Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses und der Rekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen; die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung und des Rekurses endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die ursprünglich als Erstbeklagte in Anspruch genommene "DIE G*** W***" Zeitschriftengesellschaft mbH & Co KG ist während des Verfahrens von ihrer Komplementärgesellschaft, der ehemaligen Zweitbeklagten, übernommen worden; die ehemalige Zweitbeklagte ist daher als Gesamtrechtsnachfolgerin (§ 142 HGB) nunmehr allein beklagte Partei. Diese Parteienbezeichnung war im Kopf der Entscheidung richtigzustellen.
In der von der Klägerin verlegten "Neue Kronen-Zeitung" werden unter dem Titel "In den Wind gereimt" fortlaufend satirische Gedichte veröffentlicht. Im Rahmen dieser Serie erschien auf Seite 9 der Ausgabe der "Neuen Kronen-Zeitung" vom 31.5.1989 - unmittelbar neben einem zweispaltigen Bericht über eine versuchte Vergewaltigung einer 22-jährigen Frau durch einen maskierten und mit einer Pistole bewaffneten Mann beim Lusthaus im Wiener Prater - das nachstehende Gedicht:
Abbildung nicht darstellbar!
Das "Oberösterreichische Tagblatt" reagierte darauf in seiner Ausgabe vom 1.6.1989 wie folgt:
Abbildung nicht darstellbar!
Am 20.12.1989 berichtete die Tageszeitung "Neue AZ" darüber, daß das von Hans D***, dem Herausgeber der "Neuen Kronen-Zeitung", gegen die Verfasserin des Gedichtes, die "AZ-Journalistin Tessa P***", angestrengte Strafverfahren wegen der Vergehen nach § 111 Abs 1 und 2, § 115 StGB "auch in der zweiten und letzten Prozeßrunde an die AZ" gegangen sei. D*** sei auch beim OLG-Wien "abgeblitzt", Tessa P***s Freispruch bestätigt worden. Nach einer kurzen Darstellung der Vorgeschichte mit einer Wiedergabe des Gedichtes und des "Gegengedichtes" lautete der Schlußsatz:
"Das war, so entschied der OLG-Senat (Vorsitz Franz C***), eine Antwort innerhalb der Grenzen zulässiger journalistischer Meinungsäußerung auf eine 'ausgesprochen geschmacklose Berichterstattung', die für Verfechter der Frauenrechte 'eine ungeheuerliche Provokation' darstelle".
In Nr. 1/1990 der Wochenzeitung "Die ganze Woche", deren Medieninhaberin und Verlegerin die Beklagte ist, erschien am 4.1.1990 die nachstehende, mit "Columbus" übertitelte Bildgeschichte:
Abbildung nicht darstellbar!
Mit der Behauptung, daß die Beklagte mit dem Schlußreim ihrer Bildgeschichte gegen § 1 UWG und § 1330 ABGB verstoßen habe, beantragt die Klägerin zur Sicherung eines gleichlautenden Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Behauptung "Wer bei den Frauen kommt zu kurz, läßt in der Krone seinen Furz" oder Behauptungen bedeutungsgleichen oder bedeutungsähnlichen Inhalts aufzustellen und zu verbreiten. Durch die beanstandete Äußerung sei das Printmedium des Mitbewerbers verächtlich gemacht und in gehässiger Weise pauschal abgewertet worden. Es liege eine Schmähung vor, die mit einer sachbezogenen Auseinandersetzung um weltanschauliche oder sozialpolitische Themen nichts mehr zu tun habe; die Absicht, das Publikum sachbezogen zu unterrichten und so am öffentlichen Meinungsbildungsprozeß teilnehmen zu lassen, sei hier völlig in den Hintergrund getreten. Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrages. Sie sei mit der Klägerin in einer "Pressefehde" um ein weltanschauliches Thema gestanden. Es gehe dabei um die gerechtfertigte Empörung über die Behauptung der Klägerin vom 31.5.1989, daß eine sexuellen Annäherungsversuchen, ja sogar im Extremfall einer Vergewaltigung ausgesetzte Frau daran meist durch ihr herausforderndes Gehaben selbst schuld sei. Nachdem die "Neue AZ" am 20.12.1989 über die Abfuhr berichtet habe, die der Herausgeber der "Neuen Kronen-Zeitung" wegen des "Gegengedichtes" im "Oberösterreichischen Tagblatt" vom 1.6.1989 auch in zweiter Instanz erlitten habe, liege dem von der Klägerin beanstandeten Bildstreifen der Beklagten keine Wettbewerbsabsicht zugrunde; die Veröffentlichung sei vielmehr in legitimer Ausübung des Rechtes auf Meinungsfreiheit zu einem weltanschaulich-gesellschaftspolitischen Thema im Rahmen einer von der Klägerin selbst ausgelösten publizistischen Auseinandersetzung vorgenommen worden.