OGH 4Ob112/02b

OGH4Ob112/02b28.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf und Dr. Tittel, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Nicholas M*****, des mj. Benedict M*****, und des mj. Dominik M*****, vertreten durch die Mutter Dr. Christiane L*****, diese vertreten durch Dr. Gunter Griss, Rechtsanwalt in Graz, über den Revisionsrekurs des Vaters Steven C. M*****, vertreten durch Dr. Faulend-Klauser und Dr. Christoph Klauser, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 7. Februar 2002, GZ 2 R 45/02f-40, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 21. Dezember 2001, GZ 15 P 124/00z-36, betätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Minderjährigen Nicholas, Benedict und Dominik M***** sind eheliche Kinder von Dr. Christiane L***** und Steven M*****. Die 1984 in den USA geschlossene Ehe wurde am 1. 7. 1997 im US-Bundesstaat Wisconsin geschieden. Der Scheidung lag eine "Schlussstipulation" zugrunde, mit der die Eltern die wesentlichen Folgen der Ehescheidung regelten. Sie gingen davon aus, dass die Kinder im gemeinsamen Haushalt der Mutter in Österreich leben und vereinbarten die gemeinsame Obsorge. Sie trafen eine Unterhaltsregelung, wonach der Vater den Kindesunterhalt für die Dauer von 15 Jahren bis zur Volljährigkeit des jüngsten Kindes vorauszahlen sollte. Nach den in der "Stipulation" vorgenommenen Berechnungen ergab dies eine Gesamtzahlung von 91.600 US-Dollar, die der Vater bis spätestens 25. 5. 1997 zu zahlen hatte. Er sollte solange unterhaltspflichtig bleiben, bis das jüngste Kind die Volljährigkeit oder das 19. Lebensjahr erreicht habe.

Die Vereinbarung wurde anlässlich eines im September 2000 beim Erstgericht eingebrachten Antrags auf Unterhaltsfestsetzung zur pflegschaftsbehördlichen Genehmigung nach § 154 Abs 3 ABGB vorgelegt.

