Spruch:
Falls der Gläubiger bei einer Bank ein Konto besitzt und mit dem Schuldner vereinbart, daß dessen Zahlungen auf das Postscheckkonto dieser Bank - zur Gutschrift auf das (Sub-)Konto des Gläubigers - vorzunehmen sind, ist der Verzug des Schuldners beendet, sobald die geschuldete Leistung bei der vom Gläubiger bezeichneten Bank - im Falle des Vorhandenseins von Filialen präziser bei der das Konto des Gläubigers führenden Filiale dieser Bank - einlangt. Ab diesem Zeitpunkt besteht für den Gläubiger jene Verfügungsmöglichkeit, die das für die Beendigung des Verzuges maßgebliches Kriterium bildet
OGH 20. Jänner 1973, 3 Ob 7/73 (LG Klagenfurt 2 R 502/72; BG Rosegg C 94/72 )
Text
Der nunmehrige Beklagte beantragte mit einem beim Erstgericht am 12. Mai 1972 um 8 Uhr eingelangten Exekutionsantrag, ihm auf Grund des gerichtlichen Vergleiches vom 15. März 1972 zur Hereinbringung der für Mai 1972 rückständigen Unterhaltsrate von 600 S sowie der ab 1. 6. 1972 jeweils am Monatsersten fällig werdenden Unterhaltsbetrage von monatlich je 600 S die Fahrnis- und Lohnexekution sowie die Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung gegen den nunmehrigen Kläger zu bewilligen.
Das Erstgericht bewilligte mit Beschluß vom 15. Mai 1972 die beantragte Exekution zur Hereinbringung des behaupteten Unterhaltsrückstandes zur Hereinbringung des laufenden Unterhaltes hingegen (richtig und unbekämpft) lediglich die Lohnexekution. Mit seiner gegen die gesamte Exekution gerichteten Klage obsiegte der Kläger rechtskräftig hinsichtlich des rückständigen Unterhaltsbetrages; im Revisionsverfahren war daher nur mehr strittig, ob die zur Hereinbringung der ab 1. Juni 1972 fällig werdenden Unterhaltsbeiträge bewilligte Lohnexekution aufrecht zu bleiben hat oder nicht.
Insoweit begehrte der Kläger die Unzulässigerklärung der Exekution, weil er den Unterhalt für Mai 1972 im Betrag von 600 S am 8. Mai 1972 mittels eines vom Vertreter des Beklagten zur Verfügung gestellten Posterlagscheines auf dessen Postscheckkonto eingezahlt und damit bereits ab diesem Tag kein Unterhaltsrückstand bestanden habe.
Der Beklagte beantragte Klagsabweisung, weil die Zählung für Mai 1972 erst am 15. Mai 1972, eingelangt sei.
Das Erstgericht gab auf Grund der vom Kläger vorgelegten Einzahlungsbelege dem Klagebegehren zur Gänze statt. Es stellte fest, daß der Kläger den Unterhaltsbetrag für Mai 1972 in Höhe von 600 S am 8. Mai 1972 "auf das Konto 459 des Beklagtenvertreters bei der Gewerbe- und Handelsbank, reg. Ges. m. b. H. in K" eingezahlt habe. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, bei postalischer Überweisung einer Geldforderung sei der Aufgabetag als Erfüllungstag anzusehen, daher habe bei Einbringung des gegenständlichen Exekutionsantrages kein Unterhaltsrückstand bestanden.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren auf Unzulässigerklärung der zur Hereinbringung der künftig fällig werdenden Unterhaltsbeträge bewilligten Exekution ab.
Es führte zunächst aus, erfahrungsgemäß liege zwischen der Einzahlung eines Geldbetrages im "Postanweisungsverkehr" und der "Verständigung" des Empfängers von der Gutschrift der überwiesenen Summe auf seinem Bankkonto ein Zeitraum von mindestens 3 Tagen, daher könne auch ohne ausdrückliche Feststellung des Erstgerichtes davon ausgegangen werden, daß der am 8. 5. 1972 um 17 Uhr (die Uhrzeit ist dem Poststempel des Einzahlungsbeleges zu entnehmen) eingezahlte Betrag am 12. Mai 1972 um 8 Uhr noch nicht im Besitz des Beklagtenvertreters gewesen sei, zumal der Kläger das Vorbringen des Beklagten über das Datum des Geldeinganges nicht bestritten habe.
