OGH 4Ob181/12i

OGH4Ob181/12i19.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M***** Gesellschaft mbH, und 2. Dr. D***** S*****, vertreten durch Mag. Robert Baum, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei L***** V*****, vertreten durch Mag. Roja C. Fehringer-Missaghi, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung und Widerruf (Gesamtstreitwert restlich 22.000 EUR) sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Juni 2012, GZ 2 R 66/12h-24, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 2. November 2011, GZ 10 Cg 8/11y-13, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass in der Hauptsache das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit 6.933,37 EUR (darin 862,23 EUR USt und 1.760 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Erstklägerin ist eine PR-Agentur für Tourismus mit Sitz in Salzburg. Sie betreut Presseaktivitäten für Tourismuskunden (Hotels, Tourismusverbände, etc). Die Zweitklägerin ist ihre alleinige Geschäftsführerin.

Der Beklagte ist Inhaber einer Domain, auf welcher er ein „Onlinemagazin für Reise, Auto, Kunst und Lifestyle“ publizierte. Bis zum 11. 1. 2011 veröffentlichte er dort einen Artikel mit der Überschrift „Der Traumberuf Reisejournalist als bizarrer Albtraum“. Darin beschrieb er, a) dass sich in dieser Branche „selbsternannte“, oft nicht ausgebildete Journalisten ohne „ausreichende eigene Kapazität“ für selbst recherchierte Texte („Earls of Sandwich“, „Parasiten“) auf Kosten von Tourismusverbänden und Hotelbesitzern zu Buffets und Hotelaufenthalten einladen lassen. Eine bekannte Salzburger Tourismusagentur habe sich ganz dieser „Journalistengruppe“ verschrieben. b) Sie (die bekannte Salzburger Tourismusagentur) veranstalte in regelmäßigen Abständen Pressereisen „nach Österreich, Südtirol und Italien“ mit der Möglichkeit, an „professionellen, sexistischen Spielen“ auf Kosten von Tourismusverbänden und Hotelbesitzern teilzunehmen. c) Sie betreue „Lady-Bizarre-Hotels“, in welchen zu bestimmten Zeiten diese Handlungen stattfänden.

Die Klägerinnen begehren Unterlassung dieser, auf sie gemünzten, Behauptungen sowie den Widerruf derselben auf der neuen Homepage des Beklagten sowie ebendort auch die Urteilsveröffentlichung. Als Anspruchsgrundlage nannten sie § 1330 Abs 1 und 2 ABGB und § 7 UWG. Die Streitteile stünden zueinander in einem Wettbewerbsverhältnis. Die Behauptungen seien wahrheitswidrig und ehrenbeleidigend und würden den Kredit der Klägerinnen schädigen.

Der Beklagte brachte vor, sein Bericht sei wahrheitsgemäß. Im Übrigen habe er keine Namen genannt, es sei lediglich von einer Salzburger Agentur die Rede, weshalb es den Klägerinnen an der Aktivlegitimation mangle. Die in der Klage monierten Umstände würden von der Zweitklägerin bereits seit längerer Zeit praktiziert. Er bestritt nicht, dass er am 21. 1. 2011 durch eine Veröffentlichung auf seiner Homepage den Bezug des beanstandeten Artikels zur Zweitklägerin konkretisierte und auch das - den Namen der Erstklägerin enthaltende - Aufforderungsschreiben des Klagevertreters veröffentlichte. Ebenso ist unstrittig, dass die Klägerinnen aufgrund des beanstandeten Artikels Geschäftseinbußen zu erleiden hatten.

