Spruch:
Beiden Revisionsrekursen wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung nunmehr wie folgt zu lauten hat:
"Einstweilige Verfügung
Zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei gegen die beklagte Partei auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird der beklagten Partei aufgetragen, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beim Handel mit Kondomen ab sofort bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen, Kondome unter dem Markennamen "Blausiegel" in Österreich anzubieten und zu verkaufen, wenn diese nicht von der klagenden Partei stammen.
Das Mehrbegehren, der beklagten Partei werde aufgetragen, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beim Handel mit Kondomen ab sofort zu unterlassen, Kondome ohne Konsumentenpackung, also lose, anzubieten oder zu verkaufen, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 7.120,80 S (darin 1.186,80 S USt) bestimmten anteiligen Äußerungskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die klagende Partei hat die halben Kosten des Rekurses sowie die Kosten ihres Revisionsrekurses vorläufig selbst zu tragen; die halben Kosten des Rekurses sowie die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung hat sie endgültig selbst zu tragen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei deren mit insgesamt 30.278,70 S (darin 5.046,45 S USt) bestimmten anteiligen Kosten der Rekursbeantwortung samt Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin erzeugt und vertreibt Kunststoffartikel, unter anderem Kondome; sie ist seit 19. 11. 1980 Inhaberin der auch für klinisch-kosmetische Produkte registrierten österreichischen Wortbildmarke "Blausiegel", mit der sie in Österreich vertriebene Kondome bezeichnet. Dieselbe Marke ist für die Komplementärin der Klägerin in zahlreichen europäischen und außereuropäischen Staaten, nicht jedoch für die Bundesrepublik Deutschland und für die Niederlande registriert. Die Beklagte, ein Tochterunternehmen der deutschen N***** Deutschland AG, betreibt in Österreich den Versandhandel mit Waren aller Art, unter anderem auch mit Kondomen.
Bis zum 14. 7. 1988 war die M***** Gesellschaft mbH Kommanditistin der Klägerin. Sie vertreibt seit etwa 1980 in Deutschland Kondome unter der Marke "Blausiegel"; zu ihren Gunsten wurde diese Marke ab 19. 12. 1991 für Deutschland als Warenzeichen eingetragen, nachdem sie sich dort als unterscheidungskräftige Bezeichnung ihrer Waren durchgesetzt hatte. Mit Abschichtungsvertrag vom 14. 7. 1988 verkaufte die M***** Gesellschaft mbH ihren Kommanditanteil an der Klägerin an die B***** Gesellschaft mbH. Punkt 3. dieses Vertrages lautet auszugsweise: "Vorliegende Marken- und Patentrechte sowie Gebiets- und Kundenschutzvereinbarungen werden von den Vertragsparteien wechselseitig bei voller Schad- und Klagloshaltung der geschädigten Partei anerkannt und vereinbart." Diese Vertragsbestimmung bezieht sich auf eine Vereinbarung zwischen der Klägerin und der M***** Gesellschaft mbH, wonach letztere berechtigt ist, die von ihr hergestellten Kondome in Deutschland und den Niederlanden unter der Marke "Blausiegel" in Verkehr zu bringen, jedoch keine Kondome unter der Marke "Blausiegel" nach Österreich verkauft, während die Klägerin die von ihr hergestellten Kondome nicht unter dieser Marke in Deutschland und den Niederlanden vertreibt.
Im September 1997 verkaufte die M***** Gesellschaft mbH in Deutschland 400 Packungen Kondome der Marke "Blausiegel" an die N***** Deutschland AG; die Käuferin wurde nicht darauf hingewiesen, dass sie die Ware nicht nach Österreich exportieren dürfe. In der Folge veräußerte die Käuferin dieselbe Ware an die Beklagte, die sie (unverändert unter der Marke "Blausiegel") in ihrem Katalog Frühjahr/Sommer 1998 zum Verkauf im Versandhandel in Österreich anbot. Im selben Katalog bewirbt die Beklagte jeweils 100 London-Markenkondome normal bzw. extra stark als "lose Ware".
Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen,
a) Kondome unter dem Markennamen "Blausiegel" in Österreich anzubieten oder zu verkaufen, wenn diese nicht von der klagenden Partei stammen;
b) Kondome ohne Konsumentenpackung, also lose, anzubieten oder zu verkaufen.
