OGH 3Ob587/86

OGH3Ob587/8630.7.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Klinger, Dr. Egermann und Mag. Engelmaier als Richter in der Außerstreitsache über die Bestellung eines Sachwalters für die behinderte Person Juliana H***, geboren am 3. Feber 1924, Rentenbezieherin, Grünegasse 34, 9010 Graz, vertreten durch Dr. Werner Schmidt, Rechtsanwalt in Graz, infolge ihres Revisionsrekurses gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichtes vom 5. Juni 1986, GZ 1 R 123/86-35, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 12. März 1986, GZ 16 SW 172/84-29, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Schweizer Bürgerin Juliana H*** übergab am 4.10.1974 ihrer Nichte Margit S*** die mit Wohnungseigentum an der Wohnung im Haus Grünegasse 34 in 8020 Graz verbundenen Liegenschaftsanteile gegen Einräumung des lebenslangen Fruchtgenußrechtes. In dem Rechtsstreit AZ 4 C 1071/83 des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz verlangte Margit S*** von Juliana H*** die Zahlung vorgeschossener Aufwendungen für die Liegenschaft, die von der Fruchtnießerin zu tragen seien. Die dort Beklagte fiel durch zahlreiche Eingaben mit beleidigenden Äußerungen auf. Der Prozeßrichter verständigte, weil sich bei der Partei Anzeichen für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 273 ABGB mit Beziehung auf den Rechtsstreit ergeben hatten, das Pflegschaftsgericht (§ 6 a ZPO idF nach Art. III SachwalterG).

Die Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich teilte am 12.6.1985 mit, die vom Zivilamtsgericht von Bern am 1.3.1963 angeordnete Vormundschaft nach Art. 369 ZGB für Juliana H*** sei seit 1979 aufgehoben und durch die Beistandschaft nach Art. 392 Z 1 und Art. 393 Z 2 ZGB mit Kilian H*** ersetzt, der zum Beistand bestellt und eingeladen wurde, die Interessen der Schutzbefohlenen allseits zu wahren und insbesondere ihre Renten zu verwalten. Durch die Beistandschaft sei ihre Handlungsfähigkeit nicht beschränkt. Es sei zu empfehlen, für die Führung von Prozessen einen Sachwalter beizugeben.

Das Erstgericht entschied, daß für Juliana H*** ein Sachwalter in der Person des Rechtsanwaltes Dr. Gerhard R*** bestellt wird, und umschrieb die Angelegenheiten, die der Sachwalter zu besorgen hat, mit der "Besorgung aller Angelegenheiten im Gebiet der Republik Österreich". Es stellte im wesentlichen auf Grund des Gutachtens des beigezogenen Sachverständigen fest, daß Juliana H***, die auch in Österreich einen Aufenthalt hat, an einer schizo-affektiven Psychose vorwiegend quärulatorisch-paranoiden Charakters leidet und während eines akuten Krankheitsschubes die Tragweite des Handelns nicht zu erkennen vermöge. Nach dem zufolge § 15 IPR-Gesetz anzuwendenden Art. 369 ZGB gehöre jede Person unter Vormundschaft, die infolge einer Geisteskrankheit oder Geistesschwäche ihre Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag, zu ihrem Schutz dauernd des Beistandes oder der Fürsorge bedürfe oder die Sicherheit anderer gefährde. Juliana H*** bedürfe vor allem zum Schutz ihrer Interessen einer Vertretung in dem anhängigen Rechtsstreit, doch sei es angezeigt, wegen der zunehmenden Schärfe ihrer beleidigenden Äußerungen und des aus den zahlreichen Eingaben hervorgehenden verworrenen Gedankenganges eine alle Angelegenheiten erfassende Sachwalterschaft (Vormundschaft nach § 369 ZGB) anzuordnen, wobei wegen des anzuwendenden inländischen Verfahrensrechtes auch die Bestellung des Sachwalters nach § 244 AußStrG ohne Rücksicht auf die Terminologie des zur Anwendung gelangenden ausländischen materiellen Rechts erfolgen müsse.

