OGH 4Nc23/08g

OGH4Nc23/08g10.12.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der beim Landesgericht Feldkirch zu 38 Cg 145/08h anhängigen Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Bertram Grass und Mag. Christoph Dorner, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Egger & Musey Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, und deren Nebenintervenientin S*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Mag. Ingrid Juliane Gaismayer, Rechtsanwältin in Wien, wegen 1.000.000 EUR sA, über den Delegierungsantrag der beklagten Partei gemäß § 31 Abs 2 JN den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag der beklagten Partei, zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache anstelle des zuständigen Gerichts das Landesgericht Salzburg zu bestimmen, wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt 1.000.000 EUR sA als Schadenersatz. Beim Bauvorhaben Salzburger Gebietskrankenkasse in der Stadt Salzburg sei es zu Planungsmängeln gekommen, die die Beklagte als Partnerin der von der Klägerin mit der Generalplanung beauftragten ARGE mitzuverantworten habe. Die Klägerin brachte die Klage im Hinblick auf eine Gerichtsstandsvereinbarung im Generalplanervertrag („Gerichtsstand für alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit diesem Vertrag ist Bregenz") beim Bezirksgericht Bregenz ein. Die Beklagte erhob die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit und beantragte zugleich die Delegierung der Rechtssache gemäß § 31 Abs 2 JN aus Zweckmäßigkeitsgründen; eine Vielzahl von Zeugen sei im Sprengel des Landesgerichts Salzburg zu laden, dort seien Befundaufnahmen durch Sachverständige durchzuführen und befinde sich eine Niederlassung der Klägerin.

Die Klägerin unterwarf sich der Unzuständigkeitseinrede und beantragte gemäß § 261 Abs 6 ZPO die Überweisung der Rechtssache an das Landesgericht Feldkirch, welchem Antrag das Bezirksgericht Bregenz stattgab. Sie sprach sich unter Hinweis auf die Gerichtsstandsvereinbarung sowie den Wohnort einiger Zeugen in Vorarlberg gegen die Delegierung aus.

Die Nebenintervenientin und das vorlegende Landesgericht Feldkirch halten eine Delegation für zweckmäßig.

Rechtliche Beurteilung

Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.

1. Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung ist eine Delegierung aus Zweckmäßigkeitsgründen dann, wenn die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts durch Parteienvereinbarung begründet wurde, grundsätzlich ausgeschlossen, weil sie dem Zweck der Parteienvereinbarung widerspricht (Ballon in Fasching² I § 31 JN Rz 4 mN aus der Rsp). Anders liegt der Fall nach der Rechtsprechung dann, wenn nachträglich wesentliche Zweckmäßigkeitsgründe eingetreten sind, auf die die Parteien bei Abschluss der Vereinbarung nicht Bedacht nehmen konnten (Mayr in Rechberger³ § 31 JN Rz 4 mwN; 4 Nc 20/04k; RIS-Justiz RS0046198). Die Entscheidung 1 Nd 507/87, wonach eine „ganz allgemein als eine von vielen Vertragsklauseln" getroffene Gerichtsstandsvereinbarung einer Delegierung nicht im Wege stehe, ist vereinzelt geblieben (4 Nc 18/08x). Auch die Meinung Mayrs (Die Delegation im zivilgerichtlichen Verfahren, JBl 1983, 293 [299]), Gerichtsstandsvereinbarungen, die bloß durch Unterfertigung vorformulierter Vertragsklauseln zustandekämen, welche auf die Umstände des Einzelfalls keine Rücksicht nähmen, sei kein größeres Gewicht beizumessen als der gesetzlichen Zuständigkeit, wurde vom Obersten Gerichtshof bereits ausdrücklich abgelehnt (4 Nc 18/08x; siehe ferner RIS-Justiz RS0046198 [T15]).

2. Auch wenn in der Vereinbarung nicht ein bestimmtes einzelnes Gericht genannt wird, wohl aber mit genügender Bestimmtheit angegeben wird, inwieweit die Parteien von den gesetzlichen Zuständigkeitsregeln abgehen wollen, haben sie sich durch die Vereinbarung „einem an sich nicht zuständigen Gericht unterworfen" (RIS-Justiz RS0046834). Insofern genügt für die Bestimmbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung, wenn der Ort, das ist die Gemeinde, die aufgrund der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften je nach der sachlichen Zuständigkeit ganz bestimmten Gerichtssprengeln zugeteilt ist, angeführt ist (RIS-Justiz RS0046823). Dies ist hier der Fall; die Parteien haben sich erkennbar dem für Bregenz sachlich und örtlich zuständigen Gericht unterworfen. Im Anlassfall ist dies das Landesgericht Feldkirch. Bei Abschluss des Generalplanervertrags und damit der (auch örtlichen) Zuständigkeitsvereinbarung war den Parteien bewusst, dass sich die vertraglich zu erbringenden Leistungen auf ein Bauvorhaben in der Stadt Salzburg beziehen; sie konnten diesen Umstand somit bereits bei Vertragsabschluss in ihre Überlegungen einbeziehen. Bei dieser Sachlage reichen Zweckmäßigkeitsüberlegungen wegen des Vorrangs der Privatautonomie für eine Delegierung nicht aus (4 Nc 16/07a; 4 Nc 18/08x).

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