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Eine Pressefehde wegen des am 31.5.1989 in der "Neuen Kronen-Zeitung" erschienenen Gedichtes sei nicht zwischen den Parteien, sondern allenfalls zwischen der "Neuen Kronen-Zeitung" und dem "Oberösterreichischen Tagblatt" wegen des schon am 1.6.1989 dort erschienenen Gegengedichtes ausgetragen worden. Die "Die Ganze Woche" habe zu diesem Thema bis zum 4.1.1990 geschwiegen; erst nach mehr als sieben Monaten habe sie dann reagiert und zum Schlag gegen den Mitbewerber ausgeholt, nachdem sich die Niederlage des Herausgebers der "Neuen Kronen-Zeitung" bereits abgezeichnet habe. Zu diesem Zeitpunkt sei aber für den Durchschnittsleser ein Zusammenhang mit dem Gedicht vom 31.5.1989 nicht mehr erkennbar gewesen; für ihn habe sich die beanstandete Bildgeschichte vielmehr als eine völlig unverständliche Verunglimpfung der "Neuen Kronen-Zeitung" dargestellt. Auch der Bericht in der "Neuen AZ" vom 20.12.1989 könne daran im Hinblick auf den "sehr geringen Verbreitungsgrad" dieser Tageszeitung nichts ändern. Die Beklagte habe somit in Wettbewerbsabsicht gehandelt; sie habe nicht etwa versucht, die verfehlte Meinung der "Neuen Kronen-Zeitung" beim Leserpublikum zu korrigieren, sondern erkennbar die Zeitung der Klägerin verspotten, herabsetzen und lächerlich machen wollen. Die beanstandete Behauptung bediene sich aber einer so unsachlichen und verspottenden Ausdrucksweise, daß sie mit einer Berufung auf die Pressefreiheit oder auf eine im Pressewesen übliche oberflächliche Wortwahl nicht mehr gerechtfertigt werden könne.
Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Wettbewerbsabsicht der Beklagten sei im vorliegenden Fall ganz in den Hintergrund getreten, so daß schon aus diesem Grund ein Verstoß gegen §§ 1 oder 7 UWG nicht in Betracht komme. Mit der beanstandeten Bildgeschichte habe die Beklagte der in der Tageszeitung der Klägerin am 31.5.1989 zum Ausdruck gebrachten Andeutung entgegentreten wollen, daß Frauen, die Opfer von Sexualdelikten wurden, sich dies auf Grund ihres Verhaltens meist selbst zuzuschreiben hätten. Wenngleich zwischen den beiden Veröffentlichungen ein zeitlich großer Abstand bestehe, habe der Durchschnittsleser der Zeitung der Beklagten doch erkennen können, daß in der beanstandeten Bildgeschichte der "Neuen Kronen-Zeitung" vorgeworfen wurde, Sprachrohr frauenfeindlicher und sexistischer Ansichten zu sein; da dieses Medium die Meinung vertrete, daß im Fall einer sexuellen Belästigung (oder Vergewaltigung) von Frauen diese meist selbst schuld seien, dürften Personen, die bei Frauen zu kurz kämen, dort ihre Meinung äußern. Die - wenn auch derbe - Kritik der Beklagten sei somit nicht ohne sachlichen Bezug auf die für die Kritik maßgeblichen Umstände geäußert worden; sie sei als Versuch zu werten, die öffentliche Meinung in dem Sinne zu beeinflussen, daß die in der "Neuen Kronen-Zeitung" vertretenen Tedenzen falsch seien und nur von Personen vertreten würden, die "bei Frauen zu kurz kommen". Der Sicherungsanspruch könne auch nicht aus § 1330 Abs 2 ABGB abgeleitet werden, weil die Klägerin eine konkrete Gefährdung nicht einmal behauptet habe.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung der einstweiligen Verfügung des Erstgerichtes. Die Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen der Meinung der Beklagten zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der Frage, ob bei einer im Medienbereich geäußerten grob beleidigenden pauschalen Herabsetzung von Mitbewerbern oder ihrer Erzeugnisse die Wettbewersabsicht gegenüber dem eigentlichen Beweggrund der Handlung in den Hintergrund tritt, abgewichen ist; der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.
