OGH 3Ob82/14a

OGH3Ob82/14a20.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek und die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. P*****, Rechtsanwalt, *****, als Insolvenzverwalter in der Insolvenz über das Vermögen der K***** GesmbH (FN *****), ***** (AZ ***** des Landesgerichts *****), vertreten durch Imre & Schaffer Rechtsanwälte OG in Gleisdorf, gegen die beklagte Partei Steiermärkische Gebietskrankenkasse, Graz, Josef Pongratz-Platz 1, vertreten durch Dr. Helmut Destaller und Dr. Gerald Mader, Rechtsanwälte in Graz, wegen 105.145,90 EUR (Revisionsinteresse 105.062,35 EUR), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 7. März 2014, GZ 2 R 195/13h‑15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 30. September 2013, GZ 15 Cg 7/13x‑11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.147,18 EUR (darin 357,86 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde mit Beschluss des Landesgerichts ***** vom 21. Juni 2012, *****, zum Insolvenzverwalter in der Insolvenz über das Vermögen der K***** GesmbH (im Folgenden: „Schuldnerin“) bestellt.

Betreffend die im Dezember 1994 errichtete Schuldnerin waren bereits mehrfach Insolvenzverfahren anhängig. Sie verfügte seit jeher bloß über ein Haben-Konto, weil ihr die Banken mangels bestehender Kreditwürdigkeit keine Kredite gewährten. Der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin ‑ sie war im Geschäftszweig Fenster, Sonnenschutz, Rollos und dergleichen tätig ‑ fand nur während der warmen Jahreszeit statt. Die Zahlungseingänge begannen jeweils etwa ab Mai und dauerten bis November/Dezember. Bereits in den vergangenen Jahren hatte die Schuldnerin größere Zahlungen an ihre Gläubiger ‑ so auch an die nun beklagte Gebietskrankenkasse ‑ im Zeitraum November/Dezember geleistet. In der Vergangenheit musste die Schuldnerin monatlich etwa 10.000 bis 11.000 EUR an Beiträgen für die bei ihr beschäftigten Dienstnehmer an die beklagte Partei zahlen; in Sonderzahlungsmonaten fielen Beitragszahlungen von rund 16.000 EUR an.

Aufgrund der (konkreten) Entwicklung des Beitragsrückstands auf 87.062,26 EUR per 21. November 2011 ‑ trotz ständiger Warnungen und obwohl vorher bereits Exekutionsverfahren anhängig gemacht worden waren ‑ hatte die beklagte Partei spätestens am 21. November 2011 den Verdacht, dass die Schuldnerin allenfalls zahlungsunfähig sei. Die beklagte Partei stellte am (richtig) 21. November 2011 beim Landesgericht ***** zu ***** den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und brachte dazu vor, dass ihr die Antragsgegnerin aufgrund des vollstreckbaren Rückstandsausweises vom 21. November 2011 87.062,26 EUR zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen schulde. Für die seit Juni 2011 anhängigen Fahrnisexekutionen lägen keine Vollzugsberichte vor. Da trotz ständiger Mahnungen und Exekutionsführungen der Saldo steige, sei von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen; diese ergebe sich auch aus dem Zeitraum, aus dem die Rückstände stammten (zum Beispiel Beitragsreste aus 2010). Realvermögen sei nicht vorhanden.

Das Insolvenzgericht beraumte für den 21. Dezember 2011 eine Tagsatzung an, zu der es die beklagte Partei lud, ihr aber das Erscheinen frei stellte. Die beklagte Partei kam zu dieser Tagsatzung nicht. Im Protokoll dieser Tagsatzung wurde festgehalten:

„Es wurde alles bezahlt, eine Bestätigung des Gerichtsvollziehers wird vorgelegt und zum Akt genommen. Aus dieser geht nicht hervor, ob tatsächlich alles bezahlt ist. Bei der GKK gibt es noch einen Rückstand von EUR 48.000,00. Die Antragsgegnerin betreibt einen Handel mit Fenstern, Türen und Rolläden. Die Antragsgegnerin wird binnen zehn Tagen einen Eigenantrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen. Die Antragsgegnerin wird nach § 70 Abs 4 IO belehrt.“

Daraufhin kalendierte das Insolvenzgericht die Akten mit 10. Jänner 2012 („Eigenantrag“). Das Protokoll der Tagsatzung vom 21. Dezember 2011 wurde der beklagten Partei nicht zugestellt.

