Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden teilweise abgeändert, sodaß die Entscheidung - unter Einschluß des bestätigenden Ausspruches - insgesamt wie folgt zu lauten hat:
"Einstweilige Verfügung
Zur Sicherung des Anspruches der Klägerin gegenüber den beklagten Parteien auf Unterlassung der Veröffentlichung und/oder Verbreitung von Bildnissen der Klägerin unter Verletzung deren berechtigter Interessen wird den beklagten Parteien ab sofort und bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils geboten, die Veröffentlichung und/oder Verbreitung von Bildnissen der Klägerin ohne deren jeweilige Einwilligung zu unterlassen, wenn gleichzeitig im Begleittext zur Bildveröffentlichung die Klägerin der ihr angelasteten strafbaren Handlungen des Quälens oder Mißhandelns oder Peinigens eines ihrer Kinder, des Vernachlässigens einer Pflegebedürftigen oder der Einschränkung der persönlichen Freiheit eines ihrer Kinder vor Rechtskraft eines diesbezüglichen Urteilsspruches als überführt oder schuldig hingestellt und nicht bloß als tatverdächtig bezeichnet wird.
Das Mehrbegehren, dieses Gebot auch für den Fall zu erlassen, daß gleichzeitig im Bildtext zur Veröffentlichung der Klägerin (nur) angelastet wird, im Verdacht des Quälens oder Mißhandelns oder Peinigens eines ihrer Kinder, des Vernachlässigens einer Pflegebedürftigen oder der Einschränkung der persönlichen Freiheit eines ihrer Kinder zu stehen, sofern diese Bildveröffentlichungen nicht auf Ersuchen der Ermittlungs- oder Strafverfolgungsbehörden zu Zwecken der Aufklärung der Straftaten erfolgt sind, oder wenn die Bildveröffentlichung geeignet ist, in einem nicht unmittelbar informierten größeren Personenkreis zum Bekanntwerden der Identität der Klägerin als einer Person zu führen, die einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtig sei, wird abgewiesen."
Die Klägerin ist schuldig, den beklagten Parteien die auf den abweisenden Teil entfallenden, mit S 26.929,43 bestimmten Kosten des Provisorialverfahrens aller drei Instanzen (darin S 4.076,03 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die auf den stattgebenden Teil entfallenden Kosten des Provisorialverfahrens hat die Klägerin vorläufig und haben die beklagten Parteien endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin befindet seit 7.Juli 1996 in U-Haft, weil aufgrund einer anonymen Anzeige der Verdacht bestand, daß sie eines ihrer Adoptivkinder, nämlich die 23-jährige Maria, jahrelang mißhandelt und gequält hat. Mittlerweile wurde sie vom Landesgericht für Strafsachen Wien in erster Instanz - nicht rechtskräftig - mit Urteil vom 4.April 1997, ***** wegen des Verbrechens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und 2, zweiter und dritter Fall StGB und des Vergehens des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Über diesen Fall wurde in den Medien zumeist unter dem Schlagwort "Das Mädchen aus dem Sarg" oder ähnlichen Umschreibungen berichtet.
Auch in der periodischen Druckschrift "N*****", deren Medieninhaberin und Verlegerin die Erstbeklagte ist - die Zweitbeklagte ist Komplementärin der Erstbeklagten -, wurde der Berichterstattung über dieses Strafverfahren breiter Raum gewidmet. In den Ausgaben Nummer 28 vom 11.Juli 1996 und Nummer 29 vom 18.Juli 1996 wurde wie folgt berichtet: Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches begehrt die Klägerin, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung die Veröffentlichung und/oder Verbreitung von Bildnissen der Klägerin ohne deren jeweilige Einwilligung zu untersagen, wenn
a) gleichzeitig im Begleittext zur Bildveröffentlichung der Klägerin angelastet wird, im Verdacht des Quälens oder Mißhandelns oder Peinigens eines ihrer Kinder, des Vernachlässigens einer Pflegebedürftigen oder der Einschränkung der persönlichen Freiheit eines ihrer Kinder zu stehen, und wenn
b) diese Bildveröffentlichungen nicht auf Ersuchen der Ermittlungs- oder Strafverfolgungsbehörden zu Zwecken der Aufklärung der Straftaten erfolgt sind oder wenn die Bildveröffentlichung geeignet ist, in einem nicht unmittelbar informierten größeren Personenkreis zum Bekanntwerden der Identität der Klägerin als einer einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtigen Person zu führen oder wenn die Klägerin der ihr angelasteten strafbaren Handlung vor Rechtskraft eines diesbezüglichen Urteilsspruches als überführt oder schuldig hingestellt und nicht bloß als tatverdächtig bezeichnet wird.
Mit den Bildveröffentlichungen in der Zeitschrift der Beklagten würden die berechtigten Interessen der Klägerin verletzt werden. Den Bildern komme kein Informationswert zu. Die Klägerin werde gegenüber der breiten Öffentlichkeit bloßgestellt und gebrandmarkt. Die Texte erweckten auch den Eindruck, als ob die Schuld der Klägerin schon feststehe.
