OGH 6Ob601/95

OGH6Ob601/9511.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.F.M.Adamovic und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl M*****, vertreten durch Dr.Heinz Leitinger und Dr.Gerolf Haßlinger, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, wider die beklagte Partei Dipl.Ing.Helmut G*****, vertreten durch Dr.Walter Schlick, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung des Nichtbestehens einer Dienstbarkeit und Unterlassung (Streitwert 40.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtsachen Graz als Berufungsgerichtes vom 24.Mai 1995, GZ 5 R 38/95-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Deutschlandsberg vom 5.Dezember 1994, GZ 2 C 2587/94i-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.058,88 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 676,48 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind Eigentümer benachbarter Liegenschaften, der

Kläger der EZ 72 KG ... , zu der ua das Grundstück 500/1 Gewässer

(Sumpf) gehört, der Beklagte der EZ 104 KG ... . Zwischen den

Parteien waren beim Bezirksgericht Deutschlandsberg im Zusammenhang mit einem über das Grundstück 500/1 führenden, etwa 80 m langen unbefestigten Wiesenweg - ausgehend von der im vorliegenden Verfahren bestehenden Parteirollenverteilung - zumindest fünf hier relevante und bereits rechtskräftig abgeschlossene Vorverfahren anhängig:

Zu AZ 2 C 1346/91 drang der Kläger gegen den Beklagten mit einer Besitzstörungsklage durch, weil letzterer den an der Ostseite des Grundstücks 500/1 verlaufenden Wiesenweg zum Teil ausgeschoben und angeschüttet hatte.

Zu AZ 2 C 148/92 wurde mit Urteil vom 18.Mai 1992, bestätigt mit Berufungsurteil vom 15.Oktober 1992, das vom Beklagten gegenüber dem Kläger erhobene Klagebegehren, es werde festgestellt, zugunsten seiner Liegenschaft EZ 104 ... als herrschendem Grundstück bestehe die (nicht verbücherte) Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit Fahrzeugen aller Art an der Liegenschaft EZ 72 als dienendem Grundstück in Ansehung des näher beschriebenen Wiesenwegs sowie auf Einwilligung des Klägers in die Verbücherung dieser Dienstbarkeit abgewiesen, weil für den vom Beklagten behaupteten Ersitzungstitel die erforderliche 30jährige Ersitzungszeit nicht erreicht war, sodaß es in zweiter Instanz nicht mehr darauf ankam, ob sein Besitz zufolge Untersagung redlich und echt gewesen sei. Zu AZ 2 C 2564/94 wurde die Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 2 C 148/92 abgelehnt.

Die vom Beklagten gegen den Kläger zu AZ 2 C 1871/94 und AZ 2 C 1872/94 erhobene Klagen, dieser habe ihn in seinem ruhigen Besitz des Fahrrechts über das Grundstück 500/1 gestört, verfielen mangels Störung der Abweisung mittels unangefochtenen Endbeschlüssen vom 23. und 26.September 1994.

Nun begehrt der Kläger gegenüber dem Beklagten die Feststellung, daß in Ansehung seines Grundstücks 500/1 eine Dienstbarkeit des Fahrens zugunsten der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft EZ 104 KG ... nicht bestehe, und die Unterlassung aller Handlungen, die sich als Ausübung einer solchen Dienstbarkeit darstellen.

Der Beklagte wendete ein, daß der Wiesenweg seit mehr als 30 Jahren bestehe und auch über diesen Zeitraum genutzt worden sei. Der Kläger habe mit Schreiben vom 2.Juni 1991 selbst zugegeben, daß der Wiesenweg offenkundig und immer benützt worden sei. Es bedürfe daher auch keiner grundbücherlichen Eintragung einer Servitut.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte noch fest, daß sich zwischen dem Schluß der Verhandlung im Vorverfahren AZ 2 C 148/92 (Servitutsprozeß) und dem Schluß der Verhandlung in diesem Verfahren keine vertraglichen Änderungen oder sonstigen Veränderungen in Ansehung des Wiesenwegs ergeben hätten. Rechtlich folgerte es, die Entscheidung im Vorverfahren AZ 2 C 148/92, wonach der Beklagte keine Dienstbarkeit ersessen habe, sei als Vorfrage bindend.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil im wesentlichen aus dessen Gründen und unter Bejahung einer Servitutsanmaßung durch den Beklagten. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Diesen Ausspruch begründete es kurz mit dem Fehlen einer höchstgerichtlichen Rsp zur Frage, ob die meritorische Abweisung einer actio confessoria hinsichtlich der späteren actio negatoria Rechtskraftwirkung entfalte.

