OGH 4Ob151/19p

OGH4Ob151/19p21.2.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Priv.‑Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin K***** GmbH, *****, vertreten durch Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Beklagten 1. K***** AG, *****, 2. DI S***** P*****, beide vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, wegen Unterlassung (Streitwert 90.000 EUR), Beseitigung (Streitwert 5.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 5. Juni 2019, GZ 2 R 73/19x-31, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00151.19P.0221.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin erzeugt unter der Marke K***** Fahrräder. Konzerngesellschaften der Erstbeklagten, deren Vorstand der Zweitbeklagte ist, erzeugen unter der Marke K***** Motorräder.

Die Rechtsvorgänger der Streitteile haben im Jahr 1991 jeweils die Sparte Fahrrad (Kläger) und Motorrad (Beklagte) aus der Insolvenz der K***** AG erworben. Die K*****-Markenrechte wurden an die Rechtsvorgängerin der Erstbeklagten übertragen und diese räumte dem Rechtsvorgänger der Klägerin eine auf die Herstellung von Fahrrädern eingeschränkte Lizenz für die Marke K***** kostenlos ein. Im Jahr 1995 wurde im Zuge von gerichtlichen Streitigkeiten geklärt, dass es sich dabei um eine zeitlich unbeschränkte und ausschließliche Lizenz handelt. 1997 wurde sodann ein Lizenzvertrag abgeschlossen, worin sich die Beklagtenseite verpflichtete, das Schlagwort K***** und ihre Markenrechte nicht in der Sparte Fahrrad, in welcher Art immer, auch nicht als Firmenbestandteil, zu nutzen.

Im Jahr 2017 erwarb die Erstbeklagte eine Beteiligung von 49,9 % an einem in der Fahrradbranche tätigen Unternehmen. Der Zweitbeklagte präsentierte auf einer Pressekonferenz auf der Fahrradmesse EUROBIKE 2017 in Friedrichshafen den Einstieg der Erstbeklagten in den Fahrradmarkt und es wurden entsprechende Pressemitteilungen gestaltet.

Im Jahr 2018 wurde von Beklagtenseite die außerordentliche Kündigung des Lizenzvertrags ausgesprochen und unter Berufung darauf eine Klage gegen die Klägerin dieses Verfahrens beim Handelsgericht Wien eingebracht, mit der diese unter anderem zur Unterlassung der Herstellung von S-Pedelecs (das sind Elektrofahrräder, deren Motoren bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h das Treten unterstützen) verhalten werden sollte. Die Klage wurde abgewiesen (vgl 4 Ob 87/19a).

Mit der gegenständlichen Klage begehrt die Klägerin unter anderem (soweit in dritter Instanz noch von Relevanz), die Beklagten schuldig zu erkennen, im geschäftlichen Verkehr die Firma K***** AG und die Internetdomain www.k *****.at der Erstbeklagten binnen drei Monaten so zu ändern, dass darin kein Zeichen mit der Buchstabenfolge „K*****“ mehr enthalten ist, und kein Zeichen mit der Buchstabenfolge „K*****“ mehr in die Firma und/oder in die Internetdomain neuerlich aufzunehmen, solange die Erstbeklagte direkt oder indirekt an einem Unternehmen beteiligt ist, das in der Fahrradbranche tätig ist, wobei der Begriff „Fahrradbranche“ – für diesen und für alle nachfolgenden Punkte des Urteilsspruchs – alle oder einzelne der nachfolgenden Tätigkeiten umfasst: die Herstellung, die Bewerbung und/oder den Vertrieb von Fahrrädern, einschließlich solcher mit Elektromotoren, von Fahrradbestand- und -ersatzteilen sowie von Fahrradzubehör, Fahrradbekleidung und Bekleidungszubehör, wie insbesondere Helmen, Taschen, Schuhen. Weiters seien die Beklagten schuldig, im geschäftlichen Verkehr ab sofort die Verwendung des Zeichens K***** in der Fahrradbranche zu unterlassen, wenn und insoweit die Verwendung des Zeichens – wenn auch nur als Nebeneffekt einer wahrheitsgemäßen Darstellung der Beteiligungsverhältnisse der Erstbeklagten an einem Fahrräder produzierenden Unternehmen in welcher Form auch immer (insbesondere durch den Hinweis „an associated brand of K***** AG“ auf Werbe-, Informations- und/oder Präsentationsunterlagen) – zur Bewerbung von Produkten eines in der Fahrradbranche tätigen Unternehmens führen kann, nämlich im Zusammenhang mit der Bewerbung solcher Produkte dienenden Pressekonferenzen, öffentlichen Präsentationen oder in sonstigen an ein Publikum gerichteten Informationsformen.

Die Beklagten wendeten im Wesentlichen ein, die Erstbeklagte halte nur eine Minderheitsbeteiligung am Fahrradunternehmen, sodass kein Verstoß gegen den Lizenzvertrag gegeben sei. Im Übrigen sei der Lizenzvertrag von Beklagtenseite aufgekündigt worden.

