Spruch:
Überweisungen auf ein der freien Verfügung des Inhabers entzogenes Konto bei einem öffentlichen Kreditinstitut (Konversionskonto) sind nicht als Zahlung anzusehen.
Entscheidung vom 11. Juni 1947, 1 Ob 382/47.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision gegen das abändernde Urteil des Berufungsgerichtes Folge und stellte das erstrichterliche Urteil wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Entscheidungsgründe des Obersten Gerichtshofes:
Außer Streit steht, daß vom Beklagten mit Faktura vom 28. März 1945 ein Bretteltransporteur samt Zubehör an die Klägerin verkauft wurde und daß auf die Gesamtschuld der Klägerin an den Beklagten von
12.707 RM ein Betrag von 1620 RM zuviel eingezahlt wurde. Der Beklagte bracht vor, daß seine Verpflichtung zur Lieferung der genannten Ware erloschen sei, weil die Klägerin trotz der ihr von ihr zweimal erteilten Nachfrist ihrer Zahlungspflicht aus dem Vertrag nicht nachgekommen sei, weshalb er seinen Rücktritt vom Vertrage erklärt habe. Der am 10. Dezember 1945 von der Klägerin mittels Zahlkarte auf sein Postsparkassenkonto bewirkte Erlag von 7207 RM, die ihm auf sein Konversionskonto gutgeschrieben worden seien, in welchem Betrag auch der irrtümlich zweimal geleistete Teilbetrag von 1620 RM enthalten gewesen sei, könne nicht als ordnungsgemäßige Zahlung angesehen werden, weil sie auf das erwähnte Konto erfolgt sei. Das Erstgericht hat das Klagebegehren ohne Aufnahme von Beweisen mit der Begründung abgewiesen, daß die von der Klägerin am 10. Dezember 1945 auf das Postsparkassenkonto des Beklagten geleistete Zahlung mit Rücksicht auf die Bestimmungen des am 1. Dezember 1945 in Kraft getretenen Schillinggesetzes nicht als Erfüllung der Schuld angesehen werden könne. Daher sei der Beklagte mindestens durch seine zweite Erklärung vom 21. September 1946 rechtswirksam vom Vertrage zurückgetreten und zur Lieferung der Maschine nicht mehr verpflichtet. Auch der Anspruch auf Rückzahlung der 1620 RM sei unberechtigt, da auch dieser Betrag durch den Erlag auf das Konversionskonto des Beklagten nicht als bezahlt angesehen werden könne. Infolge Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht dieses Urteil dahin abgeändert, daß dem Klagebegehren stattgegeben wurde, indem es die Rechtsansicht aussprach, daß durch die Zahlung der Klägerin auf das Konto des Beklagten ihre Kaufschillingschuld getilgt und überdies die ziffernmäßig anerkannte Überzahlung von 1620 S geleistet worden sei.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die Revision aus dem Gründe der unrichtigen rechtlichen Beurteilung ergriffen und die Wiederherstellung des erstrichterlichen Urteiles beantragt. Die Klägerin bekämpft die Ausführungen der Revision und beantragt Bestätigung des angefochtenen Urteils.
Das Berufungsgericht ist bei seiner Entscheidung von der Anschauung ausgegangen, daß Zahlungen auf Postsparkassenkonto oder auf Konten bei anderen Geldinstituten im geschäftlichen Verkehr allgemein üblich seien. Wer ein solches Konto halte, gebe damit zu erkennen, daß er darauf geleistete Einzahlungen als unmittelbar an ihn erfolgt gelten lassen wolle. Auch der Beklagte wehre sich nicht dagegen, daß die Zahlung auf sein Postsparkassenkonto erfolgt sei, sondern nur dagegen, daß sie zu einer Zeit geschah, zu der infolge der Bestimmungen des Schillinggesetzes der erlegte Betrag nicht zu seiner freien Verfügung stand. Die Beschränkungen des Schillinggesetzes seien Maßnahmen des öffentlichen Rechtes, denen in seinem Geltungsbereiche alle Personen unterworfen seien. Wenn die Klägerin den Betrag vor Inkrafttreten des Schillinggesetzes auf das Postsparkassenkonto des Beklagten erlegt hätte, wäre sein Verfügungsrecht darüber, sofern der Betrag bei Inkrafttreten des Schillinggesetzes noch auf dem Konto gelegen wäre, denselben Einschränkungen unterworfen gewesen, wie sie nunmehr eingetreten sind. Die Wirkung solcher währungspolitischer Gesetzesvorschriften sind vom privatrechtlichen Standpunkt aus als ein Zufall anzusehen, welchen gemäß § 1311 ABGB. jene Person zu tragen habe, in deren Vermögen er sich ereignet.