Beginnend mit 21. November 2011 leistete die Schuldnerin bis zum 30. Dezember 2011 auf offene und fällige Beitragsforderungen folgende Zahlungen:

am 21. November 2011 19.835,04 EUR

am 21. Dezember 2011 18.900,84 EUR

am 23. Dezember 2011 4.320,27 EUR

am 28. Dezember 2011 11.130,93 EUR

am 30. Dezember 2011 11.793,32 EUR

am 30. Dezember 2011 21.846,83 EUR

am 30. Dezember 2011 17.374,46 EUR

Die Schuldnerin hat diese Zahlungen nicht direkt an die beklagte Partei geleistet; vielmehr wurden sie im Exekutionsweg hereingebracht. Ein Gesamtbetrag von 105.145,90 EUR wurde vom Gerichtsvollzieher an die beklagte Partei „weitergeleitet“.

Im November/Dezember 2011 waren außerdem noch Exekutionsverfahren von anderen Gläubigern der Schuldnerin anhängig, in denen Forderungen von insgesamt rund 40.000 EUR betrieben wurden. Neben den Zahlungen an die beklagte Partei berichtigte die Schuldnerin auch diese in Exekution gezogenen Forderungen, sodass zufolge der Zahlungen der Schuldnerin letztlich alle anhängigen Exekutionsverfahren eingestellt wurden. Das Geld für alle diese Zahlungen stammte aus den damals laufenden Umsätzen der Schuldnerin.

In dem Zeitraum, in dem all diese Zahlungen geleistet wurden, bestanden auch noch weitere fällige Forderungen gegenüber der Schuldnerin.

Nach Eingang der Zahlung vom 21. November 2011 übermittelte die beklagte Partei der Schuldnerin und dem Insolvenzgericht ein Schreiben mit folgendem Inhalt:

„Nach Einbringung unseres Insolvenzantrages ist eine (sind) Zahlung(en) von insgesamt EUR 19.836,04 bei uns eingelangt. Diese ist (sind) im Falle einer Insolvenzeröffnung nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung anfechtbar. Die Kasse erklärt daher ausdrücklich, die angeführte(n) sowie auch allfällige weitere Zahlungen vorläufig nicht als schuldbefreiend auf Ihrem Beitragskonto zu verbuchen. Wir werden diese auf ein Sonderkonto buchen und selbstverständlich ‑ im Sinne der Bestimmungen der §§ 1412 f ABGB ‑ dann als schuldbefreiend annehmen, wenn das Gericht unseren Antrag abgewiesen hat, weil es ‑ unter Berücksichtigung uns nicht zugänglicher Informationen ‑ zu dem Schluss gelangt ist, dass Ihr Unternehmen zahlungsfähig ist. Im Falle einer Abweisung unseres Insolvenzantrages werden wir prüfen, ob die Zahlung(en) ausreicht (ausreichen), um den aushaftenden Beitragsrückstand (unter Berücksichtigung der laufenden Beitragsbelastungen) zur Gänze abzudecken. Der Beitragsrückstand beträgt zur Zeit EUR 87.062,26, wobei die nach Konkursantragstellung überwiesenen Beträge nicht berücksichtigt sind. Da die Zahlung(en) nicht schuldmindernd verbucht wird (werden), ist zur Zeit weder eine Einstellung der Exekutionsverfahren, noch eine Zurückziehung des Insolvenzantrages möglich. Vielmehr wird das Gericht von Amts wegen zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorliegen oder nicht.“

Nach den weiteren Zahlungseingängen übermittelte die beklagte Partei der Schuldnerin und dem Insolvenzgericht inhaltlich gleichlautende Schreiben. Es kann nicht festgestellt werden, dass die beklagte Partei jeweils tatsächliche Umbuchungen der Zahlungen der Schuldnerin auf ein Sonderkonto durchführte.

