OGH 6Ob338/60

OGH6Ob338/604.10.1960

SZ 33/107

Normen

ABGB §523
ZPO §411
ABGB §523
ZPO §411

 

Spruch:

Die Rechtskraftwirkung des über eine Negatorienklage ergangenen abweislichen Urteiles richtet sich nach den Gründen der Entscheidung der höchsten Instanz.

Entscheidung vom 4. Oktober 1960, 6 Ob 338/60.

I. Instanz: Bezirksgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Im Vorprozeß hat der Kläger das Begehren gestellt, dem Beklagten gegenüber festzustellen, daß eine Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes über den zum Haus des Klägers gehörigen Hofraum als dienendes Gut zugunsten des jeweiligen Eigentümers der derzeit dem Beklagten gehörigen Nachbarliegenschaft nicht bestehe, und den Beklagten schuldig zu erkennen, ab sofort alle Handlungen zu unterlassen, die sich als Ausübung einer solchen Dienstbarkeit darstellen. Der Kläger hat dieses Begehren damit begrundet, daß der Beklagte seit einiger Zeit über den Hofraum nicht nur gehe, sondern auch mit seinem PKW. darüberfahre und daß überdies auch fremde PKWS. unter Berufung auf eine Gestattung des Beklagten den Hofraum benützten, ferner damit, daß der Beklagte dem Kläger mitgeteilt habe, er halte daran fest, daß ihm die Servitut des Geh- und Fahrrechtes zustehe.

Das Erstgericht hat dieses Klagebegehren abgewiesen. Der Beklagte habe das Geh- und Fahrrecht ersessen. Das Fahren mit PKWS. sei keine unzulässige Erweiterung der Servitut, sondern nur eine den heutigen Lebensbedürfnissen angepaßte Benützungsart.

Das Berufungsgericht hat der Berufung des Klägers gegen dieses Urteil nicht Folge gegeben und ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S nicht übersteige. Das Berufungsgericht hat die Richtigkeit der erstrichterlichen Ansicht bezweifelt, daß das Fahren mit PKWs. keine unzulässige Erweiterung der Servitut sei, doch könne diese Frage unerörtert bleiben, weil dem Unterlassungsbegehren des Klägers die nötige Bestimmtheit fehle, insbesondere kein Begehren gestellt worden sei, den Beklagten zur Unterlassung des Fahrens mit einem PKW. überhaupt oder in einem bestimmten, näher bezeichneten Umfang zu verurteilen. Infolge der Unbestimmtheit des Unterlassungsbegehrens sei dieses auf alle Fälle abzuweisen. Es sei nur über das Bestehen, nicht aber auch über den Umfang des Geh- und Fahrrechtes zu entscheiden.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger das Begehren gestellt, auszusprechen, daß eine Dienstbarkeit des Befahrens des Hofraumes als des dienenden Gutes mittels zweispuriger PKWS. zugunsten des jeweiligen Eigentümers der derzeit dem Beklagten gehörigen Liegenschaft nicht bestehe und der Beklagte schuldig sei, ab sofort alle Handlungen zu unterlassen, die sich als Ausübung dieser Dienstbarkeit darstellten.

Das Erstgericht hat auf Einrede des Beklagten nach mündlicher Verhandlung das Klagebegehren wegen rechtskräftig entschiedener Streitsache zurückgewiesen.