Die Beklagte verwende beim Vertrieb von Waren, die nicht von der Klägerin stammten, eine in Österreich für die Klägerin geschützte Marke und verstoße damit gegen § 9 UWG. Die M***** Gesellschaft mbH besitze zwar ein entsprechendes Markenrecht für Deutschland, ihre Kondome dürften aber unter dieser Bezeichnung nicht in Österreich vertrieben werden. Der Binnenmarkt hindere nicht, daß in verschiedenen Mitgliedsstaaten verschiede Unternehmen Inhaber eines gleichartigen Markenrechts seien; eine Erschöpfung des Markenrechts trete nur dann ein, wenn die Markenberechtigte selbst oder ein anderes Unternehmen mit deren Wissen und Willen Waren unter ihrer Marke in Verkehr brächte, was hier nicht der Fall sei. Mit dem Vertrieb von Kondomen als lose Ware, also ohne Konsumentenpackung samt Kennzeichnung und Gebrauchsanweisungen, verstoße die Beklagte gegen § 4 Kondomprüfungsverordnung (KPV) und verschaffe sich auf diese Weise einen sittenwidrigen Wettbewerbsvorsprung.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Ein Markenrechtsinhaber könne sich der Verwendung seiner Marke dann nicht unter Berufung auf nationales Abwehrrecht entgegenstellen, wenn die entsprechend gekennzeichnete Ware mit seiner Zustimmung auf dem Binnenmarkt rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sei. Anderes gelte nur, wenn die Verfügungsgewalt über das Warenzeichen freiwillig für einen bestimmten Teil des Binnenmarkts einem Dritten übertragen worden sei, zu dem der Markenrechtsinhaber in keinerlei wirtschaftlicher oder gesellschaftsrechtlicher Beziehung stehe, die jeweiligen Rechte demnach unabhängig voneinander begründet worden seien, und darüber hinaus durch eine solche freiwillige Vereinbarung auch nicht gegen das Kartellverbot des Art 85 EGV (richtig: nunmehr Art 81 EGV) verstoßen werde. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor: Die M***** Gesellschaft mbH sei offenbar Mitinhaberin der Markenrechte am Zeichen "Blausiegel" gewesen. Im Rahmen ihrer Abschichtung als Mitgesellschafterin seien die Markenrechte zivilrechtlich in Verkaufsrechte für verschiedene Länder aufgespalten worden: die Markenrechte der ehemaligen Mitgesellschafter seien daher gemeinsamen Ursprungs. Zugleich sei zwischen beiden eine Gebietsaufteilung vereinbart worden, die eine gemeinschaftsrechtswidrige Marktabschottung herbeiführen könne. Bringe daher die M***** Gesellschaft mbH Waren mit der Marke der Klägerin in Deutschland in Verkehr, sei die Zustimmung der Klägerin dazu anzunehmen, das Markenrecht der Klägerin folglich erschöpft. Die Beklagte verstoße auch gegen keine Bestimmung der KPV, weil einerseits das Anbieten von Kondomen als lose Ware (auch in einem Versandkatalog) nicht verboten sei, andererseits die als lose abgebildete Ware in Konsumentenpackungen ausgeliefert werde, die alle Voraussetzungen der KPV erfüllten.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen, hielt hingegen nicht für bescheinigt, daß die Beklagte die als lose Ware beworbenen Kondome ohne Konsumentenpackung abgebe. Zwischen der Klägerin und der M***** Gesellschaft mbH bestünden zwar keine gesellschaftsrechtlichen oder konzernähnlichen Verflechtungen, doch hätten beide Unternehmen vertraglich die Verwendung der Marke geregelt; darin liege eine Zustimmung der Klägerin iSd § 10a MSchG zum Inverkehrbringen von Kondomen mit der Marke der Klägerin in Deutschland durch die M***** Gesellschaft mbH. Dass die Beklagte Kondome als lose Ware nicht nur anbiete, sondern - entgegen den Bestimmungen der KPV - auch ohne Konsumentenpackung verkaufe, habe die Klägerin nicht bescheinigt.
