowie zu den weiteren Voraussetzungen der Unzulässigkeit der Verwertung unwesentlicher Teile einer Datenbank zulässig, aber nicht berechtigt.
§ 76d Abs 1 UrhG räumt demjenigen, der für die Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung ihres Inhalts eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition für eine Datenbank vorgenommen hat (Hersteller) mit den vom Gesetz bestimmten Beschränkungen das ausschließliche Recht ein, die ganze Datenbank oder einen nach Art oder Umfang wesentlichen Teil derselben zu vervielfältigen, zu verbreiten, durch Rundfunk zu senden, öffentlich wiederzugeben und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Diesen Verwertungshandlungen stehen die wiederholte und systematische Vervielfältigung, Verbreitung, Rundfunksendung und öffentliche Wiedergabe von unwesentlichen Teilen der Datenbank gleich, wenn diese Handlungen der normalen Verwendung der Datenbank entgegenstehen oder die berechtigten Interessen des Herstellers der Datenbank unzumutbar beeinträchtigen.
Zur erforderlichen Abgrenzung wesentlicher von unwesentlichen Teilen einer Datenbank ist mangels gesetzlicher Definition oder Erläuterungen des Gesetzgebers auf den Zweck und den wirtschaftlichen Hintergrund des dem Datenbankhersteller zugebilligten Schutzrechts abzustellen (Dittrich, Einige Bemerkungen zum Schutz schlichter Datenbanken, ÖBl 2002, 3 ff [8] mwN). Schon die Datenbankrichtlinie (96/9/EG vom 11. 3. 1996 ABl Nr L 77 vom 27. 3. 1996), deren Umsetzung die Bestimmungen der §§ 76c bis 76e UrhG anstreben, hat eine Definition der Begriffe "wesentlich" und "unwesentlich" bewusst offen gelassen und damit der Rechtsprechung überlassen (Dittrich aaO; Hertin in Fromm/Nordemann/Hertin UrhR9 § 87b (d)UrhG Rn 11 mwN; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG § 87b (d)UrhG Rn 5 mwN).
Nach dem Gesetzeswortlaut ist klar, dass die Wesentlichkeit sowohl nach qualitativen als auch quantitativen Kriterien bestimmt werden kann (... nach Art und Umfang wesentlicher Teile einer Datenbank). Im vorliegenden Fall kommt Wesentlichkeit in quantitativer Hinsicht von vornherein nicht in Betracht, weil von den Beklagten nach den erstgerichtlichen Feststellungen lediglich ein Datensatz (von über 337.000) in ihre Datenbank aufgenommen wurde.
Die Wesentlichkeit in qualitativer Hinsicht lässt sich anhand des wirtschaftlichen Werts dieses Teils im Verhältnis zum Wert des Gesamtinhalts der Datenbank bestimmen, und zwar entweder nach dem durch die Benutzer durch seine Handlungen verursachten Schaden für die Investition insgesamt (Dittrich aaO) oder anhand des Investitionsaufwands für die Erstellung des von der Benutzung betroffenen Teils der Datenbank im Verhältnis zum Gesamtaufwand für die Datenbank insgesamt (von Lewinski in Walter, Europäisches Urheberrecht 774; Hertin aaO Rn 13; vgl auch Dreier aaO Rn 6 mwN; Kotthoff in HK-UrhR § 87b (d) UrhG Rn 10 mwN).
Die Klägerin betont zutreffend, dass in der Regel die Übernahme einer Deck- oder Kontrolladresse zur Bescheinigung der Übernahme wesentlicher Teile einer Datenbank ausreichen wird; im vorliegenden Fall ist aber von der den Obersten Gerichtshof bindenden, von den Vorinstanzen geschaffenen Tatsachengrundlage auszugehen, wonach den Beklagten die Gegenbescheinigung gelungen ist, dass sie lediglich einen Datensatz der von der Klägerin hergestellten Datenbank entnommen haben, welcher irrtümlich in die von ihnen verbreitete Datenbank gelangte.
Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung kann aber die hier allein bescheinigte irrtümliche Nutzung eines einzigen Datensatzes durch die Beklagten auch unter Heranziehung der oben dargelegten Qualitätskriterien nicht als ein Eingriff in das der Klägerin zustehende Schutzrecht infolge Nutzung eines wesentlichen Teils ihrer Datenbank beurteilt werden. Weder ist der relative Investitionsaufwand für die Einfügung des als Kontroll- oder Deckadresse bezeichneten Datensatzes als erheblich im Verhältnis zur Gesamtinvestition anzusehen noch kann diese Nutzung einen erheblichen Schaden für die Investition der Klägerin bilden. Durch die Nutzung der Kontroll- oder Deckadresse verschafft sich die Beklagte keinen wirtschaftlichen Vorteil, vielmehr eher einen Nachteil, weil ihre Kunden möglicherweise durch die unrichtige Eintragung verärgert werden. Darüber hinaus wird das Interesse der Klägerin an der Schaffung von Beweisen für eine allfällig widerrechtlich Datenübernahme nicht beeinträchtigt, weil sie auch weiterhin die Datenbanken anderer Hersteller nach der von ihr eingefügten Kontroll- oder Deckadresse untersuchen kann.
Dass ausnahmsweise auch die Verwendung unwesentlicher Teile einer Datenbank als Eingriff in das Schutzrecht des Datenbankherstellers zu beurteilen ist, setzt eine wiederholte und systematische Vervielfältigung, Verbreitung, Rundfunksendung oder öffentliche Wiedergabe voraus. Wiederholte und systematische Nutzung bedeutet das Vorgehen nach einem Prinzip, dem sachliche und logische Erwägungen zugrunde liegen (Dreier aaO Rn 11 mwN; Hertin aaO Rn 14); die verschiedenen Nutzungshandlungen müssen also in einem Zusammenhang stehen, der aus der Sicht eines objektiven Betrachters in jedem Einzelfall zu beurteilen ist (Kotthoff aaO Rn 12) und als planmäßig zu erkennen ist (von Lewinski aaO 775). Das Kriterium der wiederholten und systematischen Nutzung ist durch die Veröffentlichung eines einzigen Datensatzes im Internet nicht erfüllt, mag dies auch den wiederholten Zugriff auf den Datensatz ermöglichen.
Darüber hinaus hat die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren weder nachvollziehbar vorgebracht, weshalb die Nutzung eines bloß unwesentlichen Teils ihrer Datenbank durch die Beklagte der normalen Verwertung der Datenbank durch die Klägerin entgegensteht, noch dargelegt, worin die unzumutbare Verletzung ihrer Interessen gelegen sein soll, wenn bloß ein einziger Datensatz - mag es sich hiebei auch um eine Kontroll- oder Deckadresse handeln, was aber außer für die Klägerin offenbar für niemanden erkennbar ist - von den Beklagten in ihre Internet-Datenbank übernommen wird.
Abschließend ist festzuhalten, dass der von der Klägerin auch in dritter Instanz wiederholte Versuch, die erstgerichtliche Beweiswürdigung zu bekämpfen, scheitern muss. Mit der Rechtsrüge können tatsächliche Feststellungen nur insoweit angefochten werden, als sie auf Schlussfolgerungen beruhen, die mit den Gesetzen der Logik und der Erfahrung unvereinbar sind (stRsp; RIS-Justiz RS0043356). Ein zur Anfechtung in der Revision geeigneter Verstoß gegen die Denkgesetze liegt nur dann vor, wenn der Schluss des Richters logisch unmöglich ist (6 Ob 654/81, 8 Ob 53/85). Im Hinblick auf die Einvernahme des Viertbeklagten als Auskunftsperson, dessen Angabe das Erstgericht dem als bescheinigt angenommenen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, hat das Rekursgericht zutreffend darauf verwiesen, dass auch im Sicherungsverfahren die Überprüfung der Beweiswürdigung des erkennenden Richters durch das Rekursgericht insoweit ausgeschlossen ist, als dieser den Sachverhalt aufgrund vor ihm abgelegter Zeugen- oder Parteienaussagen als bescheinigt angenommen hat (SZ 66/164; RIS-Justiz RS0012391).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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