OGH 4Ob227/04t

OGH4Ob227/04t9.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Christian Hopp, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die beklagten Parteien 1. S*****AG,***** und 2. Dr. Gerhard D*****, beide vertreten durch Ferner Hornung & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert 36.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 15. September 2004, GZ 2 R 190/04i-18, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78 und 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin betreibt 17 Lebensmittel- und Verbrauchermärkte in einem Bundesland, die Erstbeklagte ist österreichweit (unter anderem) im Lebensmitteleinzelhandel tätig, der Zweitbeklagte ist ihr Vorstandsvorsitzender. Die Streitteile stehen in einem Bundesland in einer heftig geführten wettbewerblichen Auseinandersetzung, wobei beide Seiten mit ihrer Nahebeziehung zu Österreich, dem konkreten Bundesland, dort tätigen Lieferanten und dort zu sichernden Arbeitsplätzen sowie der Herkunft der von ihnen angebotenen Produkte aus Österreich bzw dem konkreten Bundesland werben. In einem Interview mit einer Zeitungsredakteurin, das verschiedene Aspekte der unternehmerischen Tätigkeit der Erstbeklagten sowie der Einzelhandelsbranche überhaupt umfasste, äußerte sich der Zweitbeklagte dahin, dass in der Branche "kein Stein auf dem anderen geblieben sei" und erwähnte in diesem Zusammenhang, dass das Unternehmen der Klägerin "zu 24,9 % nach Deutschland verkauft" worden sei. Die Prozentangabe wurde bei der redaktionellen Bearbeitung des Interviews weggelassen, sodass der Erstbeklagte damit zitiert wurde, dass die Klägerin "nach Deutschland verkauft" worden sei. Tatsächlich erwarb eine 100 %ige Tochtergesellschaft einer in Österreich eingetragenen und geführten Aktiengesellschaft, deren Aktien vom zweitgrößten deutschen Handelskonzern, dessen Zentrale sich in Köln befindet, gehalten werden, 24,9 % der Geschäftsanteile der Klägerin. Diese dem deutschen Handelskonzern gehörende Aktiengesellschaft beliefert die Klägerin mit Waren.

Die Vorinstanzen haben dem Beklagten mittels einstweiliger Verfügung verboten, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs zu behaupten, die Klägerin sei nach Deutschland verkauft worden, oder inhaltsgleiche Behauptungen aufzustellen.