Die Tatbestände sowohl des § 7 UWG als auch des § 1 UWG setzen ein "Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs" voraus. Ob die Beklagte in Wettbewerbsabsicht gehandelt hat, ist nach ständiger Rechtsprechung eine Tat- und keine Rechtsfrage (SZ 47/23; ÖBl 1983, 13; ÖBl 1984, 23; MR 1988, 84 und 194; ÖBl 1990, 18 = MR 1989, 219 ua). Da eine solche Feststellung hier weder im positiven noch im negativen Sinn getroffen worden ist, ist das Rekursgericht an sich zutreffend davon ausgegangen, daß gerade bei abfälligen Äußerungen über einen Mitbewerber nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung von vornherein für die Wettbewerbsabsicht spricht (stRsp, zB SZ 25/18 und 100; SZ 38/79; ÖBl 1983, 13; ÖBl 1987, 23; MR 1989, 61; ÖBl 1990, 18). Die Wettbewerbsabsicht muß dabei freilich nicht das einzige oder wesentliche Ziel der Handlung gewesen sein; sie darf nur gegenüber dem eigentlichen Beweggrund nicht völlig in den Hintergrund treten (SZ 44/116; ÖBl 1981, 45; ÖBl 1983, 9; MR 1989, 61; MR 1990, 69; ÖBl 1990, 18). Ob das der Fall ist oder die (mitspielende) Wettbewerbsabsicht neben anderen Zielen der Handlung noch Gewicht hat, ist als Wertung eine Rechtsfrage, welche auf Grund der zu den konkurrierenden Motiven und Zwecken des Handelnden getroffenen Tatsachenfeststellungen zu beurteilen ist (MR 1989, 61; MR 1990, 69; ÖBl 1990, 18). Die Beklagte führt dazu nur ihr Interesse an der Information der Öffentlichkeit ins Treffen und beruft sich auf eine "Pressefehde" zwischen den Medien der Streitteile zu einem weltanschaulich-gesellschaftspolitischen Thema, nämlich zu der in der "Neuen Kronen-Zeitung" vom 31.5.1989 durch den Abdruck des genannten Gedichtes neben einem Bericht über eine versuchte Vergewaltigung zum Ausdruck gebrachten Meinung, daß eine sexuellen Annäherungsversuchen ausgesetzte Frau daran meist durch ihr herausforderndes Gehaben selbst schuld sei.