Das Erstgericht gab dem Unterlassungs- und Widerrufsbegehren zu den Punkten a) und c) statt und wies deren Punkt b) sowie das Veröffentlichungsbegehren ab. Die Behauptungen, die Klägerinnen verschrieben sich einer minderqualifizierten und schmarotzerischen Journalistengruppe, und sie betreuten „Lady Bizarre-Hotels“, in welchen professionelle sexistische Spiele auf Kosten von Tourismusverbänden und Hotelbesitzern stattfänden, seien nicht nur kreditschädigend iSv § 1330 Abs 2 ABGB, sondern auch beleidigend im Sinne des Abs 1 dieser Bestimmung. Der Wahrheitsbeweis obliege daher dem Beklagten. Er sei ihm jedoch nicht gelungen. Da sich der Beklagte noch in der Verhandlungstagsatzung uneinsichtig hinsichtlich der Zulässigkeit der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Behauptungen gezeigt habe, bestehe Wiederholungsgefahr, sodass auch eine Verurteilung zum Widerruf auf der neuen Website des Beklagten auszusprechen sei. Dessen Veröffentlichung sei notwendig, um die relevanten Publikumskreise über die Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerinnen durch den Beklagten aufzuklären und ihren Ruf wiederherzustellen. Eine Veröffentlichung des Urteils kenne das ABGB jedoch nicht. Da die Klägerinnen nicht als Organisatorinnen der genannten Sex-Spiele dargestellt worden seien, wies das Erstgericht den Unterlassungs- und Widerrufsanspruch zu Punkt b) des Klagebegehrens ab.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne der gänzlichen Klageabweisung ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Zielrichtung des Artikels bestehe vor allem in einer Kritik am Reisejournalismus und den in dieser Branche tätigen Journalisten, nicht aber an einschlägig tätigen Agenturen wie der Erstklägerin. Die Anwürfe „Schnorrer, Parasiten“ richteten sich daher gar nicht gegen die Klägerinnen. Auch im dritten Teil des Artikels („Lady Bizarre-Hotels“) könne keine ehrenrührige Äußerung erkannt werden. Der Beklagte werfe den Klägerinnen lediglich vor, bei der Auswahl der von ihnen vermittelten Journalisten nicht auf deren Qualität zu achten. Darin liege kein gegen sie gerichteter ehrenrühriger Gehalt. Es sei auch nicht ehrenrührig, Hotels zu betreuen, in denen - ohne Wissen und Zutun des Betreuenden - zweifelhafte Vorgänge stattfänden. Bei einer ausschließlich nach § 1330 Abs 2 ABGB zu unterstellenden Rufschädigung treffe den Kläger die Behauptungs- und Bescheinigungslast. Den Beweis, dass die Klägerinnen bei der Aufnahme von Journalisten in ihren Presseverteiler auf besondere Qualitätsstandards achteten, hätten sie jedoch gar nicht angetreten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerinnen mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen. In eventu wurde ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Revision sei zulässig (und berechtigt) weil sich das Berufungsgericht mit dem Anspruchsgrund des § 7 UWG gar nicht auseinandergesetzt und die Frage, ob die Veröffentlichung des Beklagten als ehrenbeleidigend iSd § 1330 Abs 1 ABGB zu qualifizieren seien, unrichtig verneint habe.

Der Beklagte beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision der Klägerinnen zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den in der Revision genannten Gründen zulässig; sie ist auch berechtigt.

1. Die Rechtfertigung des Beklagten, er habe in seiner Aussendung keine Namen genannt, weshalb es den Klägerinnen an der Aktivlegitimation mangle, wird schon dadurch widerlegt, dass er in seiner kurz darauf folgenden weiteren Aussendung samt Veröffentlichung des klägerischen Anspruchsschreibens dem Publikum die Namen der Klägerinnen zur Kenntnis brachte. An deren Aktivlegitimation kann daher kein Zweifel bestehen.

2.1. § 7 UWG erfasst unzutreffende Angaben über andere Marktteilnehmer. Im Fall eines Unterlassungsanspruchs nach § 7 Abs 1 UWG muss grundsätzlich der Beklagte beweisen, dass herabsetzende Behauptungen wahr sind (RIS-Justiz RS0079738 [T3]). Es ist nicht Sache des Klägers, die Wahrheitswidrigkeit der Behauptung zu beweisen. Die Beweislast wird vielmehr auf den Beklagten überwälzt, der zur Abwehr des gegen ihn erhobenen Anspruchs die Wahrheit seiner Behauptung zu beweisen hat (Wiltschek, UWG2 § 7 Anm 7).

2.2. Gemäß § 7 Abs 1 UWG ist verboten - durch die UWG-Novelle 2007 trat insofern keine Änderung ein -, zu Zwecken des Wettbewerbs über das Unternehmen eines anderen, über die Person des Inhabers oder Leiters des Unternehmens, über die Waren oder Leistungen eines anderen Tatsachen zu behaupten oder verbreiten, die geeignet sind, dem Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Inhabers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind (4 Ob 39/10d). Die Wettbewerbsabsicht ist bei abfälligen Äußerungen eines im Wettbewerb stehenden Unternehmens grundsätzlich zu vermuten (RIS-Justiz RS0077686, vgl auch RS0088261).