Die Beklagten beantragen die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Die Klägerin sei schon bei Erscheinen der beanstandeten Artikel in U-Haft gesessen und befinde sich dort weiterhin. Sie komme daher nur mit einem sehr beschränkten Personenkreis in Berührung, der auch ohne Bildveröffentlichung wisse, wer die Klägerin sei und wie sie aussehe. Die Klägerin könne aufgrund der Lichtbilder nicht identifiziert werden. Im Hinblick auf ihre Haft komme eine Prangerwirkung nicht zum Tragen. Wenn die Klägerin aus der Haft entlassen werde, werde sich niemand mehr an die Bildveröffentlichungen erinnern. Im übrigen sei die Klägerin auf den beanstandeten Lichtbildern für jene Personen, die nicht ohnehin bereits mit ihrem Namen ihre Identität verbinden, nicht erkennbar. Außerdem entspreche die Berichterstattung der Beklagten den Tatsachen. Eine Mutter, die sich solcher Missetaten an ihrem - noch dazu behinderten - Adoptivkind schuldig mache, wie es dieses Mädchen als Zeugin bekundet habe, sei in keiner Weise schutzwürdig. Es bestehe nicht nur an den Missetaten selbst ein öffentliches Berichtsinteresse, sondern auch an der Bildveröffentlichung, werde doch gerade dadurch der Gegensatz zwischen der "heilen Familienwelt" einerseits und der geradezu sadistischen Grausamkeit der Klägerin andererseits deutlich gemacht.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Der Tatbestand des § 78 Abs 1 UrhG setze die Erkennbarkeit des Abgebildeten voraus. Diese kann trotz eines Balkens über der Augenpartie gegeben sein. Im vorliegenden Fall treffe das aber nicht zu. Die auf Seite 39 der Ausgabe Nr. 28 abgebildete Person habe eine andere Frisur und Haarfarbe als die auf Seitee 41 derselben Ausgabe Abgebildete. Auf dem Lichtbild auf Seite 42 sei ein Gesicht überhaupt nicht erkennbar. Die nicht vom Balken überdeckten Gesichtszüge wiesen keine derart markanten Eigenheiten auf, die ein Wiedererkennen des Gesichtes möglich machen würden.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die beanstandeten Abbildungen wiesen keine Besonderheiten der Klägerin auf. Durch den Augenbalken unterschieden sie sich nicht von einem "Dutzend-Gesicht", dem man im Osten Österreichs in der Altersklasse der Klägerin laufend begegne. Das Erstgericht habe daher völlig zu Recht eine Erkennbarkeit der Klägerin verneint.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluß erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil die angefochtene Entscheidung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht; sie ist auch teilweise berechtigt.
Nach § 78 Abs 1 UrhG dürfen Bildnisse von Personen weder öffentlich ausgestellt noch auf andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden. Durch § 78 UrhG soll jedermann gegen einen Mißbrauch seiner Abbildung in der Öffentlichkeit geschützt werden, also namentlich dagegen, daß er durch die Verbreitung seines Bildnisses bloßgestellt, daß dadurch sein Privatleben der Öffentlichkeit preisgegeben oder sein Bildnis auf eine Art benützt wird, die zu Mißdeutungen Anlaß geben kann und entwürdigend oder herabsetzend wirkt (EBzUrhG, abgedruckt bei Peter, Urheberrecht 617). Das Gesetz legt den Begriff der "berechtigten Interessen" nicht näher fest, weil es bewußt einen weiten Spielraum offenlassen wollte, um den Verhältnissen des Einzelfalles gerecht zu werden (SZ 60/188 = ÖBl 1988, 139 - Wahlnachlese; MR 1989, 54 - Frau des Skandalrichters; MR 1990, 226 - Rote Karte; ÖBl 1993, 39 - Austria-Boß; MR 1995, 226 - Bombenterror uva). Die Beurteilung, ob berechtigte Interessen verletzt wurden, ist darauf abzustellen, ob Interessen des Abgebildeten bei objektiver Prüfung als schutzwürdig anzusehen sind (MR 1995, 226 - Bombenterror mwN). Dabei ist auch der mit dem veröffentlichten Bild zusammenhängende Text zu berücksichtigen (MR 1989, 54 - Frau des Skandalrichters mwN ÖBl 1993, 39 - Austria Boss; MR 1995, 143 - Haider-Fan uva). Der erste Schritt gilt daher der Prüfung, ob im Einzelfall überhaupt ein schutzwürdiges Interesse des Abgebildeten vorliegt, das verletzt sein könnte. Ist schon das zu verneinen, dann ist der rechtliche Schutz zu versagen; bei Bejahung dieses Interesses ist aber in einem zweiten Schritt die Interessenlage auf beiden Seiten zu beurteilen, aus deren Abwägung sich ergibt, ob die Geheimhaltungsinteressen den Vorrang haben und damit zu "berechtigten Interessen" werden (Buchner, Das Persönlichkeitsbild des Abgebildeten, in FS 50 Jahre Urheberrechtsgesetz 21 ff [26 f]; MR 1989, 54 - Frau des Skandalrichters).
§ 78 UrhG setzt die Erkennbarkeit des Abgebildeten voraus. Auch bei der Beurteilung dieser Frage ist - im Gegensatz zur offenbar von den Vorinstanzen vertretenen Meinung - nicht nur das Bild allein, sondern auch die Art seiner Verbreitung und der Rahmen, in den das Bild gestellt wurde, zu berücksichtigen (Frick, Persönlichkeitsrechte 116; SZ 37/148; MR 1989, 54 - Frau des Skandalrichters; MR 1995, 63 - Historische Abbildung). Das entspricht auch der in der Bundesrepublik Deutschland zu § 23 KUG vertretenen Auffassung. Danach ist für die Erkennbarkeit der äußere Eindruck der Darstellung für den meist flüchtigen Betrachter aus dem mehr oder minder großen Bekanntenkreis des Dargestellten maßgebend. Der äußere Eindruck der Darstellung bemißt sich zwar meist nach den Gesichtszügen des Abgebildeten, aber auch nach seinen sonstigen, ihn identifizierenden Eigenheiten. Die Mittel zu dieser für den Betrachter möglichen Identifizierung wie auch ihre Qualität sind grundsätzlich belanglos. Unter diesen Umständen ist es auch gleichgültig, ob der Betroffene in seiner gewohnten äußeren Erscheinung, Aufmachung und Umgebung dargestellt wird, sofern ihn seine dargestellten Eigenheiten und/oder seine Namensangabe identifizieren (v.Gamm, Urheberrecht, Einf Rz 104 unter Hinweis auf Rechtsprechung des BGH, insbes NJW 1965, 2148/2149 - Spielgefährtin). Werden die Gesichtszüge nur undeutlich wiedergegeben, so kann die Namensangabe zur Identifikation beitragen.
