European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00140.24B.1217.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiete: Gewerblicher Rechtsschutz, Zivilverfahrensrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurswird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin, eine Körperschaft öffentlichen Rechts mit Sitz in Wien, hat gemäß § 18 Z 2 ZÄKG für die Wahrung des Berufs- und Standesansehens und der Berufs- und Standespflichten des zahnärztlichen Berufs zu sorgen.
[2] § 35 ZÄG regelt ua ein Verbot standeswidrigen Verhaltens (Abs 1) sowie Werbebeschränkungen (Abs 2). Demnach haben Angehörige des zahnärztlichen Berufs im Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung ein Verhalten zu unterlassen, wenn es geeignet ist, das Ansehen des Berufsstandes zu beeinträchtigen oder Interessen des Berufsstandes zu schädigen, und haben sich jeder unwahren, unsachlichen, diskriminierenden oder das Ansehen des Berufsstandes beeinträchtigenden Anpreisung oder Werbung ihrer zahnärztlichen Leistungen zu enthalten.
[3] Gemäß § 35 Abs 5 ZÄG ist die klagende Kammer befugt, nähere Vorschriften über die Art und Form dieses Verhaltens zu erlassen. Ihre hier anwendbaren „Werberichtlinien“ idF 11. 12. 2015 regeln in Art 1, dass einem Angehörigen des zahnärztlichen Berufs jedes unsachliche, unwahre, diskriminierende oder das Ansehen des Berufsstandes beeinträchtigende Anpreisen oder Bewerben seiner zahnärztlichen Leistungen in der Öffentlichkeit, in den Print- und digitalen Medien untersagt ist. Gemäß Art 3 lit c WerbeRL liegt ein das Ansehen des Berufsstandes beeinträchtigendes Anpreisen oder Bewerben zahnärztlicher Leistungen ua vor „bei Selbstanpreisung der eigenen Person oder Leistungen durch aufdringliche bzw marktschreierische Darstellung“. Gestattet ist einem Angehörigen des zahnärztlichen Berufs – unter Beachtung der Bestimmungen der WerbeRL – insbesondere die Information über die eigenen (zahn‑)medizinischen Tätigkeitsgebiete, die er aufgrund seiner Aus- und Fortbildung beherrscht (Art 4 lit a); sowie die Information über eine unmittelbar bevorstehende Ordinationseröffnung (Art 4 lit e).
[4] Gemäß Art 5 lit a WerbeRL hat ein Angehöriger des zahnärztlichen Berufs zudem in zumutbarer Weise dafür zu sorgen, dass jedes unsachliche, unwahre, diskriminierende oder das Ansehen des Berufsstandes beeinträchtigende Anpreisen oder Bewerben seiner zahnärztlichen Leistungen durch Dritte, insbesondere durch Medien, unterbleibt. Nach Art 5 lit b ist die Erwähnung des Namens des Angehörigen des zahnärztlichen Berufs und der nach dem ZÄG zulässigen Bezeichnung erlaubt, „hingegen sind die reklamehafte Nennung des Namens oder die gleichzeitige Schaltung eines Inserats im selben Medium untersagt“.
[5] Der Beklagte betreibt als Zahnarzt seine Erstordination in * und seine Zweitordination in *. Er bewarb seine zahnärztliche Tätigkeit in seiner Zweitordination in der „* Bürgerinfo“, welche als amtliche Mitteilung von der Stadtgemeinde an sämtliche Haushalte der Stadt gratis postalisch verteilt wird, mit folgendem Text:
„ PRIVATZAHNARZT
Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass * seine zweite Praxis eröffnet hat. Während seine bestehende Kassenordination in * weiterhin betrieben wird, übt er zusammen mit seiner Frau seinen Schwerpunkt Implantologie in der * Ordinations- und Apparaten-Gemeinschaftspraxis * aus.
* ist seit vielen Jahren in der Zahnmedizin tätig und hat umfangreiche Erfahrung auf dem Gebiet der Implantologie und Prothetik. Mit großer Leidenschaft und Fachwissen strebt er danach, jedem Patienten individuelle Lösungen für seine spezifischen Zahngesundheitsbedürfnisse zu bieten.
