OGH 3Ob95/23a

OGH3Ob95/23a21.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei K* GmbH, *, vertreten durch Mag. Franz Kellner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die verpflichtete Partei C* H*, vertreten durch Mag. Karim Mousa, Rechtsanwalt in Wien, wegen 100.000 EUR sA, über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 2. März 2023, GZ 17 R 12/23w‑18, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom 7. Dezember 2022, GZ 22 E 1225/22s‑12, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0030OB00095.23A.0621.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Exekutionsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird aufgehoben; die Exekutionssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.

 

Begründung:

[1] Mit Beschluss vom 3. 5. 2022 bewilligte das Erstgericht der Betreibenden gegen den Verpflichteten aufgrund des vollstreckbaren Auszugs aus dem Anmeldungsverzeichnis des Handelsgerichts Wien vom 23. 7. 2007, AZ 4 S 654/02g, zur Hereinbringung einer Teilforderung von 100.000 EUR die Exekution durch Pfändung und Verwertung des dem Verpflichteten als Treugeber gegenüber dem Treuhänder zustehenden Rechts auf unentgeltliche (Rück‑)Übertragung des (gesamten, zumindest des halben) treuhändig gehaltenen Geschäftsanteils an der UB‑GmbH. Die Entscheidung über den Verwertungsantrag behielt sich das Erstgericht vor.

[2] In der Tagsatzung vom 24. 11. 2022 (zur Entscheidung über den Verwertungsantrag) beantragte der Verpflichtete die „Aufhebung“ der Exekution, weil deren Bewilligung von der Betreibenden dadurch irreführend herbeigeführt worden sei, dass sie die Aussage des Treuhänders vor dem Landeskriminalamt Wien (wonach der Treuhandvertrag aufgelöst worden und tatsächlich er wirtschaftlicher Eigentümer der GmbH sei) nur bruchstückhaft wiedergegeben habe. Dadurch werde die Exekution auf ein nicht bestehendes Vermögensrecht des Verpflichteten geführt.

[3] Das Erstgericht stellte die Exekution unter Aufhebung aller bisher vollzogenen Exekutionsakte gemäß § 39 Abs 1 Z 2 und 8 EO ein. Dazu stellte das Erstgericht fest:

[Der Treuhänder] erwarb im Jahr 2017 von [einem Dritten] die Geschäftsanteile an der [GmbH], dies treuhändig je zur Hälfte für [den Verpflichteten] und [eine Dritte] als Treugeber. Der Kaufpreis stammte vom [Treuhänder]. Rund ein Jahr später, konkret zum 1. 4. 2018, wurde der Treuhandvertrag von den Vertragsparteien mündlich aufgelöst. Mit Notariatsakt vom 16. 6. 2021 wurde der Treuhandvertrag vom 3. 4. 2017 aufgelöst und weiters festgehalten, dass alle aus dem Treuhandverhältnis bestandenen Forderungen und Ansprüche erlöschen und keinem aus diesem Titel gegen den jeweils anderen noch irgendwelche Ansprüche zustehen.“

[4] Da das Treuhandverhältnis aufgelöst worden sei, stehe dem Verpflichteten kein Recht mehr zu, das verwertet werden könne. Aus diesem Grund könne der Betreibenden im Rahmen der Verwertung keine Ermächtigung erteilt werden, das Recht auf Kündigung der mit dem Treuhänder bestehenden Treuhandschaft oder das Recht auf Rückübertragung des treuhändig gehaltenen Geschäftsanteils auszuüben.

[5] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Betreibenden Folge und wies den Einstellungsantrag des Verpflichteten ab. Die vom Erstgericht herangezogenen Einstellungsgründe nach § 39 Abs 1 Z 2 (Exekutionsverbot oder Exekutionsbeschränkung) und Z 8 EO (Unverwertbarkeit oder Wertlosigkeit) lägen nicht vor. Die Frage, ob die gepfändete Forderung bestehe, sei grundsätzlich im Prozess über die vom betreibenden Gläubiger anzustrengende Drittschuldnerklage zu klären. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

[6] Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Verpflichteten, der auf eine Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzielt.

[7] Mit ihrer Revisionsrekursbeantwortung beantragt die Betreibende, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

[8] Der Revisionsrekurs des Verpflichteten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts zulässig und im Sinn des subsidiär gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

[9] 1.1 Die zugrunde liegende Exekution bezieht sich auf (sonstige) Vermögensrechte nach §§ 326 ff EO idF der GREx, BGBl I 2021/86 (§§ 330 ff EO alt).

[10] 1.2 Allgemeine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Exekution auf Vermögensrechte ist, dass das zu pfändende Recht zur Zeit der Exekutionsführung dem Verpflichteten zusteht (RS0053189; vgl auch RS0106938) und dieses Recht – zumindest der Ausübung nach – verwertbar (übertragbar) ist (RS0004046).