Entgegen der von Korn/Neumayer (Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht 93) vertretenen Auffassung liegt ein Bildnis im Sinne des § 78 Abs 1 UrhG nicht nur dann vor, wenn aus dem Bild selbst die Erkennbarkeit gegeben ist. In den Fällen, in welchen das Bild einer Person - sei es aufgrund schlechter Bildqualität, eines Augenbalkens oder sonstiger Umstände - undeutlich ist, kann diese Beeinträchtigung der Erkennbarkeit durch Angaben im Text aufgewogen werden. So hat der Oberste Gerichtshof ausgeführt, daß eine Frau trotz eines Balkens über der Augenpartie in der Abbildung dennoch (ua) dadurch in der Öffentlichkeit erkannt werden konnte, weil sie im Text als "Frau des Skandalrichters" bezeichnet wurde (MR 1989, 54).
Den Beklagten kann nicht darin gefolgt werden, daß es allein darauf ankäme, ob die Klägerin aufgrund der Bildveröffentlichungen in Zukunft von einem nicht unbeträchtlichen Teil der Leser der beanstandeten Artikel erkannt und identifiziert werden könne. Eine solche Auffassung ist auch der Entscheidung MR 1995, 63 - Schwarzer Balken - nicht zu entnehmen. Dort wurde nur die im Rechtsmittel aufgeworfene Frage nach der Identifizierbarkeit durch einen nicht unbeträchtlichen Teil der Leser als nicht erheblich im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO gewertet.
Für die Bejahung der Erkennbarkeit reicht es aus, daß die abgebildete Person von solchen Leuten beim Lesen erkannt (und später auch wieder erkannt) wird, die sie schon öfter gesehen haben; dazu gehören nicht nur die Angehörigen und Bekannten im engeren Sinne, sondern auch diejenigen Personen aus der näheren und weiteren Nachbarschaft, die dem Abgebildeten regelmäßig oder doch häufig - auf der Straße, in Geschäften, Verkehrsmitteln udgl. - begegnet sind, ohne den Namen und die sonstigen Verhältnisse dieses Menschen zu kennen. Dies scheint bisweilen mißverstanden zu werden. So führt etwa Swoboda (Bildnisschutz - gestern und heute, MR 1995, 204 ff [205]) aus, daß dann, wenn der Abgebildete dem Leser bekannt sei, das Bild die Aufmerksamkeit dieses Lesers auf den Artikelinhalt lenken und damit gerade bei jenen Teilen der Öffentlichkeit, die ein besonderes Informationsinteresse haben, dieses erfüllen helfen werde, ohne daß dem Abgebildeten die Bildveröffentlichung weiter schade, da er dem Leser ohnehin bekannt sei. Damit geht Swoboda offenbar von einem zu engen Begriff der "Bekannten" aus. Seiner Argumentation könnte nämlich nur dann gefolgt werden, wenn die "Bekannten" nicht nur das Gesicht des Abgebildeten, sondern auch die im Begleittext mitgeteilten Tatsachen schon vor der Veröffentlichung gekannt hätten. Das trifft aber in der Regel nur auf wenige Personen, nicht aber auf die mehr oder minder zahlreichen Personen aus dem weiteren Lebensumfeld des Abgebildeten zu.
Der Klägerin ist darin beizupflichten, daß sie in der beanstandeten Veröffentlichung sehr wohl erkennbar war. Selbst wenn man annehmen wollte, daß der Augenbalken ausreichen würde, sie auch gegenüber ihren Bekannten unkenntlich oder schwer erkennbar zu machen, so könnte das nichts daran ändern, daß die Bildveröffentlichungen im Zusammenhang mit einzelnen Angaben im Text - insbesondere der Adressenangabe, der Angabe des Vornamens und des Anfangsbuchstabens ihres Zunamens, in einem Fall sogar des ausgeschriebenen Namens - geeignet waren, ihre Identität aufzudecken.
Der von den Vorinstanzen herangezogene Abweisungsgrund ist also zu verneinen. Es ist daher die nach dem oben Gesagten erforderliche Interessenabwägung vorzunehmen:
Das Interesse der Klägerin daran, daß ihr Lichtbild nicht im Zusammenhang mit den gegen sie erhobenen Vorwürfen eines schweren, besonders abstoßenden Verbrechens gezeigt wird, liegt auf der Hand und bedarf keiner näheren Erörterung. Die Klägerin war auch - jedenfalls bis zur Veröffentlichung von Lichtbildern ihrer Person - in der Öffentlichkeit nicht bekannt, sodaß die Identifikationsmöglichkeit erst durch die Bildveröffentlichung geschaffen wurde. Damit konnte eine "Prangerwirkung" erzielt werden (ÖBl 1992, 87 - Lästige Witwe; SZ 67/114 = MR 1994, 162 - Marmor, Stein und Eisen; MR 1995, 226 - Bombenterror ua; Korn/Neumayer aaO 111).