Das Rekursgericht erließ das zu b) beantragte Sicherungsbegehren und bestätigte im übrigen den Beschluß des Erstgerichts; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Klägerin und die M***** Gesellschaft mbH seien nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in gesellschaftsrechtlicher Beziehung gestanden und hätten im Abschichtungsvertrag einen Gebietsschutz vereinbart. Eine markenrechtliche Einheit zwischen beiden Unternehmen sei auch deshalb anzunehmen, weil beide das gleichartige Markenrecht innegehabt bzw. darüber verfügt hätten. Die Voraussetzungen des rechtmäßigen Inverkehrbringens iSd Art 7 der Richtlinie 89/104/EWG (MarkenRL) lägen damit vor, sodass das Markenrecht der Klägerin erschöpft sei.
Das Rekursgericht nahm als bescheinigt an, daß die Beklagte lose Kondome verkaufe. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung könne nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass ein Versandhändler Waren in einem Katalog anbiete, die er in Wirklichkeit nicht verkaufe oder verkaufen wolle. Der Klägerin sei deshalb der Anscheinbeweis gelungen, daß die Beklagte Kondome als lose Ware nicht nur anbiete, sondern auch tatsächlich verkaufe; die ihr obliegende Gegenbescheinigung habe die Beklagte nicht einmal angeboten. Ein solcher Verkauf verstoße gegen § 4 Abs 1 KPV, wonach Kondome nur in Konsumentenpackungen samt Kennzeichnung und Gebrauchsanweisung abgegeben werden dürften. Die Übertretung dieser Vorschrift sei ihr als wettbewerbswidriges Verhalten anzulasten.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsrekurse der Klägerin und der Beklagten sind zulässig; beide Rechtsmittel sind auch berechtigt.
1. Zum Revisionsrekurs der Klägerin
Die Klägerin wendet sich gegen die Rechtsansicht des Rekursgerichts, es läge ihre Zustimmung dazu vor, daß die M***** Gesellschaft mbH in Deutschland Kondome mit der Marke Blausiegel in Verkehr bringe, weshalb sie deren Export nach Österreich nicht unter Berufung auf ihre hier bestehenden Markenrechte verhindern könne. Dazu ist zu erwägen:
Art 10b Abs 1 MSchG bestimmt, daß die Marke ihrem Inhaber nicht das Recht gewährt, einem Dritten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihrem Inhaber oder mit seiner Zustimmung im EWR in den Verkehr gebracht worden sind. Mit dieser Bestimmung des nationalen Rechts wird in Umsetzung von Art 7 MarkenRL das Prinzip der EWR-weiten Erschöpfung des Markenrechts normiert: Ist ein Originalprodukt einmal vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung (etwa von einer konzernverbundenen Tochtergesellschaft oder einem Vertriebspartner) innerhalb des EWR in den Verkehr gebracht worden, unterliegt die weitere Zirkulation dieser Ware - im Sinne des freien Warenverkehrs - grundsätzlich keiner markenrechtlichen Beschränkung (Schanda, MSchG, Rz 1 zu § 10b).
Wegen des hier vorliegenden grenzüberschreitenden Sachverhalts ist Gemeinschaftsrecht - und damit auch die Rechtsprechung des EuGH - bei Auslegung des Art 10b MSchG mitzuberücksichtigen. Die gemeinschaftsrechtliche Erschöpfungslehre ist vom EuGH über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten in einer ganzen Reihe von Entscheidungen entwickelt worden. Diese ergingen sowohl zu den Art 28, 30 EGV (früher Art 30, 36 EGV) als auch zu Art 7 MarkenRL und lassen sich - soweit für den vorliegenden Fall von Bedeutung - wie folgt zusammenfassen (vgl zum Folgenden: Sack, Der markenrechtliche Erschöpfungs- grundsatz im deutschen und europäischen Recht, WRP 1998, 549 ff; Fezer, Markengesetz Rz 70 ff zu § 24 dMarkenG;