2.3. Mit der Aussage, die Klägerinnen hätten sich ganz der - im vorangegangenen Textteil scharf kritisierten - Journalistengruppe verschrieben und seien ganz sicher mit schuld an der zweifelhaften Qualität des Reisejournalismus in unserem Land, hat ihnen der Beklagte nicht nur vorgeworfen, die von ihnen erbrachten Vermittlungsleistungen seien von schlechter Qualität, sondern dass sie zum Schaden ihrer Kunden bewusst schlechte Journalisten, die nur an der kostenlosen Konsumation von Hotelleistungen interessiert seien, vermittelten. Dabei handelt es sich, ebenso wie bei der Aussage, die Klägerinnen betreuten „Lady Bizarre-Hotels“, in denen sexistische Spiele stattfänden, gewiss um herabsetzende Äußerungen iSv § 7 UWG.

2.4. Der Beklagte hat die von den Klägerinnen ausdrücklich behauptete Wettbewerbsabsicht im Verfahren erster Instanz nicht bestritten. Davon ist auszugehen, zumal die Streitteile im selben bzw zumindest verwandten Geschäftszweig Tourismusmarketing tätig sind.

2.5. Der Tatbestand des § 7 UWG ist daher erfüllt. Der Beklagte hat den ihm obliegenden Wahrheitsbeweis nicht erbracht.

3.1. Die rufschädigenden Äußerungen des Beklagten sind überdies Ehrenbeleidigungen iSd § 1330 Abs 1 ABGB. Die Textierung, die Klägerinnen hätten sich „ganz dieser Gruppe („Schmarotzer“, „Parasiten“) verschrieben“, vermittelt den Eindruck, die Klägerinnen würden das beschriebene Fehlverhalten nicht nur tolerieren, sondern dessen Förderung und bewusste Unterstützung geradezu als ihre Hauptaufgabe und besonderes Anliegen betrachten. Diesbezüglich wäre ebenfalls dem Beklagten der Wahrheitsbeweis oblegen.

3.2. Bei unwahren Tatsachenbehauptungen oder bei Werturteilen, basierend auf unwahren Tatsachenbehauptungen, gibt es kein Recht auf freie Meinungsäußerung. Werturteile, die konkludente Tatsachenbehauptungen sind, dürfen daher nicht schrankenlos geäußert werden (RIS-Justiz RS0107915 [T9]). Bei der gebotenen Interessenabwägung im Konflikt des Rechts auf freie Meinungsäußerung mit dem absolut geschützten Gut der Ehre ist die Gewichtigkeit des Themas für die Allgemeinheit, in dessen Rahmen die ehrverletzende, im Tatsachenkern richtige Äußerung fiel, eines von mehreren Beurteilungskriterien, das den Ausschlag für die Bejahung eines Rechtfertigungsgrundes geben kann (RIS-Justiz RS0110046).

4.1. Der Widerrufsanspruch ist nach Lehre und Rechtsprechung ein gesetzlich geregelter Sonderfall des allgemeinen Beseitigungsanspruchs, der - als eine Art der Naturalherstellung (6 Ob 295/97v) - die Wirkungen einer unwahren Äußerung beseitigen soll. Er ist daher dann berechtigt, wenn in den betroffenen Kreisen ein dem Kläger nachteiliger Zustand entstanden ist, der noch fortwirkt (4 Ob 32/07w mwN; vgl RIS-Justiz RS0078868).

4.2. Im vorliegenden Fall kann an einem nachhaltig nachteiligen Zustand für die Klägerinnen, der durch die beanstandete Veröffentlichung des Beklagten hervorgerufen wurde, kein Zweifel bestehen. Der geltend gemachte Widerrufsanspruch der Klägerinnen ist daher ebenfalls gerechtfertigt.

5. Insgesamt besteht daher der nach rechtskräftiger Abweisung eines Teilbegehrens noch verbleibende Klagsanspruch zu Recht. Die angefochtene Entscheidung ist daher dahin abzuändern, dass in der Hauptsache das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

6. Die Kostenentscheidung gründet hinsichtlich des Verfahrens erster Instanz auf § 43 Abs 1 ZPO - der verzeichnete, aber nicht eingebrachte Schriftsatz vom 22. 6. 2011 war nicht zu honorieren; die geringfügige Klagseinschränkung (Punkt c) des Urteilsantrags), deren Bestreitung keinen zusätzlichen Aufwand verursachte, war bei der Ermittlung der Erfolgsquote der Klägerinnen (rund 65 %) nicht zu veranschlagen - und hinsichtlich des Rechtsmittelverfahrens auf den §§ 41, 50 ZPO.

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