European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00059.22F.0428.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Der Kläger wirft dem erstbeklagten Arzt eine Verletzung der Dokumentationspflicht vor, die er darauf bezieht, dass dieser bei der Sonografie des linken Unterschenkels am 7. 11. 2016 keine Sonografiebilder angefertigt und gespeichert, sondern den Sonografiebefund nur schriftlich dokumentiert hat.
[2] 2. Nach den bindenden Feststellungen entspricht die Vorgangsweise des Erstbeklagten bei der Untersuchung und Befundung des Klägers, nämlich zuerst eine Röntgenuntersuchung durchzuführen und mittels Bild zu dokumentieren sowie anschließend daran gegebenenfalls eine Sonografie durchzuführen und diese (mangels pathologischer Veränderungen) mittels Befund schriftlich zu dokumentieren, den internationalen Richtlinien und dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Die Untersuchung durch den Erstbeklagten erfolgte lege artis. Es gab zu keinem Zeitpunkt der Untersuchung einen Hinweis auf einen bösartigen Tumor.
[3] Bei der Ermittlung des jeweiligen medizinischen Leistungsstandards handelt es sich ebenso um eine Tatfrage wie bei der Beurteilung, welche Maßnahmen im konkreten Einzelfall erforderlich bzw zweckmäßig gewesen wären (vgl 8 Ob 129/13y; 8 Ob 110/19p). Aus diesem Grund kann der Oberste Gerichtshof, der keine Tatsacheninstanz ist, entgegen der Ansicht des Klägers nicht generell und allgemein gültig beantworten, ob und wenn ja inwieweit im Zuge einer Sonografie Lichtbilder anzufertigen sind.
[4] 3. Bei der gegebenen Sachlage ist dem Erstbeklagten keine Verletzung der ärztlichen Dokumentationspflicht anzulasten. Dementsprechend kann sich der Kläger auch nicht auf die von ihm beanspruchte Beweiserleichterung stützen, wonach eine fehlende Dokumentation die Vermutung begründet, dass eine indizierte, aber nicht dokumentierte Maßnahme nicht getroffen wurde (vgl RS0026236 [T6]).
[5] 4. Mit dem Argument, dass ihm der Erstbeklagte aufgrund der fehlenden sonografischen Bilddokumentation die Möglichkeit genommen habe, dessen schriftlichen Sonografiebefund zu entkräften und ihm einen objektiven Sorgfaltsverstoß nachzuweisen, vermag der Kläger keine taugliche Haftungsgrundlage anzusprechen.
[6] Den von ihm in diesem Zusammenhang argumentierten Beweisnotstand leitet der Kläger aus dem behaupteten „sorgfaltswidrigen Verhalten des Erstbeklagten durch Unterlassung der Anfertigung von Sonografiebildern“ ab, was ihm die Beweisführung zum Vorliegen eines bösartigen Tumors bereits zum Zeitpunkt der Sonografie unmöglich gemacht habe. Damit macht aber der Kläger nichts anderes als die bereits verneinte Verletzung der Dokumentationspflicht geltend.
[7] Selbst wenn der Kläger die argumentierte Beweiserleichterung – ungeachtet der Dokumentation – auf das Übersehen eines bösartigen Tumors beziehen würde, wäre für ihn nichts gewonnen. Das Rechtsinstitut der „Nähe zum Beweis“ führt wie der Anscheinsbeweis zu einer Reduzierung des Beweismaßes. Eine in einem solchen Fall erleichterte Beweisführung kann vom Gegner durch zumindest gleich wahrscheinliche andere Gegebenheiten entkräftet werden (vgl RS0040272; RS0040266). Gelingt dem Beklagten – wie hier – sogar der zu einer positiven Feststellung führende Nachweis, dass es zu keinem Zeitpunkt der Untersuchung einen Hinweis auf einen bösartigen Tumor gab, so wäre umso mehr die vom Kläger geforderte Beweiserleichterung entkräftet.
[8] 5. Auf die Rechtsprechung, wonach unspezifische Auffälligkeiten, die eine Nachkontrolle indizieren, zu dokumentieren sind (vgl 8 Ob 134/01s und 8 Ob 10/03h), kommt der Kläger in der außerordentlichen Revision zu Recht nicht mehr zurück, zumal er sich auf das Unterbleiben einer sonografischen Bilddokumentation und das Übersehen eines bösartigen Tumors gestützt hat.
[9] 6. Insgesamt gelingt es dem Kläger mit seinen Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
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