Auf der anderen Seite besteht zweifellos ein Interesse an der Berichterstattung über die der Klägerin angelasteten Straftaten. Das Schicksal des Adoptivkindes der Klägerin, Maria, stieß auf breites Interesse in der Öffentlichkeit. Der Verdacht, daß die Klägerin das ihrer Erziehung anvertraute, hilflose Mädchen über lange Zeit hindurch nicht nur gequält, sondern regelmäßig in eine sargähnliche Holzkiste eingesperrt habe, wo dieses auch seine Notdurft verrichten mußte, hat viele Menschen aufgewühlt und stark bewegt. Dazu kam - wie das Oberlandesgericht Wien in seinem Urteil vom 21.April 1997, ***** treffend formuliert hat - der Umstand, daß die Klägerin in der Öffentlichkeit den Anschein einer besonders sozialen, menschenfreundlichen, von Humanität getragenen Wesensart zu erwecken wußte, indem sie sich um die Vermittlung und nachfolgende Erziehung von sechs Adoptivkindern bemüht, dann aber das Institut der Adoption gröblichst mißbraucht habe.
Der erkennende Senat hat oftmals ausgesprochen, daß zwar ein Bedürfnis an der Information der Öffentlichkeit über bestimmte Vorfälle und Vorwürfe gegen einzelne Personen bestehe, ein überwiegendes Informationsbedürfnis an der Bildnisveröffentlichung jedoch nicht zu erkennen sei, weil der Informationswert einer Nachricht durch die Beigabe eines Bildes kaum gesteigert werde (ÖBl 1993, 39 - Austria-Boß; MR 1995, 145 - Wunderarzt uva; MR 1995, 226 - Bomben-Terror uva). Diese Rechtsprechung ist im Schrifttum mehrfach auf Kritik gestoßen (insb Korn/Neumayer aaO 115 f; Swoboda, Bildnisschutz gestern und heute, MR 1995, 204; Berka, Aktuelle Probleme des Persönlichkeitsschutzes im Medienbereich, JRP 1996, 232 ff [244 ff]; Pfersmann, Bemerkenswertes aus der SZ 67/1, ÖJZ 1997, 53 ff [58 f] mit seiner Kritik an der Entscheidung Nr. 71 = ÖBl 1995, 186 - Lebensberater). Korn/Neumayer (aaO) lehnen die Unterscheidung zwischen Nachrichtenwert der Information und der Bildveröffentlichung selbst ab. Diese Auffassung verkenne das Wesen der Bildberichterstattung. Einer Bildveröffentlichung komme in den seltensten Fällen eigenständiger Informationswert zu, weil die Fälle, in denen etwa Straftäter bei der Begehung der Straftat selbst fotografiert werden, eher in der Minderheit seien. Auch die Bildberichterstattung erfolge im Rahmen der gesetzlichen Schranken in Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit. Wie diese im Einzelfall gehandhabt werde, sei Sache des Verbreiters. Der Nachrichtenwert sei daher auf die Gesamtheit der Nachricht und nicht auf die Art der Berichterstattung zu beziehen. Die Bildberichterstattung müsse nur einen inneren Zusammenhang zur Gesamtberichterstattung haben.
Swoboda (aaO) hält die Rechtsprechung für überholt. Das Umfeld, in dem eine Zeitungsberichterstattung samt Lichtbildveröffentlichung stattfinde, habe sich geändert. Bei Einführung des Bildnisschutzes in § 78 UrhG (1936) habe im Medienbereich noch "Steinzeit" geherrscht; es habe noch lange kein Fernsehen gegeben und die Fotografie sei eine aufwendige Kunst gewesen, sodaß Fotos in Zeitungen selten gewesen seien. Heute sei die Lage anders. Fast jeder Haushalt verfüge über Fernsehgeräte, von Plakatwänden und Kiosken stürmten tagtäglich unzählige Bilder auf die Menschen herein; die Kriminalberichterstattung werde längst laufend mit Bildern der Beteiligten gepflastert. In diesem Umfeld falle ein Personenbild als solches nicht mehr besonders auf. Heute sei die rasche, schlagwortartige Informationsaufnahme und die Sichtung des übermäßigen Informationsangebotes unbedingt erforderlich. Kaum jemand habe die Zeit, eine Zeitung von vorne bis hinten wirklich durchzulesen. Bei dieser Form der selektiven Informationsbeschaffung spielten Lichtbilder eine wesentliche Rolle. Ohne Lichtbild würde ein Bericht möglicherweise als anonymer Text verschwinden und zumindest bei den selektiven Lesern keine Beachtung finden. Damit wäre aber gerade der im öffentlichen Interesse liegende Informationszweck verfehlt. Die Interessenabwägung sollte sich an § 7a MedienG orientieren.