Das Erstgericht versagte die Genehmigung in Ansehung der Obsorgeregelung und der in der Vereinbarung detailliert festgelegten "Zeiten des tatsächlichen Aufenthalts" wie auch in Ansehung der Unterhaltsregelung. Dem Scheidungsverfahren liege das Recht des US-Staates Wisconsin zugrunde; dabei sei übersehen worden, dass Kinder und Mutter österreichische Staatsbürger seien und ihren ständigen ordentlichen Wohnsitz seit 1995 in Österreich hätten. Eine korrekte Beurteilung hätte materiell zur Anwendung österreichischen Rechts führen müssen. 1995 habe das österreichische Recht eine gemeinsame Obsorge getrennt lebender geschiedener Elternteile noch nicht vorgesehen. Sie könne daher ebensowenig wie die unklar gebliebene Unterhaltsvereinbarung pflegschaftsbehördlich genehmigt werden. Keine dieser Vereinbarungsinhalte entspreche dem Kindeswohl.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Rekurslegitimation und deren Umfang in Fällen, in denen die Genehmigungspflicht nicht irrigerweise angenommen wurde, fehle. Nach ständiger Rechtsprechung bestehe grundsätzlich kein Rekursrecht des Vertragspartners eines Pflegebefohlenen wegen Verweigerung der Genehmigung, es sei denn, die Genehmigungspflicht wäre irrig angenommen worden. Eine Rekurslegitimation des Vaters sei daher nur insoweit zu bejahen, als er die Annahme einer Genehmigungspflicht bekämpfe. Angesichts der österreichischen Staatsbürgerschaft der Kinder und ihres gewöhnlichen Aufenthalts in Österreich seit 1995 sei auf das eheliche Kindschaftsverhältnis und somit auch auf die Frage der Genehmigung des anlässlich der Ehescheidung geschlossenen Vergleichs österreichisches Recht anzuwenden. Das Erstgericht habe die Genehmigung zutreffend versagt. Die österreichische Rechtsordnung habe 1995 eine gemeinsame Obsorge getrennt lebender geschiedener Elternteile noch nicht vorgesehen, die Unterhaltsvereinbarung widerspreche schon deshalb dem Kindeswohl, weil sie die Berechtigung mit dem 19. Lebensjahr begrenze.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Das Rekursgericht hat die Rechtsmittelbefugnis des Vaters zur Frage des Erfordernisses einer pflegschaftsbehördlichen Genehmigung des in den USA geschlossenen Scheidungsfolgenvergleichs zutreffend bejaht. Ob die zwischen den Eltern abgeschlossene Vereinbarung einer Genehmigung bedarf oder ohne eine solche wirksam wurde, beeinträchtigt die Rechtsstellung des Revisionsrekurswerbers, der sich auf ihre Wirksamkeit im Hinblick auf die Regelung des Unterhalts und der Obsorge (auch ohne Genehmigung) beruft. Seine Rechtsmittelbefugnis ist auch in Ansehung der Vergleichsgenehmigung jedenfalls insoweit gegeben, als er die Versagung der Genehmigung der Obsorgeregelung bekämpft. Die Rechtsprechung verweigert dem Vater eine Beteiligtenstellung im Genehmigungsverfahren nur insoweit, als er als Vertragspartner der Kinder anzusehen ist (1 Ob 571/95; 1 Ob 602/92; RZ 1993/77; RIS-Justiz RS0006210; RS0006466). Vor rechtskräftiger Zuteilung der Obsorge (die insoweit getroffene Vereinbarung wäre erst mit pflegschaftsbehördlicher Genehmigung den Kindern gegenüber wirksam) vertritt der Vater nicht nur eigene Interessen, sondern kann als solcher auch die Interessen der Kinder wahren, er ist insoweit auch nicht Vertragspartner der Kinder. Gleiches gilt bei der konkreten Konstellation auch hinsichtlich der mit der Mutter getroffenen Pauschalvereinbarung über die Unterhaltsansprüche der Kinder.

Der Vater stellt in seinem Rechtsmittel nicht in Abrede, dass die Kinder (neben ihrer US-amerikanischen Staatsbürgerschaft) auch österreichische Staatsbürger sind, seit Juli 1995 in Österreich leben und dass die Ehegatten am 1. 7. 1997 anlässlich der Ehescheidung vor dem Gericht in Wisconsin eine Vereinbarung über die Regelung der Scheidungsfolgen abgeschlossen haben. Er vertritt aber die Auffassung, eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung dieser Vereinbarung sei zu ihrer Wirksamkeit nicht erforderlich. Dem ist nicht zu folgen:

Inländische Gerichtsbarkeit und Zuständigkeit des Erstgerichts zur Führung des Pflegschaftsverfahrens ergeben sich aus § 110 Abs 1 iVm § 109 JN. Danach ist die inländische Gerichtsbarkeit immer dann gegeben, wenn es sich bei dem Minderjährigen oder sonst Pflegebefohlenen um einen österreichischen Staatsbürger handelt, und zwar unabhängig davon, ob er auch noch eine weitere Staatsbürgerschaft besitzt; die inländische Gerichtsbarkeit wird auch durch den gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich begründet (Mayr in Rechberger, ZPO² § 110 JN Rz 2 mwN). Das danach zuständige österreichische Gericht hat österreichisches Verfahrensrecht anzuwenden. Welches materielle Recht auf die Entscheidung in der Sache selbst angewendet wird (und ob danach die Wirksamkeit der Vereinbarung den Kindern gegenüber von der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung abhängt), richtet sich nach den Regeln des internationalen Privatrechts.