[11] Schon nach der bisherigen Rechtsprechung vor der GREx – von der abzugehen kein Anlass besteht – muss der betreibende Gläubiger im Exekutionsantrag nicht bescheinigen oder beweisen, dass das in Rede stehende Vermögensrecht tatsächlich existiert (3 Ob 26/08g), tatsächlich dem Verpflichteten zusteht (3 Ob 28/99k) oder gepfändet und verwertet werden kann (RS0001249; Schneider in Mohr/Pimmer/Schneider, EO17 Anm zu § 326). Wegen des Nichtbestands oder fehlender Pfändbarkeit oder Verwertbarkeit des in Exekution gezogenen Rechts darf der Exekutionsantrag daher nur dann abgewiesen werden, wenn sich schon aus diesem selbst oder aus den Akten des Bewilligungsgerichts zweifelsfrei ergibt, dass das gepfändete Recht nicht besteht oder nicht pfändbar oder verwertbar ist (vgl 3 Ob 28/99k; vgl auch RS0084555).

[12] 1.3 Stellt sich – nach erfolgter Exekutionsbewilligung – im Lauf des Exekutionsverfahrens heraus, dass eine Verwertung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen endgültig nicht möglich ist, so ist das Verfahren nach der Rechtsprechung gemäß § 39 Abs 1 Z 8 EO einzustellen (RS0001249; 3 Ob 28/99k; 3 Ob 225/07w). Dies folgt daraus, dass zwecklose Exekutionen überflüssig und aus Gründen des Schuldnerschutzes unzulässig sind (vgl 3 Ob 269/06i).

[13] Die bloße Behauptung des Verpflichteten, ihm stehe das gepfändete Recht nicht zu, reicht in dieser Hinsicht freilich nicht aus (RS0036055; 3 Ob 28/99k). Anderes gilt aber etwa dann, wenn das (Exekutions-)Gericht feststellt oder sonst aktenkundig wird, dass das in Exekution gezogene Vermögensrecht dem Verpflichteten nicht zusteht und/oder die für die Verwertung dieses Rechts notwendige Ermächtigung im Sinn des § 330 Abs 3 EO idF der GREx dem betreibenden Gläubiger nicht erteilt werden kann.

[14] 1.4 Der für eine Einstellung nach § 39 EO maßgebliche Sachverhalt ist vom Exekutionsgericht im Exekutionsverfahren zu erheben. Dies gilt – wie hier – auch dann, wenn strittige Tatsachen zu klären sind. Eine Verweisung auf den Rechtsweg, wie sie etwa § 40 Abs 2 EO kennt, ist in § 39 EO nicht vorgesehen (Jakusch in Angst/Oberhammer, EO3 § 39 Rz 85). Die Frage, ob das gepfändete Recht besteht, ist – nach Maßgabe der Einwendungen des Drittschuldners – gegebenenfalls zwar (auch) in einem Prozess über die vom betreibenden Gläubiger anzustrengende Drittschuldnerklage zu klären; dies schließt bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Vorgehen nach § 39 EO allerdings nicht aus.

[15] Nach § 39 EO ist der maßgebende Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, wenn es um einen Einstellungsgrund geht, der auch von Amts wegen wahrzunehmen ist (Jakusch in Angst/Oberhammer, EO3 § 39 Rz 73). Wird ein Antrag auf Einstellung der Exekution gestellt (zwingend nach § 39 Abs 1 Z 1, 6 und 7 EO), so sind gemäß § 45 Abs 3 EO vor der Entscheidung darüber die Parteien zu vernehmen (Jakusch in Angst/Oberhammer, EO3 § 39 Rz 80). Unabhängig von dieser Regelung (und jener des § 39 Abs 2 EO zu § 39 Abs 1 Z 2 und 3 EO) muss einer Partei immer dann Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden, wenn wesentliche Sachverhaltsfeststellungen zu ihren Lasten getroffen werden (Jakusch in Angst/Oberhammer, EO3 § 39 Rz 78). Darüber hinaus darf der betreibende Gläubiger durch eine amtswegige Einstellung der Exekution nach der Rechtsprechung jedenfalls nicht überrascht werden (Jakusch in Angst/Oberhammer, EO3 § 39 Rz 79/1).

