OGH 3Ob77/95

OGH3Ob77/9530.8.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei *****, vertreten durch Zamponi, Weixelbaum & Partner Rechtsanwälte OEG in Linz, wider die verpflichtete Partei *****, wegen Erwirkung der Einsicht in Urkunden, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 1.6.1995, GZ 6 R 114/95-15, womit die Exekutionsbewilligung des Landesgerichtes Steyr vom 13.4.1995, GZ 2 Cg 59/94h-11, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß er zu lauten hat:

1. Aufgrund des vollstreckbaren Teilanerkenntnisurteiles des Landesgerichtes Steyr vom 16.11.1994, GZ 2 Cg 59/94h-5, wird der betreibenden Partei wider den Verpflichteten zur Erwirkung des Anspruchs auf Gewährung der Einsicht in das Expensar und die Kostennoten betreffend die vor dem am 1.1.1994 angelegten Handakte der Rechtsanwaltskanzlei des Verpflichteten zur Überprüfung von dessen Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1992 und 1993 die Exekution bewilligt.

Die Entscheidung über den Antrag der betreibenden Partei, dem Verpflichteten die Gewährung der Einsicht binnen zwei Wochen aufzutragen und über ihn eine Geldstrafe für den Fall der Säumnis "anzuordnen", wird dem Exekutionsgericht vorbehalten.

Das Mehrbegehren, die Exekution auch zur Durchsetzung des Anspruchs der Ehefrau des betreibenden Gläubigers auf Gewährung der Einsicht zu bewilligen, wird abgewiesen.

2. Zur Hereinbringung der mit S 1.831,76 (darin S 216,96 Umsatzsteuer und S 530,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Exekutionsantrags und der weiteren Kosten des Exekutionsverfahrens wird der betreibenden Partei wider den Verpflichteten die Exekution durch Pfändung, Verwahrung und Verkauf der in der Gewahrsame des Verpflichteten befindlichen beweglichen Sachen und der im § 296 EO angeführten Papiere und Einlagebücher bewilligt.

3. Als Exekutionsgericht hat das Bezirksgericht Enns einzuschreiten."

Die betreibende Partei ist schuldig, dem Verpflichteten die mit zusammen S 5.957,76 (darin S 992,96 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekurses und Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Verpflichtete wurde in einem vom betreibenden Gläubiger gegen ihn geführten Rechtsstreit mit dem rechtskräftig gewordenen Teilanerkenntnisurteil des Erstgerichtes vom 16.11.1994, ON 6, schuldig erkannt, dem betreibenden Gläubiger und seiner Ehefrau Einsicht in das Expensar und die Kostennoten betreffend die vor dem 1.1.1994 angelegten Handakte der Rechtsanwaltskanzlei des Verpflichteten zur Überprüfung von dessen Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1992 und 1993 zu gewähren. Der betreibende Gläubiger beantragte beim Titelgericht zur Erzwingung des ihm und seiner Ehefrau gegen den Verpflichteten zustehenden Anspruch auf Gewährung der Einsicht in die im Exekutionstitel angeführten Urkunden die Bewilligung der Exekution durch Auftrag an den Verpflichteten, diese Einsicht binnen zwei Wochen nach Zustellung des Auftrags ihm und seiner Ehefrau zu gewähren, dies unter "Anordnung" von einer Geldstrafe für den Fall der Säumnis, und ferner die Bewilligung der Fahrnisexekution zur Hereinbringung der Kosten des Exekutionsantrags und der weiteren Exekutionskosten. Im Antrag wird als betreibende Partei nur der Name des Ehemanns und nicht auch der seiner Ehefrau angeführt.

Das Erstgericht bewilligte den Exekutionsantrag in Form eines Bewilligungsvermerks gemäß § 112 Abs 1 Geo.