Ingerl/Rohnke, Markengesetz Rz 16 zu § 24 dMarkenG):
Auf Grund der Hauptfunktion der Marke, dem Verbraucher die Identität des Warenursprungs zu garantieren (Herkunftsfunktion), sei vom Vorrang der Warenverkehrsfreiheit und von einer Erschöpfung des nationalen Markenrechts dann auszugehen, wenn die Ware auf dem Markt eines anderen Mitgliedsstaates vom Markeninhaber selbst oder mit seiner Zustimmung rechtmäßig in Verkehr gebracht worden ist (grundlegend EuGH Slg 1976, 1039 ff - Terrapin/Terranova). Daneben folge aus der markenrechtlich geschützten Qualitätsfunktion der Marke, dass eine Erschöpfung von Markenrechten immer nur dann gerechtfertigt sei, wenn der Markeninhaber auch die Möglichkeit der Qualitätskontrolle über die mit seiner Marke gekennzeichneten Waren gehabt habe (EuGH Slg 1990, I-3711 ff - HAAG II; EuGH Slg 1994, I-278 ff - IHT/Ideal Standard; EuGH Slg 1996, I-3457 ff - Bristol-Myers Squibb/Paranova ua). Entscheidend sei dabei die Möglichkeit einer Qualitätskontrolle und nicht deren tatsächliche Ausübung. Im Fall einer freiwilligen Markenaufspaltung (EuGH Slg 1994, I-278 ff - IHT/Ideal Standard, EuZW 1994 [Hackbarth], vgl dazu auch Steger, EuGH: Aus für die Theorie vom gemeinsamen Ursprung der Marke, ecolex 1994, 820 ff) stellte der EuGH dem Vertrieb unter identischem Zeichen durch eine wirtschaftlich und rechtlich verbundene Gruppe den Vertrieb durch unabhängige Unternehmen nach einer (national beschränkten) Zeichenübertragung gegenüber und lehnte es im letzteren Fall ab, in einer auf Frankreich beschränkten Warenzeichenübertragung auf ein rechtlich und wirtschaftlich vom Veräußerer unabhängiges, selbständiges Unternehmen eine Zustimmung des Veräußerers zu sehen, die Waren unter einem identen Zeichen auch in Deutschland zu vertreiben: In einem solchen Fall fehle dem ursprünglichen Zeicheninhaber ab dem Zeitpunkt der Veräußerung die Möglichkeit einer Qualitätskontrolle. Zuletzt hat der EuGH in seinem Urteil vom 1. 7. 1999, C-173/98 (WRP 1999, 803 - Sebago) klargestellt, daß die Rechte aus einer Marke nur in bezug auf diejenigen Exemplare der Ware erschöpft sind, die mit Zustimmung des Inhabers in den Verkehr gebracht worden sind; für alle anderen Waren kann der Inhaber nach wie vor kraft des ihm durch die MarkenRL verliehenen Rechts die Nutzung der Marke untersagen. Der EuGH anerkennt damit die territoriale Wirkung nationaler Marken und die Unabhängigkeit der nationalen Zeichenübertragung von der gleichzeitigen Übertragung der identischen Zeichen in anderen Ländern aus der Überlegung heraus, es sei allein Aufgabe des Gemeinschaftsgesetzgebers, die Mitgliedsstaaten über eine Richtlinie zu verpflichten, die Gültigkeit nationaler Zeichenübertragungen von der gleichzeitigen Übertragung des Zeichens für andere Mitgliedsstaaten abhängig zu machen. Die Zulässigkeit privatautonomer Markenaufspaltungen zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen finde ihre Grenze im Art 81 EGV (früher Art 85 EGV): Als Mittel einer nach dieser Bestimmung verbotenen Absprache sei eine solche Warenzeichenübertragung nichtig.
