European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00162.19F.0924.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR (darin enthalten 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Der Kläger ist Eigentümer des unverbauten Grundstücks *****/5 in EZ ***** GB *****, der Beklagte unter anderem Eigentümer des Grundstücks *****/3 in EZ ***** GB *****, wo er nach 2010 sein Wohnhaus ***** und im Jahr 2016 eine Garage errichten ließ. Im Bereich des Grundstücks des Klägers verläuft – in Form einer S‑Kurve – ein ansteigender asphaltierter Weg (Wegparzelle *****/13), der seit den 1960iger‑Jahren im Miteigentum wechselnder Personen steht und die Häuser ab ***** als Verbindung zum öffentlichen Wegenetz erschließt. Derzeit sind neben anderen sowohl der Kläger als auch der Beklagte Miteigentümer der Wegparzelle. Auch das Grundstück *****/3 des Beklagten hat Anschluss zu diesem asphaltierten Weg.
Schon seit der ersten Asphaltierung etwa im Jahr 1968 liegt der zweite Teil der erwähnten S‑Kurve des Asphaltwegs mit dem Außenrand auf dem östlichen Teil des Grundstücks *****/5 des Klägers. Es kann nicht festgestellt werden, dass die neue Asphaltierung des Wegs im Jahr 2013 zu einer Veränderung im westlichen Teil der Kurve führte.
Verschiedene Miteigentümer des Asphaltwegs einschließlich des Beklagten, seine Besucher sowie Fahrer der Müllabfuhr fahren entlang der erwähnten S‑Kurve teilweise auf dem Grundstück des Klägers, wenn sie sich am Außenrand der Kurve fortbewegen.
Für das Grundstück *****/3 besteht kein Wegerecht auf dem Grundstück *****/5 des Klägers. Es kann nicht festgestellt werden, ob sich der Beklagte darauf berief oder sich des Umstands berühmte, dass zugunsten seines Grundstücks *****/3 eine Wegdienstbarkeit zu Lasten des Grundstücks *****/5 des Klägers besteht.
Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtsgang. Mit seinem modifizierten Hauptbegehren begehrte der Kläger,
1) es möge festgestellt werden, dass keine Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens auf dem Grundstück *****/5 zugunsten des Grundstücks *****/3 bestehe
und daher der Beklagte als Eigentümer des vorgeblich herrschenden Grundstücks *****/3 gegenüber dem Kläger als Eigentümer des vorgeblich dienenden Grundstücks *****/5 nicht berechtigt sei, sich die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens auf dem Grundstück *****/5 zugunsten des Grundstücks *****/3 dadurch anzumaßen, dass er über das Grundstück *****/5 geht und fährt;
2) der Beklagte sei gegenüber dem Kläger schuldig, ab sofort selbst oder über seine Veranlassung jede in Pkt 1 des Urteilsspruchs genannte Störungs- bzw Anmaßungshandlung sowie jede ähnliche Handlung zu unterlassen.
Zudem stellte der Kläger inhaltsgleiche Eventualbegehren. Der Beklagte sowie Bewohner, Besucher und Lieferanten des Grundstücks des Beklagten benützten den östlichen Teil des klägerischen Grundstücks, um zum Haus des Beklagten zu gelangen. Durch die dauernde Inanspruchnahme dieser Teilfläche maße sich der Beklagte die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens auf dem Grundstück *****/5 für das Grundstück *****/3 an. Der Beklagte habe schon bei Erwerb seines Grundstücks gewusst, dass keine Dienstbarkeit zugunsten des Grundstücks *****/3 bestehe. Dass das Weggrundstück *****/13 über dessen Grundgrenze hinaus asphaltiert worden sei, begründe keine Servitutseinräumung.
Der Beklagte entgegnete, dass er als Miteigentümer der Wegparzelle *****/13 über den asphaltierten Weg fahren dürfe, und zwar auch über jene Fläche, mit der der asphaltierte Weg über die Grenze des Grundstücks *****/13 hinausreiche. Der Weg verlaufe seit den 1960iger‑Jahren bis heute unverändert. Das rein faktische Gehen und Fahren auf dem asphaltierten Teil des Grundstücks *****/5 sei kein Anmaßen der im Klagebegehren angegebenen Servitut.