Berka (aaO 245 ff) vertritt die Auffassung, daß bei ehrenrührigen Bildveröffentlichungen grundsätzlich die Rechtswidrigkeit entfalle, wenn eine nachteilige, mit einer Abbildung verbundene Tatsachenbehauptung erweislich wahr sei. Das ergebe sich nicht nur aus § 111 Abs 3 StGB, sondern auch aus dem grundrechtlichen Schutz der Wahrheit. Weil ein Bild mehr sagen könne als tausend Worte, könnten Abbildungen zwar eine ehrenrührige Botschaft unter Umständen auch noch dann vermitteln, wenn der reine Text buchstäblich nicht zu beanstanden sei; dies dürfe bei der Erfassung des Aussagegehaltes berücksichtigt werden und könne dazu führen, daß unterschwellig vermittelte Tendenzen eines Berichtes mit in die Interessenabwägung einfließen. Das ändere aber nichts daran, daß ein Bildbericht über einen erweislich wahren Sachverhalt auch dann zulässig sei, wenn er für den Betroffenen nachteilig, bloßstellend, herabsetzend oder entwürdigend wirke. Denn soweit es im Persönlichkeitsschutz um den Schutz der Ehre gehe, werde - abgesehen von Angriffen auf die menschliche Würde - immer nur die verdiente Ehre geschützt. Anderes gelte selbstverständlich dann, wenn die Interessenbeeinträchtigung in einem Eingriff in die Privatsphäre liege, der unabhängig von der Wahrheit oder Unwahrheit berechtigte Interessen verletze. Auch im Bereich der Kriminalberichterstattung schütze § 78 UrhG die von der Rechtsordnung anerkannten Interessen, nicht mehr und freilich auch nicht weniger. Mit den §§ 7a und 7b MedienG habe der Gesetzgeber versucht, einigermaßen klare Markierungen für den sensiblen Bereich der Kriminalberichterstattung zu schaffen. Diese Entscheidungen habe auch die Rechtsprechung zu § 78 UrhG zu respektieren; die Medien hätten auch ein verfassungsmäßig geschütztes Recht darauf, daß diese Markierungen beachtet werden. Bei der Beurteilung der berechtigten Interessen, die auch die für eine Bildveröffentlichung sprechenden Informationsinteressen umfassen, müßten die Wertungen des Mediengesetzes gehörig berücksichtigt werden. Wenn eine identifizierende Reportage über eine Straftat zulässig sei, weil es entsprechende Veröffentlichungsinteressen der Allgemeinheit gebe, könne daher die Veröffentlichung nicht deswegen rechtswidrig sein, weil eine für sich genommen unverfängliche Fotografie beigefügt werde. Jede andere Entscheidung würde sich in Widerspruch zu dem verfassungsrechtlich aus Art 10 Abs 2 EMRK abzuleitenden Grundsatz setzen, daß Einschränkungen der freien Berichterstattung nur soweit zulässig sind, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft erforderlich sind. Daß eine Bildberichterstattung nach keinen prinzipiell anderen Maßstäben als eine Wortberichterstattung zu beurteilen sei, könne natürlich dann nicht gelten, wenn das Personenbildnis für sich betrachtet einen Persönlichkeitseingriff bedeute. Das sei etwa dann der Fall, wenn die Abbildung eines Menschen einen entwürdigenden oder diffamierenden Aussagewert habe oder ein falsches Licht auf eine Person werfe und dieser bildhaft vermittelte Aussagegehalt über den durch die begleitende Wortberichterstattung vermittelten Inhalt hinausgehe. Bei einem normalen Portraitfoto sei das üblicherweise nicht der Fall. Die Rechtsprechung zu § 78 UrhG sehe das freilich anders und gehe davon aus, daß auch eine an sich unverfängliche Abbildung eine zusätzliche Interessenbeeinträchtigung bewirke, weil sie eine weitere Identifikationsmöglichkeit schaffe. Dagegen könne zwar nicht - wie es Swoboda (aaO) getan habe - eingewendet werden, daß die Bildreportage für die Massenmedien ein unerläßliches Gestaltungsmittel wäre, um angesichts der Reizüberflutung die Aufmerksamkeit ihres Publikums zu wecken und zu erhalten. Trotzdem bleibe aber die in der Rechtsprechung vertretene Auffassung überprüfungsbedürftig. Zu der verfassungsrechtlich geschützten Aufgabe der Medien gehöre die aktuelle Information über das für die Gesellschaft relevante Zeitgeschehen, das die Medien mit der ihnen zugänglichen Objektivität wiederzugeben hätten. Wäre ein solches Geschehen durch handelnde Personen veranlaßt, sei auch ihr Bild ein Teil der relevanten Wirklichkeit, für das sich die Öffentlichkeit interessieren dürfe. Bestehe an der Sache selbst ein legitimes Informationsinteresse, das eine identifizierende Berichterstattung rechtfertige - wofür etwa im Bereich der Kriminalberichterstattung die Wertungen des § 7a MedienG heranzuziehen seien -, sei auch eine Identifikation durch ein Personenbildnis zulässig; ein entsprechendes Verbot würde das Grundrecht aus Art 10 EMRK verletzen. Überdies sei es auch empirisch fragwürdig, ob durch eine Abbildung tatsächlich weitere, mit einer ins Gewicht fallenden Interessenbeeinträchtigung verbundene Identifikationsmöglichkeiten geschaffen würden. Die mit einer medialen Berichterstattung verbundenen Eingriffe in Persönlichkeitsrechte entfalteten ihre nachteiligen Wirkungen in der Regel im sozial relevanten Umfeld des Betroffenen, in dem dieser sich mit den Auswirkungen der medial geschaffenen Identität und ihren Widersprüchen zur tatsächlichen Identität auseinandersetzen müsse. Für diese Beeinträchtigungen sei aber jede Identifikationsmöglichkeit gleich maßgeblich, weil hier bereits Bekanntheit vorliege.
Bei neuerlicher Prüfung der Rechtslage hat der erkennende Senat erwogen:
Im Zusammenhang mit der Kriminal- und Gerichtssaalberichterstattung geraten unterschiedliche Grundrechte miteinander in Konflikt. Auf der einen Seite stehen die Persönlichkeitsrechte und -werte der von der Berichterstattung Betroffenen, wie auch das Recht auf Unschuldsvermutung (Art 6 Abs 2 EMRK), auf der anderen Seite das Recht auf freie Meinungsäußerung und auf Mitteilung von Nachrichten ohne Eingriffe öffentlicher Behörden (Art 10 Abs 1 EMRK), also insbesondere die Pressefreiheit.