Das Erstgericht gab der Klage statt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die der Klägerin zum Vorwurf gemachten Verstöße gegen den Lizenzvertrag seien keine ausreichende Grundlage für dessen außerordentliche Kündigung. Die Klägerin könne sich daher auf den Lizenzvertrag aus 1997 stützen. Die Beklagtenseite habe sich darin verpflichtet, das Schlagwort K***** nicht in der Sparte Fahrrad, in welcher Art auch immer, auch nicht als Firmenbestandteil, zu nutzen. Dem Erstgericht sei darin zu folgen, dass der Fall einer (bloßen) Beteiligung der „Motorradsparte“ an einem Fahrräder produzierenden Unternehmen nicht ausdrücklich geregelt worden sei; durch die generalklauselartige Formulierung „in welcher Art immer“ finde aber auch dieser Fall Deckung im Verbot. Es liege ein sittenwidriger Versuch vor, die aus dem Lizenzvertrag erwachsene Verpflichtung durch Umfirmierung und Beteiligung zu umgehen. Die entsprechende Wissenszurechnung erfolge durch die Multiorganfunktion des Zweitbeklagten. Der gegenständliche Fall unterscheide sich von jenem zu EuGH C-661/11 , Martin Y Paz,dadurch, dass hier lizenzvertragliche Regelungen schriftlich niedergelegt worden seien und dieser Vertrag auch einen Verzicht der Beklagten auf die Nutzung des Schlagworts K***** im Fahrradbereich enthalte, der über eine einfache Lizenzgewährung hinausgehe.

Die Beklagten beantragen mit ihrer außerordentlichen Revision, die Klage zur Gänze abzuweisen. Das Berufungsgericht habe den tragenden Verfahrensgrundsatz der Unmittelbarkeit verletzt, indem es in der Frage des Rechteerwerbs der Rechtsvorgänger der Klägerin im Insolvenzverfahren von den Feststellungen des Erstgerichts ohne Beweiswiederholung abgewichen sei. Weiters habe es gegen die Rechtsprechung des EuGH zu C‑661/11, Martin Y Paz, verstoßen, wonach der Markeninhaber die Zustimmung zur Markenbenutzung durch den Lizenznehmer jedenfalls zurückziehen dürfe. Bei Zweifeln an der Anwendbarkeit des Unionsrechts wäre ein Vorabentscheidungsersuchen zu stellen (gewesen).

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigen die Revisionswerber keine erheblichen Rechtsfragen auf:

1.1. Ein dem Berufungsgericht unterlaufener Verfahrensverstoß bildet nur dann einen Revisionsgrund nach § 503 Z 2 ZPO, wenn er abstrakt geeignet war, eine unrichtige Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz herbeizuführen. Diese Behauptung hat der Rechtsmittelwerber aufzustellen (RS0043027 [T1], RS0043049).

1.2. Die Revisionswerber führen jedoch bloß ganz allgemein aus, dass der behauptete Verfahrensfehler von Bedeutung sei, weil das Berufungsgericht davon ausgehe, die EuGH-Entscheidung Martin Y Paz sei nicht anwendbar, weil die hier zu beurteilende Lizenz und Lizenzeinräumung unter besonderen, nicht vergleichbaren Voraussetzungen erfolgt sei. Die Revision legt jedoch nicht detailliert dar, inwieweit sich konkret an dieser rechtlichen Beurteilung etwas geändert hätte, hätte das Berufungsgericht die nach den Behauptungen fehlerhaft zustande gekommenen ergänzenden Feststellungen nicht getroffen.

2.1. Laut C-661/11 , Martin Y Paz, muss dem Markeninhaber die Möglichkeit bleiben, im Rahmen einer mit einem Dritten geteilten Verwertung der Marke dem Dritten sein ausschließliches Recht aus dieser Marke entgegenzuhalten.

2.2. Der diesem Judikat zugrundeliegende Sachverhalt ist – wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt – nicht unmittelbar mit dem hier gegenständlichen zu vergleichen. Dort räumte der Erwerber einer Gesellschaft Martin Y Paz das Recht ein, den Namen „Nathan“ für Kleinlederwaren zu verwenden. Der Erwerber registrierte erst danach das Zeichen „Nathan“ als Marke und verkaufte sodann das Geschäft samt den Marken an einen Dritten, der sodann mit Martin Y Paz eine rechtliche Auseinandersetzung führte. Die Beziehungen dieser Parteien wurden somit – anders als im hier entschiedenen Anlassfall – nicht durch einen Lizenzvertrag geregelt, sondern es handelte sich dort um eine geteilte Verwertung aufgrund einer bloßen Gestattungsabrede, aus der sich nur ein relativ dünner Bindungswille des Zeicheninhabers ableiten lässt (vgl Haybäck in Staudegger/Thiele [Hrsg], Jahrbuch Geistiges Eigentum [2015] Markenanmeldung und Lizenzvertrag, 174 ff [182]).

2.3. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Art „Branchenaufteilungsvertrag“. Der gegenständliche Lizenzvertrag aus 1997 regelt die bereits zuvor bestehende Abgrenzung zwischen dem Motorrad- und dem Fahrradbereich näher. Die Beklagten- (bzw Motorrad-)seite war nie im Fahrradbereich tätig. Eine Nutzung der Marke K***** für diesen Bereich steht ihr aufgrund des Vertragsverhältnisses zwischen den Streitteilen nicht zu. Diese vertraglich festgelegte Einschränkung der Beklagtenseite bedeutet keine Einschränkung der mit einer Marke verbundenen Ausschließungsrechte, zumal ihr solche im Motorradbereich zur Gänze zustehen.

2.4. Die Vorinstanzen sind vom Fortbestand des Lizenzvertrags ausgegangen. Die Beklagten zeigen nicht auf, dass dieses Ergebnis gegen die Entscheidung des EuGH zu Martin Y Paz verstößt. Insoweit bedarf es daher keiner Anrufung des EuGH im Wege der Vorabentscheidung.

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