OGH 3Ob88/22w

OGH3Ob88/22w8.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W* GmbH, *, vertreten durch Aigner Rechtsanwalts-GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei C* GmbH, *, vertreten durch Dr. Christian Hirtzberger, Rechtsanwalt in St. Pölten, und deren Nebenintervenientin N* GmbH in Liquidation, *, vertreten durch MMag. Barbara Frik‑Baumgärtel, Rechtsanwältin in Wien, wegen 38.311,66 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. März 2022, GZ 4 R 161/21g‑51, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00088.22W.0908.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Für die Auslegung von Willenserklärungen ist nicht die Vorstellung der Vertragschließenden maßgeblich, sondern ausgehend vom buchstäblichen Sinn des Ausdrucks die Absicht der Parteien zu erforschen. Die aus der Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen sind nicht danach zu beurteilen, was der Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern es kommt auf das Verständnis an, das ein redlicher Erklärungsempfänger von dieser gewinnen durfte und gewonnen hat. Dabei ist auf die konkreten Umstände, namentlich auf den Geschäftszweck und die Interessenlage Bedacht zu nehmen. Für die Interpretation eines Verhaltens ist daher maßgeblich, welche Umstände aus der Sicht des Empfängers auf welche Erklärungsbedeutung schließen lassen. Die maßgeblichen Auslegungskriterien müssen immer dem Vertrag selbst oder den ihn begleitenden maßgeblichen Umständen zu entnehmen sein (vgl RS0113932 [T2, T5]). Es ist immer das Gesamtverhalten der am Vertragsschluss beteiligten Personen und der Zweck der von ihnen abgegebenen Erklärungen zu berücksichtigen (RS0017807). Wird eine übereinstimmende abweichende Parteienabsicht nicht festgestellt, so ist bei der Auslegung des Vertrags von dessen Wortlaut auszugehen (RS0017831 [T4]). Wie eine Erklärung aufzufassen ist, kann jeweils nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (RS0042555 [T7]). Auch der konkrete Inhalt einer Patronatserklärung einer Gesellschaft für eine andere lässt sich nur durch eine solche Auslegung ermitteln (vgl RS0016949 [T6]).

[2] 2.1 Die Geschäftsführer der Beklagten (diese ist Alleingesellschafterin der Nebenintervenientin) gaben für diese zum Jahresende 2017, als die Bilanz der Nebenintervenientin ein negatives Eigenkapital aufwies, eine uneingeschränkte Finanzierungszusage und eine „Rückstehungserklärung“ ab, um die Insolvenz der Nebenintervenientin zu verhindern. Wenn die Vorinstanzen bei der Auslegung dieser Zusage aus Anlass der hier zu beurteilenden Drittschuldnerklage zu dem Ergebnis kamen, dass die Feststellung, die „Bezahlung“ der (damals bereits titulierten) Forderung der Klägerin sei anlässlich der Abgabe dieser Erklärung durch die beteiligten Geschäftsführer „nicht ihre Absicht“ gewesen, der Haftung dafür nicht entgegen stehe, so ist dies nicht korrekturbedürftig. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten findet sich – abgesehen vom Hinweis darauf, dass die Geschäftsführer bei dieser Finanzierungszusage „vor allem“ an die Bezahlung der Mindestkörperschaftssteuer und Kosten der Erstellung der Jahresabschlüsse „dachten“, – im Sachverhalt kein Anhaltspunkt dafür, dass die Zusage gegenüber der Nebenintervenientin auf diese Kosten beschränkt worden wäre.

[3] 2.2 Wenn die Revisionswerberin meint, für eine Haftung aus der Finanzierungszusage fehle eine „übereinstimmende Absicht der Vertragsparteien“, so übersieht sie, dass die Klägerin im hier zu entscheidenden Drittschuldnerprozess die Forderung der Nebenintervenientin aus der von der Beklagten erhaltenen Finanzierungszusage geltend macht (vgl dazu etwa RS0003868 [T2]). (Fehlende) Zusagen der Beklagten gegenüber der Klägerin sind daher ohne Relevanz.

[4] 3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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