Wie die Erfahrung lehrt, geschahen und geschehen gerade im Bereich der Kriminalberichterstattung schwerwiegende Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte und -werte der von der Berichterstattung Betroffenen, welche zu bloßen Objekten der Berichterstattung herabgewürdigt werden. Dies führt - wie schon oftmals beanstandet wurde - zu einer "Medienjustiz" (VfGH MR 1986 H. 6, 14; Berka, Unschuldsvermutung und Recht auf Anonymität, MR 1987 H. 1, 6 ff [7]) oder maW zu einem "Medienpranger" (RV zur Mediengesetz-Novelle 1992:
503 BlgNr 18. GP, 11; Hager/Walenta, Persönlichkeitsschutz im Straf- und Medienrecht3, 45).
Es kann allerdings nicht übersehen werden, daß ein Bedürfnis auf Information über strafbare Handlungen besteht. Die meisten Menschen ziehen einer bloßen Wortberichterstattung die bildliche Darstellung des Geschilderten, insbesondere auch eine Abbildung der Personen, über die berichtet wird, vor. Diesem Bedürfnis können die Massenmedien infolge des technischen Fortschrittes in immer höherem Maße gerecht werden. Daß ein Großteil der Bevölkerung auf bildliche Information Wert legt, führte zu dem allgemein bekannten Siegeszug des Fernsehens, das heute weitaus beliebter als etwa das Radio ist. Es besteht auch allgemein ein Bedürfnis daran, in den Zeitungen die Personen des öffentlichen Lebens - wie Politiker, Künstler, Sportler udgl., aber auch solche Personen, die negativ aufgefallen sind - zu sehen.
In Abwägung der gegensätzlichen Interessen hat der Gesetzgeber in jüngerer Zeit durch die Einführung der §§ 7a und 7b MedienG mit 1. Juli 1993 (Art III Mediengesetznov 1992, BGBl 1993/20) eine Wertung vorgenommen:
Nach § 7a Abs 1 MedienG hat (ua) derjenige, der einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtig ist oder wegen einer solchen verurteilt wurde, dann, wenn in einem Medium sein Bild oder sonstige Angaben veröffentlicht wurden, die geeignet sind, in einem nicht unmittelbar informierten größeren Personenkreis zum Bekanntwerden seiner Identität zu führen, gegen den Medieninhaber (Verleger) Anspruch auf Entschädigung für die erlittene Kränkung, sofern hiedurch schutzwürdige Interessen seiner Person verletzt werden, ohne daß wegen deren Stellung in der Öffentlichkeit, wegen eines sonstigen Zusammenhanges mit dem öffentlichen Leben oder aus anderen Gründen ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung dieser Angaben bestanden hat. Schutzwürdige Interessen des einer gerichtlich strafbaren Handlung Verdächtigen oder deswegen Verurteilten werden nach § 7a Abs 2 MedienG nur dann jedenfalls verletzt, wenn die Veröffentlichung sich auf einen Jugendlichen oder bloß auf ein Vergehen bezieht oder das Fortkommen des Betroffenen unverhältnismäßig beeinträchtigen kann. Als "Fortkommen" ist das in jedem Fall bestehende Interesse an der Wiedereingliederung von Rechtsbrechern in die Gesellschaft zu verstehen; darüber hinaus aber auch die besondere Bedachtnahme auf die Lebensumstände, die Berufsstellung udgl. des Betroffenen; das Alter des Betroffenen kann bei der Interessenabwägung insbesondere dann ins Gewicht fallen, wenn es sich um einen Heranwachsenden (der das 19. Lebensjahr schon überschritten hat) handelt (Hager/Walenta aaO 49 f).
Erwachsenen, die eines Verbrechens verdächtig sind oder wegen eines solchen verurteilt wurden, kommt der Identitätsschutz nach § 7a MedienG demnach nur dann zu, wenn durch die Veröffentlichung ihr Fortkommen (unter Bedachtnahme auf die Umstände der Tat sowie deren Verfolgung und Bestrafung) unverhältnismäßig beeinträchtigt werden kann (Hager/Walenta aaO 49). Fehlt diese Voraussetzung, dann ist nach § 7a Abs 1 MedienG - wegen des Zusammenhanges des (angeblichen) Verbrechens mit dem öffentlichen Leben - ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung des Bildes (und anderer Angaben zur Identität) gegeben.
Im Hinblick auf das Alter der Klägerin und ihre Stellung als Pensionistin kann im vorliegenden Fall von einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung ihres Fortkommens nicht gesprochen werden. Folgerichtig wurde daher der Antrag der Klägerin, ihr eine Entschädigung nach § 7a MedienG zuzuerkennen, im Strafverfahren abgewiesen (***** des Oberlandesgerichtes Wien).
Mit der Regelung des § 7a MedienG hat der österreichische Gesetzgeber eine weitgehende Anpassung an die Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland herbeigeführt. Dort fallen unter den Begriff der "Personen der Zeitgeschichte" (Gerstenberg in Schricker, Urheberrecht 770 Rz 6 zu §§ 22, 23 KUG) alle Personen, die sich "durch Geburt, Stellung, Leistungen, Taten oder Untaten - also nicht nur positiv, sondern auch negativ - außergewöhnlich aus dem Kreis der Mitmenschen herausheben und die deshalb im Blickfeld der Öffentlichkeit stehen. Dabei unterscheidet man "absolute Personen der Zeitgeschichte", an deren Leben und Wirken in der Öffentlichkeit ein legitimes Informationsinteresse der Allgemeinheit besteht (Gerstenberg aaO 771 f Rz 10) und "relative Personen der Zeitgeschichte" (Gerstenberg aaO 772 Rz 12). Das sind solche Personen, die lediglich in bezug auf ein bestimmtes Geschehen ein sachentsprechendes Interesse erregen (Neumann-Duesberg, JZ 1960, 114 f; Hager/Walenta aaO 52). Zu diesen Personen zählen insbesondere Tatverdächtige und Straftäter (Schwerdtner in Münchener Komm3, Rz 173 zu § 12 BGB, welcher allerdings die Rechtsprechung und herrschende Lehre in der Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich ablehnt [RZ 174]:
Tatverdächtige würden zu Personen der Zeitgeschichte erst durch die Medien, die bislang noch nicht nachgewiesen hätten, daß die Pressefreiheit ernsthaft berührt werde, wenn Bild und Namen derartiger Personen nicht bekanntgegeben werden dürften. Daß die aktuelle Berichterstattung über Straftaten den Vorrang vor dem speziellen Persönlichkeitsrecht des Rechts am eigenen Bild und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht haben solle, überrasche umsomehr, als die Rechtsprechung bislang stets gesehen habe, daß die publizistische Verwertung solcher Vorgänge bereits eine gewisse Prangerwirkung habe und daß die ganz überwiegend rechtlich nicht bewanderte Öffentlichkeit allzu leicht geneigt sei, die Einleitung eines strafgerichtlichen Verfahrens mit dem Nachweis der zur Last gelegten Tat gleichzusetzen).