Das Rekursgericht gab dem vom Verpflichteten gegen diesen Beschluß des Erstgerichtes erhobenen Rekurs nicht Folge und bestätigte die Exekutionsbewilligung "mit der Maßgabe", daß sie um den Satz "Die Bestimmung der Frist und die Androhung des Beugemittels bleiben dem Exekutionsgericht vorbehalten" ergänzt wird. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt und der Revisionsrekurs gemäß § 78 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig ist. Die Exekution zur Erwirkung der Einsicht in die Bücher sei nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RZ 1965,147) nicht nach § 355 EO, sondern nach § 354 EO zu bewilligen. Die Bestimmung der Frist und die Androhung des Beugemittels bleibe jedoch bei Bewilligung der Exekution durch das Titelgericht dem Exekutionsgericht vorbehalten. Dieser Vorbehalt fehle zwar in der angefochtenen Exekutionsbewilligung, doch habe das Bewilligungsgericht weder eine Frist gesetzt noch ein Beugemittel angedroht. Die Exekutionsbewilligung sei daher zur Verdeutlichung um den angeführten Vorbehalt zu ergänzen.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Verpflichteten gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichtes zulässig. Das Erstgericht hat den Exekutionsantrag des betreibenden Gläubigers ohne Einschränkung bewilligt. Es fällt darunter daher auch der Auftrag, die Einsicht in die Urkunden binnen zwei Wochen zu gewähren und die "Anordnung" (gemeint wohl: Androhung) einer, wenngleich der Höhe nach nicht bestimmten, Geldstrafe für den Fall der Säumnis. Das Rekursgericht hat hingegen die Entscheidung über diese Teile des Exekutionsantrags dem Exekutionsgericht vorbehalten. Ändert das Rekursgericht den Inhalt der erstgerichtlichen Entscheidung derart, daß Rechtskraft- und Bindungswirkung von der Entscheidung der ersten Instanz abweicht, liegt keine sogenannte Maßgabebestätigung vor (RZ 1972,185; Kodek in Rechberger, Komm ZPO Rz 4 zu § 528). Dies ist hier der Fall. Nur der vom Exekutionsgericht nach § 354 EO erlassene Bewilligungsbeschluß hat gleichzeitig neben einer Fristsetzung die Androhung des Beugemittels als Beginn des Vollzuges zu enthalten (§ 354 Abs 2 EO). Bewilligt das Titelgericht eine Exekution nach § 354 EO ist es somit weder zur Fristsetzung noch zur Androhung der zu verhängenden Strafe funktionell zuständig (Rechberger-Simotta, Exekutionsverfahren2 Rz 830). Vom unzuständigen Titelgericht angeordnete Vollzugsmaßnahmen sind nichtig (vgl für Strafbeschlüsse nach § 355 EO SZ 53/159 und SZ 55/178); das Rekursgericht hat somit der Sache nach einen Teil des erstgerichtlichen Beschlusses ersatzlos behoben, es hat dann den erstrichterlichen Beschluß nicht zur Gänze bestätigt, weshalb der Revisionsrekurs nicht gemäß § 78 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO und im Hinblick auf den Ausspruch des Rekursgerichtes über den Wert des Entscheidungsgegenstandes im übrigen auch nicht gemäß der Z 1 dieser Gesetzesstelle jedenfalls unzulässig ist. Die Zulässigkeit richtet sich somit nach § 528 Abs 1 ZPO. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung sind aber erfüllt, weil zur Frage der Erwirkung der Verpflichtung zur Gewährung der Einsicht in Urkunden nur eine schon ältere und nicht nähere begründete Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vorhanden ist, zu der überdies im Schriftttum eine abweichende Ansicht vertreten wurde. Der Revisionsrekurs ist auch teilweise berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung EvBl 1965/455 = RZ 1965, 147 die Meinung vertreten, daß die Exekution auf Gewährung der Bucheinsicht nach § 354 EO zu vollziehen sei. Er hat diese Ansicht allerdings nur durch den Hinweis auf die Entscheidung SZ 32/97 und auf Wahle (in Klang2 V 627) begründet. In der Entscheidung SZ 32/97 hatte sich der Oberste Gerichtshof nicht ausdrücklich mit der Frage zu befassen, mit welcher Exekutionsart der Anspruch auf Urkundeneinsicht durchzusetzen ist. Er entschied vielmehr nur die Frage, inwieweit bei der Bewilligung der Exekution zur Erzwingung der Gewährung der Bucheinsicht zu prüfen ist, ob die bereits gebotene Gelegenheit zur Einsicht ausreichend war. Da aber das Rekursgericht die Exekution nach § 354 EO bewilligt hatte und der Oberste Gerichtshof hiezu nicht weiter Stellung nahm, ist anzunehmen, daß er auch in diesem Punkt die Meinung des Rekursgerichtes teilte. Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Meinung stützen die in der Entscheidung noch bezogenen Ausführungen von Wahle ebenfalls die in der Entscheidung vertretene Auffassung, weil nach diesem Autor die Vorweisung der Belege und Bescheinigungsmittel, auf deren Grundlage eine Rechnung aufgestellt werden soll, als unvertretbare Handlung nur durch Exekution nach § 354 EO durchgesetzt werden kann. Gerade um die Vorweisung solcher Belege geht es aber bei der Gewährung der Einsicht. Unter Berufung auf die angeführten Entscheidungen vertreten auch Heller/Berger/Stix (III 2569) die Meinung, daß die Exekution auf Gewährung (Gestattung) der Bucheinsicht keine Exekution zur Erwirkung einer Duldung, sondern eine Exekution zur Erwirkung einer unvertretbaren Handlung sei. Dieser Auffassung sind ferner Torggler/Kucsko (in Straube, HGB2 Rz 22 zu § 118) und Rechberger-Simotta aaO Rz 829. In jüngerer Zeit hat allerdings Jabornegg (in Schwimann, Rz 5 zu § 1199) die Meinung vertreten, sachlich angemessen erscheine eine Herausgabeexekution analog §§ 346 ff EO, und es ist ihm Strasser (in Rummel2 Rz 6 zu § 1198) gefolgt. Dies entspricht auch der Auffassung, die in der Bundesrepublik Deutschland bei vergleichbarer Rechtslage zu dieser dort sehr umstrittenen Frage überwiegend vertreten wird (Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO53 Rz13 zu § 883; Schilken in MünchKomm ZPO Rz 7 zu § 883; Steffen in RGRK BGB12 Rz 8 vor § 809 je mwN).

