OGH 4Ob170/23p

OGH4Ob170/23p17.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Schutz- und Interessensverband zur Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken im Sinne des UWG, *, vertreten durch Dr. Bernd Roßkothen, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. G* GmbH, und 2. C*, beide *, beide vertreten durch Piaty Müller-Mezin Schoeller Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Graz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 20. Juli 2023, GZ 5 R 50/23x‑41, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00170.23P.1017.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 2 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger fördert und wahrt die Interessen und das Ansehen von Unternehmen unter anderem im Bereich Produktion und Vertrieb von Lebensmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln, diätetischen Lebensmitteln sowie Heilmitteln (Arzneimitteln, und Medizinprodukten).

[2] Die Erstbeklagte, deren alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin die Zweitbeklagte ist, bewarb die von ihr vertriebene Kältekammer auf ihrer Homepage und in Werbeprospekten mit einer erzielbaren Temperatur von minus 110 Grad, wobei dies nicht die im Inneren der Kammer herrschende Temperatur beschreibt. Dennoch werden minus 110 Grad auch außen am Display der Kammern angezeigt. Kühlkammern der Beklagten können auch in einer Praxisgemeinschaft getestet werden.

[3] Die Vorinstanzen untersagten den Beklagten zusammengefasst, zu behaupten, die von ihnen in Verkehr gebrachte Kältekammer könne den gesamten Körper für kurze Zeit einer Temperatur von minus 110 Grad Celsius aussetzen, obwohl es die Kältekammer tatsächlich nicht schaffen würde, diese niedrige Temperatur in der Kältekammer zu erzeugen. Sie ermächtigten den Kläger, den stattgebenden Teil des Urteilsspruchs auf Kosten der Beklagten in einer Wochentags-Ausgabe der „Kronen Zeitung“ in näher definierter Weise zu veröffentlichen.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die Beklagten zeigen in ihrer außerordentlichen Revision – die sich ausschließlich gegen die Urteilsveröffentlichung in einem bundesweiten Printmedium richtet – keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[5] 1. Die Urteilsveröffentlichung nach § 25 Abs 3 UWG erfolgt – dem Talionsprinzip entsprechend – in der Regel in jener Form und Aufmachung, in der auch die beanstandete Ankündigung veröffentlicht worden ist (RS0079607 [T4]; RS0079737 [T23]). Zweck der Urteilsveröffentlichung (§ 25 UWG) ist es aber auch, unlautere Wettbewerbshandlungen in der Öffentlichkeit aufzudecken und die beteiligten Verkehrskreise über die wahre Sachlage aufzuklären. Sie dient insbesondere auch dazu, ehemalige Vertragspartner der Beklagten über die Rechtswidrigkeit einzelner Geschäftspraktiken aufzuklären. Dadurch werden diese Kunden nicht nur vor neuerlichen Vertragsabschlüssen aufgrund ähnlicher Praktiken gewarnt, sondern auch in die Lage versetzt, allfällige Rückforderungsansprüche geltend zu machen. Diese ehemaligen Vertragspartner werden in vielen Fällen – verärgert über die Geschäftspraktiken der Beklagten – gerade nicht auf deren Internetseiten zurückkehren. Damit ist laut der jüngeren Rechtsprechung nur durch die Veröffentlichung des Urteils auch in Printmedien sichergestellt, dass ehemalige Kunden der Beklagten erreicht werden können (vgl jüngst 4 Ob 180/22g mwN).

[6] 2. Der Frage, ob und in welchem Umfang eine Urteilsveröffentlichung nach den Umständen des Falls zur Aufklärung des Publikums geboten ist, kommt abgesehen von einer – hier nicht gegebenen – korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung keine erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung zu (RS0042967; RS0079820 [T20]).

[7] 3. Davon ausgehend ist in der Auffassung der Vorinstanzen, dass mit einer Veröffentlichung auf der Homepage der Beklagten nicht alle ehemaligen Kunden erreicht werden können und gerade auch Benutzer oder Tester der Kältekammern – und damit auch potentielle Kunden, deren Interesse etwa bereits zuvor durch die Website geweckt wurde – ein Informationsinteresse an der Unrichtigkeit der Anzeige auf dem Display haben, keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.

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