Spruch:
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung
Das Erstgericht verpflichtete den Vater zur Leistung rückständigen Unterhalts für die Zeit von Oktober 2001 bis November 2005 in folgender Höhe:
Lawrence: 11.160 EUR
Christa: 13.460 EUR
Penny: 14.790 EUR
Weiters trug es dem Vater auf, dem Land Salzburg als
Jugendwohlfahrtsträger die Kosten der vollen Erziehung der drei
Kinder für die Zeit von Dezember 2005 bis Februar 2007 in folgender
Höhe zu ersetzen:
Lawrence: 4.050 EUR
Christa: 4.950 EUR
Penny: 5.550 EUR
Das Rekursgericht gab dem auf gänzliche Abweisung der Anträge gerichteten Rekurs des Vaters nur insofern Folge, als es die Zusprüche für Christa und Penny geringfügig reduzierte. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es nicht zu.
Gegen diese Entscheidung richtet sich nun ein „außerordentlicher" Revisionsrekurs des Vaters, den das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vorlegte. Diese Vorgangsweise entspricht nicht dem Gesetz.
Rechtliche Beurteilung
1. Gemäß § 62 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs - außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 20.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. In einem solchen Fall kann der Beschluss des Rekursgerichts nur im Weg einer Zulassungsvorstellung nach § 63 AußStrG angefochten werden. Für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ist daher maßgebend, ob und gegebenenfalls welche der von den Kindern und dem Jugendwohlfahrtsträger geltend gemachten Ansprüche, die für sich genommen jeweils unter 20.000 EUR liegen, zusammenzurechnen sind. Auf die Einwendungen des Vaters (die angebliche Leistung von 51.250 EUR als „Unterhaltsvorschuss") kommt es für die Bestimmung des Entscheidungsgegenstands nicht an (vgl RIS-Justiz RS0042639 zur Unerheblichkeit von Gegenforderungen).
2. Die einzelnen Ansprüche, über die das Rekursgericht zu entscheiden hatte, sind nicht zusammenzurechnen.
2.1. Unterhaltsansprüche mehrerer Kinder beruhen nach ständiger Rechtsprechung nicht auf dem gleichen tatsächlichen oder rechtlichen Grund iSv § 55 Abs 1 Z 2 JN iVm § 11 Z 1 ZPO und sind daher nicht zusammenzurechnen (RIS-Justiz RS0017257; RS0112656).
2.2. Gleiches gilt für die getrennt zu betrachtenden Ansprüche des Jugendwohlfahrtsträgers auf Ersatz der Kosten der vollen Erziehung von mehreren Kindern. Die Frage der Zusammenrechnung ist hier nach § 55 Abs 1 Z 1 JN zu beurteilen. Der (auch) danach erforderliche tatsächliche oder rechtliche Zusammenhang läge nur vor, wenn die einzelnen Ansprüche voneinander abhängig wären, sodass keiner für sich allein existieren könnte, oder wenn die Ansprüche aus einer gemeinsamen Tatsache oder aus einem gemeinsamen Rechtsgrund entstanden wären (Gitschthaler in Fasching2 § 55 JN Rz 13 mwN). Diese Bedingungen sind hier nicht erfüllt.
Die Kosten der vollen Erziehung sind nach § 45 Sbg JWO - der auf der im Kern inhaltsgleichen Grundsatzbestimmung des § 33 JWG beruht - vom Betreuten und den Eltern „nach bürgerlichem Recht (§ 140 ABGB) zu tragen, soweit sie nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen dazu imstande sind". Materiell macht der Jugendwohlfahrtsträger damit einen zivilrechtlichen Anspruch auf Ersatz jener Aufwendungen geltend, die sich die nach dem Gesetz Unterhaltspflichtigen durch die volle Erziehung ersparen; Anspruchsgrundlage ist § 1042 ABGB (4 Ob 1/05h = SZ 2005/49). Die Höhe der Kostenersatzforderung hängt aus diesem Grund vom Ausmaß der Unterhaltspflicht der in Anspruch genommenen Eltern ab; maßgebend sind die in § 140 ABGB genannten Kriterien (RIS-Justiz RS0078933). Grundlage des Anspruchs ist somit für jedes einzelne Kind die jeweilige Unterhaltspflicht des Vaters. Damit fehlt ebenso wie bei Unterhaltsforderungen ieS der für eine Zusammenrechnung erforderliche gleiche rechtliche oder tatsächliche Grund.