Diesen erstrichterlichen Beschluß hat die Betroffene mit Rekurs insoweit angefochten, als er über die Beigebung eines Beistandes für die Prozeßführung und den Abschluß von Vergleichen nach Art. 395 ZGB hinausgehe, weil es genüge, ihr einen Beirat zu geben. Das Rekursgericht gab diesem Rechtsmittel teilweise Folge. Es änderte den erstrichterlichen Beschluß in der Umschreibung der Angelegenheiten, die der Sachwalter zu besorgen hat, und im Kostenpunkt ab und betraute den Sachwalter mit der Verwaltung des im Gebiet der Republik Österreich befindlichen Vermögens der Betroffenen einschließlich der Vertretung in darauf bezughabenden Rechtsstreitigkeiten insbesondere zu 4 C 1071/83 des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz. Auch das Rekursgericht nahm die inländische Gerichtsbarkeit nach § 110 Abs 1 Z 2 und Z 3 JN als gegeben an, weil die Betroffene fallweise den Aufenthalt im Inland habe und es um dringende Maßnahmen gehe, die ihr im Inland gelegenes Vermögen betreffen, nämlich die Ausübung ihres Fruchtgenußrechts an dem mit Wohnungseigentum verbundenen Liegenschaftsanteil und den daraus entstandenen Prozeß. Erforderlich sei aber nicht eine alle im Inland zu besorgenden Angelegenheiten umfassende Vormundschaft nach Art. 369 ZGB, weil die Personensorge und eine allfällige bei Annahme einer Verschlechterung des Geisteszustandes gebotene weitergehende Einschränkung der Handlungsfähigkeit den Heimatbehörden in der Schweiz zu überlassen sei (§ 110 Abs 2 JN). Da dort eine Beistandschaft bestehe, reiche es aus, diese für den inländischen Bereich um die Funktion eines Beirates nach Art. 395 Z 1 ZGB zu erweitern. Die bloße Vertretung im Rechtsstreit sei aber ungenügend, weil zusätzliche Problemlösungen im Zusammenhang mit dem Fruchtgenußrecht der Betroffenen anstehen und daher die Verwaltung des Vermögens im Inland von der Beistandschaft nach Art. 393 Z 2 ZGB erfaßt werden müsse. Gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich die Betroffene, die nun wieder durch ihren bevollmächtigten Rechtsanwalt vertreten wird (ON 33 und ON 36), mit ihrem Revisionsrekurs. Sie bekämpft den teils bestätigenden, teils abändernden Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz nur insoweit, als der Kreis der vom bestellten Sachwalter zu besorgenden Angelegenheiten nicht auf die Vertretung in dem Rechtsstreit 4 C 1071/83 des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz und die Prozeßführung in sonst ihr Fruchtgenußrecht an der Eigentumswohnung betreffenden Rechtsstreitigkeiten beschränkt wurde. Sie meint, sie sei außerhalb dieses Bereiches durchaus zur Verwaltung ihres Vermögens in der Lage.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den folgenden Erwägungen nicht zulässig:

Zutreffend haben die Vorinstanzen erkannt, daß nach § 15 IPR-Gesetz in Verbindung mit Art. X Z 5 SachwalterG BGBl 1983/136 die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bestellung eines Sachwalters (früher Entmündigung) nach dem Personalstatut der Betroffenen zu beurteilen sind und daher das materielle Recht des Staates anzuwenden ist, dem die Betroffene angehört. Juliana H*** ist Schweizer Bürgerin. Eine Rück-oder Weiterverweisung liegt nicht vor (§ 5 IPR-Gesetz). Soweit es um die Beschränkung oder den Entzug der Handlungsfähigkeit durch behördliche Anordnung wegen geistiger oder körperlicher Schutzbedürftigkeit und um die Bestellung eines Aufsichtsorgans geht, knüpft § 15 IPR-Gesetz im Gleichklang mit der Beurteilung der Handlungsfähigkeit nach § 12 IPR-Gesetz und der Vormundschaft oder Pflegschaft nach § 27 Abs 1 IPR-Gesetz an das Personalstatut (§ 9 Abs 1 IPR-Gesetz) an, doch gilt der § 15 IPR-Gesetz nur für die Anwendung des materiellen Rechts. Die Voraussetzungen der inländischen Jurisdiktion und die Anerkennung ausländischer behördlicher Beschränkungen der Handlungsfähigkeit regelt hingegen das internationale Zivilverfahrensrecht (Schwimann, Grundriß des internationalen Privatrechts, 74). Dieses ist ein Teil des innerstaatlichen Verfahrensrechts (Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 2397) und grenzt im § 110 Abs 1 JN die inländische Gerichtsbarkeit in den im § 109 JN genannten die Bestellung des Sachwalters umfassenden Angelegenheiten ab. Die Annahme der einländischen Jurisdiktion begegnet wegen der Anordnung des § 110 Abs 1 Z 2 un Z 3 JN keinen Bedenken, weil es um dringende Maßnahmen geht, welche das im Inland befindliche Vermögen der Juliana H*** betreffen, die auch zumindest zeitweise ihren Aufenthalt im Inland hat.

