OGH 4Ob117/99f

OGH4Ob117/99f18.5.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Steiermärkische Rechtsanwaltskammer, Graz, Salzamtsgasse 3, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Dr. Franz L*****, vertreten durch Neudorfer Griensteidl Hahnkamper & Stapf Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert nach RAT 500.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 11. Februar 1999, GZ 6 R 11/99f-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 27. November 1998, GZ 18 Cg 210/97w-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung unter Einschluß der bestätigten Aussprüche insgesamt wie folgt zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Verbreitung einer Postwurfsendung insbesondere in J***** zu unterlassen, wenn darin für die Raiffeisenbank G*****, geworben wird.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Abhaltung von Amtstagen in den Räumlichkeiten der Raiffeisenbank G*****, zu unterlassen, sofern nicht die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 NO vorliegen; die beklagte Partei sei schuldig, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Verbreitung einer Postwurfsendung insbesondere in J***** wie jener, die der Klage beigelegt ist, ganz allgemein und insbesondere dann zu unterlassen, wenn dabei auf der Vorderseite die Person des Beklagten reklamehaft durch ein Foto des Beklagten auf der Vorderseite, halbseits in Größe DIN-A4 hervorgehoben wird und darin eine kostenlose Rechtsberatung bzw. kostenlose "Erste Rechtsauskunft" angekündigt wird, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 62.192,80 S (darin 10.365,46 S USt) bestimmten anteiligen Prozeßkosten binnen 14 Tagen zu ersetzen. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.148,33 S bestimmte anteilige Pauschalgebühr binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 34.036 S (darin 5.672,66 S USt) bestimmten anteiligen Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.975 S bestimmten anteiligen Pauschalgebühren des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist Notar und hat seinen Amtssitz in G*****. Er ist nach der Einteilung des Gerichtskommissariates für die Bezirke G***** und G*****-Umgebung außerhalb seines Amtssitzes auch für die Marktgemeinde J***** zuständig. Mit Bescheid vom 23. 4. 1997 verpflichtete die Notariatskammer für Steiermark den Beklagten gem § 31 Abs 2 NO, periodische Amtstage in der Marktgemeinde J*****abzuhalten; der Beklagte hatte zuvor ein entsprechendes Ansuchen gestellt. Seit 4. 4. 1997 hält der Beklagte die ihm aufgetragenen Amtstage jeden Freitag von 15 bis 16 Uhr, in deren Verlauf er nicht nur seine Aufgaben gem § 1 NO wahrnimmt, sondern auch Angelegenheiten gem § 5 NO erledigt. Er benützt dazu ein Besprechungszimmer, das sich ebenerdig im Gebäude der Raiffeisenbank G*****, befindet. Dieses Zimmer dient nicht dem Kundenverkehr der Bank und ist vom Haupteingang der Bank über den Schalterraum erreichbar. Das Besprechungszimmer wird dem Beklagten kostenlos und nur während des Amtstages zur Verfügung gestellt; Parteien werden dem Beklagten von der Bank nicht zugewiesen.

Im Mai 1997 ließ der Beklagte aus Anlaß der Aufnahme seiner Amtstagstätigkeit ein einziges Mal eine Postwurfsendung an alle Haushalte der Gemeinde J***** verteilen. Es handelte sich um ein Blatt im Format DIN A4; auf der linken Hälfte der Vorderseite befand sich ein Foto des Beklagten, rechts daneben wurde unter der Überschrift "Zu Ihren Diensten" neben Name und Kanzleianschrift des Beklagten die Abhaltung eines ständigen Amtstages mit kostenloser Rechtsberatung für die Bewohner der Gemeinde J***** ankündigt sowie Zeit und Ort des Amtstages bekanntgegeben. Auf der Rückseite stellte der Beklagte seine Kanzlei in G***** und deren Mitarbeiter vor und teilte mit, daß er zufolge gerichtlicher Anordnung für die notarielle Betreuung der Gemeinde in Gerichtskommissionssachen zuständig ist; da es die verantwortlichen Organe der Gemeinde abgelehnt hätten, ihm zu ermöglichen, die in diesem Zusammenhang angebotene kostenlose Rechtsberatung in Räumen des Gemeindeamtes vorzunehmen, habe sich die Geschäftsleitung der Raiffeisenbank G***** sofort bereit erklärt, ihm diese Möglichkeit in der Bankstelle J***** einzuräumen. Es folgte eine Aufzählung der von ihm angebotenen Bereiche notarieller Dienstleistungen und ein Hinweis auf seine Verschwiegenheitspflicht und die Unentgeltlichkeit der ersten Rechtsauskunft. Den Abschluß der Rückseite bildete eine rund 4,5 cm breite Werbeleiste mit dem Logo der Raiffeisenbank und dem Text "Raiffeisen. Die Bank. Bankstelle J*****".