Die Zahlungen der Schuldnerin an die beklagte Partei erfolgten ‑ ebenso wie ihre Zahlungen an die übrigen Gläubiger, die ihre Forderungen exekutiv betrieben ‑ in der Absicht, durch diese Zahlungen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über die Schuldnerin hintanzuhalten. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Schuldnerin anlässlich der an die beklagte Partei geleisteten Zahlungen (November und Dezember 2011) bewusst war, dass das Unternehmen nicht mehr saniert werden kann und es voraussichtlich zur Insolvenzeröffnung kommen werde. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Geschäftsführer der Schuldnerin die Absicht hatten, mit diesen Zahlungen andere Gläubiger der Schuldnerin zu benachteiligen.

Im Zeitraum dieser Zahlungen kam es zwischen einer Geschäftsführerin der Schuldnerin und dem zuständigen Mitarbeiter der beklagten Partei zu Telefongesprächen. Dabei erkundigte sich die Geschäftsführerin, ob der Insolvenzeröffnungsantrag im Fall von Zahlungen zurückgezogen werden könnte. Der Mitarbeiter der beklagten Partei teilte ihr daraufhin mit, dass im Fall einer Tilgung der Forderungen der beklagten Partei eine unterbleibende Insolvenzeröffnung für die beklagte Partei „in Ordnung gehe“. Es kann nicht festgestellt werden, dass er ihr mitteilte, dass der Insolvenzeröffnungsantrag zurückgezogen werde. Dieser Mitarbeiter der beklagten Partei erkundigte sich anlässlich dieser Kontakte nicht über die wirtschaftliche Situation der Schuldnerin.

In einem Aktenvermerk vom 11. Jänner 2012 hielt das Insolvenzgericht fest, dass der genannte Mitarbeiter der beklagten Partei dem Insolvenzgericht mitteilte, es seien Beträge am Konto eingelangt und es bestünden keine Einwände gegen eine Antragsabweisung.

Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluss vom 11. Jänner 2012, *****, wies das Insolvenzgericht den Eröffnungsantrag der beklagten Partei mit der Begründung ab, die Antragsgegnerin habe die antragsgegenständliche Forderung bereinigt und durch Urkunden bescheinigt, dass sie ‑ soweit überblickbar ‑ ihre finanziellen Belange jetzt geordnet habe.

Nach Zustellung dieses Beschlusses nahm die Beklagte die Zahlungen an und war ab dem 17. Jänner 2012 nicht mehr bereit, diese an die Schuldnerin herauszugeben.

Die Schuldnerin war zumindest ab 21. November 2011 zahlungsunfähig und insolvenzrechtlich überschuldet.

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 21. Juni 2012 erfolgte über Eigenantrag der Schuldnerin.

Das Erstgericht wies die am 19. Februar 2013 eingebrachte, auf Zahlung von 105.145,90 EUR an die Masse gerichtete Anfechtungsklage ab. In seiner rechtlichen Beurteilung verneinte es aufgrund der entsprechenden Negativfeststellungen die Benachteiligungs‑ und Begünstigungsabsicht. Die beklagte Partei als Gläubigerin und Zahlungsempfängerin sei berechtigt gewesen, eine von einer aussichtsreichen Anfechtung bedrohte Zahlung zurückzuweisen und vorhandene Sicherheiten in Anspruch zu nehmen. Angesichts der jeweiligen Schreiben der beklagten Partei auf die Zahlungseingänge sei es nicht zu einer Tilgung im Sinne des § 1412 ABGB gekommen; die Zahlungen seien vielmehr zur Disposition der Schuldnerin gehalten worden. Die beklagte Partei habe auf den Inhalt des abweisenden Beschlusses und somit darauf vertrauen können, dass die Voraussetzungen für eine Insolvenzeröffnung nicht vorlägen. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, an der Tagsatzung vom 21. Dezember 2011 teilzunehmen. Im Übrigen stelle die Fähigkeit zur Zahlung größerer Beträge in relativ kurzer Zeit durchaus einen Hinweis auf eine gewisse Liquidität dar. Die beklagte Partei habe daher davon ausgehen können, dass die Schuldnerin gegen Ende des Jahres größere Zahlungen verbucht habe, die ihr die Zahlungen an die beklagte Partei ermöglicht hätten. Aus den ihr bekannten Umständen habe die beklagte Partei auch nicht auf eine allenfalls noch bestehende Zahlungsunfähigkeit schließen müssen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers schon aufgrund seiner Rechtsrüge statt und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es die von der Schuldnerin an die beklagte Partei geleisteten Zahlungen im Umfang von insgesamt 105.062,35 EUR gegenüber den Gläubigern im Insolvenzverfahren über das Vermögen der K***** GesmbH für unwirksam erklärte und die beklagte Partei verpflichtete, dem Kläger zugunsten der Insolvenzmasse 105.062,35 EUR zu zahlen. Rechtskräftig abgewiesen wurde das Mehrbegehren auf Unwirksamerklärung einer Zahlung der Schuldnerin von 83,55 EUR und auf Zahlung dieses Betrags an den Kläger zugunsten der Insolvenzmasse.