Ist das Einschreiten des inländischen Gerichtes danach gedeckt, so ist allgemein anerkannt, daß grundsätzlich österreichisches Verfahrensrecht anzuwenden ist, auch wenn nach den Regeln des internationalen Privatrechts auf die Entscheidung der Sache ausländisches materielles Recht anzuwenden ist. Der räumliche Geltungsbereich des Verfahrensrechts hängt mit der inländischen Gerichtsbarkeit insoweit zusammen, als deren Regelung den Sachbereich umschreibt, in dem die österreichischen Gerichte zu entscheiden befugt sind (Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 129; SZ 49/3; SZ 49/158; ZfRV 1977, 123; Efslg 39.031 ua.). In diesem Verfahren kommt daher auch bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels die inländische Verfahrensrechtsregelung zur Anwendung. Die Entscheidung über die Bestellung des Sachwalters für eine behinderte Person ergeht im außerstreitigen Verfahren. Wird die Verfügung des Erstgerichtes vom Rekursgericht abgeändert, so kann dagegen der Rekurs an den Obersten Gerichtshof ergriffen werden, soweit es nicht um eine Entscheidung der zweiten Instanz über einen Beschwerdegegenstand, dessen Wert S 2.000,- nicht übersteigt, über die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche, über den Kostenpunkt oder über Gebühren der Sachverständigen geht (§ 14 Abs 1 und Abs 2 AußStrG). Hat aber das Rekursgericht den Beschluß des Erstrichters bestätigt, so findet nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität der Rekurs an den Obersten Gerichtshof statt (§ 16 Abs 1 AußStrG). Seit dem Jud 56 neu = SZ 24/235 wurde auch im Außerstreitverfahren immer wieder entschieden, daß ungeachtet der gesetzlichen Anordnung, die einen Hinweis auf die den Beschränkungen nach § 16 Abs 1 AußStrG unterliegende Anfechtung des bestätigenden Teiles der Rekursentscheidung enthält, weil § 14 Abs 1 AußStrG den Rekurs gegen die Abänderung beschreibt (Wort: "dagegen"; Michlmayr,

Zur ausdehnenden Auslegung des Jud. 56 neu, JBl 1955, 429), eine bloß teilweise bestätigende Rekursentscheidung nicht als bestätigend und daher die Rechtsmittelbeschränkung des § 16 Abs 1 AußStrG nur bei voll bestätigenden Rekursentscheidungen gelte, es sei denn, es handle sich um trennbare, verschiedene nicht in tatsächlichem oder rechtlichen Zusammenhang stehende Gegenstände betreffende bloß in einer Entscheidung zusammengefaßte Ansprüche (SZ 26/254; SZ 44/149; SZ 41/109; Efslg 44.628; Efslg 42.250 uva.). Diese Anwendung der Vorschriften über den Revisionsrekurs im Verfahren außer Streitsachen stützte sich auf den zweiten Rechtssatz des Jud. 56 neu = SZ 24/335, ein bloß teilweise bestätigendes Urteil habe nicht als bestätigendes Urteil im Sinne des § 502 Abs 3 ZPO idF vor der Zivilverfahrens-Novelle BGBl 1983/135 zu gelten. Nach dem Inkrafttreten dieser Novelle hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, daß diese Rechtsprechung nun nicht mehr aufrechterhalten werden kann, weil der Gesetzgeber der Zivilverfahrens-Novelle 1983 das ausdrücklich erklärte Ziel verfolgt hat, die Anfechtbarkeit teilweise bestätigender Entscheidungen abweichend von den Rechtssätzen des Jud 56 neu zu regeln, und daher auch die ausschließlich auf eine analoge Anwendung dieser Rechtssätze gestützte Auslegung der Vorschriften der §§ 14 und 16 AußStrG keinen Bestand haben könne (RZ 1984/84; RZ 1985/35; OGH 26.11.1984, 1 Ob 671/84; OGH 19.6.1985, 7 Ob 582/85).

