OGH 4Ob14/21v

OGH4Ob14/21v23.2.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** M*****, vertreten durch Dr. Erich Kroker und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei J***** P*****, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Aufhebung und Rückabwicklung eines Vertrags (Streitwert 35.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 3. Dezember 2020, GZ 3 R 138/20i‑28, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00014.21V.0223.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger tauschte seinen PKW mit dem Beklagten gegen dessen Motorrad. Vor Unterfertigung des Tauschvertrags war dem Kläger bekannt, dass es sich um ein umgebautes Motorrad ua mit einem anderen Rahmen handelt und dieses Fahrzeug über keine gültige Betriebserlaubnis verfügt. Das Bestehen einer solchen Erlaubnis wurde vom Beklagten auch nie zugesichert. Zwischen den Parteien wurde vielmehr vereinbart, dass sich der Kläger selbständig um die Typisierung der Umbauten kümmern solle. Der Beklagte bot dem Kläger auch die Übergabe des Originalrahmens an.

[2] Eine nachträgliche Typisierung des Motorrads mit dem umgebauten Rahmen ist grundsätzlich mit einer Einzelbewilligung unter Inanspruchnahme einer „Härtefallregelung“ möglich. Es kann nicht festgestellt werden, ob die Behörde hier eine derartige Einzelbewilligung erteilt. Der Kläger hat einen solchen Antrag bislang nicht gestellt.

[3] Der Kläger begehrt die Aufhebung und Rückabwicklung des Vertrags. Soweit für das Revisionsverfahren noch von Relevanz stützt sich der Kläger auf einen vom Beklagten veranlassten Irrtum, der diesem auch auffallen hätte müssen. Der Beklagte sei vom Kläger nicht über die fehlende Typisierung des Sonderrahmens und das damit verbundene Fehlen der Betriebserlaubnis aufgeklärt worden. Der Beklagte habe ihm gegenüber auch verschwiegen, dass de facto keine Möglichkeit zur nachträglichen Typisierung bestehe.

[4] Der Beklagte wandte ein, dass er den Kläger ausdrücklich über die im Typenschein nicht eingetragenen Umbauarbeiten aufgeklärt habe: Es sei vereinbart worden, dass der Kläger selbst die (nachträgliche) Typengenehmigung für das Fahrzeug zu veranlassen bzw zu beantragen habe.

[5] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Anknüpfend an den eingangs referierten Sachverhalt verneinten sie das Vorliegen eines Irrtums. Dem Kläger sei bewusst gewesen, dass das Motorrad über keine gültige Betriebserlaubnis verfügte und er sich selbständig um die Typisierung der nicht verbauten Teile kümmern müsse. Das Berufungsgericht wies darauf hin, dass eine Typisierbarkeit grundsätzlich noch möglich sei. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[6] In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[7] 1. Der Kläger macht geltend, er habe ausreichend vorgebracht, dass eine Typisierung nicht mehr möglich sei. Seine entsprechenden Ausführungen in der Berufung seien daher keine unzulässigen Neuerungen. Das kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels schon deshalb nicht begründen, weil das Berufungsgericht den behaupteten Irrtum im Sinne des klägerischen Vorbringens ohnedies umfassend geprüft hat und dabei nicht nur auf das Fehlen der (aktuellen) Typisierung, sondern auch auf die Möglichkeit einer (nachträglichen) Typisierung eingegangen ist.

[8] 2. Der geltend gemachte Anspruch ist hier nicht davon abhängig, ob man die Unmöglichkeit der (nachträglichen) Typisierung (im Sinne des vom Berufungsgericht gebrauchten Zusatzarguments) als Motivirrtum oder (im Sinne des Klägers) als Geschäftsirrtum qualifiziert. Selbst wenn man Letzteres bejaht (vgl 9 Ob 10/15h), wäre für den Kläger nichts gewonnen, sodass seine Ausführungen mangels Relevanz nicht erheblich im Sinne des § 502 ZPO sind (RIS‑Justiz RS0088931). Der im Anlassfall vom Kläger behauptete Irrtum (also eine unrichtige Vorstellung von der Wirklichkeit, vgl RS0014911; RS0016229) über die Möglichkeit einer nachträglichen Typisierung kann erst dann vorliegen, wenn eine solche tatsächlich ausgeschlossen ist. Es konnte aber nicht festgestellt werden, ob von der Behörde die grundsätzlich mögliche Einzelbewilligung auch erteilt wird. Die Beweislast für die Voraussetzungen der Irrtumsanfechtung, somit auch für das Vorliegen eines beachtlichen Irrtums, liegt nach gesicherter Rechtsprechung beim Anfechtenden (RS0098986 [T8]; RS0014792). Wenn die Vorinstanzen daher davon ausgingen, dass die getroffene Negativfeststellung zu Lasten des Klägers geht, hält sich das im Rahmen der Rechtsprechung.

[9] 3. Auch der zu den Themen der Typisierbarkeit des Motorrads und zum entsprechenden Kenntnisstand des Klägers geltend gemachte Vorwurf eines rechtlichen Feststellungsmangels zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[10] 3.1 Die Feststellungsgrundlage ist nur dann mangelhaft, wenn Tatsachen fehlen, die für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind und dies Umstände betrifft, die nach dem Vorbringen der Parteien und den Ergebnissen des Verfahrens zu prüfen waren (RS0053317). Wenn zu einem bestimmten Thema Tatsachenfeststellungen getroffen wurden, mögen diese auch von den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers abweichen, können diesbezüglich keine rechtlichen Feststellungsmängel erfolgreich geltend gemacht werden (RS0053317 [T1]).

[11] 3.2 Es steht fest, dass eine aufrechte Betriebserlaubnis des Motorrads nicht vorlag, dies dem Kläger auch bekannt war und er dessen ungeachtet mit dem Tausch einverstanden war. Wenn das Berufungsgericht deshalb von einer ausreichenden Tatsachengrundlage ausgegangen ist, bedarf das keiner Korrektur durch eine gegenteilige Sachentscheidung.

[12] 3.3 Auch zur möglichen Typisierung des (ganzen) Motorrads hat das Berufungsgericht das Vorliegen eines Feststellungsmangels vertretbar verneint. Die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall ist regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RS0118891). Wenn das Berufungsgericht die erstgerichtlichen Feststellungen („Typisierbarkeit des Rahmens“) zwar als sprachlich unpräzise qualifizierte, aber dahin auslegte, dass das Motorrad als solches noch typisiert werden kann, weshalb es einen rechtlichen Feststellungsmangel verneinte, hält sich das im Rahmen seines Auslegungsspielraums. Insoweit der Kläger davon ausgeht, es stehe fest, dass das Motorrad (gar) nicht mehr typisierbar ist bzw war, entfernt er sich von den Feststellungen.

[13] 4. Schließlich tangiert auch das Argument, dass dem Kläger die Erlangung einer Zulassung nicht zumutbar sei, weil es sich um eine gewöhnlich vorliegende Eigenschaft handle, keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO. Die vom Kläger in diesem Zusammenhang zitierte (zweitinstanzliche) Judikatur zur Zumutbarkeit der Verbesserung einer mangelhaften Sache ist hier nicht einschlägig. Im Anlassfall sagte der Kläger zu, sich um die noch fehlende Typisierung zu kümmern, weshalb die aufrechte Zulassung hier gerade keine geschuldete Eigenschaft war (4 Ob 105/18x [Pkt 4.2]), sodass sich die zur Zumutbarkeit hier aufgeworfenen Fragen nicht stellen.

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