An die Sorgfaltspflicht der beklagten Partei als Großgläubigerin seien in Bezug auf die Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit (§ 31 Abs 1 Z 2 1. Fall IO) strengere Maßstäbe anzulegen. Sozialversicherungsträger seien zu Nachforschungen verpflichtet, wenn die Höhe des Rückstands in kurzer Zeit rasch ansteige und Zahlungen nur noch im exekutiven Weg einbringlich gemacht werden könnten.

Zwar habe der Oberste Gerichtshof zu 1 Ob 75/97d entschieden, dass aufgrund der von einem Sozialversicherungsträger geäußerten Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der geleisteten Zahlung und dessen Erklärung, zu deren Annahme nur bereit zu sein, wenn die Schuldnerin den unverzüglichen Nachweis ihrer Zahlungsfähigkeit erbringe, die Schuldnerin mit angefochtenen Überweisungen ihre Beitragsschulden nicht erfüllt habe (sodass die angefochtene Rechtshandlung [Zahlung] erst mit der Annahme der Zahlungen und der damit verbundenen Schuldtilgung als vorgenommen anzusehen sei). Im vorliegenden Fall sei allerdings unstrittig, dass die Schuldnerin die angefochtenen Zahlungen nicht direkt an den Sozialversicherungsträger geleistet habe; sie seien vielmehr im Exekutionsweg hereingebracht worden, indem sie vom Gerichtsvollzieher an die beklagte Partei „weitergeleitet“ worden seien. Die Wegnahme von Geld durch den Gerichtsvollzieher zugunsten eines einzigen Gläubigers wirke als (Teil-)Zahlung des Verpflichteten (§ 261 Abs 1 EO). Eine auf diese Weise exekutiv erwirkte Zahlung könne vom betreibenden Gläubiger auch dann nicht zurückgewiesen werden, wenn damit nur ein Teil der betriebenen Forderung getilgt werde (3 Ob 58/06k). Da die vom Gerichtsvollzieher der Schuldnerin „abgenommenen“ Beträge im Umfang des Zahlungseingangs beim betreibenden Gläubiger die (Teil-)Tilgung der Schuld der verpflichteten Partei (Schuldnerin) bewirkten, sei der beklagten Partei eine von der Entscheidung über ihren Insolvenzeröffnungsantrag abhängig gemachte Disposition der Annahme nicht zur Verfügung gestanden.

Auch wenn die beklagte Partei nicht verpflichtet gewesen sei, die für den 21. Dezember 2011 anberaumte Einvernahmetagsatzung (§ 70 IO) zu besuchen, wäre es ihr im Rahmen der sie treffenden strengeren Sorgfaltspflicht oblegen, sich über die Ergebnisse der Tagsatzung vom 21. Dezember 2011 zu erkundigen, weil sie bis zu diesem Zeitpunkt schon aufgrund ihres Insolvenzeröffnungsantrags davon ausgegangen sei, dass die Antragsgegnerin zahlungsunfähig sei. In diesem Fall hätte sie davon Kenntnis erlangt, dass die Antragsgegnerin erklärt habe, binnen zehn Tagen einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens einzubringen. Bei diesem Informationsstand über die wirtschaftliche Situation der Antragsgegnerin hätte sie auch bis zum 30. Dezember 2011 keineswegs Zahlungsfähigkeit annehmen dürfen; gerade dieser von der Antragsgegnerin in Aussicht gestellte, innerhalb von zehn Tagen einzubringende Eigenantrag indiziere die Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der jeweils vorgenommenen Zahlungen. Somit wäre der beklagten Partei zum Zeitpunkt der jeweils angefochtenen Rechtshandlungen aus dem Zeitraum von 21. November bis 30. Dezember 2011 die zumindest seit 21. November 2011 bestehende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erkennbar gewesen, weshalb der auf § 31 Abs 1 Z 2 1. Fall IO gestützte Anfechtungsanspruch grundsätzlich berechtigt sei.