In der Revision macht der Beklagte unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend; er beantragt, das angefochtene Urteil im klageabweisenden Sinn abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung die Bestätigung des Berufungsurteils.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

In Ansehung der Servituten (Dienstbarkeiten) findet ein doppeltes

Klagerecht statt. Man kann gegen den Eigentümer das Recht der

Servitut behaupten; oder der Eigentümer kann sich über die Anmaßung

einer Servitut beschweren. Im ersten Falle muß der Kläger die Erwerbung der Servitut, oder wenigstens den Besitz derselben als eines dinglichen Rechtes, im zweiten Fall muß er die Anmaßung der Servitut in seiner Sache beweisen (§ 523 ABGB). Die im § 523 ABGB geregelten Klagen sind die Servitutenklage (actio confessoria) zum Schutz des Servitutsberechtigten und die Eigentums-Freiheitsklage (actio negatoria) zum Schutz des Eigentümers vor Anmaßung einer Servitut, aber auch zur Abwehr jeder sonstigen Störung des Eigentums. Im Verhältnis der beiden Klagen besteht mangels Identität der Ansprüche keine Streitanhängigkeit (SZ 23/225; Petrasch in Rummel2 § 523 Rz 1).

Zutreffend ist die Revisionsausführung, daß sich die Entscheidungen SZ 33/107 und SZ 24/63 auf abgewiesene Negatorienklagen beziehen und hier die Bindungswirkung einer abgewiesenen actio confessoria zu beurteilen ist. Jede rechtskräftig entschiedene, erfolgreiche actio negatoria oder actio confessoria äußert Rechtskraftwirkung (§ 411 ZPO) unter den Parteien auch in umgekehrter Richtung, während die rechtskräftige Abweisung einer der beiden genannten Klagen je nach dem Inhalt des eindeutigen Spruchs oder sonst der letztinstanzlichen Entscheidungsgründe mangels eines Feststellungsbegehrens derart präjudiziell wirkt, daß der anderen Klage - selbst unter Rechtsnachfolgern - ohne weiteres stattzugeben ist (vgl SZ 33/107; SZ 24/63 = EvBl 1951/192 ua; zuletzt 4 Ob 527/93; Petrasch aaO; Pimmer in Schwimann § 523 Rz 51; Feil aaO 553, 982). Dies ist Ausfluß der sogenannten Tatbestands- oder Reflexwirkung des rechtskräftigen Urteils im Vorverfahren zwischen denselben Parteien um dasselbe Recht (hier um das Bestehen einer Wegedienstbarkeit). Der, der das Bestehen einer nicht verbücherte Dienstbarkeit für sich in Anspruch nimmt, muß nicht zweimal - zuerst im Eigentums-Freiheitsprozeß als obsiegender Beklagter und dann als Kläger mit seiner actio confessoria - den Erwerb der nicht verbücherten Dienstbarkeit unter Beweis stellen. Umgekehrt muß der Eigentümer nicht zweimal - zuerst im Dienstbarkeitsprozeß als obsiegender Beklagter und dann als Kläger mit seiner actio negatoria - die Freiheit seiner Liegenschaft von derselben sie belastenden Dienstbarkeit nachweisen. Voraussetzung für eine solche präjudizielle Wirkung ist nur, daß - wie hier - keine rechtserhebliche nachträgliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist.

Im Eigentums-Freiheitsprozeß hat der Eigentümer die Anmaßung einer Servitut durch den Beklagten als materielle Klagevoraussetzung unter Beweis zu stellen (Petrasch in Rummel § 523 Rz 9). Diesen Beweis hat der Kläger erbracht. Der Beklagte hat sich sein behauptetes Servitutsrecht nicht bloß mündlich angemaßt, sondern zuletzt 1994 zwei - wenngleich erfolglose - Besitzstörungsklagen gegen den Kläger erhoben, die inhaltlich in der angemaßten Wegeservitut ihre Grundlage hatten. Bei dieser Sachlage bedurfte es keiner weiteren Störungshandlung durch den Beklagten. Auch die für die Stattgebung des Unterlassungsbegehrens erforderliche Wiederholungsgefahr, bei deren Prüfung nicht engherzig vorgegangen werden darf, ist aus diesen Erwägungen zu bejahen, zumal der Beklagte noch jetzt im Rechtsmittel sein Vorgehen als rechtmäßig ansieht und das Vorliegen der Wiederholungsgefahr nicht in Zweifel zieht.

Der Revision des Beklagten kann demnach kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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