Der erkennende Senat hält jedoch die in den Entscheidungen SZ 32/97 und EvBl 1965/455 = RZ 1965, 147 zum Ausdruck kommende Ansicht aufrecht. Die Exekution nach § 346 EO scheidet aus, weil der Exekutionstitel nicht auf Herausgabe der Urkunden, sondern bloß auf Einsicht in die Urkunden lautet (vgl SZ 38/218), und weil die nach dieser Bestimmung vollzogene Exekution dazu führen würde, daß der betreibende Gläubiger im Besitz der ihm vom Gerichtsvollzieher ausgehändigten Urkunden verbleibt. Dies ist aber durch einen bloß auf Gewährung der Einsicht in Urkunden lautenden Exekutionstitel nicht gedeckt (vgl Hüffer in MünchKomm BGB2 Rz 12 zu § 809).

Lautet der Exekutionstitel auf die Gewährung der Einsicht in bestimmte Urkunden, über die der Verpflichtete allein die Verfügungsmacht besitzt, so steht im Vordergrund, daß nur der Verpflichtete sie zur Einsicht zur Verfügung stellen kann. Ein Dritter kann daher ohne Mitwirkung des Verpflichteten die Einsicht nicht vornehmen, weshalb keine vertretbare Handlung vorliegt und daher die Exekution nicht nach § 353 EO geführt werden kann. Die vom Verpflichteten geschuldete Leistung besteht aber auch nicht bloß in der Duldung der Einsicht, weil darüber hinaus die einzusehenden Urkunden von ihm selbst zur Verfügung gestellt werden müssen. Aus diesem Grund kann auch nicht gemäß § 355 EO Exekution geführt werden. Bei dem Anspruch auf Einsicht in Urkunden, über die der Verpflichtete allein die Verfügungsmacht besitzt, handelt es sich vielmehr um einen Anspruch auf eine Handlung, die durch einen Dritten nicht vorgenommen werden kann und deren Vornahme zugleich ausschließlich vom Willen des Verpflichteten abhängt; sie ist deshalb nach § 354 EO zu erzwingen.