Die schon in der Klage enthaltene und sich später fortsetzende rechnerische Unschlüssigkeit (rechnerisch ergeben die einzelnen Beträge nämlich die Summe von 105.201,69 EUR) sei insofern unbeachtlich, als der Kläger angesichts einer von ihm angestrebten Zusatzfeststellung übereinstimmend mit dem Zugeständnis der beklagten Partei davon ausgehe, dass der Gerichtsvollzieher der beklagten Partei insgesamt nur 105.062,35 EUR weitergeleitet habe.

Die Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Rechtsfrage der Wirkung einer Zurückweisungserklärung im Sinne der §§ 1412 f ABGB bei einer im Exekutionsweg hereingebrachten Geldforderung im Rahmen des Anfechtungsrechts fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des klageabweisenden Ersturteils.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus Gründen der Klarstellung zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

In ihrer Revision rückt die beklagte Partei in den Vordergrund, dass bei anfechtbaren Zahlungen an den Gläubiger kein Unterschied bestehe, ob die Zahlungen außerhalb oder im Rahmen eines Exekutionsverfahrens geleistet würden. In beiden Fällen käme es nicht zu einer endgültigen Schuldtilgung. Entscheidend sei die Anfechtbarkeit. Der Gläubiger sei berechtigt, ‑ wie hier ‑ anfechtbare Zahlungen als nur vorläufig und nicht endgültig geleistet zu betrachten und dem Schuldner zur Disposition zu stellen, bis das Insolvenzgericht über den Insolvenzeröffnungsantrag entschieden habe.

Die Auffassung, die beklagte Partei sei verpflichtet gewesen, sich über die Ergebnisse der Tagsatzung vom 21. Dezember 2011 zu erkundigen, sei unhaltbar, weil der Partei damit ein höherer Sorgfaltsmaßstab aufgebürdet würde als dem Gericht, das (selbst bei Zurückziehung eines Gläubigerantrags) von Amts wegen zu prüfen habe, ob die Voraussetzungen für eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorlägen oder nicht; auf die Wahrnehmung dieser Prüfpflicht habe die beklagte Partei vertrauen können. Abgesehen davon habe die Schuldnerin ihre Ankündigung eines Eigenantrags nicht wahr gemacht; trotzdem habe das Insolvenzgericht nach Ablauf des angekündigten Zeitraums am 11. Jänner 2012 einen Abweisungsbeschluss gefasst, aus dem die Absicht, einen Eigenantrag zu stellen, nicht hervorgegangen sei.

Dazu wurde erwogen:

1. Der Schuldner ist nicht bloß verpflichtet, dem Gläubiger den geschuldeten Betrag in irgendeiner Weise ‑ und sei es bloß auch nur vorübergehend ‑, sondern die den Schuldinhalt bildende Leistung endgültig zu verschaffen. Das aber ist gerade bei anfechtbaren oder angefochtenen Zahlungen nicht der Fall, weil es sich in Wahrheit um eine bloße Scheinzahlung handelt (1 Ob 75/97d; Koziol , Kreditsicherheiten und Anfechtung der Erfüllung, JBI 1983, 517 [519]). Da (eventuell) anfechtbare Zahlungen dem Gläubiger nicht endgültig zu verbleiben drohen, kann er sie als „etwas anderes“ im Sinne des § 1413 ABGB zurückweisen (1 Ob 75/97d; Widhalm , Buchung auf ein Sonderkonto, Aufrechnung und Konkursanfechtung, ZIK 1998, 113). Mit der wirksamen Zurückweisungserklärung entsteht ein Bereicherungsanspruch des Schuldners auf Rückzahlung ( Reischauer in Rummel 3 § 1413 Rz 7); die Schuld des Schuldners bleibt aber weiterhin bestehen ( Stabentheiner in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.02 § 1413 Rz 2).