Mit Beschluß der Notariatskammer für Steiermark vom 28. 1. 1998 wurde das infolge Selbstanzeige des Beklagten gegen ihn eingeleitete Ordnungsstrafverfahren gem § 163 NO eingestellt. In der Begründung dieses Beschlusses wurde ausgeführt, daß es sich um keine Standespflichtverletzung handle, wenn der Beklagte in Erfüllung einer ihm bescheidmäßig auferlegten Verpflichtung Amtstage in J***** abhalte; auch überschreite die vom Beklagten veranlaßte Postwurfsendung den Rahmen der einem Notar erlaubten Werbung nicht. Es stehe einem Notar frei, welche Räume er für Amtstage verwende; handle es sich dabei um Räume einer örtlichen Bank, die dem Notar dafür keine Vermögenszuwendung leiste und keine Werbung für ihn betreibe, könne darin keine standeswidrige Verbindung mit Berufsfremden gesehen werden. Es liege im Interesse der Bevölkerung und eines leichteren Zugangs zum Recht, wenn Amtstage in zentral und verkehrsgünstig gelegenen Räumlichkeiten abgehalten würden. Der Hinweis auf die Unentgeltlichkeit der ersten Rechtsauskunft entspreche einer Empfehlung der Österreichischen Notariatskammer und des Bundesministeriums für Justiz.

Die Klägerin begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung

a) der Abhaltung von Amtstagen in den Räumlichkeiten der Raiffeisenbank G*****, sofern nicht die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 NO vorliegen, und

b) der Verbreitung einer Postwurfsendung wie jener, die der Beklagte in J***** habe verteilen lassen, insbesondere wenn dabei auf der Vorderseite die Person des Beklagten reklamehaft durch ein Foto des Beklagten halbseits in Größe DIN A4 hervorgehoben, darin für die Raiffeisenbank G***** geworben und eine kostenlose Rechtsberatung bzw erste Rechtsauskunft angekündigt werde.

Der vom Beklagten abgehaltene Amtstag verstoße gegen § 31 NO, wonach der Notar seine Berufstätigkeit unter anderem nur dann außerhalb seines Amtssitzes ausüben dürfe, wenn es das Geschäft erfordere oder es notwendig sei. Im Großraum Graz stünden 200 Rechtsanwälte und 12 Notare zur Verfügung, weshalb ein Bedarf an der Abhaltung notarieller Amtstage zu verneinen sei. Die beanstandete Postwurfsendung des Beklagten sei standeswidrig. Durch die aufgezeigten Verstöße gegen Standesvorschriften verschaffe sich der Beklagte einen sittenwidrigen Wettbewerbsvorteil iSd § 1 UWG.

Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Er sei durch Bescheid der Notariatskammer für Steiermark, den diese im Rahmen ihres hoheitlichen Handelns erlassen habe, zur Abhaltung von Amtstagen verpflichtet worden. Die beanstandete Werbeaussendung entspreche den Werberichtlinien der Österreichischen Notariatskammer.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Bescheid, der den Beklagten zur Abhaltung von Amtstagen verpflichte, binde nicht nur ihn, sondern auch das Gericht; seine Gesetzmäßigkeit sei daher nicht weiter zu prüfen. Auch die Standeswidrigkeit der Postwurfsendung sei mit bindendem Bescheid der Notariatskammer für Steiermark verneint worden, was auch für das Gericht maßgeblich sei.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 260.000 S und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Dem Beklagten könne keine Mißachtung von Verwaltungsvorschriften vorgeworfen werden, wenn er zur Abhaltung von Amtstagen bescheidmäßig verpflichtet sei und ihn bescheidwidriges Verhalten disziplinär verantwortlich mache. Seine Postwurfsendung bezwecke in erster Linie eine Information des rechtssuchenden Publikums; allfällige werbemäßige Nebenwirkungen bewegten sich im Rahmen erlaubter Werbung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig, weil ein vergleichbarer Sachverhalt noch nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen worden ist; das Rechtsmittel ist teilweise berechtigt.

Die Klägerin befaßt sich breit mit der Frage, inwieweit hoheitliche Akte im Verhältnis zu Mitbewerbern den Charakter einer nach dem UWG zu beurteilenden Wettbewerbshandlung haben können und vertritt in Anlehnung an die deutsche Lehre und Rechtsprechung sowie unter Berufung auf ein von ihr vorgelegtes Rechtsgutachten von o. Univ. Prof. Dr. Wolfgang Schuhmacher den Standpunkt, in der (ihrer Meinung nach gesetzwidrigen) Anordnung der Notariatskammer für Steiermark, der Beklagte sei verpflichtet, Amtstage abzuhalten, liege ein Wettbewerbsverstoß, für den (auch) der Beklagte als Begünstigter zu haften habe. Dem kann nicht beigepflichtet werden.

§ 31 Abs 2 NO sieht vor, daß die Notariatskammer den Notar unter Berücksichtigung des Bedarfs der Bevölkerung verpflichten kann, außerhalb seines Amtssitzes regelmäßig Amtstage abzuhalten. Die Notariatskammer als Körperschaft öffentlichen Rechts mit gesetzlich zugewiesenem Aufgabenbereich (vgl §§ 128 Abs 4, 134 NO) entscheidet über die Verpflichtung eines Notars nach § 31 Abs 2 NO mit Bescheid (Wagner, NO4 Rz 18 zu § 31). Ein Notar begeht eine Standespflichtverletzung, wenn er eine ihm gesetzlich auferlegte Pflicht verletzt (§ 155 Abs 1 Z 1 NO); als Disziplinarstrafen sind ein schriftlicher Verweis, Geldbuße bis 500.000 S, Suspension vom Amt für höchstens ein Jahr oder Entsetzung vom Amt vorgesehen (§ 158 Abs 1 NO).

Die Frage, wie weit die öffentliche Hand (wozu auch öffentlich-rechtliche Körperschaften zählen) dem Wettbewerbsrecht unterliegt, sofern sie sich privatwirtschaftlich betätigt, wird in der österreichischen Lehre und Rechtsprechung nicht einheitlich gelöst; umstritten ist insbesondere, ob Akte der öffentlichen Hand, die gegenüber dem Adressaten, also im Vertikalverhältnis, als hoheitlich zu qualifizieren sind, im Verhältnis zu Mitbewerbern auch den Charakter einer nach UWG zu beurteilenden Wettbewerbshandlung haben können (Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3 § 23 Rz 6 mwN; zum deutschen Meinungsstand vgl Rüffler, Die Anwendbarkeit des UWG auf juristische Personen des öffentlichen Rechts, 64ff). Diese Frage kann hier aber unerörtert bleiben.

