OGH 4Ob162/17b

OGH4Ob162/17b24.10.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. E***** F*****, 2. W***** F*****, vertreten durch DDr. Wolfgang Doppelbauer, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei S***** S*****, vertreten durch Dr. Peter Balogh Rechtsanwalts KG in Wien, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 7 C 966/14i des Bezirksgerichts Josefstadt, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14. Dezember 2016, GZ 40 R 348/16x‑11, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00162.17B.1024.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen (§ 508a Abs 2 iVm § 528 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

Das Rekursgericht hob die erstgerichtliche Zurückweisung der von den Klägern erhobenen Wiederaufnahmsklage auf und trug dem Erstgericht die Durchführung des gesetzmäßigen Verfahrens auf. Die Wiederaufnahmsklage ziele jedenfalls erkennbar auf den Beweis, dass die von den Gerichten im wiederaufzunehmenden Verfahren festgestellte Vereinbarung im Jahr 2000 mit dem konkreten Inhalt, der zur Abweisung des Wertsicherungsbegehrens geführt habe, zwischen den Parteien des Vorverfahrens nicht getroffen worden sei. Dies würde zur Berechtigung des seinerzeitigen Klagebegehrens führen. Das von den Wiederaufnahmsklägern genannte neue Beweisthema stehe in einem rechtlich beachtlichen Zusammenhang mit dem wiederaufzunehmenden Verfahren. Die neuen Tatsachen und Beweismittel müssten nicht unmittelbar auf die rechtliche Beurteilung Einfluss nehmen, es genüge auch, wenn sie geeignet seien, eine wesentliche Änderung der Beweiswürdigung herbeizuführen, etwa, wenn sie die Glaubwürdigkeit eines Zeugen oder einer Partei berührten.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Wiederaufnahmsbeklagten, mit dem sie die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Klagezurückweisung anstrebt, zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO auf.

1. Eine Wiederaufnahme wegen neu aufgefundener Beweismittel kommt grundsätzlich nur dort in Frage, wo im Vorprozess eine bestimmte Tatsache zwar behauptet wurde, aber nicht bewiesen werden konnte und die neu aufgefundenen Beweismittel eben den Beweis dieser Tatsache erbringen sollen (RIS‑Justiz RS0040999). Sinn und Zweck der Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO ist es, eine unrichtige Tatsachengrundlage des mit der Wiederaufnahmsklage angefochtenen Urteils zu beseitigen (vgl RIS‑Justiz RS0039991). Gegenstand des Wiederaufnahmsverfahrens ist demnach der Streitgegenstand des Vorprozesses, über den das dortige Urteil ergangen ist (RIS‑Justiz RS0044741 [T1]; vgl 8 ObA 74/06z).

Die Auslegung des konkreten Prozessvorbringens einer Partei ist regelmäßig eine Frage des Einzelfalls, die– abgesehen von hier nicht vorliegender krasser Fehlbeurteilung – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 oder § 528 Abs 1 ZPO begründet (RIS‑Justiz RS0042828). Das von den Klägern aufgefundene Schriftstück, auf das sie ihr Wiederaufnahmsbegehren stützen, betrifft die im Vorprozess als entscheidend angesehene (und vom Gericht bejahte) Frage, ob im Jahr 2000 ein neuer mündlicher Mietvertrag (ohne Wertsicherungsvereinbarung) zustande gekommen ist. Sollte diese Tatsachengrundlage unrichtig sein, wäre der Jahre zuvor unter Einschluss einer Wertsicherungsvereinbarung geschlossene Mietvertrag noch aufrecht und geeignet, das seinerzeitige Klagevorbringen (Ansprüche auf Wertsicherungsbeträge) zu stützen.

2. Die Rechtsmittelklagen stehen trotz ihrer selbständigen Gestaltung in unlösbarem Konnex mit dem Vorprozess; die Klagelegitimation für die Rechtsmittelklagen entspricht daher vollständig der Rechtsmittellegitimation. Aktiv und passiv legitimiert sind somit die Parteien des Vorprozesses; bei Rechtsnachfolge gilt, dass die Gesamtrechtsnachfolger unstreitig klagelegitimiert sind (8 Ob 78/09t mwN; vgl 3 Ob 72/08x). Die Klagelegitimation für die Wiederaufnahmsklage stellt schlicht auf die formelle Parteistellung im Vorprozess ab (2 Ob 2276/96m mwN). Dass die Vorinstanzen bei Beurteilung der Aktivlegitimation der Wiederaufnahmskläger ausschließlich auf das Prozessrechtsverhältnis und nicht etwa auf die materiell‑rechtliche Vermieterposition abgestellt haben, entspricht daher der Rechtsprechung.

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