2. Die Ablehnung einer entgegen § 1413 ABGB geleisteten Zahlung muss allerdings uneingeschränkt erfolgen. Nach der Entscheidung 5 Ob 262/67 steht es nicht im Belieben des Gläubigers, sich die Verfügung über den als Zahlung geleisteten Betrag in der Weise vorzubehalten, dass er zum Zweck seiner künftigen Befriedigung ein Depot anlegt und daraus später die tatsächlichen oder behaupteten Forderungen nach seinem Gutdünken deckt. Die Tilgungswirkung tritt daher auch dann schon mit der Zahlung ein, wenn sich der Gläubiger die Verfügung über die Leistung vorbehält; im Vorbehalt des Gläubigers, später über das Geleistete zu verfügen, liegt bereits die Annahme des vom Schuldner Geleisteten (RIS-Justiz RS0033307).

Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei zwar erklärt, die erhaltenen Zahlungen nicht anzunehmen, aber gleichzeitig mitgeteilt, die Zahlungen auf ein Sonderkonto zu buchen und „selbstverständlich“ dann im Sinne der §§ 1412 f ABGB als schuldbefreiend anzunehmen, wenn das Gericht den Insolvenzantrag der beklagten Partei infolge Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin abgewiesen hat.

Die Tilgungswirkung ist daher bereits im Zeitpunkt der Zahlungen im November und Dezember 2011 eingetreten.

3. Demgemäß spielt für den Ausgang des Verfahrens keine Rolle, ob dem Kläger ein Zurückweisungsrecht gemäß § 1413 ABGB auch bei exekutiv hereingebrachten Beträgen zusteht, was konsequenterweise auch im Fall des § 261 Abs 1 EO bejaht werden muss: Nach dieser Bestimmung gilt die Wegnahme von Bargeld durch das Vollstreckungsorgan als Zahlung des Verpflichteten, wenn die Pfändung (nur) zugunsten eines Gläubigers stattfindet und das Vollstreckungsorgan das Geld an diesen Gläubiger gegen Quittung abliefert. Nach der Entscheidung 1 Ob 201/01t geht der abgenommene Geldbetrag nur in diesem Fall sofort in das Eigentum des Gläubigers über. Auch bei dieser Art der Zahlung (nach § 261 Abs 1 EO) verschafft der Schuldner dem Gläubiger die Leistung aber nicht endgültig, wenn die Leistungserbringung anfechtbar ist. Gerade das ist aber hier der Fall (siehe oben; 1 Ob 75/97d), weshalb es dem Gläubiger möglich sein muss, die Leistung als „etwas anderes“ als die geschuldete Leistung zurückzuweisen (§ 1413 ABGB).

4. In diesem Sinn sind hier bereits im Zeitraum von 21. November 2011 bis 30. Dezember 2011 schuldtilgende Zahlungen an die beklagte Partei im Sinne von § 1412 ABGB und § 261 Abs 1 EO geleistet worden. Der relevante Zeitpunkt für die Prüfung, ob der beklagten Partei Fahrlässigkeit in Bezug auf das Nichterkennen der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zur Last fällt, liegt daher bereits vor der Abweisung des Insolvenzantrags durch das Insolvenzgericht im Jänner 2012.

Im November und Dezember 2011 hielt die beklagte Partei selbst ihren Insolvenzantrag noch aufrecht, ging also selbst von Zahlungsunfähigkeit (oder insolvenzrechtlicher Überschuldung) der Schuldnerin aus; zudem kündigte die Schuldnerin in der Tagsatzung vom 21. Dezember 2011 einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens an.

Angesichts der dazu vorliegenden Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0064794) sind die Darlegungen des Berufungsgerichts zur Fahrlässigkeit der beklagten Partei, die keine weiteren Erkundigungen über die wirtschaftliche Lage der Schuldnerin eingeholt hat, zutreffend; auf die Richtigkeit dieser Ausführungen kann verwiesen werden (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

5. Der Revision der beklagten Partei ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung zugunsten des Klägers beruht auf §§ 50, 41 ZPO.

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