In * ermöglicht * mit seinem Team, ein breiteres Spektrum an zahnärztlichen Behandlungen anzubieten. Von der chirurgischen Phase, über die Implantation, bis hin zur Anfertigung des Zahnersatzes, erfolgt alles aus einer Hand. Die Praxis * heißt Sie herzlich willkommen und freut sich darauf, Ihnen ein strahlendes Lächeln zu schenken. Termine können Sie gerne per WhatsApp, telefonisch * oder per Mail * vereinbaren.“
[6] Der Text entsprach von Schriftbild, Schriftgröße und Aufmachung einem (redaktionellen) Artikel über das richtige Sammeln von Bioabfall auf derselben (vorletzten) Seite der „Bürgerinfo“. Weder waren Passagen daraus, insbesondere der Name des Beklagten und/oder Kontaktdaten, optisch hervorgehoben, noch war der Artikel bebildert. Verfasst wurde der Text unstrittig von der Ehefrau des Beklagten.
[7] Die Klägerin begehrt, gestützt auf § 1 UWG, § 35 ZÄG und Art 5 lit b WerbeRL, den Beklagten für schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, in Printmedien, beispielsweise in der * Bürgerinfo, in redaktionell gestalteten Beiträgen seinen Namen und seine Kontaktdaten, unter denen Behandlungstermine vereinbart werden können, durch Ankündigungen, in denen ihm langjährige Tätigkeit in der Zahnmedizin und umfangreiche Erfahrung auf dem Gebiet der Implantologie und Prothetik, große Leidenschaft und Fachwissen attestiert werden, und/oder durch Ankündigungen, dass der Beklagte mit großer Leidenschaft und Fachwissen danach strebe, jedem Patienten individuelle Lösungen für seine spezifischen Zahngesundheitsbedürfnisse zu bieten, dass die Leser in der Praxis des Beklagten herzlich willkommen geheißen werden, und dass man sich in der Praxis darauf freue, den Lesern ein strahlendes Lächeln schenken zu dürfen, und/oder durch sinngemäß gleiche Ankündigungen in reklamehafter Weise nennen zu lassen. Zur Sicherung ihres Unterlassungsanspruchs beantragt sie die Erlassung einer sinngleichen einstweiligen Verfügung.
[8] Während das Erstgericht das Verbot antragsgemäß erließ, weil die Namensnennung im Gesamtzusammenhang in reklamehafter Weise iSd Art 5 lit b WerbeRL erfolgt sei, gab das Rekursgericht einem Rekurs des Beklagten Folge und wies den Sicherungsantrag ab. Werbebeschränkungen seien unter Berücksichtigung des Grundrechtsvorbehalts des Art 10 Abs 2 EMRK und ihres Zwecks auszulegen. Eine unzulässige „reklamehafte Namensnennung“ könne nicht schon dann angenommen werden, wenn ein Anreiz zur Inanspruchnahme der Leistungen des genannten Zahnarztes gesetzt werde, sondern sei als eine mit aufdringlichen Mitteln durchgeführte Anpreisung zu verstehen. Auch wenn Art 5 lit b WerbeRL eingeführt worden sei, um eine Umgehung der für die Zeitungsanzeigen bestehenden Beschränkungen in redaktionellen Artikeln zu verhindern, verbiete Art 3 lit c WerbeRL nur eine Selbstanpreisung in aufdringlicher bzw marktschreierischer Weise. Zwar enthalte derArtikel über die Eröffnung des zweiten Ordinationsstandorts einen „werblichen Überschuss“, weder der Text, noch dessen Aufmachung oder dieArt der Verbreitung würden aber das Standesansehen beeinträchtigen.
[9] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs im Hinblick auf bereits bestehende höchstgerichtliche Rechtsprechung zu (zahn‑)ärztlichen Werbebeschränkungen nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
[10] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin, mit dem sie die Wiederherstellung der vom Erstgericht erlassenen einstweiligen Verfügung anstrebt, ist mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO iVm §§ 402 Abs 4, 78 Abs 1 EO unzulässig und daher zurückzuweisen.