[16] 2. Nach den dargelegten Grundsätzen hat somit das Exekutionsgericht im Exekutionsverfahren den für die (hier beantragte) Einstellung der Exekution nach § 39 Abs 1 Z 8 EO maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu prüfen und die Exekution einzustellen, wenn es – wie im Anlassfall nach Einvernahme der Parteien – feststellt, dass das von der Exekution betroffene Treugut (hier GmbH-Geschäftsanteile) vom Treuhänder mit dessen eigenen Mitteln erworben, der Kaufpreis vom Verpflichteten (vermeintlichen Treugeber) nicht gezahlt und der zugrunde liegende Treuhandvertrag wirksam aufgelöst und vereinbart wurde, dass alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Treuhandverhältnis erloschen sind. In diesem Fall steht nämlich fest, dass die Rechtsgrundlage, aus der die Position des Verpflichteten als Treugeber und somit das gepfändete Recht abgeleitet werden, weggefallen ist und das gepfändete Recht nicht mehr existiert, weshalb dem betreibenden Gläubiger auch keine Ermächtigung zur Verwertung des gepfändeten Rechts erteilt werden könnte.

[17] 3. Die Entscheidung des Rekursgerichts hält somit der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht stand. Eine abschließende Beurteilung ist allerdings noch nicht möglich, zumal die Betreibende in ihrem Rekurs auch eine (umfangreiche) Mängelrüge und urkundenbezogene Tatsachenrüge erhoben hat, die das Rekursgericht aufgrund seiner unrichtigen Rechtsansicht unbehandelt ließ. Die Entscheidung des Rekursgerichts war daher – in Stattgebung des Revisionsrekurses – aufzuheben und die Exekutionssache zur abschließenden Erledigung des Rekurses der Betreibenden an die zweite Instanz zurückzuverweisen.

[18] 4.1 Wie bereits ausgeführt, ist auf den vorliegenden Exekutionsantrag das Bundesgesetz über die Gesamtreform des Exekutionsrechts (GREx), BGBl I 2021/86, anzuwenden, das am 1. 7. 2021 in Kraft getreten ist (siehe § 502 Abs 1 EO). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die GREx einen einheitlichen Abschnitt „Exekution auf Vermögensrechte“ geschaffen und die bis dahin bestehende Aufteilung in die Abschnitte „Exekution auf Ansprüche auf Herausgabe und Leistung körperlicher Sachen“ und „Exekution auf sonstige Vermögensrechte“ aufgegeben hat. Dadurch soll die Exekution auf Vermögensrechte effizienter und einfacher gestaltet werden (RV 770 BlgNR 27. GP  2). Dazu soll in erster Linie die Bestellung eines Verwalters beitragen, die nunmehr den Regelfall bilden soll (vgl Frauenberger in Deixler‑Hübner, EO § 326 Rz 1). Dementsprechend wird in § 327 EO die Bestellung eines Verwalters als Grundsatz angeordnet, von dem nach § 330 EO Ausnahmen bestehen (Schneider in Mohr/Pimmer/Schneider, EO17 Anm zu § 330). Eine solche Ausnahme muss vom betreibenden Gläubiger ausdrücklich beantragt werden. Zudem ist vorausgesetzt, dass im Exekutionsantrag eine bestimmte Angabe des Vermögensobjekts erfolgt und kein Anwendungsfall des § 330 Abs 4 EO vorliegt. Geschieht die Verwertung etwa durch den Verkauf eines Gesellschaftsanteils (Abs 4 Z 3 leg cit), so ist also zwingend ein Verwalter zu bestellen. Grundsätzlich kann in der Exekution nach § 326 EO der Verwertungsantrag sowohl mit dem Exekutionsantrag verbunden als auch erst nachträglich gestellt werden. Wird die Exekution ohne Verwalter beantragt, so hat der Exekutionsantrag gemäß § 330 Abs 1 EO aber zwingend einen Verwertungsantrag zu enthalten (Schneider in Mohr/Pimmer/Schneider, EO17 Anm zu § 330). Wird kein Verwalter bestellt, so ist dem betreibenden Gläubiger nach § 330 Abs 3 EO die für die Verwertung des konkreten Vermögensrechts notwendige Ermächtigung zu erteilen (Schneider in Mohr/Pimmer/Schneider, EO17 Anm zu § 330). Dabei ist das Gericht an die Anträge des betreibenden Gläubigers gebunden. Die Ermächtigung kann sich unter anderem auf die Geltendmachung und Einklagung des gepfändeten Rechts im Sinn des § 308 EO oder – im hier gegebenen Zusammenhang – auf die Kündigung und Abgabe aller sonst zur Ausübung und Nutzbarmachung des gepfändeten Rechts erforderlichen Erklärungen anstelle des Verpflichteten beziehen (Frauenberger in Deixler‑Hübner, EO § 330 Rz 12).

[19] 4.2 Nach diesen Grundsätzen wird zu beachten sein, dass für den Verkauf von GmbH-Geschäftsanteilen nunmehr zwingend ein Verwalter zu bestellen ist, was gegebenenfalls anlässlich der Entscheidung über den Verwertungsantrag nachgeholt werden könnte.

[20] 5. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO iVm § 78 EO (siehe auch § 65 Abs 3 EO).

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