Im Lichte dieser Grundsätze haben die Vorinstanzen einen Eingriff der Beklagten in Markenrechte der Klägerin zu Unrecht verneint: Zwar bestand bis Juli 1988 eine gesellschaftsrechtliche Verflechtung zwischen der Klägerin und der M***** Gesellschaft mbH, doch erfolgte im Zuge der Abschichtung der Komplementärin die gegenseitige Anerkennung nationaler Markenrechte der ehemaligen Mitgesellschafter am ehemals gemeinsamen Zeichen. Es bestand demnach vorerst eine Gruppe, die sich später in wirtschaftlich selbständige Unternehmen aufgelöst hat; auch in einem solchen Fall freiwilliger Markenaufspaltung auf voneinander unabhängige Unternehmen kann jeder der ehemaligen Mitgesellschafter unter Berufung auf die Ideal-Standard-Entscheidung die Einfuhr von Waren des jeweils anderen Unternehmens mit dem geschützten Zeichen in jenen Mitgliedstaat abwehren, in dem sein Markenrecht besteht, weil insofern keine Zustimmung iSd Art 7 Abs 1 MarkenRL vorliegt; auch kann eine Qualitätskontrolle der Ware des einen durch den jeweils anderen nicht mehr stattfinden (Hackbarth aaO 473; Sack aaO 560). Der entscheidende Zeitpunkt, auf den bei Prüfung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit abzustellen ist, ist dabei nicht jener des Abschlusses der Vereinbarung über die Markenrechtsaufspaltung, wie die Beklagte meint, sondern jener der behaupteten Markenrechtsverletzung. Ein Eingriffstatbestand liegt somit immer schon dann vor, wenn die Zustimmung des Markeninhabers fehlt, Waren unter seinem Zeichen in Verkehr zu bringen; an dieser Zustimmung fehlt es hier spätestens mit dem Wechsel in der Person des Kommanditisten. Die von den Vorinstanzen erörterte Frage einer allfälligen Erschöpfung des Markenrechts der Klägerin bedarf keiner weiteren Prüfung, weil es schon an der Zustimmung der Klägerin mangelt, daß Waren mit ihrer Marke in Österreich auf den Markt gelangen.
Die Behauptung der Beklagten, zwischen den ehemaligen Mitgesellschaftern liege eine nichtige Kartellabsprache vor, findet im Bescheinigungsverfahren keine Deckung: Nach den maßgeblichen Feststellungen des Erstgerichts bezieht sich Punkt 3. des Abschichtungsvertrags nur auf die gegenseitige Verpflichtung der ehemaligen Mitgesellschafter, keine Kondome unter der Marke "Blausiegel" im Gebiet des jeweils anderen in den Verkehr zu bringen; daß unter diese territoriale Selbstbindung auch der Handel mit Kondomen überhaupt fiele, wurde weder behauptet, noch ist solches bescheinigt. Damit dient die Vereinbarung nur dazu, jeder der Parteien für ihren territorialen Bereich das aus dem Warenzeichenrecht fließende Ausschließlichkeitsrecht in seiner Substanz zu erhalten; als wettbewerbsbeschränkende Absprache kann sie schon deshalb nicht beurteilt werden, weil durch sie - über die markenrechtlichen Auswirkungen hinaus - kein Einfluss auf die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit der Vertragspartner auf dem Markt für Kondome zu Lasten der Marktgegenseite ausgeübt wird (vgl zum Begriff der Wettbewerbsbeschränkung Stockenhuber, Europäisches Kartellrecht, 20 ff mit ausführlichen Nachweisen und Beispielen; Barfuß/Wollmann/Tahedl, Österreichisches Kartellrecht 27 mwN in FN 3).
Von der Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens, welches grundsätzlich auch im Provisorialverfahren möglich ist (Gamerith, Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art 177 EGV in Wettbewerbssachen, ÖBl 1995, 51 ff, 58 mwN), war im Hinblick auf die dargestellte einheitliche jüngere Rechtsprechung des EuGH abzusehen, weil danach die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, daß keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel bleibt (ÖBl 1996, 28 - Teure S 185.- mwN).
Dem Revisionsrekurs der Klägerin war deshalb Folge zu geben und dem Sicherungsantrag in dem von ihm in dritter Instanz bekämpften Umfang stattzugeben.
2. Zum Revisionsrekurs der Beklagten
Die Beklagte bekämpft die Rechtsansicht des Rekursgerichts, die Klägerin habe schon dann einen Verstoß gegen § 4 KPV bescheinigt, wonach Kondome nur in Konsumentenpackungen abgegeben werden dürften, wenn in einem Katalog der Beklagten Kondome als lose Ware angeboten würden und ohne Konsumentenpackung abgelichtet seien; die KPV verbiete kein solches Ankündigen von Kondomen, und die Beweislast für den behaupteten Wettbewerbsverstoß treffe die Klägerin.
