European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00110.14A.0917.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird mit der Maßgabe bestätigt, dass die Erbantrittserklärungen der G***** R***** und des J***** R***** abgewiesen werden.
Begründung:
Mit seinem Testament vom 12. 3. 2002 setzte der Erblasser seine Mutter als alleinige Vorerbin sowie die im Spruch genannten Erbansprecher je zur Hälfte als Nacherben ein. Das fremdhändige schriftliche Testament wurde von einem Rechtsanwalt verfasst und vom Erblasser, vom Rechtsanwalt und von zwei seiner Kanzleimitarbeiterinnen unterfertigt, wobei die Unterschrift einer der letzteren in keinem räumlichen Zusammenhang mit dem vor der Anwaltsunterschrift stehenden Zusatz „als Zeuge“ steht.
Die Mutter des Erblassers ist am 7. 8. 2002 vorverstorben. Die beiden Nacherben gaben aufgrund des genannten Testaments jeweils unbedingte Erbantrittserklärungen ab.
Wegen der vom Erstgericht gehegten Zweifel an der Gültigkeit des schriftlichen Testaments, da der Zeugenzusatz bei einer vermeintlichen Zeugenunterschrift in keinem räumlichen Zusammenhang zu stehen scheine, wurde eine Konversion in ein mündliches Testament nach der Rechtslage vor dem Familien- und Erbrechtsänderungsgesetz 2004 (FamErbRÄG) angestrebt. Im Zuge der Einvernahme der einstigen Zeugen durch den Gerichtskommissär stellte sich heraus, dass der das schriftliche Testament als Zeuge unterfertigende Rechtsanwalt der Schwiegersohn der eingesetzten Nacherben ist.
Die Erbansprecher (Nacherben) brachten vor, dass ‑ trotz der Zeugnisunfähigkeit des Rechtsanwalts hinsichtlich der Einsetzung der Nacherben ‑ die notwendige Zahl an Zeugen erreicht sei, weil bei der Testamentserrichtung auch die (als Vorerbin eingesetzte) Mutter des Erblassers anwesend und sie sohin weitere Testamentszeugin neben den beiden Kanzleimitarbeiterinnen gewesen sei. Dass sie inzwischen verstorben und ihre Zeugenaussage nicht mehr bestätigen könne, sei nicht von Relevanz, weil gemäß § 586 ABGB aF ein mündliches Testament auch dann seine Gültigkeit behalte, wenn zumindest zwei der drei Zeugen den letzten Willen durch übereinstimmende Aussage bestätigen und bekräftigen.
Das Erstgericht wies den Einantwortungsantrag der Erbansprecher ab . Der Rechtsanwalt sei als Schwiegersohn der Bedachten ein relativ unfähiger Zeuge iSd § 594 ABGB. Auch die Mutter des Erblassers sei keine fähige Zeugin iSd § 594 ABGB, da sie nicht als Testamentszeugin, sondern als selbst Bedachte fungiert und auch nicht als Zeugin auf dem formungültigen Testament unterschrieben habe, das nun in ein mündliches Testament konvertiert werden solle. Im Verhältnis zu den Nacherben sei sie höchstens „Zufallszeugin“, was nicht ausreiche, um als Testamentszeugin zu gelten.
Das von den Erbansprechern angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass die Erbantrittserklärungen zurück - statt abgewiesen wurden, bewertete den Wert des Entscheidungsgegenstands mit 30.000 EUR übersteigend und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Bei Befangenheit oder Unfähigkeit eines Zeugen sei nicht immer der gesamte letzte Wille unwirksam, sondern nur die von der Befangenheit betroffene Verfügung. Die Mutter des Erblassers könne daher grundsätzlich als fähige Zeugin hinsichtlich der Einsetzung der Nacherben fungieren. Ob sie sich ihrer Zeugeneigenschaft bewusst gewesen sei, könne jedoch dahingestellt bleiben, weil es an übereinstimmenden Aussagen der beiden anderen Zeuginnen (Kanzleimitarbeiterinnen des Rechtsanwalts) mangle. Die Erbantrittserklärungen der beiden Erbansprecher seien daher zurück zuweisen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Erbansprecher (Nacherben) mit dem Antrag, die Vorentscheidungen aufzuheben, in eventu die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil dem Rekursgericht zur Zeugeneigenschaft der Vorerbin eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen ist; er ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Rechtsmittelwerber relevieren eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, weil das Erstgericht keine eidliche Einvernahme der beiden Zeuginnen (Kanzleimitarbeiterinnen des Rechtsanwalts) vorgenommen habe. Das Rekursgericht hat das Vorliegen dieses Verfahrensmangels verneint. Ein in zweiter Instanz verneinter Verfahrensmangel ist ‑ auch im außerstreitigen Verfahren ‑ in dritter Instanz nicht mehr anfechtbar (RIS-Justiz RS0030748).
2. In Bezug auf den Inhalt der Aussagen der genannten Zeuginnen erheben die Revisionsrekurswerber unter dem Titel der Rechtsrüge eine ‑ in dritter Instanz unzulässige (vgl RIS-Justiz RS0069246) ‑ Beiweisrüge, machen aber auch als Verfahrensmangel geltend, dass das Rekursgericht von gänzlich anderen Feststellungen ausgegangen sei als das Erstgericht bzw neue Feststellungen getroffen habe ohne eine Beweiswiederholung vorgenommen zu haben. Letzteres wäre zwar grundsätzlich als Verfahrensmangel zu qualifizieren (vgl RIS-Justiz RS0043461), dem kommt aber hier keine Relevanz zu, da es jedenfalls an einem dritten fähigen Zeugen iSv § 585 ABGB aF fehlt:
3. Gemäß § 585 ABGB aF bedurfte es zur Errichtung eines außergerichtlichen mündlichen Testaments der Erklärung des letzten Willens vor drei zugleich gegenwärtigen fähigen Zeugen. Gemäß § 594 ABGB ist ein Erbe oder Legatar in Rücksicht des ihm zugedachten Nachlasses kein fähiger Zeuge.