Wenngleich es zutrifft, daß eine Pressefehde zwischen zwei Zeitungen sehr häufig zur Förderung der öffentlichen Meinungsbildung und nicht zu Wettbewerbszwecken ausgetragen wird (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht16, 192 Rz 240 EinlUWG), so kann doch eine ohne erkennbaren Anlaß erst nach sieben Monaten geäußerte Reaktion auf eine in einem Konkurrenzblatt zum Ausdruck gebrachte Meinung zu einem bestimmten Thema keinesfalls mehr als aktuelle Pressefehde im Sinne einer unmittelbaren weltanschaulichen Auseinandersetzung angesehen werden; davon abgesehen, hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, daß auch im Pressewesen kein schutzwürdiges Informationsbedürfnis an der Herabsetzung von Mitbewerbern besteht (MR 1989, 61; MR 1990, 69; ÖBl 1990, 18). Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich, daß die Beklagte mit ihrer Bildgeschichte vom 4.1.1990 von vornherein nur für diejenigen Leser, denen die satirische Gedichtserie der "Neuen Kronen-Zeitung" bekannt war, dieses Konkurrenzblatt auch erkennbar angesprochen hat; das kommt einerseits in der Überschrift "In den Wind geschleimt" zum Ausdruck, welche sich im lautlichen Gleichklang an den Titel "In den Wind gereimt" anlehnt, zugleich aber bereits die Gedichtserie als "Schleim" herabsetzt, und andererseits auch durch den Einleitungsvers des ersten Bildes, welcher dem "Verseschmied vom Kleinformat" vorwirft, daß er "recht sonderbare Themen habe". Auch wenn dann im zweiten Bild ein solches "sonderbares Thema" des "Verseschmieds vom Kleinformat" mit dem Reim "Erzwingt der Mann des Weibes Huld, dann ist sie meistens selber schuld!" umschrieben wird, muß aber demgegenüber schon der folgende Vers über die "Dichterin", die "wie die Made im Speck" lebe, für den Durchschnittsleser völlig unverständlich bleiben. Daß damit auf den in zweiter Instanz bestätigten Freispruch der Verfasserin eines Gegengedichtes im Rahmen des vom Herausgeber der "Neuen Kronen-Zeitung" gegen sie angestrengten Strafverfahrens angespielt werden sollte, konnte selbst der bestinformierte Leser nicht erkennen; dies umso weniger, als nur die tatsächlich in eine Pressefehde mit der "Neuen Kronen-Zeitung" verwickelte "Neue AZ" (und nicht, wie die Beklagte in ihrer Revisionsrekursbeantwortung in Abweichung von ihrem erstinstanzlichen Sachvorbringen und der als bescheinigt angenommenen Sachverhaltsgrundlage meint: "die Medien") am 20.12.1989 - also auch schon wieder zwei Wochen
zurückliegend - berichtet hatte. Aus dem Vers des dritten Bildes geht vielmehr hervor, daß hier ein weiteres "sonderbares Thema des Verseschmieds vom Kleinformat" angesprochen werden sollte und sich aus beiden genannten Themen die Schlußfolgerung des vierten Bildes als "These" förmlich aufdränge. Der Sinngehalt des Schlußverses, welcher durch seine besonders derbe Wortwahl ("Furz") gekennzeichnet ist, läßt sich dahin zusammenfassen, daß verklemmte Männer (die bei den Frauen zu kurz gekommen sind) sich in der "Krone" ihrer Blähungen entledigten. Damit wird aber die namentlich genannte Konkurrenzzeitung jedenfalls unsachlich und unnötig herabgesetzt, weil nicht nur ihre Mitarbeiter gröblich beschimpft und beleidigt werden, sondern auch ihr Inhalt pauschal abgewertet wird. Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes ist daher mangels gegenteiliger Bescheinigungsannahmen von einem Handeln der Beklagten zu Zwecken des Wettbewerbs auszugehen. Die beanstandete grobe Beschimpfung und Beleidigung der Mitarbeiter der Klägerin und die damit verbundene pauschale Herabsetzung der von ihr verlegten Tageszeitung können auch nicht unter Berufung auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung (Art 13 StGG, Art 10 MRK) gerechtfertigt werden (vgl. ÖBl 1990, 18; jüngst auch 4 Ob 118/90). Die Beklagte hat demnach - unabhängig davon, ob es sich diesmal um eine erweislich wahre Tatsachenbehauptung im Sinne des § 7 UWG oder um eine unüberprüfbare Meinungskundgabe handelt - gegen § 1 UWG verstoßen (MR 1990, 66 mwN; 4 Ob 118/90).
Dem Revisionsrekurs der Klägerin war somit dahin Folge zu geben, daß die einstweilige Verfügung des Erstrichters wiederhergestellt wird.
Der Ausspruch über die Kosten der Klägerin gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, jener über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 2 EO und §§ 40, 50 und 52 Abs 1 ZPO.
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