OGH 4Ob182/23b

OGH4Ob182/23b26.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei * e.U., *, vertreten durch die Ortenburger Locher Huber Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei *, vertreten durch die B&S Böhmdorfer Schender Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 140.400 EUR s.A., über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. August 2023, GZ 11 R 146/23f‑124, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 31. März 2023, GZ 20 Cg 143/18y‑115, geändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00182.23B.0426.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden geändert und lauten:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 140.400 EUR samt 4% Zinsen seit 5.8.2018 zu zahlen, wird abgewiesen.“

Über die Verpflichtung zum Kostenersatz für das gesamte Verfahren entscheidet das Gericht erster Instanz.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Beklagte suchte eine Wohnung. Im Internet wurde sie auf ein Inserat der klagenden Maklerin aufmerksam und kontaktierte sie über ein Formular auf deren Website. Die Klägerin sandte der Beklagten „Informationen“ zu, deren Inhalt nicht feststeht. Sie wusste, dass die Beklagte „eine Wohnung zu Wohnzwecken“ suchte.

[2] Zuletzt vermittelte die Klägerin der Beklagten ein als Büro gewidmetes Wohnungseigentumsobjekt. Die Klägerin sagte der Beklagten, dass das Objekt als Büro gewidmet sei. Es steht nicht fest, ob die Klägerin und die Verkäufer der Beklagten „weitere Informationen“ über die Widmung des Objekts und die tatsächlichen und rechtlichen Folgen der Widmung erteilten.

[3] Die Klägerin bereitete eine als „Kaufanbot“ bezeichnete Urkunde vor, die das Objekt und den Kaufpreis (3,9 Millionen EUR) enthielt. Auch die Urkunde enthielt den Hinweis, dass das Objekt derzeit als Büro gewidmet sei, und außerdem den Satz, dass die Umwidmung zur Wohnung „vom Käufer“ durchgeführt werde.

[4] Die Klägerin gab der Beklagten das „Kaufanbot“ mit nach Hause. In den folgenden Tagen unterschrieben die Beklagte und die Verkäufer das „Kaufanbot“. Die Ausführung des Vertrags unterblieb dann aber; die Gründe dafür ließ das Erstgericht dahingestellt. Die Verkäufer verkauften das Objekt letztlich an einen Dritten.

[5] Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Zahlung von 140.400 EUR sA an Maklerprovision (3 % des Kaufpreises). Ihre vertragsgemäße verdienstliche Tätigkeit sei für den Vertragsschluss kausal gewesen.

[6] Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie entgegnete (unter anderem), die Klägerin habe ihr entgegen dem Maklervertrag keine Wohnung, sondern ein Büro vermittelt. Die Klägerin habe außerdem ihre Pflicht verletzt, die Beklagte über die Folgen der Widmung des Objekts als Büro aufzuklären.

[7] Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin 70.200 EUR sA und zahlen, und wies das auf die Zahlung weiterer 70.200 EUR sA gerichtete Mehrbegehren ab.

[8] Durch die Tätigkeit der Klägerin sei ein rechtswirksamer Kaufvertrag zwischen den Verkäufern und der Beklagten zustande gekommen, weshalb die Klägerin grundsätzlich eine Provision beanspruchen könne. Die Klägerin habe aber ihre Pflicht aus dem Maklervertrag verletzt, die Beklagte über die Folgen der Widmung des Objekts als Büro aufzuklären. Diese Pflichtverletzung rechtfertige eine Minderung der Provision um die Hälfte.

[9] Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil und gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Durch die Tätigkeit der Klägerin sei ein rechtswirksamer Kaufvertrag zwischen den Verkäufern und der Beklagten zustande gekommen. Die Negativfeststellung zu den „weiteren Informationen“ über die Widmung des Objekts gehe zu Lasten der Beklagten: Sie habe damit keine Pflichtverletzung der Klägerin im Zusammenhang mit der Aufklärung über die Widmung des Objekts als Büro und deren Folgen bewiesen. Die Revision sei mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

[10] In ihrer außerordentlichen Revision macht die Beklagte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, die Entscheidungen der Vorinstanzen zu ändern und das Klagebehren abzuweisen. Hilfsweise stellt die Beklagte einen Aufhebungsantrag.

[11] Die Klägerin beantragt in ihrer – vom Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 2 ZPO freigestellten – Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen und hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[12] Die Revision ist zulässig, weil die Vorinstanzen die Voraussetzungen des § 6 Abs 1 und Abs 3 MaklerG für den Provisionsanspruch im Einzelfall nicht ausreichend beachtet haben. Sie ist aus diesem Grund auch berechtigt.

[13] 1. Der Senat hat die in der Revision geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[14] 2. Die Klägerin macht einen Provisionsanspruch als Maklerin geltend. Dieser setzt zunächst den – zumindest konkludenten – Abschluss eines Maklervertrags zwischen den Parteien voraus (RS0062685; RS0063026). Ein Maklervertrag kommt schon dann konkludent zustande, wenn der Interessent erkennen kann, dass er eine provisionspflichtige Tätigkeit des Maklers in Anspruch nimmt, und dieser nicht widerspricht (6 Ob 129/20v; vgl RS0062234; RS0062658). Die Beweislast für das Zustandekommen eines Maklervertrags – mit einem Inhalt, der insbesondere in Zusammenschau mit der Tätigkeit der Klägerin und dem von ihr vermittelten Geschäft einen Provisionsanspruch begründen kann – trifft die Klägerin (vgl 4 Ob 164/21b; RS0037797).