4. Gemäß § 613 ABGB kommen dem eingesetzten Erben, bis der Fall der fideikommissarischen Substitution eintritt, das eingeschränkte Eigentumsrecht mit den Rechten und Verbindlichkeiten eines Fruchtnießers zu.
Die Rechtsstellung des Vor- und des Nacherben ergänzen einander insofern, als sie vor Eintritt des Substitutionsfalls zusammen die Rechtsstellung eines Vollerben genießen ( Eccher in Schwimann/Kodek , ABGB 4 III § 613 Rz 1). Das Eigentum ist somit zwischen Vorerben und Nacherben funktionell geteilt. Durch die Substitution gebunden ist die Substanz des Nachlasses. Über die Masse ist der Vorerbe nur insoweit verfügungsbefugt, als er nicht in die Rechte des Nacherben eingreift ( Welser in Rummel , ABGB 3 § 613 Rz 3-5).
5. Aus dieser Rechtsstellung der Vor- und Nacherben ergibt sich, dass der Vorerbe ein erhebliches Eigeninteresse am gültigen Zustandekommen bzw vielmehr am Nichtzustandekommen der fideikommissarischen Substitution (§ 608 ABGB) hat, denn im Falle der Ungültigkeit (bloß) der Substitutionsanordnung in der letztwilligen Verfügung des Erblassers erwirbt der Vorerbe die Stellung eines unbeschränkten und nicht bloß zeitlich beschränkten Eigentümers wie bei gültiger Substitutionsanordnung.
6. Nach der Entscheidung 2 Ob 251/12v kann ein vor Inkrafttreten des FamErbRÄG gegebenes mündliches Testament, in dem vier Personen als Erben zu gleichen Teilen eingesetzt werden, von eben diesen vier Personen nicht gültig bezeugt werden. Gemäß § 560 ABGB wachse, wenn alle Erben ohne Bestimmung der Teile oder in dem allgemeinen Ausdruck einer gleichen Teilung zur Erbschaft berufen würden und einer von ihnen vom Erbrecht keinen Gebrauch machen könne oder wolle, der „erledigte“ Teil den übrigen eingesetzten Erben zu. Bedenke man, dass § 594 ABGB ein Erbe in Rücksicht des ihm zugedachten Nachlasses kein fähiger Zeuge sein könne, müsse dies auch insoweit gelten, als die Bezeugung der unbestimmten Erbeinsetzung der anderen drei Erben automatisch auch jeweils das eigene Zuwachsrecht bezeuge und damit einen ‑ zumindest indirekt und bedingt ‑ dem jeweiligen Zeugen „zugedachten“ Nachlassteil. Die Zuwendung begünstige damit nicht nur jeweils ausschließlich einen bestimmten Zeugen, sondern aufgrund der unbestimmten Einsetzung jeweils alle Zeugen untrennbar gemeinsam.
7. Der vorliegende Sachverhalt ist ähnlich gelagert. Auch hier steht die Zuwendung an die Mutter des Erblassers als Vorerbin aufgrund der Bindung der Substanz des Nachlasses in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Zuwendung an die Nacherben. Die Mutter des Erblassers ist daher als Vorerbin keine fähige Zeugin (§ 594 ABGB) in Rücksicht auf die Zuwendung an die Nacherben. Es mangelt somit im konkreten Fall an einem dritten Zeugen für ein gültiges Zustandekommen eines außergerichtlichen mündlichen Testaments zugunsten der Nacherben. Folglich hat das Rekursgericht im Ergebnis zu Recht die von den Erbansprechern angestrebte Konversion des formungültigen schriftlichen Testaments vom 12. 3. 2002 in ein gültiges mündliches Testament verneint.
8. Gemäß § 161 Abs 1 AußStrG hat das Gericht im Rahmen des Vorbringens der Parteien und ihrer Beweisanbote das Erbrecht der Berechtigten festzustellen und die übrigen Erbantrittserklärungen abzuweisen .
Die Zurückweisung einer Erbantrittserklärung sieht das Gesetz nicht vor. Dieser Grundsatz ist aber dahin einzuschränken, dass die Erbantrittserklärung zurückzuweisen ist, wenn feststeht, dass der Erbrechtstitel, auf den die Erbantrittserklärung gegründet wird, nie zu einer Einantwortung des Nachlasses an den Erbantrittserklärten führen kann (3 Ob 141/12z).
9. Im vorliegenden Fall wäre ein mündliches Testament nach § 585 ABGB aF bei Vorhandensein von drei fähigen Zeugen grundsätzlich ein tauglicher Erbrechtstitel für die Erbansprecher. Wegen des Mangels an einem dritten Zeugen liegt jedoch (nicht nur kein gültiges schriftliches, sondern auch) kein gültiges mündliches Testament vor. Die Erbantrittserklärungen sind daher ‑ wie schon vom Erstgericht zutreffend erkannt ‑ abzuweisen.
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