OGH 4Ob100/91

OGH4Ob100/913.12.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** Zeitschriftenverlagsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Heinz Giger und Dr.Stephan Ruggenthaler, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Z*****-Verlag AG, *****, Schweiz, vertreten durch Dr.Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren: 800.000 S; Revisionsrekursinteresse:

400.000 S), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 6. August 1991, GZ 2 R 117/91-12, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 17.April 1991, GZ 39 Cg 151/91-6, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens hat die klagende Partei vorläufig, die beklagte Partei hingegen endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Medieinhaberin der periodischen Druckschriften "R*****" und "B*****".

Die Beklagte ist Medieninhaberin der auch in Österreich vertriebenen periodischen Druckschrift "p*****".

Sowohl der "R*****" als auch "p*****" richten sich an jugendliche Leser; sie enthalten vorwiegend redaktionelle (Bild-)Berichte über Geschehnisse und Stars aus der Musik- und Filmszene.

Das Titelblatt der Nr 21/90 der Zeitschrift "p*****" vom 2.10.1990 enthielt folgende Ankündigung:

Abbildung nicht darstellbar!

Im unteren Mittelfalz der Zeitschrift war eine 4-seitige Faltbeilage mit folgendem Text auf ihrer Titelseite eingeheftet:

Abbildung nicht darstellbar!

Die aufgeklappten Innenseiten der Faltbeilage enthielten nachstehende - ablösbare - 18 Klebefarbbilder von Künstlern und Künstlergruppen, über die auch auf den Mittelseiten des Heftes der Zeitschrift in Wort und weiteren Bildern berichtet wurde:

Abbildung nicht darstellbar!

Mit der Behauptung, diese "Star-Stickers" seien als selbständige Gegenstände mit eigener Funktion nicht Zeitungsbestandteil, sondern trotz ihres geringen Verkehrswertes eine unzulässige Zugabe, begehrt die Klägerin zur Sicherung eines gleichlautenden Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung (ua) zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beim Vertrieb periodischer Druckwerke, insbesondere der Zeitschrift "p*****", auf dem Gebiet der Republik Österreich, unentgeltliche Zugaben, insbesondere Extrabeilagen in Form von Klebeetiketten ("Star-Stickers"), anzukündigen und - wenn angekündigt - auch zu gewähren.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens auch in diesem Umfang. Poster, Stickers udgl seien fester Bestandteil von Illustrierten für jugendliche Pop-Anhänger und somit nach Auffassung der beteiligten Verkehrskreise ein Teil der Hauptware; im übrigen seien die beanstandeten "Star-Stickers" nur geringwertige Kleinigkeiten, deren Gewährung nicht dem Zugabenverbot unterliege. Auch liege deshalb keine verbotene Zugabe vor, weil selbständig verwendbare Abbildungen von Jugendidolen in jedem Fall bereits zu handelsüblichem Zugehör von Jugend-Illustrierten geworden seien.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Nach der Verkehrsauffassung gehöre es zum üblichen Inhalt einer Jugend-Illustrierten, daß sie Abbildungen von "Stars" in den verschiedensten Formaten, allenfalls auch in Form herauslösbarer "Poster", enthält. Daß die beanstandeten "Star-Stickers" mit wenigen Handgriffen dem Heft zu entnehmen und zu selbständigen Bildern mit eigenem Verwendungszweck zu machen sind, trete gegenüber der Tatsache in den Hintergrund, daß die Abbildungen auch dem sonstigen Inhalt und der gesamten Ausrichtung einer Zeitschrift für Jugendliche entsprächen. Darin unterscheide sich der vorliegende Fall von jenen, in denen einer Tageszeitung Kleber mit farbigen Abbildungen berühmter Fußballstars ("Fußball-WM-Kleber") oder Kleber in Form besonders gestalteter Autokennzeichen ("Hundertwasser-Pickerln") beigelegt waren. Die Beigabe von Klebebildern mit Jugendidolen werde vom angesprochenen Publikum nicht als etwas Ungewöhnliches oder dem Wesen einer illustrierten Jugendzeitschrift Fremdes empfunden. Damit seien aber die beanstandeten Aufkleber ein Teil der Hauptware und keine Zugabe.

Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes auch in diesem Umfang 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Auch bei einer Druckschrift mit einem bestimmten Themenschwerpunkt könne nicht schon die bloße Übereinstimmung mit diesem Thema jede Beilage oder Beigabe zu einem Zeitungsbestandteil machen; entscheidend sei vielmehr, ob der beigelegte oder beigegebene Gegenstand vom Leistungsinhalt der Druckschrift umfaßt wird oder nicht. Die vorliegenden Abziehbilder von "Stars" könnten aber zu Dekorations- oder auch zu Demonstrationszwecken verwendet werden; sie seien selbständige Gegenstände mit eigener Funktion und einem selbständigen wirtschaftlichen Wert. Die "Star-Stickers" der Beklagten verstießen somit gegen das Zugabenverbot. Daß sie bereits handelsübliches Zugehör von Jugendzeitschriften wären, habe die Beklagte nicht bescheinigt.

Gegen die einstweilige Verfügung des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.

Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen der Meinung der Beklagten gemäß § 528 Abs 1 ZPO schon deshalb zulässig, weil zu der Frage, ob selbstklebende Abziehbilder von Jugendidolen aus der Musik- und Filmwelt nach Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise zum Leistungsgegenstand einer Illustrierten für Jugendliche gehören oder ob sie infolge ihrer Art von vornherein nicht als notwendiger Bestandteil einer solchen Zeitschrift in Betracht kommen, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt.

Das Rechtsmittel der Beklagten ist aber nicht berechtigt.

"Zugabe" im Sinn des § 1 Abs 1 ZugG ist ein zusätzlich gewährter Vorteil, der neben einer (Haupt-)Ware oder (Haupt-)Leistung ohne besondere Berechnung, also "unentgeltlich", angekündigt, angeboten oder gewährt wird, um den Absatz der Hauptware oder die Verwertung der Hauptleistung zu fördern; er muß mit der Hauptware oder -leistung in einem solchen Zusammenhang stehen, daß er objektiv geeignet ist, den Kunden in seinem Entschluß zu beeinflussen, also ein Werbe- oder Lockmittel sein (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 121; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2, 65; Feil-Holeschofsky, ZugG 13 Rz 14 zu § 1;

Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht16, 1360 Rz 1 zu § 3 dZugV;

ÖBl 1969, 138; ÖBl 1971, 82; SZ 44/162; SZ 45/43; SZ 57/15; ÖBl 1985, 108; ÖBl 1990, 261 uva). Zugabe im Sinne des Gesetzes können daher immer nur solche wirtschaftliche Vorteile sein, die nach der - wandelbaren (ÖBl 1978, 46; ÖBl 1981, 82; ÖBl 1983,

89) - Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise nicht zum Leistungsgegenstand des Hauptgeschäftes gehören, sondern eine davon losgelöste wirtschaftliche Bedeutung haben und selbständig zu bewerten sind (Koppensteiner aaO 66 f; Feil-Holeschofsky aaO;

Baumbach-Hefermehl aaO 1361 Rz 2 und 3; Hoth-Gloy, Zugabe und Rabatt 85; SZ 48/49; ÖBl 1978, 131; ÖBl 1980, 109; ÖBl 1982, 47;

ÖBl 1985, 108; ÖBl 1987, 67; ÖBl 1990, 261 ua). Was also von den beteiligten Verkehrskreisen als Teil der Hauptware

(Hauptleistung) und mit dem Preis für diese abgegolten angesehen wird, hat keinen Zugabencharakter, weil es nicht neben der Hauptware (Hauptleistung) und nicht zusätzlich zu dieser gewährt wird (Feil-Holeschofsky aaO; SZ 25/59; ÖBl 1978, 131; ÖBl 1980, 109).