Ohne Bedeutung ist entgegen der vom Verpflichteten im Revisionsrekurs vertretenen Meinung, ob die einzusehenden Urkunden nur unter Verwendung von Arbeitskräften zur Einsicht zur Verfügung gestellt werden können. Abgesehen davon, daß dies nicht unerläßlich ist, sondern nur der Erleichterung der Aufgabe des Verpflichteten dient, handeln beigezogene Hilfskräfte im Auftrag des Verpflichteten und sind seine Erfüllungsgehilfen. Ihr Verhalten ist daher jenem des Verpflichteten gleichzustellen. Der Verpflichtete bezieht sich in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf Feil (EO3 Rz 4 zu § 354; im gleichen Sinn auch Holzhammer, Zwangsvollstreckungsrecht4 391 und Rechberger/Simotta, Exekutionsverfahren2 Rz 827), wonach unvertretbare Handlungen, die nicht ausschließlich vom Willen des Verpflichteten abhängen, jene sind, bei denen der Verpflichtete der körperlichen, geistigen oder finanziellen Hilfe eines Dritten bedarf, sofern diesen nicht eine Amtspflicht zur Mitwirkung trifft. Dies ist offensichtlich für den Fall gedacht, daß der Verpflichtete über die Mitwirkung des Dritten nicht bestimmen kann, es kann jedoch nicht auch für den Fall gelten, daß über die Mitwirkung allein der Verpflichtete entscheidet. In einem solchen Fall hängt die vorzunehmende Handlung auch dann ausschließlich vom Willen des Verpflichteten ab, wenn sie durch jemand anderen ausgeführt wird und dieser für den Verpflichteten handelt. Dies trifft aber bei der Gewährung der Einsicht in Urkunden zu.

Die Vorinstanzen haben daher zu Recht die Exekution nach § 354 EO bewilligt, wobei dem Rekursgericht auch darin beizupflichten ist, daß der Auftrag zur Vornahme der Handlung und die Androhung der für den Fall der Saumsal zu verhängenden Strafe immer dem Exekutionsgericht obliegt (Heller/Berger/Stix III 2573; Holzhammer, Zwangsvollstreckungsrecht4 390; Rechberger/Simotta, Exekutionsverfahren2 Rz 830). Die Vorinstanzen haben aber übersehen, daß sich zwar aus dem Exekutionstitel ein Anspruch auf Urkundeneinsicht sowohl für den Ehemann als auch für die Ehefrau ergibt, daß aber den Exekutionsantrag nur der Ehemann gestellt hat. Ihm fehlt jedoch für den Anspruch seiner Ehefrau die Antragslegitimation. Wenngleich dies im Revisionsrekurs nicht geltend gemacht wurde, war hierauf Bedacht zu nehmen und der Exekutionsantrag daher abzuweisen, soweit er den Anspruch der Ehefrau des betreibenden Gläubigers betrifft, weil aufgrund des zulässigen Rechtsmittels des Verpflichteten die rechtliche Beurteilung der Sache von Amts wegen in jeder Richtung zu prüfen war (vgl SZ 59/126; EF 52.251; EvBl 1985/154 je mwN).

Der Ausspruch über die Kosten beruht beim Exekutionsantrag auf § 74 EO, sonst auf § 78 EO iVm den §§ 41 und 50 ZPO. Die Kosten stehen auf der Grundlage der Hälfte des Wertes des betriebenen Anspruchs und somit auf der Grundlage von S 15.000 zu.

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