Der erkennende Senat hat in der Entscheidung ÖBl 1996, 161 = MR 1996, 32 - Kopf der Drogenbande, ausgesprochen, daß bei einer Entscheidung nach § 78 UrhG im Sinne der Einheit der Rechtsordnung auch auf die in § 7a Abs 3 Z 2 MedienG zum Ausdruck kommende Wertung Bedacht zu nehmen sei. Ganz allgemein ist zu sagen, daß Wertungen des Medienrechtes jedenfalls dort, wo der gleiche Sachverhalt geregelt wird, bei der Auslegung des § 78 UrhG zu berücksichtigen sind (Gamerith, Die Probleme des Bildnisschutzes aus der Sicht der Rechtsprechung, MR 1996, 130 ff [131 f]; Berka, Aktuelle Probleme des Persönlichkeitsschutzes im Medienbereich, JRP 1996, 232 ff [245]).
Legt man aber die vom Gesetzgeber in § 7a MedienG vorgenommene Wertung zugrunde, dann steht der Klägerin das Recht auf Unterlassung der Bildveröffentlichung nicht schon dann zu, wenn sie im Begleittext nur - der Wahrheit gemäß - als Tatverdächtige bezeichnet wird, gegen die ein Strafverfahren geführt wird, weil nach dem oben Gesagten das Informationsinteresse überwiegt. Insoweit haben die Vorinstanzen das Unterlassungsbegehren der Klägerin im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Zutreffend weist aber die Klägerin darauf hin, daß die Beklagten in dem beanstandeten Artikel die Unschuldsvermutung (Art 6 Abs 2 EMRK) verletzt und damit gegen § 7b MedienG verstoßen haben. Wird in einem Medium eine Person, die einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtig, aber nicht rechtskräftig verurteilt ist, als überführt oder schuldig hingestellt oder als Täter dieser strafbaren Handlung und nicht bloß als tatverdächtig bezeichnet, so steht dem Betroffenen gegen den Medieninhaber (Verleger) nach § 7b Abs 1 MedienG ein Anspruch auf Entschädigung für die erlittene Kränkung zu. Einer der Ausnahmetatbestände des § 7b Abs 2 MedienG liegt diesmal nicht vor, insbesondere hat die Klägerin auch nicht öffentlich oder gegenüber einem Medium die Tat eingestanden, ohne das widerrufen zu haben (§ 7b Abs 2 Z 3 MedienG).
Das Oberlandesgericht Wien hat im Verfahren nach dem Mediengesetz mit Urteil vom 21.April 1997, ***** überzeugend dargelegt, daß den Beklagten eine Verletzung der Unschuldsvermutung zur Last liegt. Dem ist zu folgen:
Wenngleich die Beklagte bisweilen korrekt hervorgehoben hat, daß sie
nur über einen Tatverdacht berichte - so heißt es im Heft Nr. 28,
Seite 41, Maria "solle" drei Jahre lang gequält worden sein; die
Liste der "Vorwürfe" gegen die Klägerin sei lang und erschreckend
udgl. -, so läßt doch der Artikel in seiner Gesamtheit beim - nicht
nur flüchtigen - Leser die Überzeugung zurück, daß die Klägerin
tatsächlich all diese Handlungen begangen hat. Das ergibt sich nicht
nur daraus, daß die einzelnen der Klägerin angelasteten Handlungen im
Indikativ berichtet werden (zB: "Maria mußte regelmäßig in eben jener
sargähnlichen Kiste ... schlafen usw.), sondern auch aus den
Überschriften (... "Wie ein Kind gefoltert wurde ...", "Eine
schrecklich nette Familie - Die Wahrheit über das Leben im Horrorhaus usw.").
Wenn auch den Beklagten unverständlich erscheint, was die Betroffenheit nach § 7b MedienG mit dem Verfahren nach § 78 UrhG zu tun haben solle, so liegt der Zusammenhang doch auf der Hand: Wie schon ausgeführt wurde, ist bei der Beurteilung, wie weit durch eine Bildveröffentlichung berechtigte Interessen beeinträchtigt werden, auch auf den Begleittext zu achten. Wird aber, wie hier, im Begleittext die abgebildete Person als überführte Verbrecherin dargestellt, dann rechtfertigt das nicht nur einen Entschädigungsanspruch nach § 7b MedienG. Vielmehr erlangt damit das Interesse der Abgebildeten am Unterbleiben der Bildveröffentlichung das Übergewicht über das Interesse an der - rechtswidrigen - Berichterstattung. Jede andere Lösung würde den insoweit eindeutigen Wertungen des Mediengesetzes widersprechen.