[15] 3. Es steht fest, dass die Beklagte eine Wohnung („zu Wohnzwecken“) suchte und dass die Klägerin das wusste. Sollten die Parteien daher (konkludent) einen Maklervertrag geschlossen haben – die Feststellungen legen nahe, dass die Beklagte zumindest erkennen konnte, eine Maklertätigkeit in Anspruch zu nehmen, und dieser nicht widersprach –, lag aufgrund der Feststellungen ein „natürlicher Konsens“ (vgl zB RS0014005 [T5]; RS0017741) über das Objekt des von der Klägerin zu vermittelnden Geschäfts vor, nämlich eine (als solche bewohnbare) Wohnung.

[16] 4. Eine nachträgliche (konkludente) Änderung des Maklervertrags in Bezug auf das zu vermittelnde Objekt ist nach den Feststellungen nicht zu begründen: Es steht zwar fest, dass die Klägerin der Beklagten zuletzt ein als Büro gewidmetes Objekt anbot und die Beklagte auf die Widmung hinwies. Ob darin überhaupt ein (konkludentes) Angebot zur Änderung des Maklervertrags mit dem Inhalt lag, die Klägerin könne (und dürfe) der Beklagten anstelle einer Wohnung auch ein Büro vermitteln, braucht aber nicht geklärt zu werden: Es steht nämlich keine Reaktion der Beklagten fest, welche die Klägerin nach der Lehre vom „objektiven Empfängerhorizont“ (vgl RS0014160 [T37]; RS0113932 [T8]) als Zustimmung zu einer entsprechenden Änderung des Maklervertrags ansehen hätte dürfen. Der Abschluss des Kaufvertrags über das Büro reichte für eine solche Annahme nicht aus: Allein daraus ergaben sich für die Klägerin – nach dem strengen Maßstab des § 863 ABGB (vgl RS0013947 [T3, T11]; RS0014146) – keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sich das ihr bekannte Anliegen der Beklagten, eine Wohnung („zu Wohnzwecken“) zu erwerben, in der Zwischenzeit diametral geändert hätte – und zwar so, dass die Beklagte nun ein Büro erwerben wolle.

[17] 5. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten: Die Feststellungen decken jedenfalls keine für die Klägerin günstigere Beurteilung als einen nur auf die Vermittlung einer Wohnung gerichteten Maklervertrag.

[18] 6. Der Provisionsanspruch des Maklers setzt das Zustandekommen des zu vermittelnden Geschäfts durch seine vertragsgemäße verdienstliche Tätigkeit oder zumindest eines dem vertragsgemäß zu vermittelnden Geschäft nach seinem Zweck wirtschaftlich gleichwertigen Geschäfts durch seine Tätigkeit voraus (§ 6 Abs 1, 3 MaklerG). Auch eine (noch so) verdienstliche Tätigkeit des Maklers begründet also keinen Provisionsanspruch, wenn sie nicht zum Abschluss des vertragsgemäß zu vermittelnden Geschäfts oder zumindest eines ihm „zweckgleichwertigen“ Geschäfts führt. Im zweiten Fall kommt es allein auf die wirtschaftliche Gleichwertigkeit für den vom Geschäftsherrn angestrebten Zweck an (vgl RS0029698 [T5, T6, T10, T11, T18]). Ob ein Geschäft, das vom vertraglichen Vermittlungsziel abweicht, in diesem Sinne als „zweckgleichwertig“ anzusehen ist, ist durch Auslegung des Maklervertrags nach den Grundsätzen des § 914 ABGB zu ermitteln (vgl RS0029698 [T3]).

[19] 7. Die Klägerin hat der Beklagten jedenfalls nicht wie im Maklervertrag vereinbart eine Wohnung, sondern ein als Büro gewidmetes Wohnungseigentumsobjekt vermittelt. Sie ist daher nicht „vertragsgemäß“ tätig geworden (§ 6 Abs 1 MaklerG). Auch von einer „Zweckgleichwertigkeit“ (§ 6 Abs 3 MaklerG) kann hier keine Rede sein, weil das Büro, wie die Revision aufzeigt, zumindest erst nach einer erfolgreichen Umwidmung (§ 16 Abs 2 WEG) und einer Baubewilligung (§ 60 Abs 1 lit c Wiener Bauordnung) als Wohnung genutzt werden könnte. Dass beide Voraussetzungen so schnell und unproblematisch erfüllt werden könnten, dass das von der Klägerin vermittelte Geschäft als dem vertragsgemäß zu vermittelnden Geschäft für die Beklagte zweckgleichwertig anzusehen gewesen wäre, hat die Klägerin nicht vorgebracht und bewiesen.

[20] 8. Die in der Revision vertretene Ansicht, die Klägerin habe keinen Provisionsanspruch, weil die Widmung des vermittelten Objekts als Büro nicht dem der Klägerin bekannten Anliegen der Beklagten entsprochen habe, eine Wohnung („zu Wohnzwecken“) zu erwerben, ist daher zu teilen. In Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen ist das Klagebegehren abzuweisen, ohne dass auf die weiteren Argumente der Revision einzugehen wäre.

[21] 9. Der Ausspruch über die Kosten gründet auf § 52 Abs 3 ZPO. Das Erstgericht hat die Kostenentscheidung bis zur rechtskräftigen Erledigung der Streitsache vorbehalten (§ 52 Abs 1, 2 ZPO). Es hat nun über die Verpflichtung zum Kostenersatz für das gesamte Verfahren zu entscheiden.

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