Ob die einer Ausgabe der illustrierten Jugendzeitschrift "p*****" beigehefteten und auf ihrem Titelblatt angekündigten "Star-Stickers" als Zugabe anzusehen sind, hängt somit davon ab, ob sie vom jugendlichen Leserpublikum als Teil der Hauptleistung, also der Jugendzeitschrift, und mit dem Preis für diese abgegolten angesehen wurden, oder ob sie infolge ihrer Art und Beschaffenheit, ihres Verwendungszwecks und ihrer selbständigen Bedeutung als Handelsware von vornherein nicht als notwendiger Bestandteil einer Jugendzeitschrift in Betracht kamen (Koppensteiner aaO 67; Feil-Holeschofsky aaO 16 Rz 16 zu § 1; ÖBl 1978, 131; ÖBl 1980, 109; ÖBl 1990, 261). So werden etwa die verschiedenen im Zeitungshandel üblichen Beilagen für Rundfunk, Sport, Wochenende, Reise, Kinder usw allgemein als Bestandteil der Zeitung angesehen; sie sind nach Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise Leistungen, die bereits im Preis für die Zeitung selbst inbegriffen sind, und verlieren nach Auffassung der Leser diese Eigenschaft eines Bestandteils der Zeitung nicht schon dadurch, daß sie sich in Gestaltung und Aufmachung, zB durch Verwendung besseren Papiers oder durch andere Drucktechniken, vom übrigen Teil der Zeitung abheben, werden doch solche Beilagen vom Publikum nicht mehr als etwas Ungewöhnliches oder dem Wesen einer Tageszeitung Fremdes empfunden oder angesehen (ÖBl 1990, 261 mwN). Auch kommt es nicht darauf an, ob diese Beilagen vom übrigen Teil der Zeitung abgesondert und allenfalls aufbewahrt werden können, ohne daß sie erst ausgeschnitten werden müßten, geht doch auch dadurch ihre Eigenschaft als Bestandteil der Zeitung nicht verloren (ÖBl 1978, 131; ÖBl 1980, 109).

Entscheidend ist somit, welchen Inhalt die hier beteiligten Verkehrskreise dem Hauptgeschäft "Kauf einer illustrierten Jugendzeitschrift" beimessen; dabei spräche es bereits für den Zugabencharakter der "Star-Stickers", wenn sie über das von den jugendlichen Kunden beim Kauf einer Jugendzeitschrift üblicherweise Gewünschte oder Erwartete hinausgingen (Feil-Holeschofsky aaO, 16 f; Baumbach-Hefermehl aaO Rz 3 a; ÖBl 1980, 106). Das ist aber hier entgegen der Meinung der Beklagten vom Rekursgericht zutreffend bejaht worden:

"Stickers" sind (selbstklebende) Aufkleber aus Papier oder Plastik (Duden, Fremdwörterbuch4, 727), "Star-Stickers" daher im gegebenen Zusammenhang Klebebilder von "Stars" aus der Musik- und Filmwelt. Nun gehören zwar Berichte über solche "Stars" in Wort und Bild von vornherein zum eigentlichen Leistungsgegenstand einer illustrierten Jugendzeitschrift. Farbbilder dieser Art sind daher regelmäßig Leistungsgegenstand des Hauptgeschäftes; sie werden von den jugendlichen Lesern einer solchen Zeitschrift erwartet und gewünscht.