Das Erstgericht gab dem Hauptfeststellungsbegehren insoweit statt, als es aussprach, dass festgestellt werde, dass eine Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens auf dem Grundstück *****/5 zugunsten des Grundstücks *****/3 nicht bestehe. Hinsichtlich des weiteren Hauptfeststellungsbegehrens und des (aus dem Feststellungsbegehren abgeleiteten) Unterlassungsbegehrens verwies es den Kläger auf seine Entscheidung; die Eventualbegehren wies es ab. Das Hauptbegehren sei berechtigt, weil eine Servitut zugunsten des Grundstücks des Beklagten nach den Feststellungen nicht bestehe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass das angefochtene Urteil insoweit bestätigt werde. Der Berufung des Beklagten gab das Berufungsgericht Folge und wies das vom Erstgericht zugesprochene Hauptfeststellungsbegehren ab. Im Anlassfall gehe es um die Anmaßung einer Dienstbarkeit durch den Beklagten. Es sei daher zunächst zu prüfen, ob der Beklagte behauptet habe, ihm stehe die vom Klagebegehren erfasste Grunddienstbarkeit zu. Das Anmaßen setze voraus, dass das Bestehen der Dienstbarkeit behauptet werde. Der Beklagte habe sich zwar auf eine Dienstbarkeit zugunsten des Weggrundstücks *****/13, nicht aber auf eine Dienstbarkeit zugunsten des Grundstücks *****/3 berufen. Das konkrete Feststellungsbegehren bestehe daher nicht zu Recht. Die ordentliche Revision sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.
Über Antrag des Klägers nach § 508 ZPO sprach das Berufungsgericht nachträglich aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil die Frage, ob der Kläger bei einem spezifizierten Klagebegehren in Bezug auf eine konkrete Anmaßungshandlung die Anmaßung beweisen müsse, über den Einzelfall hinausgehe.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers, die auf die Stattgebung des Hauptbegehrens abzielt.
Mit seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
1.1 Trotz Zulässigerklärung der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen – wie hier – nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen.
1.2 Gegenstand der Revision ist nur das Hauptfeststellungsbegehren. Konkret führt der Kläger dazu aus, dass er die Wahl zwischen der schlichten Unterlassungsklage gemäß § 362 ABGB und der Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB habe. Die Klage nach § 523 ABGB sei ein Anwendungsfall der Eigentumsklage, die sich gegen jeden unberechtigten Eingriff in das Eigentum richte, mag der Eingreifende irgendein Recht dazu behaupten oder nicht. Den Kläger treffe nur die Beweislast für das verletzte Eigentumsrecht und den Eingriff. Er sei jedoch nicht in der Lage, den Beweis zu erbringen, dass sich der Beklagte eine Dienstbarkeit des Geh- und Fahrwegs anmaße. Die Beweislast dafür, dass ein Recht zum Eingriff bestehe, treffe den Beklagten. Die Anmaßung einer Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens durch den Beklagten könne schon durch das rein faktische Gehen und Fahren erfolgen.
Damit zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf:
2.1 Nach dem Begehren und nach seinem Vorbringen erhebt der Kläger eine Eigentumsfreiheitsklage (actio negatoria), mit der festgestellt werden soll, dass dem Beklagten als Eigentümer des Grundstücks *****/3 keine Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens auf dem Grundstück *****/5 des Klägers zustehe. Der Beklagte habe sich eine Dienstbarkeit durch faktisches Gehen und Fahren angemaßt. Damit will der Kläger festgestellt haben, dass zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks *****/3 keine Grunddienstbarkeit zum Gehen und Fahren über sein Grundstück *****/5 besteht und das Grundstück des Beklagten nicht herrschendes Grundstück ist.
2.2 Eine Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB hat mehrere Anwendungsfälle. Damit kann sich der Eigentümer gegen jeden unbefugten Eingriff in sein Eigentum, mag der Eingreifende dazu ein Recht behaupten oder nicht, zur Wehr setzen. Die Klage dient dem Schutz des Eigentümers vor der Anmaßung oder der unberechtigten Erweiterung einer Servitut, wie auch zur Abwehr jeder sonstigen Störung des Eigentümers durch unberechtigte Eingriffe, wie etwa durch faktische Inanspruchnahme seines Grundstücks. Unter Anmaßung im Sinn des § 523 ABGB ist die gegenüber dem Grundstückseigentümer oder einem Dritten aufgestellte Behauptung eines die Freiheit des Eigentums einschränkenden Rechts zu verstehen, sofern eine faktische Störungshandlung zu erwarten ist (RS0112359; 6 Ob 209/00d; 8 Ob 62/14x; vgl auch 8 Ob 48/17t).