Ob ein Sachverhalt bescheinigt ist, ist - ebenso wie die Frage, ob ein Sachverhalt bewiesen ist - der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen; der Oberste Gerichtshof ist nämlich auch im Sicherungsverfahren Rechts- und nicht Tatsacheninstanz (stRsp ua ÖBl 1989, 39 - Klimt-Wandleuchte; ÖBl 1989, 167 - Familia, jeweils mwN). Ob aber die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Anscheinsbeweises vorliegen, ist eine Rechtsfrage (stRsp ua SZ 56/145; SZ 57/20; MR 1994, 66 - Belgische Verwertungsgesellschaft; SZ 66/29; SZ 70/179; Fasching LB**2 Rz 897 mwN; aA Burgstaller, ÖBA 1998, 479). Die Überprüfung der Ansicht des Rekursgerichts, das einen bestimmten Sachverhalt unter Anwendung der Regeln über den Anscheinsbeweis für bescheinigt erachtet hat, ist damit in dritter Instanz zulässig. Die Argumente der Beklagten sind auch berechtigt.
Der Anscheinsbeweis (prima-facie-Beweis) ist eine (auflösend bedingte) Verschiebung des Beweisthemas von der tatbestandsmäßig geforderten Tatsache auf eine leichter erweisliche Tatsache, die mit ihr in einem typischen Erfahrungszusammenhang steht (Fasching aaO Rz 894; MR 1994, 66 - Belgische Verwertungsgesellschaft); er ist nur zulässig, wenn eine typische, formelhafte Verknüpfung zwischen der bewiesenen (= bescheinigten) Tatsache und dem gesetzlich geforderten Tatbestandselement besteht (SZ 57/20). Der Anscheinsbeweis beruht darauf, daß bestimmte Geschehensabläufe typisch sind und es daher wahrscheinlich ist, dass auch im konkreten Fall ein derartiger gewöhnlicher Ablauf und nicht ein atypischer gegeben ist. Die Möglichkeit der Dartuung von Geschehensabläufen auf Grund von Erfahrungssätzen ist eine Beweiserleichterung für denjenigen, der anspruchsbegründende Tatsachen zu beweisen hat, ermöglicht somit eine Verschiebung von Beweisthema und Beweislast; der Anscheinsbeweis kann dann vom Gegner damit entkräftet werden, daß er eine andere ernstlich in Betracht zu ziehende Möglichkeit des Geschehensablaufes als des typischen aufzeigt (ZVR 1977/231; RZ 1982/49; EvBl 1983/120; SZ 70/179 ua). Der Anscheinsbeweis wird in Fällen als sachgerecht empfunden, in denen konkrete Beweise vom Beweispflichtigen billigerweise nicht erwartet werden können, weil es sich um Umstände handelt, die allein in der Sphäre des anderen liegen und daher nur ihm bekannt und auch nur von ihm beweisbar sind (SZ 70/179).
Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts liegen die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Anscheinsbeweises hier nicht vor: Die Art der Verpackung einer im Versandhandel abgegebenen Ware ist kein Umstand, der allein in der Sphäre des Verkäufers liegt und nur diesem bekannt sein kann; es sind auch keine Gründe ersichtlich, weshalb der Klägerin ein Testkauf des von ihr beanstandeten Produkts bei der Beklagten unmöglich oder unzumutbar wäre. Die Klägerin hätte sich daher von der Art der Verpackung der versandten Kondome leicht ein eigenes Bild machen können. Darüber hinaus fehlt es auch an einem Erfahrungssatz des Inhalts, auf Grund der Abbildung von Kondomen ohne Konsumentenpackung in einem Versandkatalog und deren Beschreibung als "lose Ware" könne typischerweise geschlossen werden, daß diese Ware bei Bestellung auch ohne Konsumentenpackung versandt werde. Es oblag somit der Klägerin nach allgemeinen Grundsätzen, den von ihr behaupteten Verstoß der Beklagten gegen § 4 KPV durch Verkauf von Kondomen ohne Konsumentenpackung zu bescheinigen; diese Bescheinigung hat sie aber allein durch die Vorlage des Versandkatalogs nicht erbracht. Daß schon die bloße Abbildung von Kondomen ohne Konsumentenpackung in einem Versandkatalog nach der KPV verboten wäre, wurde hingegen nicht behauptet. Dem Revisionsrekurs der Beklagten war deshalb Folge zu geben und der Sicherungsantrag im von ihr bekämpften Umfang abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 43, 50 ZPO. Der Kläger hat den Sicherungsantrag zu weit gefaßt; mangels anderer Anhaltspunkte für die Bewertung sind Unterliegen und Obsiegen jeweils mit 50 % zu bewerten (4 Ob 95/98v).
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