Diese Erwägungen träfen auch dann zu, wenn der Jugendwohlfahrtsträger - was aufgrund unklaren Vorbringens nicht ausgeschlossen werden kann (ON 58) - nicht seine originären Ansprüche nach § 45 Sbg JWO (§ 33 JWG) geltend machte, sondern (unmittelbar) die im Weg der Legalzession nach § 46 Sbg JWO (§ 34 JWG) auf ihn übergegangenen Unterhaltsansprüche der Kinder. Denn wenn nicht zusammenzurechnende Ansprüche mehrerer Personen durch Zession auf einen einzigen Gläubiger übergehen, ändert das nichts am Fehlen des gleichen tatsächlichen oder rechtlichen Grundes (Gitschthaler in Fasching2 § 55 JN Rz 22 mwN). Die drei Teilansprüche des Jugendwohlfahrtsträgers sind daher nicht zusammenzurechnen.
2.3. Auch eine Zusammenrechnung des Unterhaltsanspruchs eines Kindes mit dem auf dieses Kind bezogenen Ersatzanspruch des Jugendwohlfahrtsträgers kommt nicht in Betracht. Denn ein gleicher tatsächlicher oder rechtlicher Grund iSv § 55 Abs 1 Z 2 JN iVm § 11 Z 1 ZPO liegt nicht vor, wenn für Ansprüche einzelner Streitgenossen zu einem gemeinsamen Sachverhalt noch weitere rechtserzeugende Tatsachen hinzutreten müssen (vgl RIS-Justiz RS0035450).
Der Anspruch des Jugendwohlfahrtsträgers hängt zwar, wie dargestellt, von der Unterhaltspflicht der Eltern ab. Der Ersatzanspruch des Jugendwohlfahrtsträgers besteht aber darüber hinaus nur dann, wenn und soweit er volle Erziehung gewährte. Erst dieses zusätzliche Sachverhaltselement begründet seinen originären Anspruch nach § 45 Sbg JWO iVm § 1042 ABGB oder bewirkt die Legalzession der Unterhaltsansprüche nach § 46 Sbg JWO. Der Unterhaltsanspruch der Kinder und der jeweilige Ersatzanspruch des Jugendwohlfahrtsträgers sind daher nicht zusammenzurechnen. Selbst wenn insofern eine Zweifelsfrage vorläge, käme eine Zusammenrechnung nicht in Betracht (Gitschthaler in Fasching2 § 55 JN Rz 10 mwN; Zechner in Fasching/Konecny2 § 502 ZPO Rz 149).
3. Aufgrund dieser Erwägungen ist die Zulässigkeit des Revisionsrekurses für alle Ansprüche gesondert zu beurteilen. Sie fallen ohne Ausnahme in den Streitwertbereich des § 63 AußStrG. In diesem Bereich sind Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch des Rekursgerichts der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist, nicht dem Obersten Gerichtshof, sondern (sofort) dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen (§ 69 Abs 3 AußStrG). Ist das Erstgericht der Meinung, einer solchen Vorgangsweise stehe das Fehlen eines ausdrücklichen Antrags auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs entgegen, so wird es einen - mit Fristsetzung verbundenen - Verbesserungsauftrag zu erteilen haben. Fehlt nämlich einem fristgebundenen Schriftsatz ein Inhaltserfordernis iSd § 84 Abs 3 ZPO, dann ist - auch im Verfahren außer Streitsachen - ein Verbesserungsverfahren einzuleiten (3 Ob 204/06f mwN).
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