Bei der aufgrund der Anmaßung einer Servitut erhobenen Eigentumsfreiheitsklage kann gegen den Eigentümer des vermeintlich herrschenden Guts – entweder allein oder neben einer Unterlassungsklage – auch die Feststellung des Nichtbestands der Dienstbarkeit Gegenstand des Klagebegehrens sein, ohne dass die sonst erforderlichen Voraussetzungen einer Feststellungsklage nach § 228 ZPO gegeben sein müssen (RS0012155). Eine solche Feststellungsklage bedarf daher nicht der Behauptung eines Feststellungsinteresses, weil sich dieses aus § 523 ABGB ergibt. Daraus folgt, dass eine Feststellungsklage des Eigentumsfreiheitsklägers gegen den Grundeigentümer des vermeintlich herrschenden Grundstücks auch dann zulässig ist, wenn gegen diesen schon Leistungsansprüche auf Unterlassung möglich sind (8 Ob 62/14x).
2.3 Bei der hier vom Kläger erhobenen Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB handelt es sich um eine spezifische Feststellungsklage zur Abwehr der vom Kläger behaupteten Anmaßung einer Grunddienstbarkeit durch den Beklagten. Für diese Klage ist vorausgesetzt, dass der Beklagte unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, er habe als Eigentümer des vermeintlich herrschenden Grundstücks ein Recht, das Grundstück des Klägers zu begehen und zu befahren.
2.4 Eine solche Behauptung hat der Beklagte nicht aufgestellt. Er hat zwar ein behauptetes Recht zum Gehen und Fahren auf dem gesamten asphaltierten Weg ausgeübt. Er hat aber nicht zum Ausdruck gebracht, als Eigentümer des Grundstücks *****/3 dazu berechtigt zu sein. Vielmehr hat er stets darauf Bezug genommen, dass sich sein Gebrauchsrecht aus seinem Miteigentum am Weggrundstück *****/13 ableite. Nach seinen Behauptungen hat er das Grundstück des Klägers nur als Miteigentümer der Wegparzelle in Anspruch genommen. Darauf bezieht sich das Klagebegehren aber nicht.
3. Entgegen der Ansicht des Klägers reicht ein rein faktisches Begehen oder Befahren seines Grundstücks durch den Beklagten für die Anmaßung einer Grunddienstbarkeit zugunsten des Grundstücks *****/3 als vermeintlich herrschendes Grundstück nicht aus. Erfolgt eine solche faktische Inanspruchnahme ohne Rechtsgrund, so ist dies allerdings ein Eingriff in das fremde Eigentumsrecht, der mittels Unterlassungsklage untersagt werden kann.
Das Kernargument des Klägers, dass die Eigentumsfreiheitsklage gegen jeden zusteht, der unbefugt in das fremde Eigentum eingegriffen hat, ist richtig. Daraus lässt sich die Berechtigung einer Unterlassungsklage (vgl dazu 8 Ob 111/16f), nicht aber der hier erhobenen Feststellungsklage wegen angeblicher Anmaßung einer Servitut ableiten. Der Kläger hat gerade kein allgemeines, von der geltend gemachten Anmaßung unabhängiges Unterlassungsbegehren erhoben.
Richtig ist auch, dass den Eigentumsfreiheitskläger die Beweislast für das verletzte Recht und den Eingriff trifft und der Beklagte hingegen sein (Servituts‑)Recht zum Eingriff beweisen muss (RS0010164; RS0012186; 6 Ob 95/04w). Mit Bezug auf das hier erhobene Klagebegehren muss der Kläger aber auch beweisen, dass sich der Beklagte als Eigentümer des vom Klagebegehren erfassten vermeintlichen herrschenden Grundstücks ein Gebrauchsrecht anmaßt, ein solches also behauptet hat (6 Ob 601/95; 4 Ob 245/00h).
4. Insgesamt gelingt es dem Kläger mit seinen Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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