Damit hängt aber die Entscheidung über den Sicherungsantrag der

Klägerin nur noch davon ab, ob die hier beanstandeten

"Star-Stickers" nach der Auffassung der angesprochenen

jugendlichen Verkehrskreise deshalb ihre Eigenschaft als

Bestandteil einer illustrierten Jugendzeitschrift verloren haben,

weil es sich nicht bloß um ausschneidbare oder beigelegte

Farbbilder (Poster, Farbtafeln; vgl ÖBl 1978, 131) von Idolen aus

der Musik- und Filmszene handelte, sondern um Klebebilder, die

durch Abziehen von einer Folie zu einem selbständigen Gegenstand

mit eigener Funktion gemacht werden konnten. So wurden etwa

Kleber mit farbigen Abbildungen berühmter Fußballstars, die einer

Tageszeitung anläßlich der damals unmittelbar bevorstehenden

Endrunde der Fußballweltmeisterschaft in Argentinien im Frühjahr

1978 zwölf Tage hintereinander unentgeltlich beigelegt worden

waren ebensowenig als Zeitungsbestandteile gewertet (ÖBl 1980,

109 - "Fußball-WM-Kleber") wie Aufkleber mit von einem Künstler

entworfenen Kennzeichentafeln, die einer Tageszeitung im Juni

1989 "als Geschenk für alle, die keine deutschen Kfz-Schilder

wollen", beigelegt worden waren (ÖBl 1990,

261 - "Hundertwasser-Pickerl") Gegenstand dieser beiden

Entscheidungen waren zwar Beilagen von Tageszeitungen; die Grundsätze dieser Judikatur - insbesondere jene der Entscheidung ÖBl 1980, 109 - sind aber entgegen der Meinung der Beklagten auch auf den vorliegenden Fall einer Jugendzeitschrift anwendbar, gehört doch die Sportberichterstattung in Wort und Bild ebenso zum Leistungsgegenstand einer Tageszeitung wie die Berichterstattung über "Stars" aus der Musik- und Filmszene zum Leistungsgegenstand von Jugendzeitschriften. Aufkleber, wie sie hier von "p*****" vertrieben wurden, können dann aber nicht als üblicher Bestandteil von Jugendzeitschriften angesehen werden; dies insbesondere dann nicht, wenn sie - wie hier - Bilder von "Stars" aus der Musik- und Filmszene enthalten, über die im selben Heft der Zeitschrift ohnehin schon in Wort und weiteren - wesentlich größeren - Bildern berichtet wird, so daß die Zeitschrift solcherart diese "Star-Bilder" sogar doppelt enthält. Das kommt im übrigen auch schon in der Ankündigung einer "Extra-Beilage" zum Ausdruck. Die Gestaltung kleineren Bilder, also der "Stickers", welche es erlaubt, sie durch Abziehen von der Folie zu einem Aufkleber (Klebebild) und damit zu einem selbständigen Gegenstand mit eigener Funktion zu machen, schließt ihre Qualifikation als Bestandteil der Jugendzeitschrift aus. Die Beklagte hat damit vielmehr eine Gratisbeigabe gewählt, die nach ihrer Art und Beschaffenheit, aber auch nach ihrem selbständigen Verwendungszweck nicht mehr zum Leistungsgegenstand des Hauptgeschäftes - Kauf einer Jugendzeitschrift - gehört, sondern eine davon losgelöste wirtschaftliche Bedeutung hat und selbständig zu bewerten ist (ÖBl 1980, 109; ÖBl 1990, 261).

Die von der Beklagten auf der Titelseite des Heftes Nr 21/90 angekündigten und der Zeitschrift beigegebenen "Star-Stickers" verstießen somit gegen das Zugabenverbot des § 1 Abs 1 ZugG, waren sie doch geeignet, das jugendliche Publikum in seinem Entschluß zum Erwerb dieser Ausgabe von "p*****" aus sachfremden Gründen und nicht wegen der Qualität dieser Zeitschrift zu beeinflussen. Auf den in der Äußerung erhobenen Einwand in bezug auf das Vorliegen der Ausnahmetatbestände der § 2 Abs 1 lit d, § 3 Abs 1 lit c ZugG kommt die Beklagte in ihrem Revisionsrekurs nicht mehr zurück, so daß darauf auch nicht mehr näher einzugehen ist.

Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich in Ansehung der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO, in Ansehung der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 2 EO und §§ 41, 50 und 52 Abs 1 ZPO.

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