Entscheidend ist nämlich nicht, ob die Notariatskammer für Steiermark allenfalls wettbewerbswidrig gehandelt hat, wenn sie den Beklagten (wie behauptet: ohne daß hiefür ein ausreichender Bedarf bestehe) zur Abhaltung von Amtstagen verpflichtet hat, sondern allein, ob der Beklagte als Begünstigter eines von der Notariatskammer allenfalls begangenen Wettbewerbsverstoßes einem Unterlassungsanspruch nach § 14 UWG ausgesetzt ist, obwohl er mit der beanstandeten Handlung eine ihm auferlegte Berufspflicht erfüllt. Die von der Rechtsmittelwerberin ausführlich zitierte Lehre und Judikatur beschäftigt sich mit dieser Frage nicht; das Rechtsgutachten bejaht sie in einem Halbsatz unter Hinweis auf die Entscheidung ÖBl 1990, 55 = WBl 1990, 113 - PSK. Diese Entscheidung ist aber deshalb nicht einschlägig, weil dort das wettbewerbswidrige Verhalten des Bundes (Auflegen von Werbematerial und Entgegennahme von Kreditanträgen für die PSK-Bank unter Zuhilfenahme von Bediensteten der Post) keine im Gesetz begründete Handlungspflicht der begünstigten PSK-Bank ausgelöst hat.

Wettbewerb setzt die Möglichkeit freier wirtschaftlicher Betätigung voraus: Anbieter müssen ihre Leistungen frei bestimmen, Nachfrager die ihnen angebotenen Leistungen frei wählen können. Ohne Handlungsfreiheit kann Wettbewerb weder entstehen noch sich entfalten. Die Freiheit aller Marktteilnehmer ist eine unerläßliche Voraussetzung dafür, daß auf einem bestimmten Markt Wettbewerb herrscht (Baumbach/Hefermehl, UWG20 Rz 17 Allg). Berechtigung und Notwendigkeit eines Wettbewerbsrechts ergeben sich daraus, daß dafür gesorgt werden muß, daß der Wettbewerb in seinem Bestand erhalten bleibt (Existenzschutz) und die Unternehmer sich im Rahmen dessen halten, was mit den Funktionsvoraussetzungen von Wettbewerb verträglich ist (Qualitätsschutz; vgl Koppensteiner aaO § 2 Rz 2). Adressat des Wettbewerbsrechts kann folglich nur jemand sein, dessen marktrelevantem Verhalten willentliches, freies Handeln zugrundeliegt.

Die Rsp verlangt für die wettbewerbsrechtliche Haftung des Inhabers eines Unternehmens nach § 18 UWG für Handlungen im Betrieb seines Unternehmens, die von anderen Personen begangen worden sind, ganz allgemein, daß der Unternehmer aufgrund seiner Beziehungen zum Dritten die rechtliche Möglichkeit hat, für die Abstellung des Wettbewerbsverstoßes zu sorgen; diese rechtliche Möglichkeit muß sich aus dem Wesen des Rechtsverhältnisses zum Dritten ergeben (stRsp ua ÖBl 1993, 255 - Vorsicht bei Lockvogelangeboten II mwN). Der erkennende Senat hat erst jüngst die Haftung eines persönlich haftenden Gesellschafters für im Rahmen der von der OHG betriebenen Apotheke begangene Wettbewerbsverstöße mit dem Argument verneint, wem gesetzlich verboten ist (§ 12 Abs 2 ApothekenG), auf die Geschäftsführung des Unternehmens Einfluß zu nehmen, der kann kein tauglicher Gegner eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs sein, weil ein gegen ihn erlassenes Verbot nichts dazu beiträgt, daß sich die Gesellschaft in Zukunft gesetzeskonform verhält (4 Ob 71/99s).

Ähnliches hat auch für den Beklagten zu gelten: Die ihm in § 31 Abs 2 NO auferlegten Berufspflichten (Abhaltung von Amtstagen), deren Verletzung unter der Sanktion eines Disziplinarverfahrens mit Strafen bis zur Entlassung aus dem Amt steht, wurden durch Bescheid der Notariatskammer für Steiermark für ihn bindend festgelegt. Mag dieser Bescheid auch rechtswidrig sein, wurde dem Beklagten damit jedenfalls ein bestimmtes Verhalten aufgetragen und ihm damit in diesem Umfang die Handlungsfreiheit in Bezug auf wettbewerbsrelevantes Verhalten entzogen. Einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch kann aber nur ausgesetzt sein, wer in der Lage ist, sein Verhalten auf dem Markt frei zu wählen. Dieses Wahlrecht besitzt der Beklagten, der befürchten muß, bei Beendigung seiner Amtstagstätigkeit seines Amtes enthoben zu werden, nicht mehr. Dem Beklagten kann daher die Abhaltung von Amtstagen nicht verboten werden, solange er dazu von der Notariatskammer bescheidmäßig verpflichtet ist.