[11] 1. Zu prüfen ist hier entgegen der Argumentation der Klägerin nicht, ob eine lauterkeitsrechtlich verpönte „Werbung“ iSd UWG vorliegt, insbesondere eine marktschreierische oder sonst irreführende Ankündigung nach § 2 UWG (oder eine aggressive Geschäftspraktik nach § 1a UWG), sondern der Rechtsbruchtatbestand der Generalklausel des § 1 UWG iVm § 35 ZÄG und der WerbeRL (vgl RS0089509, RS0089508).
[12] 2.1 Nach der Rechtsprechung zu Art 10 EMRK darf kommerzielle Werbung schärferen Einschränkungen unterworfen werden als etwa der Ausdruck politischer Ideen. Werbebeschränkungen für (Zahn-)Ärzte werden von der Rechtsprechung als zulässig angesehen, weil sie nicht nur im Interesse der Ärzte liegen, sondern vor allem im Interesse der Allgemeinheit, sich bei der Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen von sachlichen Erwägungen leiten zu lassen (vgl RS0108834; ausführlich 4 Ob 66/17k – Augenzentrum).
[13] 2.2 § 35 ZÄG enthält aber kein absolutes Werbeverbot. Nur eine unwahre, unsachliche, diskriminierende oder das Ansehen des Berufsstandes beeinträchtigende Anpreisung oder Werbung wird untersagt (vgl auch § 53 Abs 1 ÄrzteG; RS0108834).
[14] Die auf Grundlage von § 35 Abs 5 ZÄG und § 19 Abs 2 Z 3 ZÄKG erlassenen Werberichtlinien, sohin auch Art 5 lit b WerbeRL, sind (nur) eine Konkretisierung dieser Vorschrift (vgl RS0108833).
[15] 2.3 Standeswidrig ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs etwa die Selbstanpreisung der eigenen Person oder Darstellung der eigenen ärztlichen Tätigkeit durch reklamehaftes Herausstellen in aufdringlicher, marktschreierischer Weise, weil sie mit der Vorstellung unvereinbar ist, die sich mit dem Bild des Arztes in der Öffentlichkeit verbindet (vgl RS0089505). So können zB Ankündigungen das Standesansehen beeinträchtigen, wenn durch Übertreibungen die Aufmerksamkeit auf die Ordination gelenkt werden soll, oder wenn die Art ihrer Verbreitung aufdringlich ist (vgl RS0089509, RS0111854). Auch darf keine ungerechtfertigte Erwartung erweckt oder unsachlicher Druck zur raschen Inanspruchnahme ausgeübt werden (RS0089509 [T3, T5, T8]).
[16] 3. Die Wertung des Rekursgerichts, dass der hier zu beurteilende Text zwar werbliche Elemente enthalte, aber noch keine „reklamehafte Nennung des Namens“, die das Standesansehen in diesem Sinne beeinträchtigen würde, bewegt sich damit im Rahmen der ständigen Rechtsprechung zu § 35 ZÄG und des den Gerichten im Einzelfall notwendiger Weise zukommenden Beurteilungsspielraums (vgl auch 4 Ob 153/12x, 4 Ob 171/13w).
[17] Dem Argument, dass Art 5 lit b WerbeRL einen „Umgehungsschutz“ normiere, hielt bereits das Rekursgericht entgegen, dass auch das Verbot der Selbstanpreisung nach Art 3 lit c WerbeRL nur bei eineraufdringlichen bzw marktschreierischen Darstellung greift. Eine Umgehung der Vorschriften zur Größe und Anzahl von Anzeigen in einem Printmedium (Art 4 lit e iVm Art 5 lit c und d WerbeRL) macht die Klägerin nicht geltend.
[18] Schließlich wäre eine Verletzung standesrechtlicher Werberegeln auch nur dann ein unlauterer Rechtsbruch, wenn sie auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruhen würde (vgl RS0130682, RS0089508).
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