Der Ansicht, daß seit dem Inkrafttreten der Zivilverfahrens-Novelle 1983 und der nun ausdrücklich von der Rechtsprechung abgehend geregelten Anfechtung des bestätigenden Teils von Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz (§ 528 Abs 1 Z 1 ZPO) für die allein auf die Rechtsprechung zur Beurteilung einer teilweise abändernden Entscheidung als nicht bestätigend gestützte Auslegung der Bestimmungen der §§ 14 und 16 AußStrG kein Raum bleibt, ist beizutreten. Es hat daher auch im Verfahren außer Streitsachen im Gleichklang mit den Prozeßgesetzen § 14 Abs 1 AußStrG nur für den abändernden (oder aufhebenden) Teil der Rekursentscheidung zu gelten. Der bestätigende Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung ist, ausgenommen im Fall eines durch den inneren Zusammenhang bedingten Ausschlusses der unterschiedlichen Behandlung, nur aus den Rechtsmittelgründen des § 16 Abs 1 AußStrG anfechtbar.

Der Revisionsrekurs der Betroffenen richtet sich aber nur gegen den Teil der Rekursentscheidung, mit welchem ihrem Rekurs nicht Folge gegeben wurde. Während der Erstrichter in die Umschreibung der vom Sachwalter zu besorgenden Angelegenheiten "alle Angelegenheiten" im Inland einbezog, grenzte das Rekursgericht den Kreis dieser Angelegenheiten viel weiter und zwar auf die "Verwaltung des inländischen Vermögens einschließlich der Vertretung in darauf Bezug habenden Rechtsstreitigkeiten" (nach Art. 392 Z 1, Art. 393 Z 2 und Art. 395/Z 1 ZGB) ein und gab damit insoweit dem Rekurs der Betroffenen Folge, lehnte es jedoch ab, die Umschreibung noch enger zu fassen und nur auf die Prozeßvertretung zu beschränken. Bei der Einbeziehung der Angelegenheiten der Vermögensverwaltung in Ansehung des im Inland befindlichen Vermögens (Fruchtgenußrecht an einem mit Wohnungseigentum verbundenen Liegenschaftsanteil) handelt es sich um konforme Entscheidungen der ersten und der zweiten Instanz. In Übereinstimmung mit dem Erstgericht und daher bestätigend verfügte das Rekursgericht, daß außer der Prozeßvertretung jedenfalls auch die Übertragung der Vermögensverwaltung auf den Beistand (=Sachwalter) stattfinden müsse.

Der Revisionsrekurs müßte daher dartun, daß dem Rekursgericht eine offenbare Gesetz- oder Aktenwidrigkeit unterlaufen ist oder daß eine Nichtigkeit vorliege. Das Vorbringen der Rechtsmittelwerberin erschöpft sich aber in ihrer Behauptung, sie benötige zwar den Sachwalter zur Vertretung im Rechtsstreit, die Einschränkung ihrer Vermögensverwaltung sei aber nach dem Ergebnis des Verfahrens nicht erforderlich. Sie macht damit keinen der im § 16 Abs 1 AußStrG allein zur Anfechtung des bestätigenden Teils der Rekursentscheidung berechtigenden Rechtsmittelgründe geltend. Der Revisionsrekurs ist daher nicht zulässig, weil er sich nicht auf einen der Gründe des § 16 Abs 1 AußStrG stützt.

Dies führt zur Zurückweisung des Rechtsmittels.

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