Diesen Ausführungen des Berufungsgerichtes ist insoweit zustimmen, als sie davon ausgehen, daß die Führung eines Kontos bei einem öffentlichen Kreditinstitut im allgemeinen als eine Willenserklärung dahingehend anzusehen sei, daß der Inhaber des Kontos Zahlungen darauf als an ihn geleistet anerkennen wolle. Durch Überweisung auf ein Postsparkassenkonto ist also im allgemeinen eine Schuld an den Inhaber dieses Kontos im Sinne des § 1412 ABGB. als getilgt anzusehen. Die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichtes aber, die darauf hinauslaufen, daß die durch das Schillinggesetz eingeführten Beschränkungen als ein Zufall anzusehen seien, welcher sich im Vermögen des Kontoinhabers ereignete und daher von ihm getragen werden müsse, sind rechtsirrig, soweit es sich um Zahlungen handelt, die unter den Umständen wie die des vorliegenden Falles geleistet wurden. Der Beklagte hat die längst fällige Schuld der Klägerin noch vor Inkrafttreten des Schillinggesetzes eingemahnt und die Überweisung des Schuldbetrages verlangt. Er konnte in diesem Zeitpunkt nicht wissen, daß am 1. Dezember 1945 durch das Schillinggesetz eine Beschränkung in der Verfügung über sein Konto eintreten würde. Die Klägerin hat dagegen im Zeitpunkte der Zahlung von diesen Beschränkungen bereits Kenntnis gehabt und mußte daher wissen, daß eine Überweisung auf das Konto des Beklagten diesem nicht mehr zu unbeschränkten Verfügung stehen würde. Sie hat daher in Kenntnis dieses Umstandes überwiesen und damit bewußt einen Zustand herbeigeführt, welcher den Beklagten der freien Verfügung über den Schuldbetrag beraubte. Daß die Eröffnung und Haltung eines Kontos bei einem Kreditinstitut auch die Erklärung beinhalte, solche der freien Verfügung des Kontoinhabers entzogene Überweisungen anzuerkennen, kann nicht behauptet werden. Es kann auch nicht davon die Rede sein, daß diese Beschränkungen rechtlich als ein Zufall gewertet werden mußten, welcher den Beklagten getroffen habe und daher von ihm zu tragen sei. Die Klägerin hat vielmehr diesen Zustand bewußt verschuldet. Sie hat durch die Überweisung ihre eigenen, den Beschränkungen des Schillinggesetzes unterliegenden Guthaben vermindert und die Last der Beschränkungen, die sonst sie getroffen hätte, auf den Beklagten überwälzt. Die Wirkung dieser Überweisung ist daher im Vermögen des Beklagten nicht zufällig eingetreten, sondern von der Klägerin bewußt herbeigeführt worden. Die Überweisung der Klägerin kann daher die ihr vom Berufungsgerichte zuerkannte Wirkung nicht äußern, weil sie an sich nicht als Zahlung, das heißt als Tilgung der Schuld im Sinne des § 1412 ABGB., angesehen werden kann. Es erweist sich daher, daß die auf unrichtige rechtliche Beurteilung der Streitsache durch das Berufungsgericht gestützte Revision begrundet ist und das Urteil des ersten Richters der Rechtslage entsprach. Dieses war deshalb wiederherzustellen.
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