Das Rekursgericht hat dem Rekurs des Klägers Folge gegeben und den angefochtenen Beschluß dahin abgeändert, daß die Einrede des Beklagten abgewiesen wurde.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das aus dem Nichtbestehen einer Dienstbarkeit sich ergebende allgemeine Fahrverbotsrecht und der ihm entsprechende Unterlassungsanspruch schließen auch das Recht, das Fahren mit PKWs. zu verbieten, und den entsprechenden Unterlassungsanspruch in sich. Es ist aber auch ein beschränktes Fahrrecht unter Ausschluß von PKWs. und dementsprechend als Korrelat ein beschränktes, auf PKWs. bezügliches Fahrverbotsrecht möglich, in welchem Fall nicht überhaupt jedes Fahrrecht verneint und nicht ein allgemeines Fahrverbot ausgesprochen werden kann. Es entsteht nun wie im Vorprozeß die Frage ob, wenn in einem solchen Fall ein allgemeines Fahrverbot beantragt wird, dieses Begehren zur Gänze abzuweisen oder ob dem Klagebegehren teilweise stattzugeben und als Minus ein beschränktes Fahrverbot auszusprechen ist. Wenn im Vorprozeß das in höchster Instanz erkennende Zweitgericht den ersten Weg gewählt und das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen hat, dann hat es damit nicht das Bestehen eines beschränkten, sondern nur das Bestehen eines allgemeinen Fahrverbotrechtes verneint. Es hat ausdrücklich erklärt, über den Umfang des mindestens in einem beschränkten Ausmaß bestehenden Fahrrechtes als nach dem Klagebegehren nicht prozeßgegenständlich, nicht zu entscheiden. Damit wurde der Standpunkt vertreten, daß das Begehren auf Feststellung des beschränkten Untersagungsrechtes nicht als Minus in dem Begehren auf Feststellung des allgemeinen Untersagungsrechtes enthalten, sondern ein Aliud, etwas anderes sei, was gemäß § 405 ZPO., als nicht beantragt, keinesfalls zugesprochen werden könne. Wenn aber über das auf PKWs. beschränkte Fahrverbotsrecht sachlich noch nicht entschieden, die Entscheidung darüber vielmehr, als durch das Klagebegehren nicht gedeckt, ausdrücklich abgelehnt wurde, kann von einer bereits rechtskräftig entschiedenen Streitsache nicht die Rede sein. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung SZ. XIII 54, auf die sich die zweite Instanz mit Recht berufen hat, ausgesprochen, daß der Umfang der Rechtskraftwirkung der Abweisung einer Negatorienklage aus den Gründen dieser Abweisung zu beurteilen ist, derart, daß die Rechtskraftwirkung so weit zu reichen hat, als bei der Abweisung vom Bestehen der mit der Klage bekämpften Servitut ausgegangen worden ist. Der Oberste Gerichtshof hält im vorliegenden Fall an dieser Rechtsansicht fest. Als die entscheidenden Abweisungsgrunde können nur die Gründe der in der Sache tätig gewordenen höchsten Instanz angesehen werden, da nur die höchste Instanz - allenfalls unter Abgehen von den von einer Unterinstanz gebrauchten Argumenten - auszusprechen befugt ist, wie und aus welchen Gründen die endgültige Entscheidung getroffen wird und wie sie zu verstehen, wie ihr Sinngehalt ist. Da nun im Vorprozeß das Berufungsgericht als höchste Instanz in den Gründen seines Urteiles ausdrücklich erklärt hat, die Entscheidung der Frage, ob sich das Fahrrecht auch auf PKWs. beziehe, offenzulassen, hat es diese Entscheidung nicht getroffen. Das berufungsgerichtliche Urteil im Vorprozeß kann daher bezüglich dieser Frage keine Rechtskraftwirkung haben.

Im Sinne obiger Darlegungen gehen die Ausführungen des Revisionsrekurses in der Richtung, daß für die Frage, ob ein Urteil ein bestätigendes sei, nur der Spruch und nicht auch die Begründung dieses Urteils maßgebend sei, ins Leere. Es unterliegt ja keinem Zweifel, daß im Vorprozeß das erstgerichtliche Urteil, das das behauptete allgemeine Fahrverbotsrecht verneint hat, vom Berufungsgericht bestätigt worden ist. Lediglich die Begründung der gleichlautenden Entscheidungen der beiden Instanzen ist nicht dieselbe. Während das Erstgericht in der Begründung seines Urteiles u. a. ausspricht, daß sich das Fahrrecht auch auf PKWs. erstrecke, also auch ein beschränktes Fahrverbot nicht als gerechtfertigt angesehen werden könne, erklärt das Berufungsgericht in den Gründen seiner Entscheidung, die Frage der Richtigkeit dieses erstgerichtlichen Standpunktes, die zu bezweifeln sei, offenzulassen, da die Tragweite des Klagebegehrens eine Entscheidung dieser Frage nicht als notwendig erscheinen lasse. Wie ausgeführt, sind bei der Beurteilung der Tragweite des Spruches im Hinblick auf seine Rechtskraftwirkung die Gründe des Berufungsgerichtes als der höchsten in der Sache tätig gewordenen Instanz maßgebend, und nach diesen Gründen ist im Vorprozeß durch die Abweisung des Klagebegehrens über die Frage, ob sich das Fahrrecht auch auf PKWs. erstrecke, nicht entschieden worden. Es ist dem Revisionsrekurs zuzugeben, daß das Berufungsgericht im Vorprozeß dem Klagebegehren und damit seiner bestätigenden Entscheidung einen anderen Sinn, eine andere Tragweite beigelegt hat als das Erstgericht, nämlich dahingehend, es werde mit dem Klagebegehren begehrt, festzustellen, daß ein Fahrrecht, wenn auch noch so beschränkten Inhaltes, überhaupt nicht bestehe, und den Beklagten schuldig zu erkennen, alle Handlungen, die sich als Ausübung irgendeines, wenn auch noch so beschränkten, Fahrrechtes darstellen, zu unterlassen. Es ist dem Revisionsrekurs weiter zuzugeben, daß der Beklagte diese Sinngebung und die damit verbundene Abschwächung der Rechtskraftwirkung nicht bekämpfen konnte. Das kann aber nichts an der nach den Gründen der berufungsgerichtlichen Entscheidung unbezweifelbaren Tatsache ändern, daß im Vorprozeß über die Berechtigung des Fahrens mit PKWs. nicht entschieden worden ist, weil die höchste im Vorprozeß tätig gewordene Instanz eine solche Entscheidung als nach dem Klagebegehren überflüssig erklärt hat. Ohne Entscheidung gibt es aber keine Rechtskraftwirkung.

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