Nach Auffassung der Klägerin hat der Beklagte dadurch gegen Standesrecht verstoßen, daß er in der Postwurfsendung seine Person mittels eines halbseitigen Fotos reklamehaft hervorhebe, daß er auf kostenlose Rechtsauskunft verweise, ohne gleichzeitig klarzustellen, daß auch jeder andere Notar sowie Anwälte dieselbe Leistung erbringen, sowie daß er Werbung für die Raiffeisenbank betreibe, mit der er eine verbotene Kanzleigemeinschaft mit Berufsfremden eingegangen sei. Dem ist nur teilweise zu folgen.

Die von der Österreichischen Notariatskammer erlassene Richtlinie für Werbung im Notariat (RL) enthält kein absolutes Werbeverbot. Werbung ist danach nämlich zulässig, wenn Inhalt und Form der Werbung nicht gegen die Ehre oder Würde (= Berufsbild) des Standes verstoßen. Unzulässige Werbung ist insbesondere vergleichende Bezugnahme auf andere Standesangehörige, Werbung unter Anbietung von Honorarvorteilen, Werbung unter Nennung eines oder mehrerer Auftraggeber sowie jede reklamehafte Hervorhebung der Person und der Leistungen des Standesangehörigen und seiner Mitarbeiter (§ 1 RL). Der Standesangehörige hat in zumutbarer Weise dafür zu sorgen, daß standeswidrige Werbung für ihn durch Dritte, insbesondere durch Medien, unterbleibt (§ 2 RL). Der Standesangehörige darf sich berufsfremder Personen zum Zwecke der Werbung nicht bedienen, an diese Vermögenszuwendungen irgendwelcher Art für die Zubringung von Geschäften weder leisten noch anbieten und keine räumliche Gemeinschaft mit ihnen eingehen (§ 3 RL). Öffentlichkeitsarbeit (Marketing, Werbung und PR) hat in erster Linie im Sinne mit den von der Österreichischen Notariatskammer und der Länderkammer herausgegebenen bzw empfohlenen Mitteln und Maßnahmen zu erfolgen. Jede Einzelwerbung hat sich dem Gesamtwerbekonzept anzupassen und ist der Länderkammer vorher anzuzeigen (§ 4 RL).

Inhalt und Aufmachung der vom Beklagten initiierten Postwurfsendung verstoßen jedenfalls insoweit gegen die in der RL zum Ausdruck kommenden Grundsätze standesgemäßer Werbung im Notariat, als darin (auf der Rückseite) auch eine Werbung für die Raiffeisenbank G***** enthalten ist. Durch die in der Postwurfsendung abgedruckte Werbeleiste der Raiffeisenbank G***** kann nämlich der Eindruck hervorgerufen werden, der Beklagte hätte der Raiffeisenbank G***** einen Teil seiner Postwurfsendung gegen Entgelt für deren eigene Werbezwecke zur Verfügung gestellt. Mag dieser Eindruck auch nicht den Tatsachen entsprechen, verstößt diese Form der (Gemeinschafts-)Werbung doch gegen Ehre und Würde des (auch mit dem Vollzug staatlicher Aufgaben betrauten und zur Objektivität verpflichteten) Notarstandes. Dieser Verstoß gegen eine Standespflicht, die auch wettbewerbsregelnde Ziele verfolgt, ist objektiv geeignet, dem Beklagten einen Wettbewerbsvorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen, weshalb darin auch ein wettbewerbswidriges Verhalten infolge Verstoßes gegen § 1 UWG liegt (ähnlich 4 Ob 337/98 und 4 Ob 16/99b zum gesetzlichen Werbeverbot für Ärzte gem § 53 ÄrzteG). Dem Unterlassungsbegehren war deshalb in diesem Umfang Folge zu geben.