In rechtlicher Hinsicht vertrat des Berufungsgericht die Auffassung, daß den Rechtsausführungen des Erstgerichtes nur für jene Falle beizutreten sei, in welchen der Schuldner innerhalb der Fälligkeitsfrist zahle; sei er hingegen in Verzug, so hebe erst der Empfang des überwiesenen Betrages durch den Gläubiger die bereits eingetretenen Verzugsfolgen auf. Da der Kläger am 8. Mai 1972 jedenfalls in Verzug gewesen und bei Beurteilung der Frage, ob eine Lohnexekution zur Hereinbringung künftig fällig werdender Unterhaltsbeträge aufrechtzuhalten sei, der Zeitpunkt der Einbringung des Exekutionsantrages maßgebend sei, sei die Exekutionsführung des Beklagten berechtigt gewesen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge, hob die Urteile der Vorinstanzen, soweit sie die Exekution zur Hereinbringung laufenden Unterhaltes betrafen, auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Zunächst ist dem Revisionswerber zuzugeben, daß im angefochtenen Urteil eine ausdrückliche Feststellung über den Zeitpunkt der Gutschrift des am 8. Mai 1972 eingezahlten Betrages auf dem Konto des Beklagtenvertreters bei der Gewerbe- und Handelsbank in K fehlt oder zumindest mangelhaft getroffen wurde, zumal aus Erfahrungen betreffend den "Postanweisungsverkehr" und den Zeitraum bis zur "Verständigung" nichts für den hier vorliegenden Fall abzuleiten ist, bei dem es sich nicht um eine Postanweisung, sondern um die Einzahlung auf ein Postscheckkonto handelt und bei dem es jedenfalls nicht auf die Verständigung des Gläubigers ankommt. Ferner kann die - übrigens zuwenig präzise - Prozeßbehauptung, die Zahlung sei erst am 15. Mai 1972 "eingelangt" (ist damit der Zeitpunkt der Gutschrift bei der Bank oder der diesbezüglichen Verständigung gemeint?), trotz Fehlens einer ausdrücklichen Bestreitung nicht als vom Kläger zugestanden (§ 267 Abs. 1 ZPO) angesehen werden, zumal dieser Umstand nach dem Inhalt des Protokolls über die Verhandlung vom 14. Juli 1972 im Verfahren erster Instanz unerörtert blieb (offenbar infolge der Rechtsansicht des Erstgerichtes, bei deren Richtigkeit diesem Umstand keinerlei Bedeutung zukäme).
Darüber hinaus ist auch der rechtlichen Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht nicht vollständig beizutreten, und zwar aus nachstehenden Gründen:
Richtig ist zunächst die Auffassung der Vorinstanzen, daß es bei Beurteilung der Frage, ob eine Exekutionsführung zur Hereinbringung künftig fällig werdender Unterhaltsbeträge im Sinne des § 6 Abs. 3 LohnPfG aufrecht bleibt oder nicht, falls der die Exekutionsfuhrung rechtfertigende Unterhaltsrückstand in der Folge bezahlt wird, nicht auf den sonst maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über, den Exekutionsantrag, sondern wegen des Sicherungscharakters besonderen Exekutionsart auf den Zeitpunkt der Antragstellung ankommt (ebenso SZ 26/19 u. a., zuletzt 3 Ob 112/72).
Im übrigen betreffen jedoch sowohl die vom Rekursgericht in erster Linie zitierte Entscheidung EvBl. 1962/451, bei welcher der bereits im Verzug befindliche Schuldner eine Postanweisung aufgab, als auch die vom Kläger zitierten Entscheidungen, einen anderen Sachverhalt; teils war die Einzahlung rechtzeitig (HS 6316), teils wurde die Frage eines allfälligen Unterschiedes bei Verwendung grüner bzw. grauer Erlagscheine erörtert (SZ 24/347 und JBl. 1968, 427 = HS 6736), teils unmittelbar bei jener Bank eingezahlt, bei welcher der Gläubiger ein Konto hatte (SZ 15/153 und HS 4255), teils die Zahlung nicht als wirksam angesehen (SZ 21/38 und 23/59).