Wird der Betrieb des Konkurrenzunternehmens in irgendeiner Weise erschwert oder dem Publikum sonst eine nachteilige Meinung von ihm vermittelt, dann ist der Tatbestand des § 7 UWG bereits erfüllt. Die Behauptungen müssen dabei keineswegs ehrenrührig sein; vielmehr genügt eine abstrakte Betriebs- und Kreditgefährdung (SZ 63/156 mwN; ÖBl 1994,79 - Informationsnebel; RIS-Justiz RS0078890). Da nach der Lebenserfahrung nicht unwesentliche Teile des Käuferpublikums Wert auf die Herkunft von Produkten des täglichen Bedarfs aus bestimmten Ländern oder Regionen haben und darüber hinaus für nicht zu vernachlässigende Teile des Käuferpublikums auch von Interesse ist, ob es sich beim werbenden Vertragspartner um einen "Inländer" handelt oder nicht - mag dies auch rational/ökonomisch nicht nachvollziehbar sein und bei anderen Kunden das Interesse an einem wirtschaftlich starken Händler überwiegen - so vermag der beanstandeten Äußerung, die Klägerin sei nach Deutschland verkauft worden, zumindest die abstrakte Eignung zur Betriebs- oder Kreditgefährdung nicht abgesprochen werden. Die Beklagten vermögen daher in diesem Zusammenhang keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Auch die Auffassung der Vorinstanzen, beide Beklagten haben die beanstandete Äußerung in der Fassung des redaktionellen Zeitungsartikels, also auch die Bearbeitung und Verkürzung des Interviews mit dem Zweitbeklagten zu verantworten, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs werden "im Betrieb (s)eines Unternehmens" im Sinn des § 18 UWG auch Personen tätig, die zwar nicht Arbeitnehmer oder Beauftragte des Unternehmens sind, dennoch aber, wenngleich in lockerer Form, in den Betrieb eingegliedert und, in welcher Form auch immer, dauernd oder vorübergehend für diesen tätig sind. Der Inhaber des Unternehmens haftet damit auch für Personen, die in seinem Auftrag aufgrund eines Werkvertrags, eines Bevollmächtigungsvertrags, eines freien Arbeitsvertrags udgl bestimmte Arbeiten für das Unternehmen verrichten (SZ 49/147 - fingierte Kundenbefragung; ÖBl 1983, 86 - Baumax uva). Selbst für Handlungen sonstiger "Geschäftspartner" muss der Unternehmer einstehen, vorausgesetzt, dass er aufgrund seiner vertraglichen Beziehung zu diesem Dritten in der Lage gewesen wäre, den Wettbewerbsverstoß zu verhindern. Die dafür notwendige rechtliche Möglichkeit, für die Abstellung des Wettbewerbsverstoßes zu sorgen, muss sich aus dem Wesen des Rechtsverhältnisses zum Dritten ergeben (ÖBl 1995, 78 - Perlweiß II mwN; EvBl 2002/170 = WBl 2002, 529). Dabei ist maßgebend, ob die "andere Person" dem Willen des Unternehmers unterliegt (ÖBl 1993, 255 - Vorsicht bei Lockvogelangeboten II mwN; EvBl 2002/170). Es reicht hingegen in der Regel nicht aus, dass eine Tätigkeit im Interesse des Unternehmens entfaltet wurde oder diesem zugute kommt (ÖBl 1991, 267 - Lottosystemplan mwN); der Unternehmer ist auch nicht verpflichtet, seine vertraglichen Beziehungen zu Dritten so zu gestalten, dass er auf deren Verhalten rechtlich Einfluss nehmen kann (ÖBl 1993, 255). Das im vorliegenden Fall vom Zweitbeklagten unzweifelhaft im Betrieb der Erstbeklagten gegebene und zumindest auch Wettbewerbszwecken dienende Interview gab dem Zweitbeklagten ebenso wie der Erstbeklagten, als deren Organ der Zweitbeklagten als Vorstandsvorsitzender handelte, - und zwar ohne dass es spezieller diesbezüglicher Vertragsgestaltung bedurft hätte - die rechtliche Möglichkeit, den von der Zeitung veröffentlichten Interviewtext auf seine Übereinstimmung mit dem tatsächlich gegebenen Interview zu überprüfen und gegebenenfalls eine von der tatsächlichen Aussage abweichende Wiedergabe zu untersagen. In Rechtsprechung und Lehre ist allgemein anerkannt, dass aus dem in § 16 ABGB normierten allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch ein "Recht am gesprochenen Wort" abzuleiten ist (SZ 65/134, SZ 74/168 je mwN; Aicher in Rummel, ABGB³, § 16 Rz 22 mwN). Dieses umfasst (unter anderem) das Recht, ein unzutreffendes, verkürztes oder manipuliertes Zitat zu verhindern, weil dadurch die zitierte Person in ihrem "sozialen Geltungsbereich" verletzt werden kann (Posch in Schwimann, ABGB² § 16 Rz 37). Die Bejahung der Unternehmerhaftung gemäß § 18 UWG durch die Vorinstanzen entspricht daher der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art 10 Abs 2 MRK) in der Interessenabwägung gegenüber der ehrenbeleidigenden Rufschädigung seine Grenze in einer unwahren Tatsachenbehauptung findet und eine solche auch nicht unter Berufung auf die Meinungsfreiheit gestattet ist (MR 2001, 242; ÖBl 2002, 287 - Bunte Pleite, je mwN). Für jede Gesellschaft ist der Schutz des einzelnen Bürgers vor ihm abträglichen unwahren Vorwürfen unentbehrlich (ÖBl 1993, 163 - Kelomat-Druckkochtopf); der Schutz des guten Rufs und der wirtschaftlichen Lage derjenigen, die von unwahren Tatsachenbehauptungen betroffen sind, beschränkt naturgemäß die Meinungsfreiheit (MR 1993, 57 - Katastrophenbudget). Entgegen der von den Beklagten vertretenen Auffassung bedarf es daher der von ihnen vermissten grundsätzlichen Äußerung des Obersten Gerichtshofs zum Verhältnis des § 7 UWG/§ 1330 ABGB zu Art 10 MRK nicht. Schließlich stellt sich auch die abschließend als erheblich bezeichnete Rechtsfrage nach dem Zeitpunkt für die Entscheidung über den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung maßgeblichen Vorbringens im vorliegenden Fall nicht, weil die Klägerin die Ergänzung ihres Vorbringens in Richtung § 7 UWG ausdrücklich im Provisorialverfahren (... in Erwiderung zur Äußerung der beklagten Parteien ...) vor Entscheidung des Erstgerichts im Sicherungsverfahren erstattet hat.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist daher zurückzuweisen.

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