Die anlässlich der Ehescheidung in den USA getroffene Vereinbarung umfasst Bestimmungen über den Kindesunterhalt und die gemeinsame Obsorge der Eltern, somit Regelungen, die kollisionsrechtlich dem Personalstatut der betroffenen Kinder unterliegen. Das US-amerikanische Kollisionsrecht knüpft das Personalstatut natürlicher Personen an ihren Wohnsitz an, wobei mj Kinder das Domizil ihrer Eltern bzw jenes Elternteils teilen, mit dem sie zusammenleben. Ein vom Geburtsdomizil abweichendes Wahldomizil ist dann maßgeblich, wenn äußere Umstände darauf schließen lassen, dass der Betroffene seinen ordentlichen Wohnsitz mit der Absicht an einen Ort verlegt hat, dort seinen Lebensmittelpunkt zu begründen, sofern er sich dort auch tatsächlich aufhält (Bergmann/Ferid Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, USA 50 f).

Nach dem hier maßgeblichen Sachverhalt verlegte die Mutter Mitte 1995 mit den Kindern den Wohnsitz nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer nach Österreich. Im Zeitpunkt der Ehescheidung und der Scheidungsfolgenvereinbarung befand sich daher auch das Wahldomizil in Ansehung der Kinder in Österreich, sodass auf die am 1. 7. 1997 getroffene Vereinbarung österreichisches Recht anzuwenden ist. Auch nach österreichischem Kollisionsrecht ergibt sich nichts anderes:

Nach § 24 IPRG sind die Wirkungen der Ehelichkeit eines Kindes nach seinem Personalstatut zu beurteilen. Der Anwendungsbereich dieser Bestimmung fasst unter "Wirkungen" grundsätzlich den gesamten Inhalt des ehelichen Eltern-Kind-Verhältnisses zusammen, umfasst daher auch Unterhaltsansprüche und die elterliche Obsorge nach Eheauflösung (Schwimann in Rummel, ABGB², § 24 IPRG Rz 2 mwN). In seinen Anwendungsbereich fallen daher auch die in der vorliegenden Vereinbarung getroffenen Regelungen. § 9 Abs 1 IPRG versteht unter Personalstatut einer natürlichen Person das Recht jenes Staates, dem die Person angehört. Hat eine Person neben einer fremden auch die österreichische Staatsbürgerschaft, ist diese maßgeblich.

Die von der Scheidungsfolgenvereinbarung ihrer Eltern betroffenen Kinder sind nicht nur österreichische Staatsbürger, sie hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt auch schon im Zeitpunkt des Abschlusses der Scheidungsfolgenvereinbarung - auf den es im Zusammenhang mit der Frage eines allfälligen Genehmigungserfordernisses allein ankommt - in Österreich. Die Vorinstanzen sind somit zutreffend von der Anwendung österreichischen Rechts ausgegangen. Danach bedarf ein Scheidungsfolgenvergleich der Eltern, der - wie hier - Unterhalt und Obsorge der gemeinsamen Kinder regelt, der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung (SZ 68/146) als Voraussetzung seiner Wirksamkeit gegenüber den Kindern. Die Entscheidung hat sich an dem im Gesetz verankerten Grundsatz des Kindeswohls zu orientieren.

Die Vorinstanzen haben die pflegschaftsbehördliche Genehmigung zutreffend versagt, weil die am 1. 7. 1997 getroffene Obsorgeregelung nicht den im Zeitpunkt der Vereinbarung geltenden gesetzlichen Bestimmungen entsprach und die Festlegung eines vorweg pauschalierten, mit dem 19. Lebensjahr begrenzten Unterhaltsanspruch dem Kindeswohl evident widerspricht. Ob die Voraussetzungen einer gemeinsamen Obsorge nach § 177 ABGB idF KRÄG 2001 vorgelegen wären, kann hier mangels eines entsprechenden Antrags offen bleiben.

Dem unberechtigten Rekurs des Vaters wird ein Erfolg versagt.

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