Im vorliegenden Fall erfolgte nämlich die Einzahlung, wie aus dem als echt und richtig anerkannten Einzahlungsbeleg klar hervorgeht, auf das Postscheckkonto 53.256 der Österreichischen Postsparkasse an die Gewerbe- und Handelsbank in K als Empfänger, also nicht etwa auf ein vom Beklagtenvertreter selbst eröffnetes Postscheckkonto. Die Vermerke "(Scheck-(Giro-)Kto. Nr. 459" und "Dr. Paul M besagen lediglich, daß der (frühere) Beklagtenvertreter seinerseits bei der als Empfänger angeführten Bank ein (Sub-)Konto besitzt. Nicht der Beklagtenvertreter, sondern die Gewerbe- und Handelsbank in K steht somit hier in (unmittelbaren) Rechtsbeziehungen zur Österreichischen Postsparkasse. Schon deshalb kann daher im vorliegenden Fall der Auffassung des Erstgerichtes und des Klägers nicht beigetreten werden, daß der Verzug mit 8. Mai 1972 beendet gewesen sei, ganz abgesehen von den in EvBl 1962/451 angestellten Erwägungen. Andererseits ist für den Fall der Richtigkeit der Behauptung des Klägers über die Übergabe von Zahlscheinen zur Bezahlung der Unterhaltsbeträge eine konkludente Vereinbarung der Parteien des Inhaltes anzunehmen, daß die mit Vergleich vom 15. März 1972 festgesetzten Unterhaltsbeträge (bis auf weiteres) nicht unmittelbar an den Beklagten bzw. dessen Sachwalterin, sondern an den Beklagtenvertreter Dr. Paul M zu leisten seien, und zwar wiederum nicht an diesen persönlich, sondern auf sein Konto Nr. 459 bei der Gewerbe- und Handelsbank in K. Sobald daher die geschuldete Leistung bei dieser Bank - im Falle des Vorhandenseins von Filialen, präziser bei der das Konto des Dr. Paul M führenden Filiale dieser Bank (vgl. hiezu HS 1659, im vollständigen Abdruck Nr. 84) - einlangte, ist sie zufolge § 1424 ABGB als an den Gläubiger selbst erbracht anzusehen und damit der Verzug des Schuldners beendet. Ab diesem Zeitpunkt besieht auch jene Verfügungsmöglichkeit für den Gläubiger, welche - im Fall der Übersendung der Postanweisung tritt sie erst bei Ausfolgung an ihn oder an eine von ihm zum Empfang ermächtigte Person ein - die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung EvBl. 1962/451 (ebenso auch Heller - Berger - Stix, EOKomm.[4], 371) als für die Beendigung des Verzuges maßgebliches Kriterium ansieht. Ob sich die vom Gläubiger gemäß § 1424 ABGB bezeichnete Stelle, also hier - bei Vorliegen der beschriebenen Vereinbarung - die kontoführende Gewerbe- und Handelsbank in K, mit der Gutschrift eines bei ihr für den seinerzeitigen Beklagtenvertreter eingelangten Betrages auf dessen Konto mehr oder weniger Zeit läßt, betrifft bereits die Einflußsphäre des Beklagten als Gläubiger bzw. der von ihm beauftragten Personen und ist daher für die Beendigung der Verzugsfolgen ohne Bedeutung (ähnlich läge etwa der Fall, daß ein per Postanweisung gesendeter Betrag nicht vom Gläubiger selbst, sondern von einer durch ihn hiezu ermächtigten anderen Person in Empfang genommen und nicht sofort an den Gläubiger selbst weitergeleitet wird).
Für die rechtliche Beurteilung der Sache sind daher Feststellungen darüber nötig, ob dem Kläger entsprechend seinem Vorbringen Zahlscheine übergeben wurden (was als konkludente Vereinbarung im Sinne der vorstehenden Ausführungen anzusehen wäre) sowie wann der vom Kläger am 8. Mai 1972 eingezahlte Betrag bei der das Konto Nr. 459 des Dr. Paul M führenden Gewerbe- und Handelsbank in K eingelangt ist.
Da es zur Vornahme dieser Feststellungen einer ergänzenden Verhandlung in erster Instanz bedarf, waren im Umfang der Anfechtung sowohl das Urteil des Berufungsgerichtes als auch jenes des Erstgerichtes aufzuheben.
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