Eine reklamehafte Hervorhebung der Person des Beklagten durch sein Foto auf der Vorderseite der Postwurfsendung hat die Notariatskammer für Steiermark in ihrem Einstellungsbeschluß vom 28. 1. 1998 als nicht gegeben erachtet; dieser Auslegung der Werberichtlinie der Österreichischen Notariatskammer durch die für den Beklagten zuständige Standesvertretung ist nicht entgegenzutreten. Der fehlende Hinweis in der Postwurfsendung, daß nicht nur der Beklagte, sondern jeder Notar (und auch viele Rechtsanwälte) eine erste Rechtsauskunft unentgeltlich erteilen, macht die Werbemaßnahme weder zu einer unzulässigen Werbung iSd Standesrichtlinien, noch ist dies unter dem Gesichtspunkt der Irreführung iSd § 2 UWG zu beanstanden. Angaben sind nicht schon deshalb zur Irreführung geeignet, weil sie unvollständig sind; eine allgemeine Pflicht zur Vollständigkeit von Werbeaussagen besteht nämlich nicht (Baumbach/Hefermehl aaO Rz 47 zu § 3 UWG; WBl 1990, 82 = MR 1990, 27; ÖBl 1982, 126 - Nacht & Tag). Im Verschweigen einer Tatsache liegt dann eine irreführende Angabe, wenn für den Werbenden eine Aufklärungspflicht besteht. Eine solche Pflicht kann sich aus der besonderen Bedeutung ergeben, die der verschwiegenen Tatsache nach der Auffassung des Verkehrs für den Kaufentschluß zukommt, so daß das Verschweigen geeignet ist, das Publikum in relevanter Weise irrezuführen (Baumbach/Hefermehl aaO Rz 47 f zu § 3 UWG mwN). Eine Aufklärungspflicht besteht insbesondere dann, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird (stRsp ua ÖBl 1998, 289 - H-Express mwN; MR 1998, 293 [Korn] - Statistische Schwankungsbreite; ÖBl 1996, 28 - Teure S 185.- mwN; ÖBl 1995, 64 - Fachbuchverlag; ÖBl 1994, 75 - Schätzgutachten). Dies ist hier nicht der Fall, kann doch bei der interessierten Öffentlichkeit aufgrund einschlägiger Werbung durch Berufsvertretungen als bekannt vorausgesetzt werden, daß Notare und Rechtsanwälte ganz allgemein eine kostenlose erste Rechtsauskunft anbieten.

Unter den vorliegenden Umständen kann auch keine Rede davon sein, daß der Beklagte eine räumliche Gemeinschaft mit der Raiffeisenbank G***** eingegangen wäre. Der Beklagte hat (wie er in seiner Postwurfsendung mitteilt) vorerst versucht, den Amtstag in Räumen des Gemeindeamts abzuhalten, was von den zuständigen Gemeindeorganen abgelehnt worden ist. In der Folge hat er ein Angebot der Geschäftsleitung der Raiffeisenbank G***** angenommen, für die benötigten Zwecke ein Besprechungszimmer im Haus der Bankstelle J***** zu benützen. In dieser Vorgangsweise liegt keine standeswidrige Gemeinschaft mit Dritten, ist doch die Nutzung des (von den Schalterräumen abgetrennt liegenden) Besprechungszimmers für den Beklagten kostenlos; auch werden ihm von der Bank keine Kunden vermittelt. Erst in Verbindung mit einer - hier nicht gegebenen - wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Notar und Bank könnte der Sachverhalt den Tatbestand einer standesrechtlich verpönten Gemeinschaft mit Dritten verwirklichen. Der Revision war daher teilweise Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung im Verfahren erster Instanz beruht auf § 43 Abs 2 ZPO, im Rechtsmittelverfahren auch auf § 50 Abs 1 ZPO. Die mit einem Sechstel ihres Begehrens obsiegende Klägerin muß dem Beklagten vier Sechstel seiner Vertretungskosten ersetzen, erhält von diesem aber ein Sechstel der von ihr verzeichneten Pauschalgebühren.

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