Soweit die Beklagten sich darauf berufen, daß die beanstandeten Bildveröffentlichungen deshalb berechtigt wären, weil der Begleittext der Wahrheit entspreche, verkennen sie die durch § 7b MedienG geschaffene Rechtslage:
Nach Art 6 Abs 2 EMRK wird bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld vermutet, daß der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig sei. Die damit verankerte Unschuldsvermutung ist ein in allen Rechtsstaaten anerkanntes Prinzip (Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar Rz 156 zu Art 6 mwN). Sie ist in allen Verfahren zu beachten, die im Sinne des Art 6 EMRK als strafrechtlich zu werten sind (Frowein/Peukert aaO). Die Unschuldsvermutung ist aber nicht nur von Strafgerichten, sondern von allen staatlichen Behörden zu beachten (Frowein/Peukert aaO Rz 162; VwGH Zl 93/09/0054). Der Staat hat dafür Sorge zu tragen, daß bei der Presseberichterstattung über anhängige Strafverfahren die Grenzen der Sachlichkeit eingehalten werden (VfGH G 249/94). In VfSlg 11.062 (1986) hat der VfGH ausgesprochen, daß die in Art 6 Abs 2 EMRK verankerte Unschuldsvermutung ein "die gesamte österreichische Rechtsordnung beherrschender Grundsatz" sei und hat diesen Grundsatz, "ohne sich lange in das dogmatische Dickicht der Drittwirkungsdiskussion zu verstricken" (Berka aaO 235), auch auf die Berichterstattung der Massenmedien angewandt.
Der Oberste Gerichtshof hat schon ausgesprochen, daß sich die Unschuldsvermutung nur an das Gericht wendet, das über die Schuld des Angeklagten entscheidet, nicht aber an Private (SZ 60/93 = MR 1987, 131 - Sonntagseinbrecher) und daß die Unschuldsvermutung im Verfahren vor den Zivilgerichten nicht beachtlich sei (1 Ob 532/93 unter Hinweis auf Vogler in IntKomm EMRK Rz 383 zu Art 6 mwN). § 112 StGB schließt den wegen übler Nachrede Angeklagten nicht vom Beweis der Wahrheit seiner Behauptung aus, daß der Ankläger eine von Amts wegen zu verfolgende strafbare Handlung begangen habe (SSt 7/96; Leukauf/Steininger, KommzStGB, Rz 9 zu § 112).
Für die Verletzung der Unschuldsvermutung in einem Medium gilt aber seit 1.Juli 1993 die Vorschrift des § 7b MedienG. Hat ein Medienunternehmer - wie es hier die Beklagten getan haben - die Unschuldsvermutung verletzt, dann kann er sich nicht darauf berufen, daß seine Behauptungen wahr seien; die Rechtswidrigkeit des Verhaltens liegt darin, daß jemand vor rechtskräftiger strafgerichtlicher Verurteilung in einem Medium als schuldig hingestellt wurde. Der Entschädigungsanspruch nach § 7b MedienG besteht daher unabhängig vom späteren Ausgang des gegen den Angeschuldigten geführten Strafverfahrens. Der hohe Stellenwert, der dem Schutz der Unschuldsvermutung des Art 6 Abs 2 EMRK zukommt, sowie der Umstand, daß der Verstoß gegen die Unschuldsvermutung schon mit der ersten Veröffentlichung geschieht und bereits mit diesem ersten Verstoß der Grundstein für eine Vorverurteilung gelegt werden kann, rechtfertigt nach Ansicht des Gesetzgebers, dem Betroffenen einen Anspruch sofort, dh, ohne einen etwaigen Wiederholungsfall abzuwarten und auch ohne Sonderbestimmungen für den Fall nachträglicher rechtskräftiger Verurteilung einzuräumen (Hager/Walenta aaO 55 f). Kann somit nicht einmal die nachträgliche Widerlegung der Unschuldsvermutung durch ein rechtskräftig verurteilendes strafgerichtliches Erkenntnis die vorangegangene Verletzung der Unschuldsvermutung rechtfertigen, so kommt umso weniger ein Wahrheitsbeweis in einem Zivilverfahren - noch dazu in einem Provisorialverfahren, in dem die Bescheinigung der behaupteten Tatsachen genügt - in Frage (so schon vor Inkrafttreten der Mediengesetznov 1993 4 Ob 73/93; ebenso 4 Ob 5/94).
Da die strafrechtliche Schuld der Klägerin zur Zeit der beanstandeten Bildveröffentlichungen nicht in dem dazu berufenen Strafverfahren rechtskräftig festgestellt war, haben die Beklagten (auch) gegen § 78 UrhG verstoßen. Im Hinblick darauf, daß auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtes erster Instanz (ja sogar noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes) eine rechtskräftige Verurteilung der Klägerin fehlt, besteht auch weiterhin die Wiederholungsgefahr.
Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs teilweise Folge zu geben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen waren dahin abzuändern, daß den Beklagten mit einstweiliger Verfügung das Veröffentlichen und Verbreiten von Bildnissen der Klägerin untersagt wird, wenn die Klägerin gleichzeitig im Begleittext vor Rechtskraft eines entsprechenden Strafurteiles als schuldig hingestellt wird. Das Mehrbegehren hatte hingegen abgewiesen zu bleiben.
Der Ausspruch über die den abweisenden Teil betreffenden Kosten des Provisorialverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 52 ZPO, für das Rechtsmittelverfahren noch iVm § 50 Abs 1 ZPO. Der Ausspruch über die den stattgebenden Teil betreffenden Kosten beruht, soweit er die Klägerin betrifft, auf § 393 Abs 1 EO, soweit er die Beklagten betrifft, auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 52 ZPO, für das Rechtsmittelverfahrennoch iVm § 50 Abs 1 ZPO.
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